Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 2: Eine Lektion ----------------------- Gemächlich schwebt der schlanke, weißhaarige Daiyoukai über die Wipfel der Bäume dahin. Dass es mitten am Tag ist und er an mehreren Dörfern vorbeikommt, dessen Dorfbewohner ihn gelegentlich bemerken und leicht in Panik geraten, kümmert ihn wenig. Sesshomaru ist heute ausnahmsweise allein unterwegs, und so nutzt er die Gelegenheit, einmal nicht wie üblich im Kriechtempo voranzukommen. Wenn die Menschen in seinem Reich hin und wieder einen Youkaifürsten zu Gesicht bekommen, kann ihm das nur von Nutzen sein. Auch wenn die meisten unter ihnen hilflos wie eine Herde Schafe sind, die Pflicht über diese schwachen Wesen zu wachen, hat er von seinem Vater übernommen und er gedenkt, sie einzuhalten. Zugegeben, bisher haben es nicht viele Menschen vermocht, sich seinen Respekt, oder gar seine Zuneigung zu verdienen, aber er ist nicht so überheblich, dass er einen zuverlässigen Kampfgefährten nicht zu schätzen wüsste. Seine Gedanken wandern kurz zurück zu dem Dorf in dem er noch eben war. Diese Dämonenjägerin hat nun bereits ihr drittes Kind. So bald wird sie wohl nicht wieder ihrem Beruf nachgehen. Ebenso der Mönch, den sie geheiratet hat. Zumindest wäre das wünschenswert. Es sagt ihm nicht besonders zu, dass sein Halbbruder seine Zeit damit verbringt, gemeinsam mit dem Mönch durch die Dörfer zu ziehen und irgendwelche niederen Oni zu exorzieren. Besonders jetzt, da vor kurzen diese Miko aus der anderen Zeit wieder aufgetaucht ist. Womöglich verfällt sein Bruder nun wieder in den alten Trott, und beginnt wieder umherzuziehen und für Unruhe zu sorgen. Erst heute hat er ihm wieder großzügigerweise angeboten, für eine Weile mit auf das Schloss seiner Vorfahren zu kommen und dort zu lernen, was er als Sohn eines Fürsten wissen sollte, aber natürlich hat der Hanyou wieder einmal abgelehnt. Sesshomaru verzieht kaum merklich das Gesicht. Manchmal fragt er sich, weshalb er sich so sehr um seinen Bruder bemüht. Eine patzige Antwort ist schließlich das Einzige was er dafür erhält. Die Dämonenjägerin und der Mönch kommen auch sicher ein paar Jahre allein zurecht. Und diese Miko, sie will bei der Dorfmiko in die Lehre gehen. Das wird einige Jahre dauern. Das Letzte was sie benötigt, wird wohl ein undisziplinierter Hanyou sein, der sie ständig von ihrer Arbeit abhält. Was sind schon fünf Jahre für einen Hanyou? Vermutlich stecken da wieder irgendwelchen sentimentalen Gründe dahinter. Sesshomaru kennt seinen Bruder und dessen Freunde schon lang genug, um so etwas in Betracht zu ziehen. Trotzdem ist er der Meinung, dass sein Bruder übertrieben reagiert. In fünf Jahren werden die Menschen kaum so sehr altern, als dass es einen großen Unterschied machen würde. Was also ist sein Problem dabei? Doch er findet sich ab mit dem Gedanken, dass ihm die Beweggründe seines Bruders einmal mehr schleierhaft sind. Zumindest kann er so ein Auge auf Rin haben. Sesshomaru gibt zu, dass ihm das eigentlich ganz recht ist. Es ist kaum mehr als vier Jahre her, dass er das Mädchen offiziell adoptiert hat. Bisher hat noch keiner seiner Ratsleute es gewagt, ihn deshalb zur Rede zu stellen, doch ihm ist durchaus bewusst, dass längst nicht alle seine Leute zufrieden mit dieser Entscheidung sind. Doch darüber zerbricht er sich nicht den Kopf. Sie werden es akzeptieren müssen, denn er ist keinesfalls gewillt, diese Entscheidung rückgängig zu machen. Der Preis, mit dem er dem Mädchen dieses Privileg erkaufen musste, war einfach zu hoch. Jedenfalls ist sie in diesem Dorf unter der Obhut seines