Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 41: Der Raum der Stimmen -------------------------------- Das erste was Sesshomaru verspürt ist der heftige Widerstand dem seine Bewegungen ausgesetzt sind. Es fühlt sich an als stünde man bis zum Hals in einem Meer aus Sand durch das man voranschreiten soll. Doch der Daiyoukai nimmt all seine verbliebenen Kräfte zusammen und kämpft sich verbissen vorwärts. Und tatsächlich nach einigen Schritten schon wird das Vorankommen leichter. Dafür aber breitet sich nun zunehmend ein unangenehmes Kribbeln in seinen Gliedmaßen aus und eine eisige Kälte bemächtigt sich seines Körpers. Schon fühlen sich seine Arme und Beine zunehmend taub an und beginnen sich seinem Willen zu widersetzen. Vor Sesshomarus Augen liegt nichts als eine Art grauer Nebelschleier, mehr ist nicht zu sehen. Das Herz des Daiyoukai klopft heftig in seiner Brust und eine enorme Unruhe hat ihn erfasst. Wenn er sich umsieht, ist ihm als wäre er blind und kein einziges Geräusch dringt an sein Ohr. Sein ganzer Körper kommt ihm zunehmend unwirklich vor und fast schon beginnen ihm die Erinnerungen zu entfleuchen die ihn hierher gebracht haben. Mit aller Gewalt ruft sich der schlanke Westfürst zur Ordnung. Er nimmt all seinen verbliebenen Willen zusammen und lässt seine Aura aufflammen, die Essenz seiner Macht und seines Seins und zu seiner Erleichterung nimmt das Taubheitsgefühl nun ab und er kann sich wieder freier bewegen. Außerdem lichtet sich jetzt der eigenwillige Nebel und gibt den Blick auf eine Art weitläufigen Raum frei. Soweit er nun erkennen kann, ist an diesem Ort kein Ende abzusehen sondern er verliert sich in beträchtlicher Entfernung in absoluter Schwärze. Erleuchtet wird seine Umgebung lediglich von dem schwachen bläulichen und gelblichen Glimmen unzähliger mannshoher Lichtphiolen. Sie schweben um ihn her, immer mit mehreren Schritt Entfernung voneinander, etwa auf Augenhöhe im Raum. Wachsam blickt Sesshomaru sich um. Noch immer fröstelt es ihn und während er sich noch umblickt, stellt er bei sich fest, dass er sich zunehmend schwächer fühlt. Doch dieses Gefühl ist schwer greifbar. Wenn er versucht sich darauf zu konzentrieren, scheint es ihm zu entgleiten. Eine bleierne Müdigkeit macht sich allmählich in ihm breit und es fällt ihm immer schwerer sich zu konzentrieren. Dabei empfindet er nichts was einem physischen Einfluss gleich käme, kein zusätzliches Gewicht oder schmerzhafter Druck von außen. Es ist schlichtweg eine zunehmende Schwäche die versucht ihn einzulullen, und vielleicht ist eben das das perfide an der Sache. Sobald er sein Wachsamkeit sinken lässt, wäre es gut möglich, dass er aufhört zu existieren, ohne dass er es überhaupt bemerken würde. Es ist also eine Prüfung des reinen Willens. Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Sein Wille ist stark. Er hat ihn bis hierher gebracht. Nun muss er sich noch einmal bewähren. Wachsam wandert er ein wenig ziellos zwischen den schimmernden Lichtkokons umher. Sein Blick schweift von einem Behältnis zum anderen. Beim näheren Hinsehen, erkennt man im inneren jeweils eine durchschimmernde Gestalt, welche reglos und zusammengekauert in dem sanften Schein verharrt. Er erkennt Youkai unterschiedlichster Art aber auch zahlreiche Menschen sind dabei. Die Frage drängt sich ihm auf, wie er hier in dieser unendlichen Weite die Seele seines Sohnes eigentlich finden soll. Die Art der beinhalteten Seele scheint keinem erkennbaren Muster zu folgen, sondern ist offenbar gänzlich beliebig. Ein wenig ratlos wandert Sesshomaru zwischen leuchtenden Behältern umher und der Gedanke dieses hoffnungslose Unterfangen einfach zu beenden, wird zunehmend attraktiver in seinen Gedanken. Doch dann bleibt Sesshomaru plötzlich demonstrativ stehen, schüttelt sich kurz und schiebt damit rigoros diese verfänglichen Gedanken von sich. Er fletscht grimmig die Zähne. Irgendetwas oder irgendjemand versucht offenbar ihn mit diesen verlockenden Eingebungen von seiner Mission abzubringen. Mit aller Macht versucht er sich nun wieder auf sein Ziel zu konzentrieren, auch wenn in seinem Kopf sich zunehmend Gedanken wie Watte breitmachen. „Es wird nicht funktionieren!