Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 4: Eine neue Gefahr --------------------------- Feuer! Überall um ihn her ist Feuer. Das ganze Land scheint zu brennen. Bäume gehen in Flammen auf und Steine beginnen erst zu glühen und dann zu schmelzen. Schon kommen ihm die verzehrenden Flammen immer näher. Er spürt sie auf seiner Haut und versucht sich mit der Hand vor der unerträglichen Hitze abzuschirmen. Doch die Flammen greifen nach seinen Haaren und seiner Kleidung und beginnen sie zu versengen. Das Atmen fällt ihm immer schwerer, das Feuer zehrt den ganzen Sauerstoff auf. Von seiner Kleidung ist inzwischen nichts mehr als ein Häuflein Asche über, doch die gierigen Flammen brennen immer weiter und fressen sich durch seine Haut. Er will schreien, doch er bringt keinen Ton heraus. Ihm fehlt die Luft. Er blickt zu Boden. Unter sich sieht er den Waldboden dahinfliegen. Er läuft, stolpert, torkelt und stürzt. Selbst das Gras unter ihm hat Feuer gefangen. Wild schlagen die Flammen ihm ins Gesicht. Hier kann er nicht liegenbleiben, er würde verbrennen. Schon jetzt hat das Feuer seine Haut völlig verbrannt und greift auf seine Gliedmaßen über. Er muss wieder hochkommen, bevor er nicht mehr in der Lage ist, sich zu bewegen. Unter größter Anstrengung kommt er wieder auf die Füße. Der Schmerz, der seinen Körper überflutet, ist kaum noch zu ertragen. Er läuft weiter. Was bleibt ihm anderes übrig? Irgendwo muss es doch einen Ausweg aus dieser Hölle geben. Irgendwo muss er doch Schutz finden können. Sein Blick fällt auf das verkohlte, blutende Fleisch an seinen Armen, doch noch immer vermag er nicht, seinem Schmerz Ausdruck zu verleihen. Er läuft weiter, einfach weiter. Jeder Schritt ist eine Tortur, doch er zwingt sich weiterzulaufen. Schritt um Schritt. Meile um Meile durch dieses Flammenmeer, dass ihm immer weiter das Fleisch von den Knochen brennt. Es kommt ihm wie eine Ewigkeit vor. Seine Lippen formen einen Namen; er bleibt ungehört. Auf einmal scheinen sich die Flammen vor ihm zu teilen und geben den Blick auf eine große, monströse Fratze frei. Das Gesicht kann er nicht erkennen, denn es liegt im Schatten, doch es hat tiefrote, glühende Augen und ein breites Maul mit langen spitzen Reißzähnen. Es grinst ihn boshaft an und dann beginnt es zu lachen. Es sagt etwas. Er versteht es nicht. Erneut wiederholt die Fratze ihre Worte. Noch immer kann er nichts verstehen. Nun schwillt das gruselige Gesicht zu immenser Größe an. Immer gewaltiger wird die Erscheinung. Die hochschlagenen Flammen scheinen seinen Körper zu bilden und das Ungetüm wächst noch immer weiter. Seine Augen sind nur noch zwei glühende, rote Punkte am Himmel, und ein Schatten, der bei all dem Feuer nicht vorhanden sein sollte, überzieht jetzt die riesige Gestalt. Unter dem boshaften Blick, kommt er sich klein und völlig unbedeutend vor. Er hat keine Chance. Mit ihm geht es ohnehin zu ende. Kraftlos bricht er zusammen. In diesem Moment schlängeln sich lodernde Arme aus den Flammen um ihn her hervor, und packen seine Gliedmaßen. Sofort verdoppelt sich der Schmerz, doch er ist schon zu schwach um sich auch nur unter Qualen aufzubäumen. Wieder ruft er einen Namen. Doch kein Laut kommt über seine Lippen. Stattdessen beginnen nun die feurigen Arme an