Bruders momentan am Besten aufgehoben. Geräuschlos gleitet der Daiyoukai weiter durch die Luft dahin. Auf einmal hält er inne. Leicht zieht er die Luft ein und dann stutzt er. Sein Blick wendet sich hinab zu den Bäumen unter ihm. Dort drüben im Wald liegt ein kleines Dorf, doch nicht nur die schwarzen Vögel die darüber kreisen, lassen ihn aufmerken, auch der Geruch der von dort her in seine feine Nase dringt, macht es ihm unmöglich, weiterzufliegen. Es stinkt nach Blut und Verwesung. Geschmeidig setzt Sesshomaru seinen Fuß auf die Erde. Nun steht er direkt auf der Hauptstraße der Siedlung und seine Mundwinkel verziehen sich kaum merklich. Der Gestank von geronnenem Blut ist hier noch viel stärker und direkt vor ihm liegen unzählige halb abgenagte Menschenknochen verstreut auf dem Boden. Einige Krähen und wilde Hunde haben sich an den Knochen zu schaffen gemacht und gierig auseinandergezerrt, was vorher vermutlich mal ein großer Haufen gewesen ist. Mehrere der Hunde fühlen sich durch den Neuankömmling gestört, der ihnen offenbar ihre Beute streitig macht. Grimmig fletschen sie die Zähne und knurren gefährlich. Sesshomarus Augen werden schmal. Langsam wirft er einen Blick in die Runde und dann gibt er ein tiefes, bedrohliches Grollen von sich. Augenblicklich ziehen die wilden Hunde jaulend den Schwanz ein und suchen schleunigst das Weite. Langsam schreitet Sesshomaru über den Platz. Hier hat ganz klar ein Youkai gewütet, und ein recht mächtiger noch dazu. Seine schwere Aura hängt noch immer wie eine düstere Kuppel über dem Dorf. Sesshomarus Stirn legt sich ein wenig in Falten. Es passt ihm gar nicht, dass jemand offenbar ungefragt in seinem Revier wildert. Er sollte der Sache wohl besser mal nachgehen. Lange wird es vermutlich nicht dauern. Die Spur des Youkais ist für seine sensiblen Sinne klar erkennbar. Es sollte kein großer Aufwand sein, den Schuldigen aufzuspüren und unschädlich zu machen. Leichtfüßig hebt sich Sesshomaru wieder in die Luft empor und macht sich daran, unbeirrbar der verdächtigen Aura zu folgen. Es dauert wirklich nicht lange bis er die Spur gefunden hat. Eine Zeit lang war sie durch den penetranten Blutgeruch überdeckt und verwischt gewesen, doch nachdem der Daiyoukai sie einmal aufgespürt hat, lässt er sich nicht mehr davon abbringen. Anscheinend war der Betreffende nicht einmal bemüht, seine Spuren zu verwischen. Welche Dreistigkeit! Inzwischen ist Sesshomarus Groll auf diesen Youkai noch um einiges gewachsen. Auf seinem Weg hat er bisher drei Dörfer gefunden, die alle in nahezu dem selben Zustand sind. Für Sesshomaru steht es außer Frage, dass der Youkai all diese Leute getötet und verschlungen hat. Doch was könnte einen solch gewaltigen Hunger rechtfertigen? Noch immer ist er auf der Suche nach dem Verantwortlichen und sein Entschluss, ihn unschädlich zu machen, ist inzwischen mehr als gefasst. Auch wenn er nicht wirklich Mitleid für all diese Menschen empfindet, so wäre es doch seine Aufgabe gewesen, diesen Massenmord zu verhindern. Die Menschen glauben, dass der Hundeyoukaifürst sie beschützt. Sein Vater nährte diesen Glauben. Es ist nun an ihm, dies fortzuführen. Außerdem hat er dieses Ausmaß an Toten niemals genehmigt. Wer immer hier wütete, er wird sich vor ihm verantworten müssen. Da plötzlich vernimmt er einige Geräusche die seine Aufmerksamkeit erregen. Es sind schrille und ersterbende Schreie. Dann vernehmen seine feinen Sinne mehrmaliges, trockenes Knacken und das zerreißen von Fleisch. Kein Zweifel, sein Ziel liegt direkt voraus. Rasch setzt er auf dem Waldboden auf, und mit eiligen Schritten