“, grollt er nachdrücklich. „Und wenn es bis in alle Ewigkeit dauert, ich suche solange weiter, bis ich gefunden habe was ich suche.“ „Erstaunlich große Worte!“, ertönt auf einmal eine laute und tiefe Männerstimme. Sesshomaru kann nicht lokalisieren von wo sie gekommen ist. Sie scheint von überall zugleich zu kommen. „Wer spricht da?“, fragt der Daiyoukai wachsam. „Was versteht ein kleiner Youkai wie du von der Ewigkeit?“, fährt die Stimme fort, ohne auf seine Frage einzugehen.“ „Er hat gelogen!“, ertönt nun eine andere Männerstimme. Sie klingt etwas schneidender als die erste. „Er kann es sich nicht leisten, die Ewigkeit zu verschwenden. Ist es nicht so, Youkai?“ Sesshomaru sieht sich aufmerksam um, doch er kann noch immer niemanden ausmachen, zu dem die Stimmen gehören mögen. „Das ist richtig“, gibt er widerwillig zu. „Meine Mission ist eiliger als mir lieb ist.“ „Was ist dein Begehr?“, ertönt nun eine weitere Stimme. Sie klingt maskulin und würdevoll. Sesshomaru zögert kurz. „Bedenke wohl“, meldet sich nun die schneidende Stimme wieder zu Wort, „wir werden keine weiteren Lügen dulden.“ Nun ist der weißhaarige Westfürst doch ein wenig beunruhigt. Für gewöhnlich neigt er dazu immer die Wahrheit zu sagen, doch es ist schwer abzusehen, welche Beschönigung mancher Situation womöglich als Lüge angesehen werden würde. „Was ist dein Begehr?“, wiederholt die andere Stimme, nun eindringlicher. „Ich kam, um eine Seele zurück ins Diesseits zu bringen“, gibt Sesshomaru nach weiterem kurzen Zögern zu. Vermutlich ist es besser gleich mit offenen Karten zu spielen. In den unsichtbaren Stimmen liegt eine Autorität, die er lieber nicht mit Ausflüchten auf die Probe stellt. „Das ist dir untersagt!“, ertönt nun die erste tiefe Stimme bestimmt. „Damit kann ich mich nicht zufrieden geben!“, stellt Sesshomaru nachdrücklich klar. „Dir wird nichts anderes übrig bleiben“, erwidert die würdevolle Stimme. „Den geläuterten Seelen ist es nicht gestattet vor ihrer Zeit in ihrer ehemaligen Gestalt das Diesseits zu betreten!“ Dies kommt nun von einer recht melancholischen Frauenstimme. „Keine Ausnahme!“, bestätigt die schneidende Männerstimme. „Keine Ausnahme!“, wiederholt die trübsinnige Frauenstimme. Sesshomaru beginnt zu frösteln. Ein eisiger Hauch kriecht ihm über den Rücken und versucht ihn einzuhüllen. Er spürt genau, wenn er jetzt nachgibt, ist nicht nur seine Mission gescheitert, sondern auch seine eigene Vernichtung ist dann unausweichlich. Mit aller Willensstärke richtet er sich hoch auf und mit einem entschlossenen Blitzen in den Augen packt er seinen Schwertgriff und zieht Tenseiga aus seiner Scheide. Unmittelbar will das immense Gewicht der Waffe seinen Arm zu Boden drücken, doch verbissen streckt er das Schwert den unsichtbaren Stimmen entgegen. „Ich bin die Ausnahme!“, ruft er grimmig entschlossen. Für eine kurze Weile herrscht drückendes Schweigen. „Ein Schwert aus dieser Welt“, stellt die schneidende Männerstimme fest. „Es vermag über Leben und Tod zu entscheiden“, fügte die tiefe Stimme hinzu. „Kein Sterblicher sollte über so viel Macht verfügen“, verkündet die träge Frauenstimme. „Deshalb wurde es auch gebannt“, stellt die würdevolle Männerstimme fest. Sesshomaru reckt trotzig das Kinn. „Nicht gänzlich!“, widerspricht er ernst. „Tenseiga hat mich hier schon einmal geheilt. Es unterliegt letztlich ausschließlich meinem Willen, und mein Wille in dieser Angelegenheit könnte nicht fester sein.“ Seine Augen bekommen nun einen gefährlichen Glanz. „Wenn ihr mir nicht die Seele gebt, die ich wünsche, werde ich nicht zögern, jede einzelne Seele die ich hier finde nacheinander mit Tenseiga zu erlösen. Seid ihr sicher, dass ihr das wollt?“ Er kann nur hoffen, dass sie seinen Bluff nicht durchschauen, aber was hat er sonst für eine Wahl? Längst liegt Tenseiga nur noch erschöpft abgestützt auf dem Boden auf. Wieder herrscht eine Weile Schweigen in der der aufgebrachte Daiyoukai beunruhigt seine Herzschläge zählt. Bei etwa achtundfünfzig ertönt wieder die autoritäre Männerstimme. „,Du drohst uns, Youkai? Das wird dich teuer zu stehen kommen!“ Nun meldet sich wieder die schrillere Männerstimme zu Wort. „Doch wir können nicht abschätzen, ob du tun wirst, was du ankündigst.