Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 36: Die Drei Brüder --------------------------- Der steinerne Hohlweg, den die drei Inuyoukai gekommen sind, erweitert sich nun und gibt den Blick auf ein weites Tal frei. Sesshomaru schaut auf. In der Mitte der Senke ragt ein annähernd kegelförmiger, zerklüfteter Felsen auf und reicht mehrere hundert Schritt in die Höhe. Seine Spitze ist nicht auszumachen, denn irgendwo verschmilzt sie mit dem rötlichen Dunst der den gesamten Himmel hier bedeckt. Ein schmaler Weg führt von ihrem momentanen Aussichtspunkt hinab in die Ebene bis hin zu seinem Fuß. Von hier sieht es beinahe so aus als wären um ihn herum überall größere und kleinere Höhlen in den Felsen genagt worden. Ihr Ziel vor Augen machen sich die drei an den Abstieg. Trotzdem sie nun ihre Schritte etwas beschleunigen, dauert es noch immer fast eine ganze Stunde bis sie den Fuß des gewaltigen Felsens erreicht haben. Dort angekommen finden sie einen Weg vor der rasch bergan steigt und sich dabei um den Berg herumwindet. Mit zügigem Schritt beginnen die drei Inuyoukai den Weg zu erklimmen. Doch schon nach einer kurzen Weile stellen die beiden anderen fest, dass Sesshomaru zurückfällt. Zwar bemüht er sich verbissen mit ihnen Schritt zu halten, doch er kann es einfach nicht verhindern, dass sich seine Atmung deutlich tiefer wird und sein Herzschlag sich beträchtlich beschleunigt. Dieses elende Zusatzgewicht lastet noch immer nachdrücklich auf seinem Körper und auch wenn er sich inzwischen größtenteils damit abgefunden hat, bedeutet dieser steile Anstieg noch mal eine erhebliche Belastung für seine Kraftreserven. Sesshomaru versucht den Blick der beiden zu meiden. Es setzt seinem Stolz noch einmal beträchtlich zu, dass gerade diese beiden Personen mitbekommen wie sehr er sich hier an dem kleinen Hügel abkämpft. Er kann nur innerlich hoffen, dass sie taktvoll genug sind, ihn nicht darauf anzusprechen. Doch seine Hoffnung wird leider nicht erfüllt. Sein Vater mustert ihn dabei die ganze Zeit äußerst kritisch. Als er wieder zu ihnen aufgeschlossen hat, fragt er: „Du hast eine ganze Weile gebraucht um hierher zu gelangen, nehme ich an? Dein Anliegen muss sehr wichtig sein.“ „Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Man verliert hier leicht das Zeitgefühl ohne Tag und Nacht“, übergeht Sesshomaru unwillig die letzte Bemerkung. „Ich vermute es könnten zwei oder drei Tage gewesen sein.“ „Du willst sagen, du hast vom Höllentor hierher zwei oder drei Tage gebraucht?“, hakt sein Vater noch einmal skeptisch nach. Missmutig verzieht Sesshomaru das Gesicht. „Da ich noch einen lebenden Körper besitze, ist mir die Fortbewegung hier deutlich erschwert. Ich wäre auch wesentlich glücklicher, wenn das nicht der Fall wäre.“ „Sesshomaru...“, will Hanaki ansetzen, doch Inu Taishou hebt demonstrativ die Hand. „Belassen wir es dabei!“ Dann wendet er sich würdevoll zum Gehen und schreitet vorweg. „Wir müssen weiter. Kommt!“ Ein wenig zerknirscht macht sich Sesshomaru daran ihm zu folgen. Es wurmt ihn, einen solch mangelbehafteten Eindruck bei seinem Vater hinterlassen zu haben. Doch das ist nun nicht zu ändern. Verbissen kämpft er sich weiter den Bergpfad hinauf. Zu seiner Erleichterung endet der Weg jedoch bald. Sie biegen noch um eine Kurve und stoßen dann auf einen breiten Einschnitt im Berg, der einen weiten, runden Platz umschließt. In die schräg abfallende Felswand sind zahlreiche roh behauene Nischen und Emporen eingefügt. Es ist nicht eindeutig erkennbar ob dies willentlich oder zufällig entstanden ist. Am Ende des breiten Platzes geht eine extrem steile und schmale in den Fels gehauene Treppe hinauf. Sie führt zu einem Podest, das von einer großen, glatten, rostfarbenen Kuppel überspannt ist. Auf diesem Podest ist nun ein großer grau-gescheckter Hund auszumachen. Er liegt lang ausgestreckt auf der Seite mit dem Rücken zu ihnen und scheint ein Schläfchen zu halten. Zumindest ist in regelmäßigen Abständen ein entspanntes Schnaufen zu hören. Inu Taishou tritt nun in die Mitte des Platzes und wendet sich dem großen Hund zu. „Mugen!“, ruft er vernehmlich doch von dem mächtigen Tier kommt keine Reaktion. „Mugen! Wach auf!“ Dieses Mal ist die einzige Antwort ein genüssliches Kratzen hinter einem der Ohren bevor der mächtige Rüde sich wieder zusammenrollt und unbeeindruckt weiterschläft. Nun blickt Inu Taishou auffordernd zu Hanaki hinüber. Sogleich nickt die Daiyoukai folgsam und mit ein paar grazilen Sätzen hat sie auch schon die Empore erklommen. Nun steht sie mit missbilligender Miene neben dem riesigen Hund der ihr im Liegen bis zur Brust geht. Dann urplötzlich verpasst sie dem riesigen Tier einen kräftigen Tritt in die Rippen. „Mugen! Du dämlicher Langschläfer!“, schimpft sie. „Schluss mit der Faulenzerei! Es gibt Arbeit für dich.“ Das zeigt Wirkung. Sofort springt der große Hund mit einem kurzen Aufjaulen auf die Füße und blickt verschlafen um sich. Große violette Augen mustern argwöhnisch die Frau vor ihm, doch dann entspannt er sich wieder. Er streckt sich einmal ausgiebig und rekelt sich genüsslich. Dann brummt er: „Musst du immer so grob sein, Hanaki-san? Ein sanftes Ohrenkraulen hätte es auch getan.“ Die Miene der Daiyoukai zieht sich zu. „Davon träumst du vielleicht“, entgegnet sie kühl. „Ich kann dir gerne mal erzählen wovon ich träume“, meint der graue Hund anzüglich und streift ihr kurz wie beiläufig mit dem Schwanz über ihre Schultern als er sich umdreht. Ein kurzes unwillkürliches Zusammenzucken Sesshomarus erlangt Hanakis Aufmerksamkeit. Der weißhaarige Daiyoukai durchbohrt den grauen Hund gerade mit vernichtenden Blicken. Es ist deutlich zu sehen wie sehr er gerade um seine Selbstbeherrschung bemüht ist. Ohne Umschweife wendet sie sich wieder an den grauen Rüden vor ihr. „Mach dir besser keine falschen Hoffnungen, Mugen“, meint sie frostig. „Das könnte äußerst ungesund für dich enden.“ Der Inuyoukai seufzt. „Wie schade! Aber womöglich überlegst du es dir ja noch mal.“ „Wohl kaum!“, erwidert Hanaki trocken. Nun setzt sich der graue Hund bequem auf seine Hinterpfoten und schaut die kleine Gruppe an. „Also schön, was kann ich denn nun für euch tun?“ „Na, was schon“, kommt es diesmal leicht zynisch von Inu Taishou. „Du sollst den Hohen Rat zusammenrufen.“ Der graue Hund schnaubt verächtlich. „War ja klar! Warum habe ich auch geglaubt, man hätte diesmal ein anderes Anliegen an mich?“ Nun wird Inu Taishous Miene ernst und ein strenger Unterton liegt in seiner Stimme. „Mugen, du weißt ja, dass du auch gerne eine andere Aufgabe übernehmen darfst. Sicher findet sich jemand, der deine Stellung hier gerne übernimmt.