Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 51: Wieder zurück? -------------------------- Das Revier der Inuyoukai liegt ein ganzes Stück entfernt, und je näher die beiden Daiyoukai ihm kommen um so mehr verwandelt sich die Kieswüste in eine Gegend aus rötlichem, staubigen Gestein. Inu Taishou spurtet neben seinem Sohn. „Verrätst du mir was du vorhast?“, fragt er beim Laufen. Doch der junge Daiyoukai gibt keine Antwort sondern rennt unbeirrt weiter. Vor ihnen tauchen die ersten großen Felsformationen auf. „Sie werden nicht sehr begeistert sein, wenn du so bald wieder bei ihnen auftauchst“, gibt Inu Taishou zu bedenken. „Ich habe Euch nicht um Eure Meinung gebeten, Chichi-ue“, kommt es nun unwillig von Sesshomaru. Inu Taishous Miene zieht sich nun ein wenig zu. „Denkst du nicht, du bist für einen Tag bereits genug unhöflich gewesen?“, gibt er verstimmt zurück. „Du hast sie bereits verärgert. Du bringst dich in ernste Schwierigkeiten wenn du ihnen jetzt erneut gegenübertrittst und dabei nicht den gebührenden Respekt an den Tag legst.“ „Über den Respekt der ihnen gebührt, sprechen wir lieber nicht“, kommt es nun düster von Sesshomaru zurück. „Sie haben sich wie wilde, einfältige Tiere verhalten.“ „Nichtsdestotrotz verdienen sie als Stammväter unserer Clans unseren Respekt“, erwidert Inu Taishou ernst. „Der Meinung bin ich nicht!“, entgegnet Sesshomaru entschieden. „Und Ihr doch genau sowenig, Chichi-ue. Ihr kanntet nur die Geschichten, doch ich bin diesem Kerl persönlich begegnet. Selbst in der Gestalt eines Knaben hatte er mehr Würde und Format als diese drei Raufbolde zusammen. Ich kann verstehen, dass Ihr ihn bewundert, und warum Ihr mich nach Ihm benannt habt.“ „Bedeutet das, du nimmst mir meine Entscheidung nicht mehr übel?“, kommt nach einer Weile die Rückfrage. Sesshomaru schnauft verächtlich aus. „Natürlich nehme ich sie noch übel“, meint er ärgerlich. „Aber ich verstehe sie jetzt besser“, fügt er nun entgegenkommender hinzu. Inzwischen führt ihr Weg sie durch vertrautes, rotbraunes Terrain. Mit leichten Sprüngen überwinden sie Felsen, Hügel und Kluften. „Ich schätze damit muss ich mich zufriedengeben“, nickt Inu Taishou leicht. „Wer weiß schon, ob du noch Gelegenheit bekommst, deine Meinung zu ändern.“ „Ich gehe nicht zurück zu den Höllenhunden“, bemerkt Sesshomaru gelassen. Nun blickt Inu Taishou verwundert auf. „Wohin willst du dann?“ In diesem Moment hält Sesshomaru auf einer Anhöhe an und blickt in einen kleinen runden Talkessel hinunter in dessen Mitte fein säuberlich ein schlankes Schwert steckt. „Dahin!“ Der ältere Daiyoukau braucht kaum einen Blick auf den Fingerzeig richten. Sofort wendet er sich ernsthaft an seinen Sohn. „Das kann nicht dein Ernst sein. Das kommt überhaupt nicht in Frage!“, stellte er klar. Mit entschlossener Miene erwidert Sesshomaru den Blick. „Ich garantiere Euch, das ist mein voller Ernst.“ Mit diesen Worten tut er einen hohen Sprung hinab in den Felsenkessel und schreitet auf das Schwert zu. Doch sofort baut sich Inu Taishou vor ihm auf und verstellt ihm den Weg. „Du solltest besser nicht einmal daran denken, Sohn!“, nun ist das Gesicht seines Vaters todernst. Sesshomaru zeigt sich davon unbeeindruckt. „Geht aus dem Weg, Chichi-ue!“, fordert er mit ruhiger Stimme. „Sou'unga ist kein Schwert, das man einfach so zum Spaß benutzt“, antwortet Inu Taishou ungerührt. Nun wird Sesshomarus Miene finster. „Sehe ich aus, als ob ich Scherze mache? Dieses Schwert öffnet den Übergang ins Diesseits. Dort muss ich hin. Es ist der einzige Weg.“ Nun tut der ältere Daiyoukai einen Schritt vorwärts. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er höchst wachsam ist. „Seit dieses Schwert hier vom Himmel fiel, hat niemand es berührt, und das wird auch so bleiben, solange ich etwas zu sagen habe. Da seine Hüterin im Augenblick unabkömmlich ist, werde ich die Bewachung übernehmen. Ich werde nicht zulassen, dass dieses Schwert jemals wieder das Tageslicht erblickt!“ „Ich will es gar nicht mitnehmen“, erwidert Sesshomaru mühsam beherrscht. „Es soll mir lediglich den Durchgang öffnen. Ich besitze bereits ein brauchbares Schwert. Ich habe nicht länger Begehr an Euren abgelegten Besitztümern!“ Nun fletscht Inu Taishou leicht die Zähne. „Wer hätte gedacht, dass du deine Lektion so gut lernst“, gibt er grimmig zurück. „Dennoch kann ich dir das Schwert nicht überlassen. Selbst wenn dein Bruder und du die Seele, die in dieser Waffe steckte, zerstört habt, so ist Sou'unga noch immer ein überaus mächtiges Schwert. Seine Macht ist nahezu unkontrollierbar. Du kannst es nicht beherrschen!