“ „Wir können nicht gestatten, dass du Hand an Seelen legst, die ihrer Erneuerung entgegensehen“, lässt sich nun die melancholische Frauenstimme vernehmen. Nun ertönt eine neue Frauenstimme. Sie klingt hell und warm, wenn auch ernst. „Deshalb sind wir zu der Übereinkunft gekommen, dein Gesuch in Erwägung zu ziehen.“ „Sag uns welche Seele du begehrst, Youkai!“, ertönt wieder die tiefe Männerstimme. Sesshomarus Herz pocht heftig vor Aufregung. So würdevoll wie möglich steckt er Tenseiga zurück in seine Scheide, wo es sogleich wieder leichter wird. Er muss sich ohnehin einen Moment sammeln, ehe er es fertigbringt seine Zunge wieder seinem Willen zu unterwerfen. „Ich suche den Youkai Tenmaru. Ich suche meinen Sohn.“ Bei den letzten Worten bricht ihm beinahe die Stimme weg. Schwer schluckt er den Kloß in seiner Kehle herunter. Wieder herrscht kurz Stille. Dann plötzlich beginnt das Licht um ihn herum langsam zu erlöschen und die unzähligen Kokons verschwinden nacheinander in der Finsternis. Sesshomaru wird zunehmend von Unruhe erfasst. Nervös blickt er sich um. Was wird sein, wenn er nun in völlige Finsternis getaucht würde. In diesem Fall wird er diesen Ort wohl niemals wieder verlassen können. Doch zum Glück ist diese Sorge unbegründet. Er sieht sich weiter um und entdeckt nun ein Stück entfernt eine einzelne Lichtphiole die beginnt heller zu leuchten, während alle anderen nun immer mehr verblassen und letztlich ganz verschwinden. Mit klopfenden Herzen geht Sesshomaru auf die einzige verbliebene Lichtquelle zu. In ihrem Inneren ist eine reglose Gestalt zu sehen, die nackt und bloß und fast durchsichtig schwerelos in gelbem Licht hängt. Langsam umrundet er den glimmenden Behälter und kann nun auch das Gesicht der Person erkennen. Es versetzt ihm einen schmerzhaften Stich im Herzen und ein unwillkürliches Keuchen entfährt ihm. Es ist tatsächlich Tenmaru. Fast erträgt er den Anblick nicht. Immer wieder wendet er den Blick ab und sieht dann doch wieder hin, scheinbar um sich zu vergewissern, dass dies die Realität ist. Der Kloß in seiner Kehle lässt sich nicht mehr wegschlucken. Mehrfach ringt er nach Luft und für den Augenblick weiß er einfach nicht wie er nun reagieren soll. Dies war das Ziel seiner Suche, der Lohn für seine so peinigenden und entbehrungsreiche Reise. Hierfür hat er gekämpft, gelitten und erduldet was auch immer es zu erdulden galt und dieser quälende Weg hat ihn nun endlich bis hierher geführt. Nun ist er nur noch einen einzigen Schritt davon entfernt, das zu erlangen weshalb er ausgezogen ist. Noch einmal blickt er in das Gesicht seines Sohnes und zögernd hebt er seine Hand und legt sie an die leuchtende Barriere die sie beide voneinander trennt. Es ist als berühre man eisiges Glas. Es ist so kalt, dass es schmerzt. Verhalten lässt Sesshomaru die Hand wieder sinken. „Ist es das was du suchtest, Youkai?“, fragt die tiefe Männerstimme. „Dein Sohn wartet die Zeit zu seiner Erneuerung ab. Willst du ihm das wirklich nehmen?“, setzt die melancholische Frauenstimme nach. Sesshomaru steht da mit gesenktem Kopf. „Ich kann nicht darauf warten“, sagt er leise. „Ich muss ihn jetzt gleich mitnehmen. Es eilt.“ „Niemand kann sagen,wann die Reinkarnation geschehen wird“, sagt nun die tiefe Männerstimme. „Es kann Jahre dauern, doch es könnte auch schon morgen geschehen.“ „Es dürfen keine Jahre sein. Und selbst morgen könnte schon zu spät sein.“, entgegnet Sesshomaru düster. „Das haben nicht wir zu entscheiden“, meldet sich die schrille Männerstimme zu Wort. „Du wirst dich in Geduld üben müssen“, sagt die trübe Frauenstimme, „Lass den Dingen ihren geregelten Lauf!“ Sesshomaru atmet einmal tief durch. „Das kann ich nicht. Ich brauche ihn in der Gestalt die er vor seinem Tod hatte. Ich brauche ihn als meinen Sohn. Sonst ist meine ganze Suche vergeblich gewesen.“ „Du hast seinen Tod bereitwillig in Kauf genommen“, sagt die tiefe Männerstimme. „Was kann es dir nützen ihn jetzt wiederzuerwecken?