nähert er sich der Lichtung von der die Schreie gekommen sind. Als er aus dem Wald heraustritt, bietet sich ihm ein schauriges Bild. Die Schreie kamen wohl von einem kleinen Trupp umherziehender Mönche. Nun liegen ihre leblosen Körper überall auf der Lichtung inmitten großer Pfützen aus Blut das unaufhörlich aus den klaffenden Wunden ihrer abgetrennten Köpfe sickert. Und mitten unter ihnen sitzt er. Ein schlanker Knabe von kaum zehn Jahren. Sein schwarzes Haar hat er zu einem straffen Zopf hochgebunden und mit unheimlichen, roten Augen blickt er nun überrascht zu Sesshomaru hinüber. In seiner Hand hält er noch immer einen Arm an dem er gerade noch gekaut hat, doch jetzt legt er ihn achtlos neben sich ab und erhebt sich. Abschätzend beobachtet Sesshomaru seinen Gegenüber. Der Knabe reicht ihm kaum bis zur Brust, doch es wäre fatal, ihn zu unterschätzen. Immerhin hat er es nicht nur mit unzähligen Dorfbewohnern aufgenommen, sondern auch mit einer ganzen Gruppe erfahrener Mönche. Scheinbar furchtlos beäugt der Junge den Youkai vor ihm. Offenbar ist er eher neugierig als ängstlich. Das wird ihm bald vergehen, denkt Sesshomaru bei sich. Langsam tritt er nun auf die Lichtung heraus. Der Junge beobachtet ihn weiter. Schließlich bleibt Sesshomaru ein Stück vor ihm stehen und blickt auf ihn herab. „Du hast all diese Mönche getötet, nicht wahr?“ Einen Moment lang zögert der Junge, doch dann sagt er: „Ist wohl kaum zu übersehen.“ „Und die Menschen in den drei Dörfern?“ Nun legt der jugendliche Youkai nachdenklich den Kopf in den Nacken. „Vier! Ich glaube es waren vier. Man verliert so leicht den Überblick bei so vielen Menschen.“ Sesshomarus Kiefer verhärten sich. Ihm passt gar nicht, dass der Knabe so frech zu ihm ist. Offenbar muss man ihm einmal Benehmen einprügeln. Trotzdem möchte er zuvor noch etwas mehr über diesen fremden Youkai erfahren. „Warum?“, fragt er ernst. Nun verschränkt der Knabe die Arme vor der Brust. „Was geht dich das an?“, fragt er gehässig, „Ich tue was mir passt!“ „Nicht, solange ich noch etwas zu sagen habe“, stellt Sesshomaru kühl klar. Der Junge hebt spöttisch die Brauen. „Ich wüsste nicht, dass du mir irgendetwas zu sagen hättest!“ „Es wäre besser für dich, wenn du dir das schnell klar machen würdest!“, diesmal schwingt ein bedrohliches Grollen in Sesshomarus Stimme mit. Allmählich hat er genug von den Frechheiten dieses übermütigen Youkais, der offenbar noch nicht begriffen hat, wen er vor sich hat. Langsam zieht der Youkaifürst sein Schwert Bakusaiga und dabei beobachtet er genau die Reaktion des fremden Youkais. Dieser scheint sich davon aber kein bisschen aus der Ruhe bringen zu lassen. Entweder ist der Knabe sehr selbstsicher oder einfach nur unglaublich naiv. Er sollte besser sicherstellen, was davon zutrifft, bevor er sich auf einen Kampf einlässt. Kritisch zieht der Junge nun die Stirn kraus. Er mustert den Daiyoukai von Kopf bis Fuß und zieht dann einmal kurz prüfend die Luft ein. Dann meint er: „Dich kenne ich nicht. Wer bist du?“ Der Daiyoukai hebt den Kopf. „Ich bin Sesshomaru, Fürst über die Inuyoukai des Westens, Herrscher über dieses Reich und du jagst hier in meinem Revier. Ich verlange auf der Stelle eine Erklärung für dieses reihenweise Abschlachten von Menschen, sonst werde ich nicht zögern dich für diese Dreistigkeit zur Verantwortung zu ziehen.“ Einen langen Moment sagt der Knabe kein Wort sondern starrt den Youkaifürsten nur sprachlos an. Doch dann urplötzlich verfinstert sich seine Miene und nadelspitze Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor. „Sesshomaru, Fürst der Inuyoukai, des Westens, ja?