“ Ein wenig beleidigt blickt der Hundedämon zur Seite. „Schon gut, schon gut! Ich mach ja schon.“ Fügsam erhebt er sich und trottet in den hinteren Bereich der Plattform. Inzwischen ist Sesshomaru an seinen Vater herangetreten und auch Hanaki hat ihre erhöhte Position verlassen und hat sich wieder zu ihnen gesellt. Inu Taishou schmunzelt ein wenig. „Er würde seinen Posten dort niemals freiwillig aufgeben“, antwortet er auf Sesshomarus fragenden Blick hin. „Weshalb?“, beschließt der jüngere Daiyoukai zu fragen. In diesem Moment sehen sie wie Mugen mit einem gewaltigen Hammer im Maul wieder auftaucht. Dann beginnt seine Erscheinung zu schimmern und wenige Augenblicke später hat der Inuyoukai eine menschliche Gestalt angenommen. Er ist hochgewachsen aber ein wenig schlaksig. Seine dunkelgrauen Haare reichen ihm bis zum Nacken und sein Gesicht weist erstaunlich viele Rundungen auf für einen Ostyoukai als den ihn seine violetten Augen eindeutig ausweisen und mit denen er nun schelmisch in die Gegend blickt. Jetzt packt er mit beiden Händen den mitgebrachten Hammer und mit aller Kraft schwingt er ihn von außen gegen die rötliche Kuppel über dem Podest. Unmittelbar darauf ertönt der tiefe, volltönende Klang eines gewaltigen Gongs der mit seiner beeindruckenden Lautstärke selbst den Boden auf dem sie stehen zum vibrieren bringt. „Prestige!“, beantwortet Inu Taishou nun mit einem kurzen Lächeln die Frage seines Sohnes, während er sich, wie dieser, die empfindlichen Ohren zuhält. „Er ist der einzige der das Recht hat diesen Gong zu schlagen. Es ist seine Belohnung gewesen.“ „Seine Belohnung? Wofür?“, fragt Sesshomaru über den Lärm zurück als der Hammer noch ein paar mal mehr auf der Glocke aufschlägt. „Für die gute Idee und Arbeit die er geleistet hat.“ Noch immer presst der jüngere Daiyoukai irritiert die Hände über die Ohren. „Ich verstehe nicht.“ „Der Gong der den Rat zusammenruft. Er hat ihn entworfen und gebaut. Er durfte sich seine Belohnung selbst aussuchen.“ Die letzten Worte Inu Taishous dringen noch laut in die jüngst eingetretene Stille hinein. „Ja, verdammt! Genau so war es“, tönt es gehässig von oben. „Und deshalb rührt keiner außer mir diesen verdammten Hammer an. Das will ich mir mal ausgebeten haben, klar?“ Mit einem schiefen Grinsen hockt Mugen auf der Kante des Podestes, hält den Hammer neben sich aufgestützt und linst zu ihnen hinunter. „Macht es euch bequem. Es dauert sicher nicht lange bis Sie hier auftauchen.“ Während Sesshomaru noch argwöhnisch in die Runde blickt, wendet sein Vater sich ihm noch einmal zu. „Was auch immer dich hierher geführt hat, versuche es so umfassend und aufrichtig wie möglich zu erläutern. Dadurch ersparst du dir weitreichendere Unannehmlichkeiten.“ Verärgert blickt Sesshomaru ihn an. „Unterstellt Ihr mir, ich würde meinen Bericht beschönigen wollen? Haltet Ihr mich für einen Lügner?“ Mit undeutbarer Miene erwidert Inu Taishou seinen Blick. „Das nicht, doch du verschweigst etwas vor mir. Ich darf darum bitten, dass nichts was diese Angelegenheit betrifft verheimlicht wird. Die anderen Ratsmitglieder sehen darüber vielleicht nicht so wohlwollend hinweg wie ich.“ Nun spiegelt sich deutliche Unsicherheit auf Sesshomarus Gesicht wieder. „Worauf spielt Ihr an?“ „Ich bin kein Narr, Sesshomaru“, gibt Inu Taishou ernst zurück. „Du und Hanaki, ihr kennt euch. Deine ganze Körpersprache verrät es. Vielleicht erfahre ich ja gleich mehr darüber, als lediglich raten zu müssen und im Stillen Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Mit diesen Worten wendet er sich ab und ohne weitere Umschweife setzt er sich in Bewegung und strebt einem der erhöhten Podeste um sie her zu. Mit deutlichem Unbehagen sieht Sesshomaru ihm nach. War es wirklich so offensichtlich? Konnte er seine Beziehung vor seinem Vater so wenig verheimlichen? Tatsächlich versucht hat er es nicht, doch er wusste einfach nicht wie er das brisante Thema zur Sprache bringen sollte. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass sein Vater von 'den anderen Ratsmitgliedern' gesprochen hat. Soll das bedeuten, sein Vater wird mit über sein Anliegen befinden? Nun ja, es ist natürlich nachvollziehbar, immerhin ist er einer der mächtigsten Daiyoukai die existieren. Er kann nicht sagen, ob ihm das nun zusagt oder nicht. Schon sieht er wie sein Vater zu seiner vorderen linken Seite auf einem der Podeste Platz bezogen hat und nun abwartend auf ihn hinunterblickt. „Warte hier!“, lässt ihn nun Hanakis Stimme sich zu ihr umwenden. „Beantworte alle ihre Fragen und zeige den nötigen Respekt, dann sollten wir es ohne große Schwierigkeiten hinter uns bringen.“ Der Daiyoukai will noch etwas erwidern, doch schon dreht auch die Ostyoukai sich um und mit raschen, grazilen Sprüngen erklimmt auch sie eine der Emporen und lässt ihn alleine auf dem breiten Platz zurück. Mit gemischten Gefühlen sieht er sie gehen. Auch sie? Ist sie ebenfalls Teil des Rates? Doch im Grunde ist es nur verständlich. Schließlich ist sie eine Daiyoukai und die rechtmäßige Erbin der Herrschaft über den Ostclan. Auch sie darf nun über sein Anliegen entscheiden und er kann sich des Gefühls nicht erwehren, sich ein wenig übergangen zu fühlen. Doch noch ehe er darauf weitere Gedanken verwenden kann, wird er wieder in die Gegenwart geholt denn jetzt beginnen sich allmählich die Plätze der Arena zu füllen. Immer mehr Inuyoukai tauchen auf und blicken von den Emporen neugierig auf ihn herunter. Einige haben Menschengestalt doch auch viele sind in ihrer Hundegestalt anwesend. Blaue, purpurne und goldene Augen starren ihn belustigt, neugierig oder hasserfüllt an, doch kaum einer von ihnen gibt laute Geräusche von sich. Es ist als läge eine angespannte Erwartung über dem Platz die alle Anwesenden unter ihre Verfügung zwingt. Und nur einige Momente später wird Sesshomaru eines bekannten Gesichtes gewahr, auch wenn das Treffen mit dieser Person schon eine Weile zurückliegt. Es ist Inu Taiarashi, der Vater von Arashitsume und Hanaki. Wie er feststellt bezieht dieser auf einem Podest über seiner Tochter Stellung und nickt ihr lediglich einmal steif zu, ehe er seinen Blick auf Sesshomaru richtet. Zu seiner Überraschung schenkt Hanaki ihrem Vater kaum mehr als einen flüchtigen Moment der Aufmerksamkeit und wendet sich dann von diesem ab um stattdessen ebenfalls zu ihm hinunterzusehen. Doch damit nicht genug. Von der anderen Seite her betritt nun ein weiterer massiger Youkai das Rund. Seine blauen Augen leuchten bedrohlich in die Gegend. Ein kräftiger schneeweißer Pelz schwingt sich über seine Schultern hinab und seine Gesichtszüge sind verhärtet. Im ersten Moment meint Sesshomaru in dem Betreffenden Inu Taihyouga, den