“ Die Bemerkung trifft Sesshomaru unvorbereitet. Und obwohl er bereits fröstelt, läuft ihm ein kaltes Rieseln den Rücken herunter und seine Finger werden klamm. Woher wissen sie das? Und wie soll er diese Frage beantworten? Wieder flammt dieser harte Ballen aus Schuldgefühlen in seinem Magen auf und alle zurechtgelegten Erklärungen entfallen ihm nun. „Wir können keine Seele aus dem Jenseits freigeben, ohne einen angemessenen Grund“, fügt die helle Frauenstimme nach einer Weile der Stille hinzu. „Nenne uns den Grund weshalb du deinen Sohn zurück ins Diesseits bringen willst!“, fordert die autoritäre Männerstimme ihn auf. „Sei noch einmal erinnert, dass wir keine weiteren Lügen dulden werden, Youkai“, fügt die schrille Stimme streng hinzu. „Sagst du nicht die völlige Wahrheit, wird Tenmaru hier verbleiben und du selbst wirst auf der Stelle geläutert werden“, meldet sich die melancholische Frauenstimme. „Wir wissen, dass du ein Höllentor beschädigt hast“, sagt die autoritäre Männerstimme. „Wir wissen, dass du vom Flammenfluss versengst wurdest“, sagt die trübe Frauenstimme. „Wir wissen, dass du die Dämonin Kagebara getötet hast“, sagt die tiefe Männerstimme. „Wir wissen, dass du mit den Verstorbenen deines Volkes gesprochen hast“, sagt die schrille Männerstimme. „Sag uns weshalb du all diese Strapazen auf dich genommen hast“, sagt die helle Frauenstimme ernsthaft. „Sag uns die Wahrheit!“, sagt die schneidende Männerstimme. „Nur dann können wir erlauben, Tenmaru freizugeben“, sagt die trübsinnige Frauenstimme. Sesshomaru fühlt sich elend. Inzwischen ist ihm so kalt, dass seine Gliedmaßen schon anfangen zu zittern. Es kostet ihn immense Anstrengung seine ihn schützende Aura aufrecht zu erhalten. Er wird zunehmend schläfrig und sein ganzer Körper fühlt sich immer kraftloser an. Auch das Denken fällt ihm schwer. Die Gedanken wirbeln wild durch seinen Kopf und lassen sich nur schwer fokussieren. Wie soll er so die richtige Antwort finden? Welchen Grund werden sie akzeptieren um ihn gehen zu lassen? Er soll ihm dabei helfen, sein Reich und sein Volk zu retten. Ein nobler und gerechtfertigter Grund, wie er findet. Und trotzdem hat er Zweifel, ob es tatsächlich das ist was sie hören wollen. Da ist noch immer dieser schmerzhafte Knoten in seiner Magengrube, der ihn eines Besseren belehren will. Er beschließt noch einmal zum Angriff überzugehen. „Wozu braucht ihr einen Grund dafür? Für euch kann ohnehin nicht von Belang sein, was dann im Diesseits geschehen wird. Auf euch hat es keine Auswirkung. Wozu also Gründe?“ „Wir verwalten die Seelen der Verstorbenen“, sagt die tiefe Stimme. „Wir tragen Verantwortung für unsere Schutzbefohlenen.“ „Wir werden keinen Missbrauch derer gestatten, die ihre Lebensaufgabe bereits beendet haben“, fügt die strenge Stimme hinzu. „Sie ist nicht beendet!“, widersetzt sich Sesshomaru entschieden. „Sie wurde vorzeitig ihrer Bestimmung entrissen. Es gibt eine Prophezeiung die ihn betrifft. Ich bin gekommen, damit sie sich erfüllen kann.“ Nun herrscht eine ganze Weile erneute Stille. Dann hört man die helle Frauenstimme wieder reden. „Wir kennen diese Prophezeiung“, sagt sie, „aber bist du sicher, dass du allein deshalb gekommen bist, Youkai?“ „Dein Reich und seine Bewohner vor dem Untergang zu bewahren, ist ein zu lauterer Beweggrund für einen Dämon“, gibt die melancholische Stimme zu bedenken. „Youkai sind immer eigennützig“, sagt die schrille Stimme. „Sie werden stets nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sein.“ „Es ist ihre Natur“, ergänzt die tiefe Stimme. „Das ist nicht wahr!“, nun regt sich doch Ärger in Sesshomaru und dadurch fällt es ihm leichter die Müdigkeit abzuwehren, die von seinem Geist Besitz ergreifen will. „Du bezichtigst uns der Lüge?“, empört sich die schneidende Stimme. „Ist es nicht eher so, dass du die Demütigung durch den fremden Eindringling nicht länger hinnehmen willst?“, fragt die strenge Stimme. „Oder dass du Ärger verspürst, weil dir dein Eigentum genommen wurde und du es zurückerlangen willst?“, fragt die schrille Stimme. „Oder du dich damit brüsten können willst, als einzige Person eine Seele aus dem Jenseits zurückerlangt zu haben“, sagt die tiefe Stimme. „Oder du dein Gewissen beruhigen willst, damit du dich nicht länger mit einem Fehler befassen musst“, fragt die trübe Frauenstimme. „Stolz!“ „Gier!“ „Ruhm!