ihm zu zerren und es besteht kein Zweifel daran, dass sie ihn jeden Augenblick in Stücke reißen werden. Das wird sein Ende sein. Endlich! Doch auf einmal beginnt sich der Himmel über ihm zuzuziehen und ein kalter Wind peitscht ihm ins Gesicht. Fast schon erschrocken, scheinen die Flammen um ihn her zu zittern und zu züngeln, doch es hilft nicht. Urplötzlich braust ein gewaltiger Sturm über das Land und in wenigen Augenblicken sind fast alle Flammen erloschen. Selbst die riesige, unheimliche Gestalt schaut furchtsam drein und als auf einmal der dunkle Himmel seine Schleusen öffnet und seine nasse Fracht in dicken Tropfen herniedergeht, da zerrinnt auch die furchteinflößende Fratze, und mit einem Zischen, das fast wie ein boshaftes Fauchen klingt, vergeht sie und verschwindet schließlich ganz. Nackt und verbrannt liegt er auf der kahlen Erde. Ein prasselnder Regen geht nun auf ihn hernieder und verschafft seinen gepeinigten Gliedern Kühlung. Er rührt sich nicht, doch das Atmen fällt ihm nun leichter, jetzt wo die heiße Luft nicht länger seine Lungen versengt. Er weiß nicht ob er noch lebt oder bereits tot ist. Es ist so still und er ist allein. So schrecklich allein! Wie in Zeitlupe zieht er nun die Gliedmaßen an und kauert sich verloren zusammen. Ich glaube, ich lebe noch. Ich lebe! Langsam schlägt Sesshomaru die Augen auf. Der Himmel ist verschwunden. Über sich nimmt er die Decke eines Hauses wahr. Langsam zieht er die Luft ein. Nein, das Atmen schmerzt nicht mehr. Reglos liegt er da und blickt zur Decke. Es kostet ihn ein wenig Überwindung, doch dann hebt er langsam seine linke Hand und überprüft den Zustand seines Körpers. Es überrascht ihn tatsächlich ein wenig, dass seine Haut unversehrt ist. Schweigend wendet er seine Finger hin und her. Die Zeit, als ihm nicht einmal das möglich gewesen war, ist inzwischen schon eine Weile her, doch der noch immer dumpf pochende Schmerz ist ihm immer noch lieber als das vollständige Fehlen des Arms. „Du bist ja wach, Sesshomaru-sama!“, vernimmt er auf einmal eine erleichterte Stimme. Es gibt nicht viele Personen, denen es gestattet ist, ihn zu duzen. Leicht dreht er den Kopf zur Seite. Da sitzt sie. Ein Mädchen, kaum größer als sein letzter Gegner, und doch ist ihm ihre Gesellschaft um ein vielfaches angenehmer. „Rin“, sagt er. Seine Stimme klingt etwas schwächer als beabsichtigt. Sofort strahlt das Mädchen über das ganze Gesicht. Dann wendet sie sich zu jemanden den er nicht sehen kann. „Er ist wach, Kaede-sama!“ Kurz darauf kommt ihm das Gesicht einer alten Frau in sein Sichtfeld. Kritisch beäugt sie ihn. „Na, langsam bekommt er wieder Farbe. Ich glaube er ist über den Berg“, stellt sie sachlich fest. Dann wendet sie sich an ihren Patienten. „Hast du noch Schmerzen?“ Sesshomaru ignoriert die unziemliche Anrede und unterzieht seinen Körper einer Überprüfung. Ja, Schmerzen verspürt er durchaus noch, doch im Verhältnis zu dem was hinter ihm liegt, sind sie kaum der Rede wert. Ein wenig steif setzt er sich nun auf. Sein rechter Arm fühlt sich ein wenig unbeweglich an, aber das mag auch von der Schiene herrühren, die man dort mit einem Verband fixiert hat. Ohne auf Kaedes Protest zu achten, zupft er die Bandage ab und lässt sie neben sein Lager fallen. Er macht probeweise einige Bewegungen. Nun ja, ganz ist der Bruch wohl noch nicht verheilt, aber es wird gehen. „Tut es noch weh?