“, stößt er verächtlich aus, „Einer wie du? Was für eine unverfrorene Anmaßung! Du bist nicht Sesshomaru!“ Nun beginnen Sesshomarus Augen rot zu glühen und auch seine Reißzähne zeichnen sich unter seinen Lippen ab. Er ist zornig. Nie zuvor wurde seine Identität angezweifelt und das auch noch von so einem unverschämten Bengel. Er wird diesem Knaben eine Lektion erteilen. „Du wirst dich sofort davon überzeugen können!“, grollt er gefährlich und hebt sein Schwert. Doch noch immer zeigt sich der kindliche Youkai davon unbeeindruckt. Boshaft reckt er sich. „Na los, komm schon her!“ Doch der Daiyoukai hat nichts dergleichen vor. Stattdessen hebt er nur sein Schwert und mit einem schnellen Streich lässt er die blitzende Klinge herniedergehen. Augenblicklich entlädt sich eine grelle, züngelnde Energiewelle, die mit atemberaubender Geschwindigkeit auf den dreisten Youkai vor ihm zurast, sich auf der Lichtung ausbreitet und nur Sekunden später sämtliche Bäume im Umkreis von mehr als hundert Schritt mit lautem Krach in kleine Stücke zerfetzt. Unzählige Splitter und Trümmerteile fliegen wild durch die Gegend und durch die Blätter und den Staub in der Luft ist kaum etwas zu sehen. Hoch aufgerichtet steht Sesshomaru da. Das sollte dem Bengel eine Lehre sein, vorausgesetzt er hat überhaupt überlebt. Aber die Chancen dafür stehen nicht gut. Wachsam ist er bemüht durch die dichte Staubwolke etwas zu erkennen. Um eine Witterung zu erhaschen ist zu viel Staub in der Luft. Doch plötzlich spürt er etwas. Unwillkürlich weiten sich seine Augen und er stellt fest, dass sich gerade sein Herzschlag beschleunigt hat. Zu seiner eigenen Überraschung bemerkt er wie sich jetzt seine Nackenhaare aufstellen und ihm wird klar, dass sich hier gerade einer seiner fundamentalsten Sinne meldet, sein Instinkt. Dann vernimmt er auf einmal ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Es ist das leise Geräusch eines schlagenden Herzens und im selben Moment bläst ihm der feine Hauch eines Atems in den Nacken. Ruckartig dreht er sich um, und direkt vor ihm steht jetzt der rotäugige Junge und blickt mit einem unheilvollem Lächeln zu ihm hoch. „War das schon alles?“, fragt er herablassend und einen Wimpernschlag später holt er blitzschnell mit seiner Hand aus, aus seinen Fingerspitzen schieben sich beunruhigend scharfe Klauen hervor und dann rammt er sie mit aller Kraft dem Daiyoukai in die Brust. Sesshomaru keucht unwillkürlich auf. Mit weitaufgerissenen Augen starrt er den kindlichen Youkai vor ihm an. Er kann gar nicht recht fassen was gerade passiert. Schon lange hat er nicht mehr einen solchen Schmerz gespürt. Es ist, als würde von den Klauen des Jungen ein glühendes Feuer ausgehen, dass sich nun immer mehr in seinem Körper ausbreitet und ihn mit Wogen des Schmerzes überflutet, die immer mehr an Intensität zunehmen. Es fühlt sich an als würde er bei lebendigem Leibe verbrennen. Doch er vermag nicht einmal zu schreien, denn sein Körper gehorcht ihm nicht. Es scheint, dass die Intensität des Schmerzes seine Glieder vorübergehend gelähmt hat. Fassungslos starrt der überrumpelte Daiyoukai auf seinen viel kleineren Angreifer herunter. Sein Instinkt hatte ihn davor gewarnt, dass dieser Youkai mächtig ist, doch ihm war nicht klar gewesen, wie mächtig! Mitleidslos grinst der Junge ihn an. Dann dreht er seine Klauen noch einmal in der Wunde herum und reißt sie dann brutal heraus. Sesshomaru stöhnt auf, dann knicken ihm die Beine ein und er sinkt auf die Knie hinab. Er keucht schwer und hält sich die Brust. Genüsslich leckt der Junge nun das Blut von seinen Fingern. „Hab doch gewusst, dass du nicht Sesshomaru bist“, meint er herablassend, „Einer wie du kann wohl kaum 'perfektes Töten' heißen. Aber du schmeckst ganz gut. Vielleicht werde ich dich auch essen.