Vater Yarinuyukis erkannt zu haben, doch der Eindruck täuscht. Das Gesicht ist ähnlich, doch er ist es nicht. Und plötzlich beschleicht Sesshomaru eine unangenehme Ahnung. Ist es möglich, dass, wenn vom Hohen Rat der Höllenhunde die Rede ist, damit alle bisherigen Fürsten ihrer Rasse gemeint sind? Alle ihre Ahnen bis hin zu den ersten drei großen Fürsten, den Drei Brüdern? Der jugendlich wirkende Daiyoukai spürt wie es ihm kalt den Rücken herunterläuft und sich seine Nackenhaare aufstellen. Jedoch nur kurz darauf scheinen sich seine Befürchtungen zu bewahrheiten. Das unterschwellige Raunen, Grollen und Schnaufen um sie herum verstummt mit einem Mal und die Youkai ducken sich während vereinzelt unterwürfiges Winseln zu hören ist. Und dann erscheint auf einem der höchsten Plateaus eine weitere Gestalt. Sie überragt alle Inuyoukai die Sesshomaru bisher gesehen hat um mindestens zwei Kopfgrößen. Sie trägt eine kostbar gearbeitete Metallrüstung und über ihre Schultern wallen zwei prächtige graue Pelzstränge herab. Auch sein Haupthaar ist silbrig-grau doch das Gesicht lässt nicht das erahnte Alter vermuten. Die Gesichtszüge sind markant und so ebenmäßig wie beinah schon unwirklich. Auf seiner Stirn prangt ein tiefviolettes Blitzsymbol und selbst die zackige Wangenzeichnung ist fast schwarz. Nur die purpurfarbenen Augen sprühen ein helles und intensives Feuer in ihre Umgebung während sie die Szenerie erst einmal ausgiebig mustern. Sesshomaru stellt fest, dass sich sein Puls unliebsam beschleunigt hat, kaum dass dieser Fremde aufgetaucht ist und die Erscheinung lässt im Grunde nur einen Schluss zu. Dies muss Warugashikomaru sein, einer der legendären Ersten Drei, und der erste Fürst des Ostens. Ihm verdankt der Ostclan den Fluch des Herrscherbannes. Der weißhaarige Daiyoukai konnte sich in der Vergangenheit selbst von dieser unabwendbaren Institution überzeugen und seine Erinnerungen daran sind alles andere als angenehm. Unter anderen Umständen hätte er sicher gerne dessen Schöpfer wissen lassen, was er von dieser Einrichtung hält, doch nicht jetzt. Im Augenblick ist Sesshomaru nicht in der Lage auch nur einen Finger zu rühren, zu erdrückend ist die machtvolle Aura die diesen Daiyoukai umgibt und ihm Respekt abverlangt. Nun wendet sich der machtvolle Daiyoukai des Ostens an den Ostyoukai unter der Glocke. „Mugen!“, ertönt die kräftige maskuline Stimme, „Wozu rufst du uns her? Ich habe wenig Interesse mich wieder mit Kinkerlitzchen abgeben zu müssen.“ Ergeben senkt der Angesprochene den Kopf. „Inu Taishou-sama ersuchte um die Einberufung des Rates“, sagt er folgsam. „Wie es scheint gibt es Besuch von der anderen Seite.“ Nun wendet sich der große Inuyoukai zu Sesshomaru um und mustert ihn scharf. Es kostet den hochgewachsenen Westyoukai alle Selbstkontrolle um dessen Blick standzuhalten. Jedoch sein Puls beschleunigt sich noch einmal. Nachdem Warugashikomaru seine Inspektion abgeschlossen hat, fragt er mit nicht zu überhörendem Missfallen in der Stimme: „Wer ist das? Was hat er hier zu suchen?“ Doch noch ehe Sesshomaru antworten kann, ergreift Inu Taishou an seiner statt das Wort. „Um das zu erörtern, wurde der Rat einberufen. Ich schlage vor, dass wir mit den Fragen warten bis alle eingetroffen sind, die die Antworten hören müssen.“ Nun dringt ein ärgerliches Grollen aus der Kehle des Daiyoukais des Ostens. „Seht Euch bloß vor, Inu Taishou! Nehmt Euch einmal zu oft solche Dreistigkeiten heraus und Ihr werdet es bereuen!“ „Ist das eine Drohung?“, ertönt nun eine ruhige, vollmundige Stimme hinter Inu Taishou. Ein hochgewachsener, kräftiger Inuyoukai tritt hervor und gesellt sich nun zu Sesshomarus Vater. Sein silberweißes Haar ist zu einem Samuraizopf zusammengenommen, das ihm lang über den Rücken bis zu den Knöcheln hinabfällt. Zwei massige Fellstränge umrahmen seine markante Schulterpartie mit den metallenen Schulterpolstern die gut auf seinen kupferfarbenen Schuppenpanzer abgestimmt sind. Auch er überragt den Daiyoukai neben sich um fast zwei Kopflängen. Sein Gesicht ist fein geschnitten und doch spiegelt es trotz seiner Jugendhaftigkeit eine lange Lebenserfahrung wieder. Die dunkle Wangenzeichnung vollführt einige ausgefranste Streifen und auf seiner Stirn ist die Silhouette eines tiefblauen Neumondes zu erkennen. Augen von der Farbe dunklen Goldes blicken nun durchdringend zu dem anderen Daiyoukai des Ostens hinüber. Dieser fletscht kurz die Zähne, doch dann ruft er sich scheinbar zur Ordnung. „Eine Warnung, mehr nicht“, gibt er giftig zurück. „Besuch aus dem Diesseits gelangt nicht oft hier her. Ich wollte nur diesem ungewöhnlichen Umstand Rechnung tragen.“ „Indem du dir wie üblich eine Informationsvorteil uns anderen gegenüber zu verschaffen suchst, Warugashikomaru?“, kommt es nun zynisch von dem beeindruckenden Daiyoukai des Westens zurück. „Die Antwort auf die Frage nach Name und Begehr, kann man wohl kaum einen Vorteil nennen, Reiseimaru!“, bricht es ungehalten aus dem ersten Ostfürsten hervor. „Heb dir deine Unterstellungen lieber für später auf!“ „Als ob du dich mit diesen Fragen zufrieden gegeben hättest“, entgegnet der Angesprochene belustigt. Ein Ruck geht durch den Körper des ersten Ostfürsten, als wollte er dem anderen an die Kehle springen, doch er besinnt sich doch noch eines Besseren. „Wenigstens bemühe ich mich mein Wissen zu erweitern und gebe nicht vor schon alles zu wissen, wie du!“, zischt er zurück. Der Angesprochene will gerade etwas erwidern, als Inu Taishou ihm sachte ins Wort fällt: „Reiseimaru, lass ihn! Wir brauchen ihn in einigermaßen verträglicher Stimmung. Wenn mein Sohn als Lebender zu uns kommt, dann muss die Lage ernst sein.“ „Ach, er ist dein Sohn?“, erklingt nun eine säuselnde Stimme von der rechten Seite. Sie stammt von einem leicht und kunstvoll gerüsteten Ostyoukai mit hellgrauen, langen Haaren. Er ähnelt ein wenig Arashitsume, doch seine Gesichtszüge sind deutlich maskuliner. „Warum die Geheimniskrämerei. Es kommt doch sowieso heraus, dass es wiedereinmal der Westen ist, der für Probleme sorgt.“ Dabei spielt er wie beiläufig mit einer Haarsträhne. „Halt den Mund, Inu Kosame! Das ist nicht hilfreich“, schnappt Warugashikomaru ein Podest über ihm und der Ostyoukai verstummt missmutig. Dann setzt der erste Fürst des Ostens ein gezwungenes Lächeln auf. „Ich bin sicher, sobald wir alle da sind, wird sich diese Angelegenheit sicher rasch aufklären.