“, greift Rin nun wieder die Frage der Miko auf. „Es ist... erträglich“, antwortet der Daiyoukai nach kurzem Zögern. Dann blickt er sich aufmerksam um. Er befindet sich offenbar in der Hütte der alten Miko. Am hinteren Ende hat man ihm ein Lager bereitet und ihn darauf gebettet. Daneben bemerkt er eine zweite Schlafstelle und er hat eine starke Vermutung wem sie wohl gehört. Ansonsten ist das Haus, bis auf die schlichten Einrichtungsgenstände leer. Niemand sonst ist hier. Doch jetzt wo er behutsam die Luft einsaugt, bemerkt er auch die anderen Personen, die sich sicher draußen in der Nähe aufhalten. Langsam dämmert ihm, wo er sich befindet. Wie ist er hierhergekommen? Nachdem er inmitten des Kampfplatzes zusammengebrochen ist, kann er sich an nichts mehr erinnern. Nur an Bilder und Gefühle die alles andere als angenehm sind. Der Daiyoukai überlegt. Vermutlich war es sein Instinkt der ihn nach seinem Zusammenbruch bis hierher geführt hat. Warum gerade hierher, will er lieber nicht überlegen. „Du warst einen ganzen Tag lang bewusstlos“, erklärt Rin nun, „Dir ging es sogar noch schlechter als damals.“ Sie schluckt ein wenig beklommen. „Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht.“ Sesshomaru wendet ihr den Kopf zu. „Wir?“, fragt er, obwohl er die Antwort schon längst ahnt. „Ja, Inu Yasha und die anderen“, bestätigt das Mädchen seine Vermutung, „Als du herkamst, hattest du hohes Fieber. Inu Yasha musste dich in den Fluss legen, damit zu abkühlst. Dann hat Kaede-sama deine Verletzungen versorgt und du hast den ganzen Tag lang geschlafen. Du hast... immer wieder gestöhnt vor Schmerzen und um dich geschlagen“, unbehaglich blickt Rin zur Seite, „Inu Yasha musste dich fast die ganze Nacht festhalten.“ Zum ersten Mal zeigt nun das Gesicht des Daiyoukais eine Reaktion. Sesshomaru hebt erstaunt die Brauen. „Wo ist er?“, fragt er. Noch immer klingt seine Stimme etwas kratzig. „Draußen bei Kagome-sama“, gibt das Mädchen Antwort. Nun erhebt der Daiyoukai sich ein wenig unbeholfen, doch dann steht er aufrecht in der Hütte. „Geh es etwas ruhiger an!“, meldet sich Kaede noch einmal zu Wort, „Das dämonische Feuer in dir hat deinem Körper ziemlich zugesetzt. Es wird noch eine Weile dauern, bis er sich wieder völlig erholt hat.“ Schweigend wirft ihr der Daiyoukai einen Blick zu, doch dann geht er an ihr vorbei und verlässt die Hütte. Wie er vermutet hat. Sein Bruder und dessen Mikofreundin stehen in einiger Entfernung und blicken nun zu ihm hinüber. Scheinbar haben sie bereits auf ihn gewartet. Nun kommen die zwei direkt auf ihn zu. Für einen Augenblick stutzt Sesshomaru ein wenig. Über Inu Yashas linke Wange ziehen sich drei tiefe Kratzspuren. Ein wenig missmutig schaut der Hanyou zu ihm hinüber. Sesshomaru verzieht keine Miene. Wenn er nach Rins Schilderungen geht, hat er eine Ahnung was passiert sein mag. „Wie es scheint, geht es dir wieder besser“, begrüßt die junge Frau ihn. Sesshomaru verzieht innerlich das Gesicht. Wie kommen die Freunde seines Bruders nur immer dazu, ihn einfach zu duzen? Na schön, ihr sei es gestattet. „Hast du dich genügend erholt?