“ „Unfehlbarkeit!“, wiederholen die Stimmen. „Dies sind doch die Gründe weshalb du nun hier bist“, ergänzt die strenge Stimme. „Aus purem Eigennutz. Und sicher ist dir das auch bewusst, Youkai.“ „Wir wissen, dass es so ist!“, sagt die schneidende Stimme entschieden. „Oder gibt es noch einen anderen Grund dafür, den wir nicht berücksichtigt haben?“, fragt jetzt die helle Frauenstimme und es klingt beinahe ein wenig nachsichtig. Sesshomaru schließt müde die Augen. Wie es aussieht, läuft dies hier wieder auf eine Sache hinaus. Es erschöpft ihn einfach über alle Maßen, sich ein weiteres Mal mit diesem Thema zu befassen. Offenbar wird es erst dann 'genug' sein, wenn sein Sohn wieder unter den Lebenden weilt. Mit ein wenig Glück wird es heute das letzte Mal sein. „Es mag sein, dass ich tatsächlich mein Gewissen beruhigen will“, gibt Sesshomaru verhalten zu. „Und Tenmarus Tod hängt vermutlich auch sehr mit meinem Stolz und der Sorge um mein Ansehen zusammen. Ich kann nicht bestreiten, dass dies mehrere Eigenschaften sind, die mich ausmachen.“ Doch nun verhärtet sich sein Blick und er schaut hoch. „Doch von der Natur der Youkai habt ihr keine Ahnung.“ Er atmet einmal tief durch und fährt dann fort. „Gewisse Wesenszüge mögen uns fremd sein, doch gänzlich unbekannt sind sie uns nicht. Ich selbst habe lange Zeit versucht es zu leugnen, und doch musste ich feststellen, dass ich gerade dann über mich hinausgewachsen bin, wenn ich jemanden beschützen wollte, der mir wichtig war. Mein Vater handelte gleichermaßen, ebenso wie mein Bruder. Doch erst seit einer Weile beginne ich zu begreifen, was den tatsächlichen Kern ihrer Stärke ausmacht. Diese Erkenntnis, hat mich den ganzen elenden, unwegsamen Weg durch die Hölle bis hierher geführt und ich gehe nicht eher hier wieder fort, bis ich meinen Sohn, an dem ich vielfach schuldig geworden bin, wieder mit mir nehmen kann.“ Wieder herrscht kurzes Schweigen. Dann ertönt einmal mehr die strenge, würdevolle Stimme: „Soll das etwa bedeuten, du empfindest Gefühle für deinen Sohn?“ „Willst du damit sagen, dass du ihn liebst?“, ergänzt die schrille Stimme skeptisch. Sesshomarus Kehle ist wie zugeschnürt. Er bekommt kaum einen Ton heraus bei dieser Frage. Er ringt einige Momente um eine Antwort, dann sagt er zögernd: „Ich weiß es nicht. Zeit seines Lebens empfand ich ihn nur als lästiges Ärgernis. Zumindest gab ich mir alle Mühe ihn so zu sehen. Ich stellte mich blind für seine Talente und Fähigkeiten und seine Gesinnung sollte mich ungerührt lassen. Erst im Augenblick seines Todes erkannte ich... was für ein Narr ich war.“ Schmerzerfüllt lässt der Daiyoukai den Kopf sinken. „Ich hatte nie die Gelegenheit ihn... lieben zu lernen. Doch der Gedanke, dass er durch meine Engstirnigkeit und meinen falschen Stolz zu Tode gekommen ist, ist in den letzten Jahren zu einer solch unerträgliches Vorstellung geworden, dass ich es einfach nicht mehr ertrage ihn hier zu wissen. Früher oder später wäre ich wohl, auch ohne dass mein Reich angegriffen würde, diesen Weg hierher gekommen. Er darf nicht länger die Strafe für mein Versagen tragen. Wenn euch das als Grund nicht ausreicht, fürchte ich, kann ich euch keinen besseren liefern.“ Wieder herrscht kurz Stille. Dann spricht die warme Frauenstimme wieder: „Das klingt, als würdest du ihn doch lieben.“ Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Dann atmet er einmal tief aus. „Wenn es das ist, was es bedeutet, dann... ja! Dann liebe ich ihn womöglich doch.“ Er hat keine Kraft mehr um es noch länger zu bestreiten. Und er will es auch nicht. Nicht mehr. „Liebe!“, ertönt es jetzt verächtlich von der strengen Männerstimme. „Liebe widerspricht der Natur der Dämonen.“ „Sie sind nicht zum Lieben bestimmt“, ergänzt die missmutige Frauenstimme. „Und dennoch liebt er ihn“, gibt die sanfte helle Frauenstimme zu bedenken. „Ebenso wie er die Mutter seines Sohnes liebt.“ „Er verleugnet seine Natur“, stellt die schrille Männerstimme deutlich fest. „Deshalb ist er auch schwach“, verkündet die tiefe Stimme entschieden. Erneut steigt der Ärger in Sesshomaru hoch. Wie viele Schmähungen und Demütigungen muss er eigentlich noch über sich ergehen lassen, bis seine Schuld endlich abgegolten ist? „Ich bin nicht schwach!