Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Prolog: -------- „Oh, was war denn das gerade?“, rasch läuft der kleine Junge zu seiner Großmutter hinüber die gerade in dem Beet hinter ihrer Hütte Gemüse anpflanzt. Die alte Frau richtet sich auf und hält sich den schmerzenden Rücken. Beruhigend lächelt sie ihren Enkel an, der ihr mit großen Augen ängstlich am Zipfel ihres Yukata zupft. Auch sie hat das leichte Erdbeben gerade gespürt. „Keine Angst, das ist nur der Fuji-san!“, erklärt sie, „Wenn die Geister in ihm ärgerlich sind, dann lassen sie die Erde erbeben und manchmal versuchen sie auch daraus zu entkommen, indem sie sich mit der Lava hinaustragen lassen. Aber heute sind sie nur ein bisschen schlecht gelaunt. Wir werden nachher am Schrein ein paar Opfer bringen, um sie wieder zu besänftigen. Und jetzt hilf mir lieber im Garten!“ Artig macht sich der Junge an die Arbeit, seiner Großmutter zu helfen. Während der Alltag in dem kleinen Dorf am Fuße des Fuji wieder seinen Gang geht, steigen am Himmel über der Spitze des Vulkans schwarze Wolken auf. Heute ist der Berg mit der symmetrischen Kegelform und der weißen Schneespitze besonders aktiv. Viele, kleine Beben erschüttern immer wieder die Erde und ein aufmerksamer Beobachter würde bemerken, dass sämtliche Tiere in der Umgebung eine enorme Unruhe erfasst hat, und dass ganze Schwärme von Vögeln auffliegen und das Weite suchen. Die Tiere haben es im Gespür. Im Inneren des Vulkans braut sich etwas zusammen und es verheißt nichts Gutes. Brodelnde Lavamassen steigen immer wütender im Schlot des Berges auf. Die Erderschütterungen werden immer heftiger und schließlich wird der Druck im Inneren zu groß und in einem mächtigen und schaurigen Funken- und Feuerregen schleudert der Berg sein rotglühendes Innenleben in einem spektakulären Schauspiel und unter lautem Getöse in den dunkler werdenden Abendhimmel hinaus. Ein breiter, roter Lavastrom fließt über die kegelförmigen Hänge hinab und so langsam und stetig er auch fließt, er nimmt unwiederbringlich jeden Baum und jedes Leben mit, dass ihm dabei im Weg ist. An einer Stelle wird der glühend heiße Strom von einem mächtigen Felsbrocken geteilt und schwarze Lavakrusten türmen sich an dieser Stelle auf und bilden beim Erkalten bizarre Muster. Immer mehr staut sich an dieser Stelle der heiße Fluss und verlangsamt so den Strom immer mehr, was ihn schneller erkalten lässt. Die Luft über den schwarzen Schollen flimmert wild in die Nacht hinauf. Außer dem gelegentlichen Zischen der Lava ist kein Laut zu hören. Sämtliche Tiere haben die Gegend längst verlassen. Doch auf einmal beginnt sich eine der schwarzen Schollen auf sehr sonderbare Weise zu bewegen. Irgendetwas scheint von unten gegen sie zu drücken und diesmal ist es nicht die Lava. Etwas schiebt sich nun zwischen den Krusten hervor. Es hat die Gestalt einer Hand, doch sie ist klein und rotglühend. Dieser Hand folgt nun ein Arm; auch dieser ist noch immer von der brennenden Flüssigkeit überzogen. Eine Schulter erscheint und dann ein Kopf. Und schließlich schlüpft ein ganzer Körper aus dem Inferno heraus und bleibt regungslos auf dem stabilen Felsen neben dem Lavafluss liegen. Eine ganze Weile rührt die kleine Gestalt keinen Muskel. Doch dann beginnt sich ihre Brust ganz allmählich zu heben und zu senken, als hätte sie vergessen wie das geht. Langsam kühlt die kochende Masse ab, die sie gerade noch eingehüllt hat und mit jeder schwachen Bewegung bröckelt etwas mehr von dem verkrusteten Lavagestein ab und fällt neben ihr zu Boden. Schließlich hat das Magma die kleine, zierliche Gestalt völlig freigegeben und nun liegt sie nackt und bloß zusammengekauert auf dem Stein. Ihre Haut ist zwar unversehrt, jedoch ist sie von einer krebsroten Farbe, als hätte sie sich verbrüht. Der Nachtwind trägt durch die aufgeheizte Luft nur wenig Kühlung zu ihr. Ganz allmählich beginnt das schlanke Wesen nun die Glieder zu strecken und die Finger zu spreizen. Mit zittrigen Bewegungen versucht es sich der Funktion seiner Gliedmaßen zu erinnern. Unter großen Anstrengungen stützt die Gestalt nun die dürren Ärmchen auf und hebt den Kopf an dem schrecklich dünnen Hals um die winzige Nase in dem feinen Gesicht in den Nachtwind hinauf zu strecken. Langsam nimmt sie einen tiefen Zug. Dann schlägt sie die Augen auf. Ein tiefes Rot färbt die Iriden und je mehr die Haut der zierlichen Person abkühlt um so mehr verwandelt sich die ungesunde Farbe in einen blassen, fast weißen Farbton. Ein feiner Flaum aus schwarzen Haaren kräuselt sich jetzt über dem Haupt und umrahmt damit zwei spitzzulaufende Ohren. Die Gestalt sieht nun aus wie ein Knabe von kaum vier Jahren. Langsam und etwas wackelig bemüht er sich jetzt auf die Beine zu kommen. Und schließlich steht er aufrecht und blickt sich um. „Endlich!“, wispert er kaum hörbar, „Ich bin frei! Wie lange war ich fort?“ Doch niemand ist da, der Antwort geben kann. Mit unbeholfenen Schritten setzt der kleine Junge einen Fuß vor den anderen. Irritiert blickt er an sich herunter. „Ich bin schwach geworden“, stellt er flüsternd fest. Zu mehr fehlt ihm noch die Kraft. „Ich sollte möglichst schnell wieder essen!“ Nun hebt er erneut den Kopf und blickt sich um. Die Nacht ist hereingebrochen. Und außer der glühenden Lava und den unzähligen Sternen am Himmel, entdeckt er nun einige schwache Lichter auf Augenhöhe in der Ferne. Dort muss also ein Dorf sein. Der kleine Junge lächelt. „Wie überaus praktisch!“ Augenblicklich richtet er sich auf. Allmählich scheint er seine Körperbewegungen unter Kontrolle zu haben. Mit geschickten Sätzen springt er nun von Stein zu Stein bis er schließlich festen Boden erreicht, weit genug entfernt vom Vulkanausbruch. Dann setzen seine bloßen Füße auf dem verdorrten Gras der Wiesen auf und mit flinken Sprüngen, die immer schneller werden, macht er sich in Richtung des Dorfes auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)