“, fragt das Mädchen weiter. Mit einem leichten Nicken lässt sich Sesshomaru zu einer Antwort herab. „Sehr schön! Dann kann er uns ja vielleicht endlich verraten, was eigentlich passiert ist“, der Hanyou scheint noch immer ziemlich verstimmt zu sein. Zwei neugierige und erwartungsvolle Augenpaare schauen nun Sesshomaru an und zum ersten Mal wird es dem Daiyoukai ein wenig unbehaglich zumute. Er hat seine vernichtende Niederlage selbst noch nicht verwunden, und er würde lieber darauf verzichten, darüber zu sprechen. Aber die Angelegenheit ist einfach zu ernst, als dass es klug wäre, es für sich zu behalten. Wie aber kann er seinem Bruder davon erzählen, ohne nicht völlig das Gesicht zu verlieren? Unschlüssig blickt Sesshomaru zu Boden. Dann sagt er: „Ich war... einen Augenblick unachtsam. Ich habe nicht bemerkt, was er vorhat.“ „Wer?“, kommt die Frage seines Bruders, „Lass dir nicht immer alles aus der Nase ziehen.“ „Er nannte sich Katsuken“, antwortet Sesshomaru. Da ist es wieder dieses unbehagliche Gefühl bei dem Namen, als würde sein Gespür ihn auf irgendetwas hinweisen. Der Daiyoukai zieht leicht die Stirn kraus. Ihm ist so, als hätte er die Lösung bereit einmal in den Händen gehabt, doch nun ist sie ihm wieder entglitten. „Katsuken?“, fragt Inu Yasha skeptisch, „'Siegreicher Hund'? Hab ich nie gehört. Wer soll das sein?“ In diesem Augenblick weiten sich Seshomarus Augen unwillkürlich. Das ist es! Das war es, was ihm entfallen war. Aber wenn sich sein Verdacht erhärtet, dann bedeutet das ein mächtiges Problem. „Inu Yasha“, wendet er sich an den Hanyou, „Komm mit! Ich muss mit dir sprechen.“ „Nix da!“, lehnt der Hanyou entschieden ab, „Was immer du zu erzählen hast, kann Kagome auch hören.“ Der Daiyoukai seufzt innerlich. Manchmal ist es wirklich ermüdend, dass sein Bruder ihm bei jeder Kleinigkeit widersprechen muss. „Also gut!“, gibt er nach. Ihm steht noch nicht wieder der Sinn nach einer Auseinandersetzung. „Ich fand gestern einige leerstehende Dörfer“, beginnt er seine Erzählung, „Jemand hatte ihre Einwohner umgebracht und verschlungen. Nur noch ihre Knochen waren übrig.“ Nicht ohne eine gewisse Befriedigung registriert er, dass sich das Menschenmädchen die Hand vors Gesicht schlägt und erschrocken zusammenzuckt. „Ich ging der Sache nach und fand schließlich den Verursacher“, setzt der Daiyoukai seinen Bericht fort. „Es war ein Youkai mit der Gestalt eines Kindes. Er war gerade dabei eine Gruppe Mönche zu fressen. Ich stellte ihn zur Rede, doch er zeigte sich davon recht unbeeindruckt. Ich wollte ihn zur Verantwortung ziehen, doch es gelang ihm, Bakusaigas Angriff auszuweichen. Er ist unglaublich schnell. Dann... griff er mich an. Ich habe einen Moment zu lange gezögert, da hatte er bereits seine Klauen in meine Brust geschlagen. Sofort breitete sich seine unangenehme Hitze in meinem Körper aus. Ich kämpfte weiter. Schließlich jedoch... hatte er mich überwältigt.“ Aufmerksam verfolgen Inu Yasha und Kagome den nüchternen Bericht des Daiyoukais. Aus den Augenwinkeln beobachtet Sesshomaru die beiden. Ob sie auch nur die leiseste Ahnung davon haben, wie schwer es ihm fällt, davon zu berichten? Vermutlich nicht. „Letztendlich konnte ich ihn mit Bakusaiga vertreiben. Ich denke jedoch nicht, dass er dabei umgekommen ist“, schließt der Youkaifürst seinen Bericht. „Was geschah dann?