“, stellt er finster klar. „Ich habe nicht all die Gefahren, Herausforderungen und Qualen, die mir die Hölle auf dem Weg hierher bot, überwunden, um mich nun schwach nennen zu lassen.“ „Wie wenig du doch weißt, kleiner Youkai“, entgegnet die melancholische Frauenstimme herablassend. „Sieh dich nur an!“, meint die tiefe Stimme. „Du bist nur noch das jämmerliche Abbild dessen was einmal deine wahre Größe ausgemacht hat.“ Sesshomaru erstarrt. Die Worte haben einen Punkt in ihm berührt, den er bisher gemieden hat und der, jetzt wo er betrachtet wird, auf einmal zunehmend zu schmerzen beginnt. Die dunkle Stimme spricht schon weiter. „Du bist nachsichtig geworden. Rücksichtsvoll. Mitfühlend. Du lässt dich von deinen Gefühlen leiten und bestimmen, wo rationales Denken und Handeln gefragt wäre.“ „Du spürst schon länger diese Verwirrung in dir, ist es nicht so?“, fragt die trübe Frauenstimme. „Du weichst notwendigen Entscheidungen aus. Du bist so sehr darum bemüht möglichst das Richtige zu tun, dass deine Souveränität entschieden darunter leidet.“ „Du willst gemocht werden“, sagt die helle Frauenstimme. „Dein Selbstwertgefühl hängt nun an der Bestätigung durch andere.“ „Und deshalb bist du schwach, Youkai!“, stellt die autoritäre Stimme klar. Wie vor den Kopf gestoßen, starrt Sesshomaru vor sich hin. Sie haben recht. Irgendwie war ihm das schon längere Zeit klar, doch erst jetzt wird ihm bewusst, wie sehr es stimmt was sie sagen. Seit dem Vorfall mit dem Ostclan damals, hat er sich verändert. Er ist nicht mehr der selbe. Er hat seine Selbstachtung verloren. Die Schuldgefühle wegen der Begebenheit damals, haben ihn in den letzten Jahren immer mehr innerlich aufgezehrt. Eine ganze Weile hat er versucht es nicht zu beachten, doch dieser elende Kerl, der seinen... nein... dessen Namen er trägt, hat alles an die Oberfläche gebracht. Sein Kokorokaji hat mehr als einen Finger in seine schmerzende Seelenwunde gelegt. Immer wieder hat er Tenmarus Tod miterleben müssen. Immer wieder und wieder seine letzten rühmenden Worte gehört, die so völlig seiner Haltung zu ihm zuwiderliefen. Hätte er ihn doch wenigstens für sein Verhalten verdammt. Doch nein, er war bis zum Schluss voll des Lobes für seinen Vater und zu wissen, wie wenig er dieses Wohlwollen verdient, will ihm schier den Verstand rauben. Kagebara hatte recht. Unzählige Male hatte er mit sich gehadert und sich dem Wunschdenken hingegeben, wie es wäre, wenn er damals nicht so verbohrt gewesen wäre. Vieles wäre anders gewesen und diese Reise hierher hätte niemals stattgefunden. Doch nun ist er hier, und in ihm ist nur noch ein Wunsch: Das Unrecht wieder gutzumachen und Tenmaru zurück ins Diesseits zu bringen. Vielleicht können dann doch ein paar seiner Wunschvorstellungen Wirklichkeit werden. Die tiefe Männerstimme reißt ihn aus seinen Gedanken. „Wir wissen um diese Prophezeiung.“ „Wir wissen wer dein Gegner ist“, fügt die schneidende Stimme hinzu. „Du wirst ihm nicht gewachsen sein“, stellt die trübsinnige Frauenstimme fest. „Nicht so.“ „Deshalb ist es unerheblich, ob du Tenmaru mitnimmst oder nicht“, ergänzt die strenge Männerstimme. „Dein Vorhaben wird auf jeden Fall scheitern.“ „Doch wir sind nicht grausam“, fügt die helle Stimme jetzt sanft hinzu. „Wenn es dein Wunsch ist Tenmaru mit dir zu nehmen, obgleich du weißt, dass dein Vorhaben, dein Reich betreffend, scheitern wird, so sei es dir dieses Mal gestattet.“ Sesshomarus Kopf fährt hoch. Sein Herz klopft auf einmal heftig. Sollte er nun doch noch Erfolg haben? Ist es möglich, dass sich entgegen aller verbliebenen Hoffnung doch noch alles zum Guten wenden sollte? Er wagt kaum dies zu glauben. „Es ist mein Wunsch!“, wispert er. Doch in seinen leisen Worten ist deutlich die Sehnsucht herauszuhören. „So sei es!“, diesmal klingen die fünf Stimmen wie eine. Das Herz des Daiyoukais klopft bis zum Hals. Bedeutet das, er hat tatsächlich Erfolg gehabt? Er hat es tatsächlich geschafft? Es ist fast zu schön um es zu glauben. Und im gleichen Moment holen ihn die nächsten Worte wieder auf die Erde zurück. „Selbstverständlich, können wir ihn dir nicht einfach so überlassen“, erklärt die autoritäre Stimme nun. „Ihr sagtet gerade, ihr gebt ihn frei!