“ „Ich finde er sieht ein wenig anders aus, als du ihn beschrieben hast, Inu Taishou“, klingt nun eine dunkle Frauenstimme von oben. Die dazugehörende Inuyoukai sitzt an der Kante einer höheren Empore als Reiseimaru und Inu Taishou und blickt auf die zwei hinunter. Sie trägt elegante Reisebekleidung und auf dem Rücken einen prächtigen Langbogen mit Köcher. Ihre langen weißen Haare sind zu zwei Kordeln gedreht und an ihrem Hinterkopf hochgesteckt. Strahlend goldene Augen gehen nun zwischen Inu Taishou und Sesshomaru hin und her. „Er wirkt ein wenig... schmächtig.“ Nun wendet sich Inu Taishou beherrscht zu der Frau um. „Gerade du, Dokukasumi, solltest doch wissen wie sehr der äußere Anschein täuschen kann.“ Nun legt sich ein verschmitztes Schmunzeln um die Mundwinkel der Inuyoukai. „Das war auch eher als Kompliment gemeint. Manchmal ist es durchaus von Vorteil, sich nicht gleich in die Karten...“ Doch noch ehe sie ihren Satz beenden kann, erschüttert urplötzlich ein mächtiger Erdstoß den Felsen. Und dann noch einer und noch einer und kurz darauf sind aus der Ferne gewaltige, schwere Schritte zu hören, die sich schnell nähern. Dokukasumi schlägt entnervt die Augen nieder. „Er kann es einfach nicht lassen.“ „Was denn? So verschafft man sich einen angemessenen Auftritt!“, ertönt nun die laute Stimme des Daiyoukai aus dem Norden, der Inu Taihyouga ähnelt. „Wenn hier irgendjemand weniger von meinem Vater erwartet, möge er vortreten! Wir können das augenblicklich klären!“ „Das wird nicht nötig sein, Inu Kourishiba!“, schreitet Reiseimaru nun resolut ein. „Für Kämpfe ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt.“ In diesem Moment fällt ein mächtiger Schatten auf die Versammlung und über den Rand des Ratsplatzes schiebt sich nun ein gewaltiger, schneeweißer Hundekopf mit einem schwarz-schimmernden Kristall auf der Stirn und gefährlich langen Reißzähnen die unter den gigantischen Lefzen hervorragen. Die gesamte Erscheinung hat fast eine Höhe von beinah achtzig Schritt. Mit einem einschüchternden Grollen in der Kehle starrt der riesenhafte Hund auf die Anwesenden herab. Gereizt blickt Warugashikomaru zu ihm hoch. „Bist du nun fertig mit der Prahlerei? Vielleicht könntest du uns dann nicht länger warten lassen und dich zu uns gesellen, damit wir endlich anfangen können.“ Das Knurren wird lauter und dann wird der majestätische Inuyoukai in ein grellblaues Licht getaucht, seine Konturen verschwimmen und schrumpfen und letztlich formen sie auf dem obersten Podest die massige Gestalt eines kräftig gebauten Mannes mit deutlich hervortretenden Muskeln unter der schweren, prunkvollen Eisenrüstung die ihm Torso, Arme und Beine bedeckt. Blendend weiße, zottelige Haare umranken sein Gesicht bis hinunter zu dem eindrucksvollen Bart an seinem Kinn, den Rücken hinab wo sie sich mit einem mächtigen, weißen Pelz verbinden und an den Augenbrauen die ihm so etwas Wildes und Animalisches verleihen. „Wenn ich schon gerufen werde, dann komme ich auch wie es mir passt!“, kommt die Antwort der tiefen Bassstimme in der mit jedem Wort ein leichtes Grollen mitklingt. „Tu eben was du nicht lassen kannst“, seufzt Warugashikomaru gehässig. „Aber vielleicht können wir uns jetzt endlich mit Inu Taishous Sohn befassen.“ Daraufhin verstummen erst einmal alle laufenden Unterhaltungen und alle anwesenden Augen wenden sich nun Sesshomaru zu. Und mit einem Mal beschleicht den sonst so stolzen Daiyoukai aus dem Westen ein Gefühl, der völligen Unterlegenheit. Es schreit aus den ursprünglichsten Instinkten seines Blutes zu ihm hinauf und fordert bedingungslose Unterordnung vor dieser großen Anzahl höherrangiger Daiyoukai. Es bedarf all seiner Selbstbeherrschung nicht sofort auf die Knie zu sinken und demütig den Kopf zu senken. „Ein Lebender!“, lässt sich nun der weißbärtige Nordyoukai verlauten. „Na, das sieht man nicht oft hier.“ „Untertreib nicht so, Nezuyomaru!“, bemerkt Warugashikomaru geringschätzig.“Hier ist noch niemals ein lebendiger Inuyoukai gewesen.“ „Bah bah bah!“, winkt der Angesprochene ab. „Das heißt aber nicht, dass es noch nie ein Lebender hierher geschafft hat. Trotzdem kommt es selten vor, wegen der Bürde der Jahre. Die meisten verrecken noch auf dem Weg hierher. Sieh ihn dir nur an!“, er zeigt mit der ausgestreckten Hand auf ihn. „Der ist doch fast schon eher tot als lebendig.“ „Könnten wir uns wieder mit der Angelegenheit befassen?“, lässt sich nun Reiseimaru verlauten. „Wenn dieser Knabe es auf sich genommen hat, sich wochenlang bis hierher zu kämpfen, und dabei so zugerichtet zu werden, verdient er es wohl angehört zu werden.“ Sesshomaru ist sich nicht sicher was er von dieser Anrede halten soll. 'Knabe' wurde er schon länger nicht genannt. Aber gemessen an dem Alter der meisten Anwesenden hier, zählen seine knapp zweihundertfünfzig Jahre wohl nicht viel. Doch sein Vater holt ihn mit seinen Worten aus seinen Überlegungen. „Drei Tage!“ Reiseimaru wendet sich zu ihm um. „Was sagst du?“ „Er hat drei Tage gebraucht von der Höllenpforte bis hierher. Vielleicht zwei!“ „Das ist nicht möglich!“, lässt sich nun Warugashikomaru ärgerlich verlauten. „Dafür reicht seine Kraft niemals aus.“ Von dem Podest über Inu Taishou erklingt nun ein genüssliches Glucksen. „Wie ich sagte“, schmunzelt Dokokasumi, „ein Kompliment!“ Doch nun stößt sich der erste Fürst des Nordens kräftig von seinem Platz ab und landet direkt vor Sesshomaru, den er ohne weiteres um eine Hauptlänge überragt. Argwöhnisch inspiziert er ihn von allen Seiten und prüft selbst seine Witterung. Während dieser eingehenden Prüfung beschleicht Sesshomaru der unbehagliche Gedanke, dass sich so Inu Yasha gefühlt haben muss, als damals er dem Gutdünken des Hohen Rates ausgeliefert war. Er muss eingestehen, dass dies kein angenehmes Gefühl ist. Doch seit er hier ist, hat er bedeutend Schlimmeres erdulden müssen, also erträgt er es mit Fassung. Schließlich hat der Daiyoukai des Nordens seine Inspektion abgeschlossen. „Ein bisschen derangiert und mager sieht er aus“, stellt er kritisch fest. „Und ich mag mich täuschen, aber deine Nachfahren werden allmählich immer mickriger, Reiseimaru, wenn man von gewissen Ausnahmen mal absieht“, fügt er beiläufig hinzu. „Ich kann wirklich nichts außergewöhnliches an ihm entdecken, ihm haften höchstens einige seltsame Restdüfte an. Doch das ist auch schon alles.“ Sesshomarus Lippen bilden einen dünnen Strich, doch er ist klug genug, seine Bemerkung für sich zu behalten. „Ja, hervorragend!“, meint Warugashikomaru gelangweilt. „Können wir jetzt fortfahren?“ Die Bemerkung seines Bruders ignorierend wendet sich Nezuyomaru wieder zu Sesshomaru um. „Wie heißt du, mein Junge?“, fragt er mit etwas in der Stimme, dass man als Belustigung deuten könnte. „Mein Name ist Sesshomaru“, gibt dieser respektvoll Auskunft. Nun heben sich Nezuyomarus buschige Brauen und er tritt leicht einen Schritt zurück. „So, Sesshomaru, wie?