“, fragt Kagome. Der Daiyoukai wirft dem Mädchen nun einen finsteren Blick zu. Es hat nicht den Anschein, als wollte er weiter mit der Sprache heraus. Inu Yashas Blick geht kurz von seinem Bruder hinüber zu Kagome und dann seufzt er. „Kagome du kannst ja schon mal Miroku und Sango davon erzählen. Ich komme dann gleich nach.“ Fast schon will die junge Frau zum Protest ansetzen, doch dann fällt bei ihr der Groschen. Sie wirft ihrem Freund einen durchdringenden Blick zu und lässt dann die beiden Brüder alleine. Gleich darauf wendet sich Inu Yasha wieder Sesshomaru zu. „Also schön! Sie ist weg. Raus mit der Sprache! Was ist los? Was hat dieser Kerl mit dir angestellt?“ Sesshomaru atmet mit geschlossenen Augen aus. „Inu Yasha“, sagt er ruhig, „Ich werde dir bestimmt nicht schildern, wie ich den vergangenen Tag erlebt habe, aber es genügt hoffentlich zu sagen, dass ich das wirklich niemandem wünsche, außer vielleicht diesem elenden, kleinen Bastard der mir das eingebrockt hat.“ „Aber wer, zum Geier, ist der Kerl eigentlich?“, fragt Inu Yasha. „Ich bin mir nicht sicher“, meint Sesshomaru, „Aber ich glaube er ist ein Inuyoukai.“ Inu Yasha hebt die Brauen. „Ein Hundedämon? Bist du sicher? Von welchem Clan?“ „Keiner den ich kenne“, gibt Sesshomaru zu, „Es war jedenfalls keiner von uns. Und es war auch weder einer aus dem Norden noch aus dem Osten.“ „Bei Yarinuyuki bin ich mir nicht sicher, aber Yaeba würde niemals einen von seinen Leuten ungefragt in unser Revier schicken.“ „Yaomonzurushi!“, korrigiert Sesshomaru seinen Bruder streng, „Du solltest dir seinen Namen endlich merken! Und ich sagte doch bereits, dass es keiner von ihnen war. Dieser Kerl war... anders. Die Augen und die Haarfarbe passen zu keinem mir bekannten Clan. Außerdem war er um ein beträchtliches Stück mächtiger als ich vermutet hatte. Er hat mich völlig kalt erwischt und mich sofort attackiert. Ich weiß noch immer nicht genau, wie er das angestellt hat, aber ich... hatte nicht die leiseste Chance gegen ihn.“ Ungläubig schaut Inu Yasha seinen Bruder an. „Ist das wirklich dein Ernst? Das kann doch gar nicht wahr sein!“ Aufgebracht hebt Sesshomaru den Kopf. „Sehe ich so aus, als würde ich Scherze machen?“, zischt er bissig, „Glaubst du, es bereitet mir Vergnügen, so etwas zu erzählen? Ich würde das doch nicht behaupten, wenn es nicht die bittere Wahrheit wäre.“ Ein wenig verblüfft lässt Inu Yasha die Worte auf sich wirken. „Verdammt!“, entfährt es ihm schließlich, „Das ist nicht gut, oder?“ „Dein Talent für Untertreibungen hat mich schon immer erstaunt“, bemerkt Sesshomaru trocken. „Und was machen wir jetzt?“, fragt Inu Yasha weiter, „Sollen wir ihn suchen und aufhalten.“ Sesshomarus Miene bekommt einen leicht spöttischen Zug. „Wohl kaum!“, entgegnet er, „Wir würden erneut scheitern.“ Misstrauisch beäugt Inu Yasaha seinen Bruder. „Sesshomaru“, meint er abschätzend, „Du hast doch nicht etwa... Angst, oder?“ Ein kaum sichtbares Zucken läuft über das Gesicht des Daiyoukai. Doch dann sagt er ruhig: „Durchaus nicht. Aber ich konnte nichts gegen ihn ausrichten und ich habe nicht den Eindruck als würde ein Kämpfer mehr, und sei es auch ein starker“, gesteht er mit einem Blick auf seinen Bruder zu, „irgendeinen Unterschied gemacht haben.