“ Nun werden Sesshomarus Augen schmal und er richtet sich zu seiner vollen Größe auf. „So, kann ich nicht? Wie unglaublich anmaßend von dir!“ Seine Stimme hat Grabeskälte. Abschätzend betrachtet Inu Taishou seinen Sohn. „Du meinst also, du bist mir inzwischen ebenbürtig“, lächelt er leicht, doch seine Augen verraten, dass er nicht sehr amüsiert ist. „Also gut, zeig es mir! Wenn du es erreichen kannst, darfst du es benutzen.“ Zunächst bedenkt Sesshomaru ihn nur mit einem vernichtenden Blick. Doch dann tritt er ein paar Schritte an den Rand und legt umsichtig den Körper seines Sohnes ab. Dann wendet er sich wieder seinem Vater zu. „Ich brauche deine Erlaubnis nicht. Wenn dies der einzige mögliche Weg ist die Hölle zu verlassen, dann werde ich ihn gehen.“ Nun kommt er langsam auf Inu Taishou zu. „Ich bin zu weit gekommen und habe zu viel opfern müssen, um mich jetzt noch aufhalten zu lassen. Auch nicht von dir.“ In seinen Augen liegt tödliche Entschlossenheit. Nur ein Wimpernschlag vergeht als er sich vom Boden abstößt und auf seinen Vater zustürmt, die gezückte Klaue erhoben. Doch Inu Taishou hat bereits damit gerechnet und macht sich bereit den Angriff abzuwehren. Hart prallen Unterarme gegeneinander und mit geschmeidigen Bewegungen wehrt der ältere Daiyoukai die Schläge seines Sohnes ab. Doch dies gestaltet sich schwieriger als erwartet, denn Sesshomaru kämpft mit aller Verbissenheit und ganzer Kraft und wenn Inu Taishou nicht voll konzentriert bleibt, könnte das unangenehm enden. So sehr sich Sesshomaru auch duckt, ausweicht und springt, sein Vater schafft es immer wieder sich zwischen ihn und das Schwert zu schieben. Das versetzt den jungen Daiyoukai zunehmend in Wut. Ein neuer Angriff, ein Vorstoß, ein Schlag und wieder steht der ehemalige Fürst direkt vor ihm. Wieder verschlingen sich Klauen ineinander um die Stärke des anderen zu brechen. Zwei goldglänzende Augenpaare versuchen einander durch ihren Willen niederzuringen. Die Hände der beiden zittern regelrecht vor Anstrengung und Sesshomaru steht bereits der Schweiß auf der Stirn. Das Gesicht des Inu Taishou hingegen ist makellos wie eh und je, doch auch er blickt angestrengt drein. „Du hast dich gut gemacht“, presst der frühere Westfürst anerkennend hervor. „Besser als ich dachte. Nun sind wir auf Augenhöhe.“ Doch nun flammen Sesshomarus Augen leuchtend rot auf und er fletscht die Reißzähne. „Nein, sind wir nicht!“, grollt er und dann mit einem heftigen Schwung reißt er seinen Vater seitwärts von den Füßen und schleudert ihn mit voller Wucht gegen einen Felsen, der durch die Macht des Aufpralls in einen Trümmerhaufen verwandelt wird. Ohne sich umzusehen, tut Sesshomaru drei weitere große Schritte und ergreift den Schwertgriff Sou'ungas. Fast im gleichen Moment spürt er die Energie die in ihm schlummerte. Wie ein Raubtier, das in einer Höhle schläft und langsam erwacht weil jemand Steine hineinwirft. Er spürt, wie der Griff in seiner Hand warm wird, als wäre er etwas Lebendiges. Doch seine Hand schließt sich fester darum und sein Wille und seine eigene Energie verdeutlichen dem Raubtier, dass es wieder schlafen gehen soll, bis sein neuer Besitzer Bedarf an ihm hat. Die Wärme verfliegt. Dann erst blickt er sich zu seinem Vater um. Inu Taishou steht am Rande des Kessels. Er ist unverletzt, doch sein Blick ist sehr ernst und er hat die Arme verschränkt. „Hast du jetzt alles was du wolltest?“, klingt die verärgerte Stimme zu ihm hinüber. Sesshomaru wendet sich ihm zu. „Das war es nie was ich wollte“, sagt er nun ruhig. „Ich wollte weder das Schwert noch Euch angreifen.“ Inu Taishou kommt langsam auf ihn zu. „Und doch hast du es getan.“ „Ich musste!“, erwidert Sesshomaru energisch. „Ich muss mein Reich beschützen. Wem nützt alles was ich hier bewältigen musste, wem nütze ich, wenn ich hier in der Hölle verbleibe?“ Nun hat sein Vater ihn erreicht und mustert ihn eingehend. „Und ich musste sichergehen, dass du tatsächlich Sou'unga beherrschen kannst. Reden schwingen kann jeder, und ich wollte nicht verantwortlich dafür sein, dass dein Vorhaben im letzten Moment scheitert, weil du dich überschätzt.“ „Ihr habt mich unterschätzt“, entgegnet Sesshomaru leicht mürrisch. „Wie so häufig. Ich war für Euch schon immer zweitrangig. Euer Hauptaugenmerk galt schon immer zuerst Inu Yasha.“ Der ältere Daiyoukai hebt die Brauen. „So siehst du das?“ Er schüttelt den Kopf. „Wenn ich dir weniger Aufmerksamkeit gewidmet habe, dann nur weil ich sicher war, dass du es allein schaffst. Es war dein Bruder der mehr Hilfe brauchte.