“, brummt er amüsiert. Dann geht sein Blick hinauf zu Inu Taishou. „Deinem Vater war offenbar schon immer eine gewisse Arroganz zu eigen“, fügt er geringschätzig hinzu. Dann wendet er sich um und mit einem kraftvollen Sprung nimmt er wieder auf seiner Empore Platz und verschränkt abwartend die Arme. „Erzähle nun, weshalb du hier bist!“, fordert Reiseimaru Sesshomaru auf. Die Bemerkung seines Bruders ignoriert er dabei. Dies ist der Moment der Sesshomaru schon eine Weile Unbehagen bereitet. Wie soll er beginnen? Was soll er berichten, was verschweigen? Und bei alledem fällt es ihm noch immer schwer sich gegen diese versammelte Ahnen zu behaupten. Ihnen gegenübergestellt, ist er nur ein Grashalm im Wind. Wie soll er sie so seinem Anliegen gewogen stimmen? Aber hat sein Vater nicht gerade deutlich gemacht, welche erstaunliche Leistung sein dreitägiges Martyrium darstellt? Wenn es tatsächlich außergewöhnlich ist, diese Reise als Lebender in drei Tagen zu schaffen, dann hat er wohl doch das Recht ihnen die Stirn zu bieten. Er atmet noch einmal innerlich durch, dann reckt er sich etwas und beginnt dann zu sprechen. „In mein Reich ist ein fremder, sehr mächtiger Inuyoukai eingefallen. Da er noch immer stetig an Macht zunimmt, ist es unwahrscheinlich, dass selbst die gesamte Kraft meines Clans ihm Einhalt gebieten kann. Da ich strikt gewillt bin, mein Volk zu schützen, ziehe ich es in Betracht unsere Kräfte mit den übrigen Clans gegen ihn zu verbünden. Ich weiß, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist, doch mir wurde eine Prophezeiung zugetragen, die einen Weg aufweist wie die Kluft zwischen unseren Reichen gemindert werden kann. Laut dieser alten Überlieferung kann dies jedoch nur mit Hilfe einer bestimmten Person bewerkstelligt werden. Doch diese Person ist vor einigen Jahren gestorben. Ich habe also beschlossen, sie zurück ins Leben zu bringen, damit mein Reich wieder sicher sein kann.“ Zunächst folgt gespannte Stille diesen Worten. Dann entfährt ein verächtliches Schnauben Nezuyomaru. „Hört Euch den Kleinen an!“, dröhnt er geringschätzig. „Bildet sich ein, einfach hier herein zu marschieren und eine Seele zurückzufordern. Was für eine Arroganz!“ „Pff! Wenn das dein einziges Problem mit diesem unsinnigen und dummen Unterfangen ist“, lässt Warugashikomaru beiläufig verlauten. „Ich hätte angenommen, dass es dich mehr stört, dass dieser armselige kleine Feigling beim ersten Anzeichen einer Krise um die Hilfe der anderen Clans bettelt. Aber echte Würde ging dem Westen ja schon immer ab. Sich anzubiedern ist natürlich viel bequemer.“ Diese Worte haben sehr grimmige Blicke sämtlicher Westyoukai zur Folge. „Vielleicht schaffen wir es diesen Rat ohne irgendwelche böswilligen Seitenhiebe eurerseits weiterzuführen“, bemerkt Reiseimaru mühsam beherrscht und wirft seinen Brüdern dabei durchdringende Blicke zu. „Du hast Recht!“, gibt Warugashikomaru zynisch zurück. „Finden wir heraus warum er denkt, dass dieses schwachsinnige Unterfangen Erfolg haben sollte.“ Die Blicke wenden sich wieder Sesshomaru zu. Der jugendliche Daiyoukai ist zwar noch immer bemüht sich seine Befangenheit nicht anmerken zu lassen, doch er spürt auch deutlich den Ärger über die vorangegangenen Worte. Es ist eine Ungeheuerlichkeit ihm schlicht Feigheit zu unterstellen, obgleich sie die tatsächliche Situation nicht kennen. Diese Männer stehen in Rang und Macht weit über ihm, doch es kostet ihn viel Selbstbeherrschung um sich nicht lautstark über diese Respektlosigkeit zu empören. Trotz allem bereitet ihm diese letzte Frage deutliches Unbehagen. Die Clans leben schon lange in tiefer Zerstrittenheit und wenn er diese drei Ersten Ahnen hier erlebt, erscheint ihm das nicht mehr verwunderlich. Wenn der Hass also nun schon solange schwelt und von Generation zu Generation weitergegeben wurde, wie soll da eine einzige Person Abhilfe schaffen? Doch wenn er nicht der Meinung wäre, dass sein Sohn da Abhilfe schaffen könnte, hätte er diese strapazierende Reise niemals auf sich genommen. Oder vielleicht doch. Vielleicht hatte seine jüngste Nahtoderfahrung ihn weich werden lassen, und vielleicht hat sie ihn einige seiner grundsätzlichen Ansichten hinterfragen lassen. Fest steht, dass er bereit ist zu glauben, dass eine Person einen Unterschied machen kann. Und die Vorstellung, dass es sich dabei um seinen Sohn handelt, kommt ihm recht gelegen. Das Problem dem er sich jedoch noch immer gegenüber sieht ist die Frage wie er Tenmarus Wiedererweckung bewerkstelligen will. Da er nicht auf Tenseiga zurückgreifen kann im Moment, hat er sich diese Frage selbst schon ein paar Mal gestellt, jedoch immer wieder verdrängt. Doch mit einer ausweichenden Erklärung werden sich die ehemaligen Fürsten der Reiche sicher nicht zufrieden geben. Schließlich entscheidet er sich die Antwort zu nennen, die er sich selbst gegeben hat. „Es steht mir nicht zu eine solch alte Prophezeiung in Zweifel zu ziehen, wenn es so viele Hinweise gibt, die sie bestätigen. Stattdessen habe ich beschlossen, ihr Folge zu leisten. Im Augenblick bin ich noch auf der Suche nach der betreffenden Person. Wenn ich sie gefunden habe, werde ich den Umständen entsprechend vorgehen. Scheitern ist jedoch für mich keine Option!“ „Wenn du vom Höllentor bis hierher tatsächlich nur drei Tage gebraucht hast, so sollte zumindest deine letzte Aussage damit belegt sein“, nickt Reiseimaru ernsthaft. Warugashikomaru verdreht gereizt die Augen, „Oh, es war ja klar, dass du bei deinen eigenen Leuten mal wieder Bauchpinselei betreibst. Aber weder hat er bisher gesagt wie er das anstellen will, noch wer diese ominöse Person eigentlich ist. Vielleicht kann er uns das erst einmal erläutern.“ Für einen Moment herrscht gespannte Stille. Dann richtet Reiseimaru erneut das Wort an Sesshomaru. „Was weißt du genau über die Überlieferung die dich an diese Person brachte?“ Sesshomaru ist dankbar für die kleine Galgenfrist ehe er offen Farbe bekennen muss. „Nach meinen Kenntnissen besagt die Prophezeiung, dass diese Person die drei zerstrittenen Clans vereinen wird. Bei diesen vereinigten Kräften steht es außer Frage, dass es ihnen dann gemeinsam gelingt den Eindringling zu besiegen.“ Er beschließt seine Informationen lieber schrittweise bekannt zu geben. Er ist sich nicht sicher, wie viel davon ratsam ist hier zu erzählen, besonders da er weiß, dass die Weitergabe dieser Prophezeiung von eben jenen drei ersten Inufürsten streng verboten worden war. Nun meldet sich Warugashikomaru zu Wort. „Und weshalb glaubst du, dass diese Prophezeiung dazu dient, gerade jetzt das Westreich vor diesem ominösen Eindringling zu schützen? Diese dubiose Prophezeiung könnte sich schließlich auch zu einer völlig anderen Zeit in einer ganz anderen Situation erfüllen. Oder sogar niemals. Wie kommst du darauf, dass ausgerechnet du dazu ausersehen bist sie zur Erfüllung zu bringen? Hältst du das nicht selbst für ein wenig anmaßend?