“ Inu Yasha verschränkt grübelnd die Arme. Nach einer Weile blickt er auf. „Ich gebe zu, es fällt mir schwer das alles zu glauben. Aber wenn es wirklich so ist, wie du sagst, was schlägst du dann vor? Was will der Kerl denn eigentlich?“ „Das ist eine gute Frage“, bemerkt Sesshomaru. „Wenn er wirklich ein Inuyoukai ist und keinem der drei Clans angehört, dann frage ich mich in der Tat, warum er jetzt auf so dreiste Art in unserem Revier wildert. Aber früher oder später wird das auf eine Konfrontation hinauslaufen.“ „Hattet ihr die nicht gerade erst?“, gibt Inu Yasha zu bedenken. Unbehaglich beschließt Sesshomaru diese Frage erst einmal zu übergehen. „Ich rede davon, dass er sich womöglich irgendwann nicht mehr nur mit Menschen begnügen wird.“ „Wie kommst du darauf?“, fragt Inu Yasha. „Es genügt ihm nicht nur, diese Leute zu töten“, erklärt Sesshomaru, „Er verschlingt sie auch. Das kann im Grunde nur eines bedeuten: Er sammelt Energie!“ „Aber wofür?“ „Ich weiß es nicht“, entgegnet Sesshomaru, „Aber im Gegensatz zu Menschen sind Youkai ein viel effektiverer Energielieferant, wenn es ihm nur darum geht.“ „Du meinst, er sammelt nur Kräfte um dann Jagd auf Youkai zu machen?“ „Es wäre denkbar“, gibt Sesshomaru zu, „Zumindest spielte er mit dem Gedanken, mich zu fressen.“ Inu Yasha reißt die Augen auf. „Dich? Das wird ja immer besser! Was ist denn während des Kampfes noch so alles vorgefallen?“ „Nichts was weiter von Bedeutung wäre“, antwortet Sesshomaru kühl, „Aber falls er tatsächlich Energien sammelt um Jagd auf Youkai zu machen, dann bedeutet das ein Problem.“ „Warum?“ Sesshomaru zögert einen Moment, doch dann blickt er auf. „Weil er mir bereits jetzt weit überlegen war. Um Youkai zu töten, besitzt er bereits mehr als genug Macht. Dass er noch immer weiterfrisst, kann also nichts Gutes bedeuten.“ Inu Yasha schürzt die Lippen. „Ich glaube du hast recht“, meint er, „Das ist ein Problem!“ Einen Moment lang steht er unschlüssig da. Dann fragt er: „Und nun?“ Der Daiyoukai strafft sich. „Ich kann nicht gestatten dass ein fremder Inuyoukai in meinem Reich weiter so zu wüten. Ich werde zunächst einmal in Erfahrung bringen, was er ist und wer er ist.“ „Und wie willst du das anstellen, wenn ich mal fragen darf?“, entgegnet Inu Yasha schnippisch, „Willst du zu ihm hingehen und ihn fragen? Eine Abreibung reicht dir wohl nicht.“ „Sei nicht so töricht!“, rügt Sesshomaru seinen Bruder, „Auch wenn du es vielleicht nicht glaubst, aber ich besitze mehrere sehr zuverlässige Informationsquellen.“ „Na, dann zieh sie mal zu Rate!“, meint Inu Yasha. „Eben das beabsichtige ich“, erklärt Sesshomaru, „Und du wirst mich begleiten.“ „Ich? Wieso das denn?“, stößt Inu Yasha überrumpelt hervor. Sesshomaru atmet einmal leicht gereizt durch. „Inu Yasha, diese Diskussion hatten wir gerade erst gestern.“ „Ja, ganz recht, und du kennst meine Antwort“, gibt der Hanyou unverblümt zurück, „Du bist der Fürst, ich bin der Hanyou! Ich habe da nichts verloren.“ „Du bist mein Bruder, verdammt!“, entnervt ballt Sesshomaru die Faust. Er braucht einen Moment bis er sich wieder unter Kontrolle hat. Dann fährt er etwas gefasster fort. „Ob du es wahrhaben willst oder nicht, das Blut unseres Vaters fließt auch durch deine Adern und er hat dich offiziell als seinen Sohn anerkannt. Du bist ein Fürstensohn. Ich muss dich doch nicht daran erinnern, was das bedeutet, oder?