“ Doch nun dringt ein grimmiges Knurren aus Sesshomarus Kehle und unbeholfen kommt er wieder auf die Beine. Wütend funkelt er den Youkai vor sich an. Seine Augen haben nun einen beängstigenden Rotschimmer angenommen. „Gar nichts wirst du!“, grollt er tödlich. Aus seinem Mund tropft ihm Blut und sein Gesicht ist bleich. Doch nun hebt er wieder Bakusaiga und schon im nächsten Moment stößt er sich ab und geht auf den kindlichen Youkai los. Mit kraftvollen, flinken Hieben attackiert der Youkaifürst seinen Gegner, doch zu seinem Ärger weicht der Junge jedem seiner Schläge mit einem herablassenden Lächeln aus. Keiner seiner Hiebe trifft ihn. Doch Sesshomaru lässt sich davon nicht aus dem Konzept bringen. Er hat genug Kampferfahrung um zu wissen, dass es nichts bringt, sich von seiner Wut mitreißen zu lassen. Sein Gegner ist flink und wie es aussieht äußerst erbarmungslos, aber das hindert ihn nicht daran, den Kampf fortzuführen. Wieder schlägt er nach ihm, doch der Junge weicht weiter aus. Kein einziges Mal kommt die Klinge auch nur in seine Nähe. Sesshomaru ist ungewollt beeindruckt. Er ist nicht nur verflixt schnell, sondern er scheint auch Kampferfahrung mit dem Schwert zu besitzen. Jeden seiner Hiebe scheint er vorherzusehen. Das ist eigentlich nur möglich, wenn man lange selbst gekämpft hat. Einmal mehr stellt sich ihm die Frage, wer dieser Junge wohl sein mag und eine leise Stimme sagt ihm, dass ihm die Antwort vermutlich nicht gefallen wird. Da, auf einmal schlägt der Youkai eine Finte und Sesshomarus Schlag geht wieder ins Leere. Doch diesmal macht der Junge eine geschmeidige Drehung und steht nun direkt neben Sesshomaru. Seine Hände packen unbarmherzig den Schwertarm des Daiyoukais und mit einer heftigen Kraftanstrengung biegt er ihn in einem unnatürlichen Winkel nach hinten. Sesshomaru zuckt zusammen, doch kein Laut kommt über seine Lippen. Kraftlos gleitet ihm Bakusaiga aus der Hand und schon im nächsten Moment spürt er einen so heftigen Faustschlag direkt ins Gesicht, dass er ein wenig benommen zusammensackt. Noch ehe er sich wieder sammeln kann, spürt er eine kleine aber erstaunlich kräftige Hand mit scharfen Krallen, die ihn am Hals packt und gnadenlos zu Boden presst. Mit einem spöttischen Lächeln kniet der Junge nun auf seiner Brust und hält ihn ohne große Probleme nieder. „Sieh es ein! Du hast mir nichts entgegenzusetzen“, meint er schadenfroh, „Eigentlich ziemlich kläglich. Dabei habe ich noch nicht einmal ernst gemacht.“ Unbeirrt starrt Sesshomaru zu ihm hinauf. Die Luft wird ihm langsam knapp und die Schmerzen in seiner Brust und seinem gebrochenen Arm rauben ihm noch zusätzlich den Atem. Doch sein verletzter Stolz schmerzt ihn beinah noch mehr. Nie zuvor war er einem Feind so deutlich unterlegen gewesen. Bisher hat er noch jeden Gegner besiegt. Nun, vielleicht bis auf seinen Bruder, doch zumindest waren sie sich einigermaßen ebenbürtig. Doch hier sagen ihm all seine Sinne, dass er hoffnungslos unterlegen ist, und ihm fällt es nicht leicht das zu akzeptieren. „Wer bist du?“, quetscht er hervor. Zumindest das will er erfahren. Zum ersten Mal bekommt er einen Eindruck davon, wie es ist, seinem Tod ins Auge zu blicken und so wie es aussieht hat sein Tod tiefrote Augen und so zierliche Gliedmaßen, dass man einfach nicht glauben kann, was für eine immense Kraft in ihnen steckt. Sesshomaru hat oft genug gekämpft, um pure Mordlust zu erkennen und im Gesicht seines Gegners findet er nicht den kleinsten Hinweis, dass er ihn verschonen wird. Doch so sehr er sich auch bemüht, es gelingt ihm nicht, den schraubstockartigen Griff des Youkais zu lösen. Seine Luftnot wird allmählich kritisch. „Wer ich bin?