“, empört sich Sesshomaru nun ungehalten. „Wollt ihr als wortbrüchig gelten?“ „Wir sagten, wir gestatten es dir, ihn mitzunehmen“, erwidert die melancholische Frauenstimme mit herablassender Geduld. „Doch zunächst musst du den Preis dafür bezahlen“, beendet die schrille Stimme die Ausführung. „Den Preis?“ Sesshomaru kann es nicht verhindern, dass seine Emotionen hochkochen. „Habt ihr überhaupt eine Vorstellung, was es mich bisher gekostet hat, hier zu sein? Was wollt ihr noch von mir?“ Doch in seinen Gedanken hört er nun noch einmal die Worte seines Vaters der ihm gesagt hatte: „Es wird dich etwas kosten.“ „Bedenke, dass Tenmaru geläutert wurde“, entgegnet nun die warme Frauenstimme nachsichtig. „Es gibt keinen Körper mehr in den seine Seele zurückkehren könnte. Der Preis ist für den neuen Körper den er erhalten wird. Und er kann nur geschaffen werden durch ein großes, uneigennütziges Opfer. Ist er dir das etwa nicht wert?“ Sesshomaru schweigt zerknirscht. „Nun, wie steht es jetzt mit deiner Lauterkeit, Youkai?“, meint die schneidende Stimme verächtlich. „Was bist du bereit für das Leben deines Sohnes zu geben?“ Sesshomaru atmet einige Male tief durch. Dann blickt er sehr gefasst auf. „Alles! Nehmt meine Seele wenn ihr wollt, doch... gebt ihn mir zurück!“ „So entschlossen bist du, Youkai?“, hakt die trübsinnige Frauenstimme nach. „Sei unbesorgt, wir wollen deine Seele nicht. Aber bist du wirklich bereit alles zu geben? Alles was wir verlangen?“ „Ja!“, sagt Sesshomaru so bestimmt wie er es vermag. „Ich zahle jeden Preis, wenn Tenmaru dafür mit mir ins Diesseits zurückkehren kann.“ „Eine leichtfertige Zusage, in der Tat“, stellt die maskuline Stimme fest. „Doch sei gewiss, wir werden sie in Anspruch nehmen.“ Doch der junge Westfürst ist nun das Geplänkel leid. „Was verlangt ihr von mir?“, fragt er ungeduldig. „Was du für den Körper deines Sohnes aufgeben musst“, verkündet nun die helle Frauenstimme, „ist die Liebe zu der Dämonin Hanaki!“ Sesshomaru erbleicht. Er kann spüren wie ihm alle Farbe aus dem Gesicht weicht und seine Knie drohen endgültig nachzugeben. „Das... kann nicht euer Ernst sein...“, wispert er tonlos. „Glaubst du, das Opfer wäre nicht groß genug?“, kommt es nun streng von der tiefen Stimme. „Bedeutet sie dir doch nicht so viel?“ Der Daiyoukai ist noch immer fassungslos. „Erwartet ihr wirklich, dass ich mich zwischen meinem Sohn und meiner Frau entscheide?“ „Wie könnte es sonst ein angemessenes Opfer sein?“, fragt die mürrische Frauenstimme. Sesshomaru schnappt nach Luft. Mit allem hat er ja gerechnet, aber nicht damit. Nun endlich nach so langer Zeit hat er sie endlich wiedergefunden. Endlich konnte er mit ihr reden und sich für sein Vergehen entschuldigen und endlich hat sie eingewilligt seine Frau zu werden! Er hat ihr versprochen sie ebenfalls zurückzubringen. Er ist bereit alles für sie zu tun. Für die eine Person die mit ihm seelenverwandt ist. Die Einzige mit der er sich vollkommen fühlt und jetzt soll er alles was zwischen ihnen beiden ist hinter sich lassen? Das bringt er nicht fertig. Das ist völlig unmöglich! „Wie stellt ihr euch das vor?“, fragt er schwach. „Wie könnte ich aufhören sie zu lieben? Das ist... undenkbar!“ „Unterschätze uns nicht!“, rügt die autoritäre Stimme streng. „Unsere Macht erstreckt sich über Dinge die du dir nicht einmal vorstellen kannst.“ „Doch deine Bedenken sind unbegründet, Youkai“, lenkt die trübe Stimme nun ein. „Du wirst nichts vermissen. Du wirst vergessen, dass sie jemals von Bedeutung für dich war. Deine Erinnerungen an die Erlebnisse mit ihr werden verschwinden und es wird sein, als hättet ihr euch niemals gekannt.“ „All die Trauer, alle Schuld und alle Seelenpein die diese Erinnerungen mit sich bringen, werden ebenfalls verschwinden“, erklärt die helle Stimme nun weiter. „Und du wirst wieder zu deiner wahren Natur zurückfinden. Nur so gelangst du wieder zu wahrer Größe. Es ist im Grunde ein Geschenk an dich. Als Lohn für deinen aufopfernden Wunsch, deinen Sohn zu retten.