“ Nun blickt Sesshomaru auf. Er wirkt etwas betrübt. „Das weiß ich doch, Chichi-ue. Und Inu Yasha hat sich dank Eurer Hilfe recht annehmbar entwickelt. Und Euer Vertrauen ehrt mich, jedoch...“ Er bricht ab. „Was willst du mir sagen?“, fragt Inu Taishou direkt. Sesshomaru zögert. Er weiß selbst nicht recht wie er das in Worte fassen soll, was ihn beschäftigt. Schließlich sagt er: „Ich bin alleine stärker geworden. Das war nicht immer einfach.“ „Du bist viel stärker geworden“, entgegnet Inu Taishou nun. „Du kannst mit Recht stolz auf dich sein. Du hättest mich vermutlich gleich zu Beginn unseres Kampfes zu Boden schicken können.“ „Nein!“, Sesshomaru schüttelt leicht den Kopf. „Gegen seinen Vater kämpft man nicht mit voller Kraft. Eine Lektion die ich mit großen Entbehrungen lernen musste und die heute wichtiger ist denn je. Mein Name mag Sesshomaru sein, doch ich werde nicht so sein wie Er!“ Mit schmalen Augen mustert Inu Taishou ihn. „Du bist in der Tat stärker geworden. Ich denke ich kann dir ohne Reue die Verantwortung für den Westclan überlassen.“ Ein grimmiges Lächeln erscheint auf Sesshomarus Gesicht. „Die habe ich doch bereits Chichi-ue“, sagte er und dann holt er aus und vollführt einen heftigen Hieb mit Sou'unga durch die Luft direkt vor ihm. Dreister Bengel!, denkt Inu Taishou bei sich, während er beobachtet wie sich Sou'ungas Macht entfaltet. Zunächst ist ein Rumpeln zu hören und der Boden beginnt immer mehr zu vibrieren. Die ganze Luft prickelt und fühlt sich aufgeladen an. Dann auf einmal bricht direkt vor ihnen die Erde auf und eine gewaltige Energiesäule schießt direkt vor ihnen aus dem Boden und geradewegs in die Höhe. Die beiden Daiyoukai müssen rasch aus dem Weg springen um nicht von der Energiewelle erfasst zu werden. Die Umgebung beginnt zu zerbröckeln und große und kleine Kluften tun sich am Grund des Tales auf. Alles beginnt einzustürzen und das was war zu verschlucken. Unweigerlich fällt Sesshomarus Blick auf den Rand des Kessels, wo Tenmarus Körper liegt und durch die Erschütterung Gefahr läuft in eine der großen Spalten zu rutschen. Das Getöse dabei ist ohrenbetäubend. Ein Adrenalinstoß durchzuckt den jungen Westfürsten. Nur einen Herzschlag später stößt er sich noch im Fallen von einem heranfliegenden Brocken ab und katapultiert sich zurück zu seinem Sohn. Er bekommt ihn zu fassen, nur Augenblicke bevor er in dem bodenlosen Abgrund verschwindet. Aus dem riesigen entstandenen Loch schiebt sich nun allerdings eine gewaltige, gewundene Felsnadel in die Höhe, die rasch an Masse und Höhe zunimmt und ebenso rostrot ist wie die Umgebung. Nun nimmt Sesshomaru auch die unbändige Schadenfreude wahr die in dem Schwert in seiner Hand umhertanzt. Das Raubtier ist aufgewacht und sucht nun ein Opfer. Der Daiyoukai braucht all seine Konzentration um der Sache Herr zu bleiben, zumal er mit der einen Hand Sou'ungas Mordlust unter Kontrolle zu bringen sucht und mit der anderen Hand seinen Sohn hält, dessen Körper noch immer leblos in seinem Griff herunterhängt. Noch einige kräftige Sätze und er befindet sich vorerst außerhalb der Gefahrenzone. Währenddessen wächst die Felsspitze weiter und schiebt sich immer höher in die diesige, rötliche Himmelsdecke hinauf, während ihre Basis sich immer mehr verbreitert. Ein Stück entfernt steht Inu Taishou und beobachtet das Geschehen nachsinnend. Auch wenn er das Verhalten seines Sohnes noch immer als ziemlich unverfroren ansieht, so muss er sich wohl allmählich angewöhnen ihn nicht länger als Kind zu sehen. Der junge Daiyoukai geht seinen Weg, auch ohne ihn, und nun ist er auch nicht länger abhängig von ihm. Sesshomaru ist erwachsen geworden. Ob ihm bewusst ist, dass das Leben nun erst recht schwierig und entbehrungsreich wird? An einem Mangel an Macht leidet er zumindest nicht. Der Übergang zum Diesseits, den er heraufbeschworen hat mit nur einem Schwerthieb, ist enorm. Gerade durchstößt die oberste Spitze die ominöse Wolkendecke und ist nicht mehr auszumachen. Der Weg scheint frei zu sein. Ein triumphierendes Schmunzeln legt sich um Sesshomarus Lippen. Dann wendet er auf einmal den Kopf und blickt seinen Vater ernsthaft an. „Chichi-ue, kommt mit mir! Diese Gelegenheit bietet sich Euch wahrscheinlich nicht wieder. Kommt mit mir in die Welt der Lebenden zurück! Ich bin sicher, gemeinsam können wir diesen Kerl besiegen.“ Zunächst ist Inu Taishou recht verwundert, doch dann entspannt sich seine Miene. „Nein“, sagt er endgültig. „Meine Zeit im Diesseits ist beendet. Ich gehöre hierher. Die Welt der Lebenden gehört den Lebenden nicht den Toten. Wie du selbst sagtest: Es ist nicht mehr meine Aufgabe dort etwas zu bewirken. Diese Verantwortung liegt nun bei dir und deinen Kameraden. Und zum Guten oder Schlechten, du kannst sie nicht den Verstorbenen aufbürden.