“, lächelt der Junge über ihm nun kalt, „Es wundert mich gar nicht, dass du das nicht weißt. Eigentlich braucht dich das jetzt auch nicht mehr kümmern, denn in ein paar Minuten wirst du tot sein. Aber weil du dich für einen Fürsten hältst, will ich mal nicht so sein. Für dich jämmerlichen Schwächling bin ich Katsuken, und jetzt fahr zur Hölle!“ Doch gerade als der Junge einmal kräftig zudrücken will, um das Leben des Daiyoukais zu beenden, geht auf einmal ein Ruck durch seinen Körper und er erstarrt. Unmittelbar darauf dringt ein grelles, gelbes Licht aus seinem Körper hervor und bahnt sich gnadenlos aus seinem Inneren den Weg ins Freie. Mit weitaufgerissenen Augen starrt der Knabe auf Sesshomaru herab. In dessen verletzter Hand liegt zittrig Bakusaiga und die Klinge des Schwertes steckt tief in seiner Seite, von wo sie nun ihre verhängnisvolle Energie entfaltet. Mit einem groben Aufschrei springt der Youkai auf und taumelt zurück. Dabei reißt die scharfe Klinge eine tiefe Wunde in seine Seite, doch Bakusaigas Macht setzt sich noch immer in seinem Körper fort und jede Stelle, an der die Energiewellen nach außen dringen, beginnt augenblicklich heftig zu bluten. Ein schriller, markzerreißender Schrei entfährt ihm und dann von einem Moment auf den anderen verschwimmt die Gestalt des Jungen. Nur noch eine grell leuchtende, rote Kugel verbleibt, und in atemberaubendem Tempo verschwindet sie zwischen den Bäumen, während die übriggebliebenen Energien Bakusaigas sich in der leeren Luft auflösen. Kraftlos und schwer atmend lässt Sesshomaru seinen verletzten Arm sinken. Mit bleichem Gesicht schließt er die Augen. Noch immer schwingt der sengende Schmerz in seinen Gliedern nach. Das gerade war wirklich verdammt knapp. Hätte Bakusaiga nur ein Stück weiter weg gelegen, hätte er es wohl nicht mehr erreicht. Zum Glück hatte die Macht seines Schwertes eine ausreichende Wirkung auf diesen Kerl. Mühsam versucht er sich aufzurichten. Dies erweist sich als gar nicht so einfach. Die Wunde in seiner Brust blutet noch immer und der verbliebene Schmerz von dem ersten Angriff, wird nun immer intensiver, sodass er mehrmals kurz davor ist, die Besinnung zu verlieren. Mit zitternden Gliedern stemmt sich der Daiyoukai hoch. Schweißtropfen laufen ihm über das Gesicht und das Atmen fällt ihm immer schwerer. Was, bei allen Göttern, hat dieser Bengel bloß mit ihm angestellt? Gift kann es nicht sein. Zumindest sollte er gegen die meisten Gifte immun sein. Außerdem fühlt es sich nicht an wie Gift, eher als würden seine Knochen in Flammen stehen. Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Mit aller Macht versucht er sich zusammenreißen. Er muss sich konzentrieren, sonst hat er keine Chance. Katsuken! Diesen Namen hat er noch nie gehört, aber er hat das unbestimmte Gefühl, dass er ihm etwas Wichtiges sagen soll. Wenn er nur darauf käme, was! Auf einmal kommt ihm ein Gedanke, eigentlich ist es eher eine Ahnung, und ein Schauer läuft ihm über den Rücken. Doch er kommt nicht mehr dazu, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, denn im selben Augenblick überfällt ihn ein heftiges Schwindelgefühl, und dann kippt der schlanke Daiyoukai besinnungslos nach vorne und bleibt reglos in dem riesigen Trümmerfeld des Waldes liegen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)