“ „Und nur so wirst du in der Lage sein, Sesshomaru zu vernichten“, fügt nun die tiefe Stimme ernst hinzu. „Seine Tage auf Erden sind gezählt. Nun muss ihnen ein Ende gesetzt werden.“ „Nur wenn du diese unmögliche Entscheidung treffen kannst, wirst du dich der schweren Aufgabe als würdig erweisen, den Fukouryouken zu töten“, verkündet die autoritäre Stimme. „Triff nun deine Wahl!“ Die Stimmen klingen wie eine. Sesshomaru ist wie betäubt. Er kann nicht mehr klar denken. Wie soll er entscheiden? Kann er überhaupt entscheiden, welcher der beiden wichtigsten Personen in seinem Leben er den Vorrang geben soll? Allein schon der Gedanke daran Hanaki aufzugeben, schneidet wie ein glühendes Messer durch sein Herz. Er hat sie schon einmal ziehen lassen, und es hat ihm dennoch niemals seinen Frieden gegeben. Sollte es dieses Mal anders sein? Könnten sie tatsächlich alles was sie zusammen hatten praktisch ungeschehen machen? Ist es ihm wirklich möglich, sie dieses Mal gehen zu lassen ohne danach zeitlebens in Selbstvorwürfen zu versinken? Und vor allem anderen, will er das überhaupt? Was ist es denn wirklich was sie verbindet? Ihr Duft? Ihr Wesen? Eine Hoffnung an die er sich klammert? Schuldgefühle die ihn an sie binden? Oder ist da tatsächlich etwas, dass allen Widrigkeiten und Umständen zum Trotz, doch... wahrhaftig an ihrer Beziehung ist? Und was wenn nicht? Wie viele Male hat er sich nun schon diese Frage gestellt? Hier hat er endlich die Möglichkeit eine Antwort zu erhalten. Und dennoch stellt er fest, dass allem Rationalen zum Trotz, er sie nicht aufgeben will. Nie wieder! Doch andererseits wird eben das von ihm gefordert, wenn er seinen Sohn mit sich nehmen will. Und wenn er sich an seine bisherige Reise hierher zurück entsinnt, wird ihm klar, dass an seiner Entschlossenheit dies zu tun, nicht zu rütteln ist. Wie um alles in der Welt soll er also diese Entscheidung fällen? Mit geschlossenen Augen ruft er sich für einen flüchtigen Moment ihr Bild vor seinem inneren Auge herauf. Hanaki! Sag mir, was soll ich tun? Wie soll ich entscheiden? Und im gleichen Moment vermeint er nun ihre Worte zu hören: „Sesshomaru, du weißt doch genau, was die richtige Entscheidung ist.“ Er kneift schmerzerfüllt die Augen zusammen. Dann blickt er auf. Sein Gesicht ist leichenblass. „Ich werde den Preis zahlen!“, sagt er bestimmt, und trotzdem schwankt seine Stimme kurz. „Doch ich stelle nun meinerseits eine Bedingung.“ „Welche Bedingung ist das?“, fragt die strenge Männerstimme. „Nehmt mir meine Gefühle. Wenn es dem nötigen Zweck dient, lasst mich nie wieder etwas für sie empfinden, doch lasst mir wenigstens die Erinnerungen an sie.“ Eine kurze Stille tritt ein. „Nein!“, verkündet die tiefe Stimme. „Um die Liebe an sie von dir fortzunehmen, müssen auch die Erinnerungen an sie verschwinden.“ „Jedoch...“, unterbricht nun die helle Frauenstimme die Rede, „Es sei dir eine einzige Erinnerung an sie gestattet. Eine einzige Erinnerung zum Symbol deiner Selbstverleugnung. Diese allein darfst du behalten. Also wähle weise!“ Sesshomaru hebt schwach den Kopf. Eine einzige Erinnerung? Nur eine soll ihm bleiben? Von all den Momenten mit ihr, welchen soll er da wählen? Welcher Moment wird ihrer Beziehung am meisten gerecht? Er überlegt eine ganze Weile, doch dann trifft er schweren Herzens eine Entscheidung. Er hofft inbrünstig, dass es die richtige Wahl ist, denn er setzt alle seine Hoffnung darauf. „Ich habe gewählt!“, sagt er kraftlos. „Nun erfüllt euren Teil und gebt meinen Sohn frei!“ „So sei es!“, ertönt der einmündige Ausruf und im selben Augenblick beginnt der Lichtflakon um Tenmaru hell aufzuleuchten. Immer greller wird das Licht. Wie züngelnde Blitze schießen nun Lichtstrahlen aus dem Behältnis hervor und tauchen die gesamte Umgebung in blendende Helle. Unwillkürlich hält sich der Daiyoukai die Hand vor die Augen und im gleichen Moment ertönt ein anschwellendes Brausen in Sesshomarus Ohren. Immer lauter und intensiver wird das schrille Kreischen nun hinter seiner Stirn und sein Kopf fühlt sich an, als wolle er jeden Augenblick zerbersten. Ein schneidender Schmerz zuckt durch sein Bewusstsein und im gleichen Moment stürzt der ewig junge Westfürst besinnungslos zu Boden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)