“ Der Zug um seine Mundwinkel ist hart. Sesshomaru strafft sich etwas. „Diese Art des Ansehens erstrebe ich sicher nicht. Und auch nicht ich brachte diese Prophezeiung mit diesem Gegner in Verbindung. Ich befragte eine unser Ältesten zu dem Feind dem wir gegenüberstehen. Sie erwähnte daraufhin die Prophezeiung.“ „So, eine Älteste brachte dich darauf“, wiederholt Warugashikomaru geringschätzig. „Dann wirst du dich sicher bei ihr bedanken wollen, wenn du umsonst hierhergekommen bist. Und ihr Name lautet?“ „Kamukiku!“, gibt Sesshomaru Antwort. Ein entnervtes Seufzen entfährt Reiseimaru und er reibt sich die Augen. „Kamukiku. Ausgerechnet...!“ Über ihm ertönt ein das amüsierte Lachen einer Altstimme. „Das sture Weib hat sich kein bisschen verändert“, lacht Dokukasumi. „Das ist ja alles sehr belustigend“, fährt Warugashikomaru aufgebracht dazwischen, „aber es gibt noch immer keinen Beweis, dass ausgerechnet jetzt dieser seltsame Inuyoukai die Erfüllung besagter Prophezeiung heraufbeschwören soll. Hat diese Geißel des Westreiches auch einen Namen?“, fügt er zynisch hinzu. Sesshomarus Miene verhärtet sich zunehmend, wenn er auch noch immer bemüht ist seinen Antworten einen respektvollen Klang beizufügen. „Katsuken.“ Nun bekommt Warugashikomarus Miene etwas Schneidendes. Dann fragt er argwöhnisch: „Wer nennt ihn so?“ „So stellte er sich vor“, antwortet Sesshomaru wahrheitsgemäß. „Wobei...“, er zögert etwas, „dieser Titel scheint ihm nicht zu genügen. Wie mir zugetragen wurde, beansprucht er meinen eigenen Namen für sich, und alles was mir unterstellt ist. Doch diese dreiste Herausforderung werde ich nicht hinnehmen. Ich beabsichtige alle mir gebotenen Mittel auszuschöpfen, um mein Reich von diesem Störenfried zu befreien. Wenn ich dadurch in der Lage bin Frieden zwischen den Clans zu schaffen, um einen noch größeren Krieg zu verhindern, so nehme ich das bereitwillig in Kauf.“ Er kann nicht verhindern, dass seinen letzten Worten ein leichter Trotz anhaftet. Nach diesen Worten herrscht zunächst bleierne Stille über dem Platz. Selbst die Daiyoukai geben keinen Ton von sich. Lediglich die Drei Brüder werfen sich nun schweigend bedeutsame Blicke zu. Es hat fast den Anschein, als würde hier eine stille Debatte geführt über etwas worüber sie geteilter Meinung sind. Letztendlich bricht Reiseimaru den Blickkontakt ab und wendet sich erhobenen Hauptes wieder Sesshomaru zu. „Du sagst, dieser Inuyoukai sei sehr mächtig. Worauf stützt sich diese Annahme? Bist du diesem Katsuken bereits persönlich begegnet“, fragt er. Es kostet Sesshomaru alle innere Stärke um seinem Blick stand zu halten. „Ja“, gibt er zu. „Ich kämpfte einmal gegen ihn und... unterlag.“ „Wie lief diese Begegnung genau ab?“, hakt der erste Westfürst nach. Sich gedanklich zu diesen Momenten zurückzuversetzen, bereitet Sesshomaru deutlich Unbehagen, dennoch gibt er gehorsam Antwort auf die Frage. „Beinahe hätte er mich getötet, doch ich konnte ihm einen Hieb mit Bakusaiga versetzen, so dass er von mir abließ und floh. Die Wunde die er mir zufügte, setzte mir schwer zu, vergleichbar mit den Fluten des Flammenflusses, der auf dem Weg hierher lag. Jedoch durch eine glückliche Fügung überstand ich es.“ „Einen Moment!“, unterbricht nun Inu Taiarashi, der bisher nur schweigend zugehört hat, den Bericht. „Woher willst du wissen welche Qualen der Flammenfluss verursacht?“ „Als ich ihn überquerte, geriet ich mit dem Fuß hinein“, gibt Sesshomaru verhalten zu. Sogleich steigen die peinigenden Erinnerungen daran wieder in ihm auf und er drängt sie gewaltsam beiseite. Sie sind gerade nicht sonderlich hilfreich. „Er lügt!“, ruft jetzt Inu Kourishiba aufgebracht dazwischen. „Er ist ein Lügner und ein Aufschneider! Er will die Qualen des Flammenflusses überstanden haben und trotzdem nur drei Tage hierher gebraucht haben? Dass ich nicht lache!“ „Nicht zu vergessen, dass er dies zuvor schon einmal durchlebt haben will“, bemerkt Inu Kosame mit einem missgünstigen Lächeln. „Seht ihr?“, greift Inu Kourishiba das Gesagte auf. „Was für ein Unsinn! Dieser jämmerliche Schwindler reimt sich eine hübsche Geschichte zusammen und hofft uns damit beeindrucken zu können, dass er all das durchgemacht hat und es ihn auch noch nicht im Geringsten gestört hat! Glaubt dem Lügner kein Wort!“ „Ich habe niemals behauptet, dass es mir nichts ausgemacht hat!“, ärgerlich fliegt jetzt Sesshomarus Ruf über den Platz. Demonstrativ streckt er den Inuyoukai seine beiden Hände entgegen und setzt den verletzten Fuß einen Schritt vor. Dort wo die Flammen des Lavastromes seine Gliedmaßen berührt haben, konnte Tenseigas heilende Kraft kaum etwas ausrichten. Noch immer ist die Haut an der Stelle ungesund rot und schuppig. „Dies war der Preis für eine kleine Unaufmerksamkeit. Und es wäre eine Wohltat gewesen, wäre es lediglich bei den Verbrennungen geblieben. Mir ist die wahre Qual des Höllenstroms nur zu gut bekannt und ich werde es nicht dulden, dass man meine Worte diesbezüglich in Zweifel zieht!“ Grimmig presst der Daiyoukai die Kiefer aufeinander. Schon lange hat man ihn nicht mehr offen der Lüge bezichtigt. Mit jedem der bisher gefallenen Worte hier ist seine innere Anspannung gewachsen. Das ist doch alles lächerlich! Seine bisher so hochgeachteten Ahnen scheinen im Grunde nur daran Gefallen zu finden sich gegenseitig anzufeinden, statt sich ernsthaft mit der Thematik zu befassen. Und währenddessen läuft ihm hier die Zeit weg. Er kann sich mit diesem Theater hier wirklich nicht noch länger aufhalten. Gerade fragt er sich, wozu diese Versammlung hier überhaupt dienen soll. Wenn sie nicht dazu beiträgt seinen Sohn zu finden, hat er hier nichts mehr zu suchen. Besonders wenn man ihm dreist unterstellt, er hätte seine Seelenqualen auf dem Weg hierher lediglich erfunden. Wütend blickt er in die Runde. „Niemand hier ist noch am Leben und deshalb wird keiner von euch in der Lage sein, nachzuvollziehen was es mich gekostet hat, jetzt vor euch zu stehen. Doch ich habe mich nicht drei Tage durch die Unbillen der Hölle gekämpft um mich jetzt hier vor euch dafür zu rechtfertigen. Eigentlich kam ich hierher in der Hoffnung auf Hilfe in dieser Angelegenheit. Doch mit diesem fruchtlosen Geplänkel hier, verliere ich nur Zeit, die dieser dreiste Kerl sicherlich nutzt um mein Reich in seine Klauen zu bekommen.Wenn mir also niemand sagen kann, wo ich die geläuterten Seelen finde, die auf ihre Reinkarnation warten, dann werde ich meine Suche jetzt fortsetzen müssen, bis ich ihn gefunden habe.