“ Zunächst wirkt Sesshomaru sehr hin und hergerissen, doch schließlich akzeptiert er es. „Ich... verstehe“, murmelt er zerknirscht. Dann atmet er einmal durch und richtet sich wieder auf. „Ich muss nun gehen, Chichi-ue. Ich sende Sou'unga zurück sobald ich oben bin.“ Inu Taishou nickt als Antwort. Keine Abschiedsgruß könnte dem Anlass gerecht werden. Dann wendet sich Sesshomaru ab und leichtfüßig springt er den gewundenen Weg nach oben. Immer schneller bewegen sich seine Füße je höher er kommt, als könne er es gar nicht mehr abwarten, diese Gefilde endlich hinter sich zu lassen. Als er die Wolkendecke erreicht, bemerkt er einen Widerstand und es kostet ihn gehörig Kraft um hindurchzudringen, doch verbissen kämpft er sich Schritt für Schritt weiter. Dabei bemerkt er, dass die diesigen Schwaden vor seinem Schwert der Unterwelt geradezu davonstieben und es nun leichter ist für ihn zu laufen. Und noch etwas bemerkt er. Je weiter hinauf er kommt, desto mehr beginnen jetzt wieder die Ketten um Tenseiga zu leuchten. Doch es ist eher ein Flackern, ein letztes Aufbäumen des Bannes, der das heilende Schwert versiegelt hat. Sesshomarus Miene verzieht sich zu einem Lächeln. Das bedeutet, er nähert sich tatsächlich dem Ausgang. Auf diese Art beflügelt, beschleunigt er seinen Schritt nochmal und schließlich lichtet sich der rötliche Schimmer über ihm und weicht immer mehr einem strahlenden Blau. Sesshomarus Augen beginnen zu funkeln. Es kann nicht mehr sehr weit sein. Nun verziehen sich die schummrigen Schwaden um ihn und statt der stetigen warmen, stickigen Luft der Hölle, weht ihm nun ein frischer kühler Windhauch entgegen und streift über sein Gesicht. Sesshomarus Herz macht einen Sprung. Er hätte nie für möglich gehalten wie sehr er sich doch nach etwas frischer Luft sehnen würde. Über ihm verwandelt sich nun das helle Blau in einen leuchtenden, wolkendurchwirkten Himmel und rundherum sind nun auch die Wipfel von dunkelgrünen Laubbäumen zu sehen. Nur noch wenige Schritte dann hat er es geschafft. Er durchdringt den Grund, tut noch einen großen Sprung und landet schließlich federnd auf dichtem grünem Gras mitten auf einer kleinen Waldlichtung. Es ist geschafft, er ist endlich wieder zurück! Für einen Moment lang steht Sesshomaru einfach nur da und verharrt schweigend. Kaum hat er den Waldboden berührt, prasselt eine Unmenge an Eindrücken auf ihn ein. Überall um ihn her vernimmt er nun die Geräusche von Tieren und das Rascheln und Rauschen der Bäume und Büsche um ihn her. Er fühlt das Kribbeln des kühlen Grases unter seinen bloßen Füßen und saugt frische, würzige Luft ein, die ihm unzählige Signaturen verschiedenster Duftnoten zuträgt. Er spürt den sanften Wind in seiner Kleidung und auf seinem Gesicht und all die saftigen, verspielten und abwechslungsreichen Farben all der Dinge um ihn her katapultieren seinen Puls augenblicklich in ungekannte Höhen. Schon lange hat er nicht mehr so eine Begierde in sich gespürt, die Gier nach Leben. Für eine Weile ist er einfach nur völlig überwältigt von all den Sinneseindrücken, die auf ihn einwirken und er merkt gar nicht wie ihm Tenmaru und das Schwert in seiner Hand aus den Fingern gleiten und nehmen ihm zu Boden plumpsen. Er steht einfach nur da mit geschlossenen Augen und genießt es zu atmen, einfach zu atmen. Er begreift, dies ist es was Dämonen dazu veranlasst ihre Domäne zu verlassen, was sie den Menschen zutiefst neiden, was sie... gierig macht. Gierig nach allem im Diesseits. Gierig zu kosten, zu spüren, zu erleben. Gierig und neidisch und missgünstig. Hieraus erwächst ihr Hass auf die Menschen, denen diese Welt vorbehalten war, und in der sie allenfalls geduldete, meist eher erduldete, Gäste sind. Wer einmal die Hölle erlebt hat mit ihrer ereignislosen Ödnis würde ohne weiteres töten um in diese Welt gelangen zu können, die so voll ist von Leben. Er bemerkt kaum wie sich der Zugang zur Hölle beginnt zu schließen, kaum dass er Sou'unga fallengelassen hat. Die rostrote Felsenspitze sinkt langsam aber stetig wieder in die Untiefen der Hölle herab und das Loch im Boden wird zunehmend undurchdringbar. Fast schon ist nichts mehr davon zu sehen. „Na, genießt du es wieder hier zu sein?“, dringt nun spöttisch eine Stimme an sein Ohr. Augenblicklich fährt Sesshomaru herum. Kaum hat er den Sprecher ausgemacht, reißt er ungläubig die Augen auf. „Nein!“, stößt er erbost hervor. „Du?