“ Mit knirschenden Zähnen starrt Inu Yasha zu Boden. „Nicht nötig, ich erinnere mich“, brummt er. „Du kannst dich nicht jedes Mal aus der Verantwortung ziehen, wenn es um Angelegenheiten des Reiches geht“, fährt Sesshomaru ernst fort. „Aber...“, will Inu Yasha einwerfen. „Kein Aber!“, unterbricht ihn Sesshomaru streng, „Dies ist kein Lehrreise, die dem vermutlich vergeblichen Ziel dient, die frappierenden Lücken in deinen Umgangsformen aufzuarbeiten, sondern um eine wesentlich ernstere Angelegenheit. Dieser Youkai, wer immer er auch ist, wird sich weiter durch die umliegenden Dörfer fressen und zwar solange bis ihn jemand aufhält, oder er beschließt, sich ansprechenderen Zielen zuzuwenden. Und wenn selbst wenn es bei den Menschen bleibt, dann gebe ich dir Brief und Siegel, dass er irgendwann auch hierher kommen wird. Was denkst du wohl, was das für deine Freunde bedeutet?“ „Vielleicht verschwindet er ja von selbst wieder“, wagt Inu Yasha einen schwachen Versuch. „Sei doch nicht so naiv!“, entgegnet Sesshomaru, „Dieser Kerl ist nur auf ein Ziel aus: Zerstörung! Er wird nicht verschwinden. Und selbst wenn doch, welchem Reich würdest du seinen Hunger zumuten wollen? Nein, entweder werden wir mit ihm fertig, oder er mit uns. So einfach ist das.“ Eine Weile sagt Inu Yasha kein Wort. Nachdenklich blickt er seinen Bruder an. „Sesshomaru“, sagt er schließlich, „Du hast Angst!“ Ein kurzes Zucken läuft über Sesshomarus Lippe, doch seine Miene ist regungslos. Dann senkt er den Blick. „Du hast ihm nicht gegenübergestanden“, sagt er leise, „Du hast seine Aura nicht gespürt. Aus ihr spricht die reine Mordlust. Aber was mich mehr beunruhigt als diese Aura, ist die Tatsache, dass mich diese Aura beunruhigt. Ich war ihm hilflos ausgeliefert. So etwas darf nicht passieren!“ „Du hast überlebt!“, stellt Inu Yasha fest. „Reines Glück“, entgegnet Sesshomaru. Inu Yasha verschränkt die Arme. „Sesshomaru“, sagt er ernst, „Du hast doch Glück gar nicht nötig!“ Aus den Augenwinkeln wirft Sesshomaru seinem Bruder einen undeutbaren Blick zu. Für eine Weile sagt der Daiyoukai kein Wort. Dann fragt er: „Wie geht es deiner Wange?“ Unwillkürlich fährt sich Inu Yasha über die Kratzer in seinem Gesicht. „Nicht der Rede wert!“, meint er, „Ich hab bloß einen Moment lang nicht aufgepasst. Mein Fehler!“ „Kommst du mit, oder muss ich dich zwingen?“ „Wie willst du mich denn zwingen?“ „Ich könnte es dir befehlen.“ „Ja, klar! Träum weiter!“ „Kommst du mit?“ Der Hanyou verzieht das Gesicht und schweigt. „Bitte!“ Entnervt stöhnt Inu Yasha auf. „Meine Güte! Hör bloß auf! Ich krieg echt die Krise, wenn du 'Bitte' sagst! Also schön, verdammt! Wenn's denn unbedingt sein muss, dann komm ich eben mit! Aber nur wenn Kagome mitdarf.“ „Das halte ich für keine gute Idee.“ „Ist mir egal! Darüber gibt es keine Diskussion!“ „Es könnte gefährlich werden.“ „Ganz recht, und wenn es soweit ist, dann möchte ich lieber wissen wo sie ist!“ Der Daiyoukai seufzt leise. „Also gut! Aber du bist ganz allein für sie verantwortlich, verstanden?“ „Selbstverständlich!“, nickt Inu Yasha. Genau das hatte er sowieso schon die ganze Zeit vor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)