“ Im ersten Moment herrscht schockiertes Schweigen über dem Platz. Solch dreiste Worte sind dort schon lange nicht mehr in Gegenwart des Rates ausgesprochen worden. Dann urplötzlich verschwindet die Gestalt Warugashikomarus von seinem Platz nur um in Sekundenbruchteilen später direkt vor Sesshomaru aufzuragen. Tiefe Verachtung liegt auf dem erhabenen Gesicht des ersten Ostfürsten, als er urplötzlich die Hand hebt und dem jüngeren Daiyoukai vor ihm eine saftige Ohrfeige mit dem Handrücken verpasst. Der kräftige Schlag holt den Fürsten des Westens fast von den Füßen und erbost jedoch auch verblüfft hält er sich die schmerzende Wange und starrt den grauhaarigen Daiyoukai finster an. „Unterstehe dich in diesem Ton mit deinen Ahnen zu reden, Balg!“, faucht der Daiyoukai des Ostens. Doch in Sesshomaru brodelt der Ärger viel zu stark, als dass er der Vernunft Raum geben möchte. „Ach, ich vergaß!“, grollt er frostig. „Die Fürsten des Ostens legten schon immer Wert auf vollständige Unterwerfung und Gehorsam.“ Grimmig trotzt er seinem Blick. „Ich bin nicht von Eurem Volk!“, erklärt er mit Grabeskälte. „Über mich habt ihr keine Gewalt, und eher fahren sämtliche Inuyoukai zur Hölle, als dass ich mich Euch unterordne!“ Wilder Zorn funkelt in den Augen Warugashikomarus auf. Schon hat er die Klaue erneut zum Schlag erhoben, doch er führt ihn nicht aus. Eine kräftige Hand hat sich um sein Handgelenk gelegt. „Es genügt!“, stellt Reiseimaru unmissverständlich klar und fixiert seinen Bruder mit eisiger Kälte im Blick. Einige Herzschläge lang hängt die Spannung zwischen ihnen in der Luft, doch dann reißt Warugashikomaru seine Hand los und tritt ein paar große Schritte zurück. Tiefe Verachtung liegt in seiner Stimme als er sagt: „Es ist dein Sprössling! Richte du ihn, oder, bei Enma, ich schwöre, ich reiße ihn in Fetzen!“ Mit einem kurzen Aufwallen in der staubigen Luft hat sich nun auch Nezuyomaru zu den beiden gesellt. „Mäßige dich, Warugashikomaru!“, ertönt seine tiefe Stimme an den Daiyoukai des Ostens gewandt. „Mach dir lieber Gedanken darüber, dass Er wieder auferstanden ist.“ „Er hat recht“, bestätigt Reiseimaru eindringlich. „Das hätte niemals passieren dürfen. Keiner von uns hat damit gerechnet.“ Er wirft einen kurzen Seitenblick auf Sesshomaru, der noch immer mit sehr gemischten Gefühlen in der Gegenwart der drei legendären Fürsten steht und sich einerseits deren Erhabenheit nicht gänzlich erwehren kann, jedoch auch nicht mehr gewillt ist, sich alles gefallen zu lassen. Derweil entbrennt zwischen den drei Ersten Fürsten eine Debatte deren Inhalt sich nur ihnen völlig erschließt. „Der Welpe hat das Kokorokaji mehr als einmal überlebt. Vielleicht hat er eine Chance ihn zu besiegen.“ „Das schafft er niemals alleine!“, erwidert Warugashikomaru entschieden. „Du sagst es!“, entgegnet Reiseimaru deutlich. „Er wird die Hilfe aller drei Clans brauchen.“ „Hör bloß mit dieser elenden Prophezeiung auf!“, schnaubt der erste Ostfürst wütend. Niemals, hörst du, niemals wird der Ostclan sich mit dem Westen verbünden. Das steht unumstößlich fest!“ „Wer will mit euch verlogenen Schleichern auch was zu tun haben“, brummt Nezuyomaru gehässig dazwischen. „Oh, ja sicher!“, Warugashikosmarus Stimme ist eisig. „Was musst du eingebildeter Schwachkopf dich da jetzt auch noch einmischen? Wann hat auch nur einer von eurer Sippschaft irgendwas vernünftiges zustande gebracht?“ „Immerhin besteht meine Erblinie noch. Im Gegensatz zu deiner!“, grollt der erste Nordfürst bissig. Warugashikomaru schießt augenblicklich die Farbe ins Gesicht und für einen Moment ist er zu wütend um auch nur ein Wort herauszubringen. Dann platzt es aus ihm heraus: „Das nennst du eine Erblinie? Dass dein Thron von einer Frau beschmutzt wird? Ein Mädchen das kaum alt genug ist, als das ihr Zitzen gewachsen sind! Oh, wirklich ein stolzer Nachkomme deiner Linie! Eure Sippe ist bestenfalls noch armselig. Dass ihr überhaupt irgendwelchen Grund und Boden euer eigen nennt, ist wirklich eine Schande!“ Kaum sind die Worte verhallt, als das Gesicht des Nordfürsten sich zu einer hasserfüllten Fratze verzieht. Seine Augen leuchten wütend auf und lange, scharfe Reißzähne schieben sich hervor. „Ich töte dich, winselnder Feigling!“, bellt er ungehalten und schon will er sich auf Warugashikomaru stürzen, der ihn mit nicht weniger feindseliger Miene zu erwarten scheint. Doch nur Augenblicke ehe es zum Äußersten kommt, wird der wutschnaubende Nordyoukai von Reiseimaru gepackt und seine Arme gewaltsam auf den Rücken gedreht. Und nur einen Wimpernschlag später ragt direkt vor ihnen ein sehr ernst dreinblickender Inu Taishou auf. Mit kühler Berechnung steht er zwischen den beiden Brüdern aus dem Osten und Norden und allein schon seine Anwesenheit, scheint deutlich zu machen, dass es nicht zu diesem Kampf kommen wird. Es vergehen noch einige bange Herzschläge, doch dann entspannt sich Nezuyomarus Körper wieder und er beschränkt sich darauf lediglich heftig ein und auszuatmen. „Ich hasse dich, Reiseimaru!“, kommt es mit tiefem Grollen von ihm. „Ich hoffe du bist dankbar für deinen kleinen Helfer. Doch irgendwann wirst du mich nicht mehr aufhalten. Irgendwann schlage ich diesem widerlichen Großmaul den Schädel ein, verlass dich drauf!“ Nun lässt der Erste Westfürst seinen Bruder los. „Ihr beide benehmt euch entwürdigend!“, tadelt er missbilligend. „Wenn ihr zwei es nicht einmal für eine Stunde an einem Platz aushalten könnt, ist es gut möglich, dass über kurz oder lang keine unserer Linien mehr Bestand haben wird. Macht euch also gefälligst mal nützlich und überlegt wie wir ihm helfen können.“ Mit diesen Worten deutet er kurz auf Sesshomaru. Nun ruckt Nezuyomarus Kopf zu dem jungen Daiyoukai herum. Hoch baut er sich vor ihm auf. „Ich mag deinen Ton nicht, Knabe, aber mir gefällt dein Schneid. Doch du hast noch immer nicht gesagt, wen du eigentlich suchst. Reden wir also mal Klartext! Jeder Fürst hier kennt die wahre Prophezeiung. Wir alle wissen also, dass es sich bei deinem Gesuchten nur um ein Fürstenkind handeln kann.“ Allgemeines Gemurmel bei den Schaulustigen ist Folge dieser Äußerung. Doch der bärtige Nordfürst lässt sich davon nicht beirren. „Ich frage also noch ein letztes Mal: Wen suchst du?