“ Ein Stück entfernt von ihm steht Arashitsume unter einem Baum und lächelt ihn diabolisch triumphierend an. In seiner Hand hält er das Schwert Sou'unga. „Was machst du hier?“, ruft Sesshomaru wütend zu ihm hinüber. „Das gleiche wie du“, kommt die missgünstige Antwort. „Mein Leben genießen. Als ich sah, dass du einen Übergang baust, konnte ich mich doch nicht lange bitten lassen.“ „Gib mir auf der Stelle das Schwert!“, knurrt Sesshomaru ihn mit rotfunkelnden Augen an und macht nun einen gefährlichen Schritt auf ihn zu. Doch rasch kommt Bewegung in den ehemaligen Ostfürst. „Nicht doch, das werde ich ganz bestimmt nicht tun“, entgegnet Arashitsume kopfschüttelnd, während er vor Sesshomaru zurückweicht. „Dieses Schwert ist viel zu kostbar, als das ich es dir geben würde.“ „Was willst du schon damit“, grollt Sesshomaru ärgerlich und setzt ihm weiter nach. „Einer wie du kann es doch sowieso nicht führen. Du hast nicht das Format dazu, du kümmerlicher Emporkömmling!“ Wieder weicht Arashitsume ihm aus und sprintet im Zickzack weiter. „Das mag vielleicht sein“, bestätigt er abfällig, „aber ich kenne jemanden der es kann. Und ich bin sicher Er wird mir sehr dankbar sein, wenn ich Ihm ein solch mächtiges Schwert bringe. Vielleicht belohnt Er mich dafür mit einem neuen Körper.“ Er grinst boshaft. Sesshomarus Miene gefriert. Fassungslos starrt er seinen Widersacher einen Moment an, ehe er wieder die Verfolgung aufnimmt. „Bist du völlig wahnsinnig?“, wettert Sesshomaru. „Du willst das Schwert diesem Katsuken geben?“ „Sein Name ist Sesshomaru“, entgegnet Arashitsume genüsslich, „und ja, warum nicht?“ „Du bist doch vollkommen irrsinnig!“, schreit Sesshomaru ungehalten. „Er ist jetzt schon viel zu stark. Es ist völlig unverantwortlich ihm noch mehr Macht zu geben, schon gar nicht über die Unterwelt. Er wird das gesamte Land zerstören wenn wir ihn nicht aufhalten und du willst ihn noch unterstützen, du elender Bastard!“ Doch Arashitsume zeigt sich gänzlich ungerührt davon, während er zwischen den Bäumen hin und her springt. „Das kann man nie wissen. Besser er macht diesem ganzen System aus degenerierten, fehlgeleiteten Kleingeistern ein Ende. Dann kann etwas wunderbar Neues entstehen.“ Ungläubig hört Sesshomaru seine Worte. „Ich hab es gewusst, du bist wirklich vollkommen wahnsinnig. Aber soweit werde ich es nicht kommen lassen!“ Mit einem raschen Griff zieht er Tenseiga. „Vorher schicke ich dich wieder in die Hölle, wo du hingehörst!“ „Ach wirklich?“, ruft Arashitsume über die Schultern zurück. „Dazu musst du mich erst einmal erwischen, und ich bin schneller als du. Aber ist es wirklich so eine gute Idee Tenmarus Körper so völlig schutzlos auf der Lichtung zurückzulassen, bis du mich irgendwann gefangen hast? Ich meine nach all der Mühe die es dich gekostet hat ihn zu bekommen.“ Sesshomaru weicht die Farbe aus dem Gesicht. Er zögert noch einen kurzen Moment, dann fällt er zurück, wird langsamer und bleibt schließlich stehen. Er sieht noch wie Arashitsume mit flinken Sprüngen im Unterholz verschwindet, dann kehrt wieder Ruhe im Wald ein. Sesshomarus Herz klopf. Es klopft heftiger als es sollte. Fast wie in Trance dreht er sich um und eilt auf direktem Wege zurück. Wie konnte er ihn vergessen haben? Nur seinetwegen hat er all diese Strapazen auf sich genommen. Er ist sich selbst nicht ganz klar warum, aber er weiß, dass er nicht bereit ist, den jungen Daiyoukai noch einmal einer Gefahr auszusetzen. Mit raschen Schritten trägt ihn sein Weg wieder zurück zu der Lichtung. Zu seiner großen Erleichterung, liegt der bloße Körper seines Sohnes noch immer unangetastet aber völlig regungslos im weichen Gras. Langsam tritt er hinzu und betrachtet ihn schweigend. In seiner Hand liegt Tenseiga und pulsiert leicht; frei und ungebunden so wie früher. Er hat es geschafft. Er hat seinen Sohn aus der Hölle befreit und auch er selbst ist wieder zurück ins Diesseits gelangt. Er ist nur noch einen Schwertstreich davon entfernt seine Mission abzuschließen. Warum zögert er also? Die Augenblicke verstreichen und noch immer rührt Sesshomaru keinen Muskel. Aus den Augenblicken werden Momente und aus Momenten werden Minuten. Ein paar mal zuckt seine Hand, doch sie holt nicht zum erlösenden Streich aus. Sesshomaru beißt die Kiefer zusammen. Das kann doch nicht sein. Wovor fürchtet er sich? Warum kann er es einfach nicht über sich bringen? Dies ist doch der Moment auf den er die ganze Zeit hingewirkt hat. Was also hindert ihn? Vor seinem inneren Auge sieht er einmal mehr die Bilder die ihm der Flammenfluss beschert hat. Sie wechseln sich ab mit den Visionen die Kagebara-hime ihm zukommen ließ. Und ganz allmählich wird ihm bewusst, dass er noch nicht bereit ist ihm gegenüberzutreten. Dann müsste er sich seiner Schuld stellen. Sein Sohn hatte sich von einem Vater verabschiedet den er verehrte und der ihn gehasst hatte. Seitdem hat sich viel verändert und er kann überhaupt nicht einschätzen wie sein Sohn reagieren würde wenn er erfährt was bisher alles geschehen ist. Wird er ihm je verzeihen können? Wird er ihn verfluchen? Was wenn er nicht bereit ist ihm zu vergeben was er ihm angetan hat? Nervös geht Sesshomaru langsam auf und ab. Er ist es nicht gewohnt so aufgewühlt zu sein und das beunruhigt ihn noch zusätzlich. Zudem kommt noch das neue Problem, das Arashitsume heraufbeschwört, indem er das Schwert der Unterwelt ihrem bereits übermächtigen Gegner geben will. Arashitsume! Er hat ihn nicht gerochen. Wie auch? Er besitzt keinen wirklichen Körper, er ist lediglich eine Seele. Eine Seele die zweifellos wieder in die Hölle gehört. Doch damit wird er sich später befassen. Die Verfassung seines Sohnes beansprucht momentan seine gesamte Aufmerksamkeit. Aufgewühlt bleibt er vor ihm stehen. Mit bloßem Körper liegt Tenmaru zu seinen Füßen. Seine Augen sind geschlossen und seine Haut ist blass. Langsam hebt Sesshomaru Tenseiga und lässt es einen Moment über ihm schweben. Auffordernd pulsiert es warm in seiner Hand. Noch einmal atmet er innerlich durch. Scheitern ist keine Option! Dann geht die Klinge auf den leblosen Youkai hernieder und beginnt ihre Macht zu entfalten. Ein kurzes Schimmern zieht über Tenmarus Körper und hüllt ihn kurz ein, dann verblasst es wieder. So unspektakulär sein Effekt ist, so unbestreitbar ist auch Tenseigas Macht. Die Brust des jungen Mannes beginnt sich wieder zu heben und man kann hören wie er gierig die Luft einsaugt. Ein paar weitere Atemzüge folgen, die sich zunehmend entspannen, und dann beginnen sich zögerlich seine Gliedmaßen zu regen. Langsam dreht er sich auf die Seite und dann schließlich schlägt er die Augen auf. Purpurfarbene Iriden erkunden ihre Umgebung und versuchen zu erfassen wo sie sich befinden. Sie streifen über Gras, Bäume, Sträucher und Gestein und bleiben letztlich an dem schlanken, hellhäutigen Daiyoukai hängen der direkt vor ihm steht und mit verbissener Miene auf ihn herabblickt. Tenmaru benötigt einige Augenblicke um zu erfassen wen er da vor sich hat. Als es ihm schließlich klar wird, weiten sich seine Augen erschrocken und ein Ruck geht durch seinen Körper. Hastig bemüht er sich nun, seine noch tauben Gliedmaßen seiner Kontrolle zu unterwerfen um sich aufzurichten, was sich als schwieriger erweist als erhofft. Seine Arme und Beine fühlen sich schlaff und kraftlos an und ihm ist seltsam schummerig. Recht unbeholfen kommt er auf die Knie und sogleich verneigt er sich Respekt bekundend vor Sesshomaru. „Mein... Fürst“, kommt es stockend hervor. Der Gebrauch seiner Stimme scheint eine Ewigkeit her zu sein. Tenmaru bebt am ganzen Körper vor Anspannung. Je länger nun die Stille anhält umso mehr Erinnerungen kommen jetzt wieder. Flashbacks überkommen ihn von den letzten Momenten an die er sich erinnert und mit jeder neuen Erinnerung weicht ihm mehr die Farbe aus dem Gesicht vor Schreck. Er hat es gesagt! Er hat es verraten, Allen! So lange hatte er das Geheimnis über ihr Verwandtschaftsverhältnis für sich behalten und dann, als er meinte sterben zu müssen, hatte er doch nicht an sich halten können. Selbstverständlich wird der Westfürst darüber äußerst ungehalten sein. Seine Stirn berührt zitternd den Boden. Was auch immer jetzt mit ihm geschieht, er hat es voll und ganz verdient. „Ich... ich habe keine Entschuldigung für das was ich getan habe“, stammelt er mühsam beherrscht. „Ich hätte Euch nicht bloßstellen dürfen. Das war völlig unangebracht. Ich kann es auch nicht wieder gutmachen, das weiß ich. Verfahrt mit mir wie Euch beliebt. Ihr werdet diesmal keine Gegenwehr erfahren.“ Seine Gedanken gehen zu seiner Anführerin und Mutter. Nun zuletzt hat er ihren letzten Wunsch doch nicht erfüllen können. Er hat versagt. Das Schweigen zieht sich in die Länge und Tenmaru beginnt nun so nervös zu werden, dass es ihm alle Selbstbeherrschung abverlangt, nicht einfach aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen. „Ich werde jede Strafe akzeptieren die Ihr für angebracht haltet“, versucht er es erneut. „Wenn... wenn es Euer Wunsch ist, dann werde ich...“ „He...“, unterbricht ihn nun ein verhaltener Ruf, „Tenmaru!“ Der junge Youkai erstarrt buchstäblich als er seinen Namen vernimmt und rührt keinen Muskel mehr. „Hör damit auf, bitte!“, die Stimme klingt müde. Noch immer viel zu angespannt um zu reagieren fragt Tenmaru: „Was meint Ihr, mein Fürst?“ „Du brauchst dich nicht länger entschuldigen“, kommt die leise Antwort. „ Lass das sein, ja?“ Nun ganz behutsam wagt Tenmaru aufzublicken. Vor sich sieht er die hagere Gestalt des Westfürsten aufragen. Erst jetzt bemerkt er den desolaten Zustand in dem sich dieser befindet. Sein Oberkörper ist unbekleidet und mit zahlreichen größeren und kleineren rötlichen Narben übersät. Sein Hakama hängt in kläglichen Fetzen an ihm herunter und ist blutverkrustet, ebenso wie sein langes Haar, dass überall von klumpigen roten Flecken durchzogen ist. Seine Hände und ein Fuß haben eine fleischig rote Farbe und scheinen völlig vernarbt zu sein. Die sonst helle Haut ist blass und fast grau und am Brustkorb treten deutlich die Rippen hervor. Am beunruhigendsten ist jedoch sein Gesicht. Es wirkt fahl und eingefallen und um seine wässrig gelben Augen liegen tiefe, dunkle Ringe. Ein reges Mienenspiel liegt auf seinen Zügen und auch er scheint angestrengt um seine Fassung zu ringen. Die ganze Erscheinung macht einen solch gequälten Eindruck, dass der junge Daiyoukai für einen Moment völlig die Etikette vergisst. „Was ist mit Euch geschehen, Sesshomaru-sama“, fragt er verblüfft sowie besorgt. „Seid Ihr sehr verletzt?“ Sesshomaru schließt für einen Moment die Augen und atmet einmal langsam durch. Er versucht sich zu sammeln. „Es ist nicht der Rede wert“, antwortet er. Noch immer beunruhigt fragt Tenmaru weiter. „Habt Ihr sehr kämpfen müssen? Seid Ihr der schwarzen Miko entgangen?“ „Ja, das bin ich“, kommt die ruhige Antwort. „Dank dir.“ Und dann neigt sich Sesshomaru zu ihm hinab und streckt ihm auffordernd die Hand hin. Völlig perplex starrt Tenmaru ihn an. Er ist viel zu überrascht von dieser Geste, als dass er ihr Folge leisten könnte. „Sesshomaru-sama?“, wispert er verstört. Noch einmal atmet Sesshomaru durch. „Zuletzt hast du mich anders genannt“, bemerkt er bedächtig. Erneut entgleiten dem jungen Daiyoukai die Gesichtszüge. „Dazu hatte ich kein Recht! Bitte vergebt mir!“ Hat er überhaupt das Recht um Vergebung zu bitten? „Nein, es ist schon in Ordnung“, kommt nun die nachsichtige Antwort. Sesshomaru lässt die Hand sinken und blickt den jungen Mann vor sich ernsthaft an. „Es hat sich viel geändert seitdem zu tot warst. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken.“ Noch immer fassungslos blickt Tenmaru ihn an. „Ich... war tot? Das war mir nicht bewusst“, meint er verwundert. „Nun, dir nicht“, erwidert Sesshomaru. „Ich für meinen Teil habe es als sehr bewusst wahrgenommen.“ „Ich verstehe das nicht“, kommt die irritierte Antwort. „Was wollt Ihr mir damit verdeutlichen, mein Fürst?“ „Hör auf damit! Ich bin nicht dein Fürst!“, entfährt es Sesshomaru ärgerlich, sodass der junge Daiyoukai wieder erschrocken zusammenzuckt. Er richtet sich zerknirscht auf und sucht nach den geeigneten Worten. „Tenmaru“, sagt er nun eindringlich, „was ich sagen möchte ist, dass du mich nie wieder so nennen musst.“ „Weil Ihr mich von meinem Schwur entbunden habt?“, wagt dieser vorsichtig zu fragen. „Weil Ihr mich aus Eurem Dienst entlassen habt?“ Sesshomaru schließt nun erschöpft die Augen. Dann sagt er leise: „Ist es wirklich so schwer vorstellbar, dass ich meinen Fehler eingesehen habe?“ Betrübte Augen treffen nun den jungen Daiyoukai. „Es war ein Fehler dich nicht schon bei unserer ersten Begegnung anzuerkennen. Glaub mir ich habe diesen Fehler teurer bezahlt, als ich in Worte fassen kann. Seit dem habe ich alles in meiner Macht stehende getan, um diesen Fehler zu beheben und das Einzige was jetzt noch übrigbleibt, ist deine Vergebung zu erbitten, dass ich dir... kein besserer Vater war.“ Tenmaru erbleicht. Ungläubig reißt er die Augen auf. Hat er das gerade tatsächlich gehört? In seinen Ohren rauscht es so eigenartig, während sein Herz Kapriolen schlägt. Mit vielem hat er gerechnet, aber nicht damit dass der Fürst des Westens ihn um Verzeihung bittet. Und wofür? Dafür, dass er sich ihm gegenüber nicht wie ein Vater verhalten hat? Die ganze Tragweite, was diese Worte aus seinem Munde bedeuten, tröpfeln so langsam nach und nach in sein Bewusstsein. Bedeutet das womöglich, dass er doch Erfolg mit seinem Ansinnen gehabt hat? Dass seine Mission kein Fehlschlag war? Aber letztlich ging es ihm doch gar nicht um die Mission. Nicht um Gehorsam oder Ehrgefühl, sondern nur darum... Ja, worum ging es ihm eigentlich? Nicht mehr alleine zu sein? Einen Platz zu haben? Oder einfach die Anerkennung einer Person, die er als so bewundernswert kennengelernt hat, dass er bereit war alles für sie zu tun? Tenmaru spürt wie er bei dieser zunehmenden Erkenntnis unkontrolliert zu zittern beginnt. Seine Gedanken nehmen an Fahrt zu. Er hat sich dafür entschuldigt, ihn nicht anerkannt zu haben. Bedeutet das, dass er es hiermit tut? Das würde bedeuten, dass er jetzt offiziell sein Sohn ist. Der Sohn des Westfürsten und kein Streuner mehr. Und das heißt er ist in Sicherheit vor Arashitsumes Griff. Aber was noch wichtiger ist, der Fürst des Westens empfindet ihn als annehmbar. Nein, nicht der Fürst des Westens, sein... Vater! Er hat nun einen Vater! Und sein Vater findet, dass er wert genug ist ihn anzuerkennen! Er ist nicht länger wertlos! Wie sehr hatte es sich danach gesehnt? Die Erleichterung die den jungen Daiyoukai in diesem Moment überkommt, ist nicht in Worte zu fassen. Beinah wagt er es gar nicht zu glauben, dass dies alles der Wahrheit entspricht. Ein übersprudelndes Glücksgefühl bemächtigt sich seiner, doch zugleich packt ihn auch die nackte Angst, dass dies alles nur ein großes Missverständnis ist. Diese hilflos widersprüchlichen Gefühle toben nun in seinem Inneren und drohen fast ihn zu zerreißen. So überwältigt von diesen Emotionen ist er, dass er überhaupt nicht weiß wie er darauf reagieren soll. Er spürt wie sich heiße Feuchtigkeit in seinen Augenwinkeln sammelt. Dieser ganze Sturm der Gefühle sucht ein Ventil. Der Kloß in seinem Hals wird immer dicker und er muss schwer schlucken. Mit aller Gewalt drängt er die Tränen zurück. Sein Vater darf ihn jetzt auf keinen Fall weinen sehen. Mühevoll beherrscht wagt er nun den Kopf zu heben. Mit aller Gewalt zwingt er seinem Gesicht Gelassenheit auf, doch seine Mundwinkel zucken noch immer etwas verdächtig. „Es ist nicht nötig, dass Ihr Euch bei mir entschuldigt“, sagt er so gefasst wie möglich. „Ich wurde von Euch so behandelt wie es ein Streuner von einer höhergestellten Person wie Euch erwarten konnte.“ Er wählt seine Worte bewusst neutral, für den Fall, dass er doch etwas missverstanden hat. Dabei klopft ihm sein Herz bis zum Hals. „Das stimmt“, erwidert Sesshomaru. „Das bedeutet aber nicht, dass es so rechtens war. Inzwischen habe ich erkannt, dass ich mich hätte anders verhalten sollen.“ Er hält kurz inne, dann fährt er fort: „Es war eine gute Idee dir gerade Inu Yasha als Patron auszuwählen. Er hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran... mir klarzumachen wie falsch ich damit lag. Letztendlich ist es ihm zu verdanken, dass ich damals unser Verwandtschaftsverhältnis legitimiert habe.“ Nun hebt Tenmaru den Kopf. „Das... das habt Ihr?“, kommt es verunsichert. Nun ist Sesshomarus Blick etwas milder. „Ja, das habe ich getan.“ Wieder streckt er Tenmaru die Hand hin. Mit großen Augen schaut Tenmaru auf die ihm dargebotene Hand. Kann das alles wirklich wahr sein? Es ist wie in einem Traum. Doch dann fasst er sich ein Herz und wagt es wirklich nach der ausgestreckten Hand zu greifen. Sie fühlt sich etwas warm und rau an, doch es steckt unverkennbar Kraft dahinter die jetzt ebenfalls zufasst und ihn mit einem kurzen Ruck auf die Fuße zieht. Nun stehen sich die beiden Daiyoukai direkt gegenüber und zwei Augenpaare treffen sich, ein violettes und ein goldenes und Sesshomaru wird bewusst, dass er seinem Sohn zum ersten Mal so von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht. Und jetzt stellt er fest, dass sich zum ersten Mal seit er ihn kennt, tatsächlich ein wirkliches Lächeln auf Tenmarus Gesicht legt. Ein Lächeln voller aufrichtiger Freude und Dankbarkeit, und es gibt ihm einen Stich. Es erinnert ihn unweigerlich an seine Begegnung mit Kagebara-hime. Doch dies hier ist keine Illusion, es ist Realität. Und je mehr ihm das bewusst wird, um so erleichterter fühlt er sich. Es ist als würde nun eine immense Last von seinen Schultern fallen. Er hat es geschafft! Seine Mission ist nun wirklich erfolgreich vollendet worden. Und noch während ihm diese Gedanken durch den Kopf gehen, übermannt ihn ein heftiges Gefühl der Schwäche und seine Beine versagen ihm den Dienst. Schwer kommt er auf einem Knie zu sitzen und sein Kopf sackt herunter. Erschrocken lässt Tenmaru seine Hand los. „Sesshomaru-sama!“, ruft er alarmiert. „Stimmt etwas nicht? Seid Ihr verletzt?“ „Nein, schon in Ordnung“, wehrt der Daiyoukai mühsam beherrscht ab. Ein leichter Rotschimmer erscheint in seinen Augen und Reißzähne schieben sich unter seinen Lippen hervor. „Ich schätze, ich habe einfach... Hunger!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)