“ Die Frage hängt schwer über dem Platz und Sesshomaru hatte bereits mit ihr gerechnet. Doch es überrascht ihn dennoch, wie schwer es ihm fällt, darauf eine Antwort zu geben. Es kostet ihn enorme Überwindung das zu offenbaren was so lange unter dem Mantel der Verschwiegenheit gehangen hat. Doch er sieht ein, dass ihm keine Wahl bleibt. Er wird es sagen müssen. So gefestigt wie möglich hebt er den Kopf und begegnet unverwandt dem Blick des Ersten Nordfürsten. „Ich suche meinen Sohn“, sagt er ruhig. Er ist selbst überrascht, welche Ruhe in seinem Inneren einkehrt, kaum dass er diese Worte ausgesprochen hat. Für einen kurzen Moment halten sämtliche Youkai den Atem an. Sesshomarus Blick geht flüchtig zu seinem Vater hinauf, doch Inu Taishou scheint nur leicht wissend zu nicken. Doch die Ruhe ist nur von kurzer Dauer. „Was macht dich so sicher, dass gerade er das Kind aus der Prophezeiung ist?“, hakt Reiseimaru ernst nach. „Er erfüllt sämtliche Voraussetzungen die in der Prophezeiung angegeben sind“, gibt Sesshomaru Auskunft. Nun ist erneut Inu Kosames süffisante Stimme zu hören. „Das bedeutet dann ja wohl, dass du dich verliebt hast, nicht wahr?“ Sesshomaru schürzt leicht die Lippen. Natürlich sind es wieder die Ostyoukai die dazu neigen jemandem unliebsame Wahrheiten freudig ins Gesicht zu reiben. „Wenn er sämtliche Voraussetzungen erfüllt, dann wird wohl auch das der Fall sein“, entgegnet Sesshomaru beherrscht, jedoch in seiner Magengrube brodelt es. Allein jetzt erneut all diese Emotionen in sich aufsteigen zu fühlen, bereitet ihm solches Unbehagen, dass er am liebsten irgendetwas zerschlagen würde. Oder jemanden. „Nur aus reiner Neugierde“, fährt jetzt Inu Kosame ungeniert fort, „Da diese Gefühle ja offenkundig in beidseitigem Einvernehmen stattgefunden haben müssten, wer ist denn das glückliche Objekt deiner Begierde, wenn ich mal so dreist fragen darf?“ Allein schon für diese Frage, möchte Sesshomaru dem Sohn Warugashikomarus am liebsten die lächelnde Fratze einschlagen. Schon lange hat er niemanden mehr getroffen, der ihm ebenso zuwider ist wie Arashitsume. Doch dazu kommt es nicht, denn in diesem Moment meldet sich eine helle, klare Stimme zu Wort. „Das bin ich!“ Sofort fahren sämtliche Blick zu der schlanken, schwarzhaarigen Daiyoukai des Ostens herum. Hanaki jedoch hat nur Augen für Sesshomaru. In ihrem Blick liegt eine drängende Sehnsucht auch wenn sie bemüht ist, die Form zu wahren und es sich nicht anmerken zu lassen. Doch ihre Fingerspitzen zucken leicht und ihre Unterlippe bebt ein wenig. Ansonsten steht sie lediglich stocksteif aber erhobenen Hauptes da. Die Anspannung die nach diesen Worten in der Luft hängt ist fast greifbar. Schließlich stellt Reiseimaru die Frage die alle beschäftigt. „Ist das wahr, Junge?“ Ohne es verhindern zu können, wendet sich Sesshomarus Gesicht zu Hanaki um. „Ja!“, sagt er deutlich. „Und ich werde das niemals wieder leugnen!“ Für ein paar seiner Herzschläge liegt schockiertes Schweigen über dem Platz. Dann urplötzlich platzt neben ihm eine Bombe, so scheint es. „“Was?“, bricht es fassungslos aus Warugashikomaru heraus. Wild lodert seine Aura auf und Wutschnaubend reißt er den Kopf zu Hanaki herum. Nur einen Wimpernschlag später ragt er direkt vor der überrumpelten Daiyoukai auf und es ist deutlich, dass sie nicht mit einer solch heftigen Reaktion auf ihr Geständnis gerechnet hat. Schon hat der Erste Ostfürst seine gezückte Klaue erhoben und verpasst ihr einen brutalen Hieb. „Du Hure!“, schreit er ungehalten. „Verbrüderst dich doch tatsächlich mit dem Feind, und lässt dich auch noch von ihm besteigen und beschlafen, du dreckiges Flittchen!“ Zwei weitere zornige Schläge finden ihr Ziel, bevor sich plötzlich jemand anderes zwischen die zornigen Attacken schiebt. Der nächste Schlag trifft Inu Taiarashi, der sich schützend vor seine Tochter gestellt hat und den darauffolgenden Hieb grimmig entschlossen abwehrt. „Lass deine Finger von ihr! Sie hat keine Schuld daran“, bietet er zornig seinem Urahn die Stirn. Zum gleichen Zeitpunkt verfolgt Sesshomaru das Geschehen das sich ihm hier bietet lediglich mit weit aufgerissenen Augen. Auch er hatte nicht mit einer so raschen Zuspitzung der Lage gerechnet. Offenbar brodelte hier wesentlich mehr unter der Oberfläche als es den Anschein hatte. Und gerade befindet er sich in heller Aufregung um die Verfassung seiner Geliebten, deren Unversehrtheit er niemals wissentlich aufs Spiel gesetzt hätte. Doch selbst wenn er die Schläge hätte kommen gesehen, niemals hätte er in seiner derzeitigen Verfassen so rasch reagieren können, wie es nötig gewesen wäre, und er ertappt sich dabei Inu Taiarashi doch für sein rasches Eingreifen dankbar zu sein, wenn er es auch nicht versteht. Zudem ist es noch immer fraglich ob es wirklich eine Hilfe war, denn der erste Ostfürst kocht noch immer vor Wut. „Natürlich hat sie Schuld daran!“, keift Warugashikomaru zurück. „Sie ist genau wie ihr Bruder. Deine missratenen Kinder taugen alle beide nichts. Sie bringen unserem Clan nichts als Schande! Ich werde nicht zulassen, dass diese räudige Schlampe unsere Blutlinie mit ihren widerlichen ungezügelten Begierden besudelt!“ Wieder hebt er grimmig die Klaue. „Du willst von ungezügelten Begierden reden?“, wettert Inu Taiarashi zurück. Mit tiefster Verachtung deutet er nun in die Richtung der Nordyoukai. „Dieses Wiesel Inu Taihyouga wollte sie so drängend und unbedingt zur Frau, dass er sogar bereit war einen Krieg anzufangen.“ Nun meldet sich Nezuyomaru empört zu Wort. „So eine dreckige Lüge kann ja nur von einem Higashi-aitsu kommen.“ Wütend reckt Inu Taiarashi sich. „Eine Lüge, ja?“, schnaubt er. „Warum ist er wohl nicht hier? Warum ist er niemals hier?“, seine Stimme wird immer lauter. „Er schämt sich, das ist der Grund! Er verwindet es nicht, dass meine Tochter gezwungen war ihn zu töten, weil er die unablässige Suche nach ihr nicht aufzugeben bereit war. Selbst nachdem er mich getötet hatte, weil ich nicht bereit war, sie ihm zu geben, konnte er seine Besessenheit nicht aufgeben. Er stellte ihr immer weiter nach. Wie hätte sie sich da nicht wehren sollen? Durch seine zügellose Begierde spielte er überhaupt erst meinem missratenen Sohn in die Hände. Nur durch die legendäre Unbeherrschtheit des Nordens war es überhaupt erst möglich, dass unsere ehrwürdige Blutlinie ein Ende fand!“ „Das nimmst du zurück, du widerlicher kleiner Wicht!“, grollt es erzürnt aus Nezuyomarus Kehle hervor. Kaltflackernd blitzen seine Augen auf und schon will er sich auf Inu Taiarashi stürzen. Doch noch ehe er ihn erreicht hat, verstellt Warugashikomaru ihm den Weg. „Ich dachte es mir schon immer!“, fletscht er eisig die Zähne. „An so einem furchtbaren Debakel kann ja nur ein Kita-aitsu schuld sein! Wertloses Pack!“ Die Stimme des ersten Nordfürsten hat Grabeskälte während er seinen Bruder belauert. „Wiederhole das!“ „Verdorbene, maßlose Brut!“, zischt dieser tödlich. „Man hätte euch alle direkt nach der Geburt ersäufen sollen!“ Mit einem wilden Wutschrei wirft sich Nezuyomaru nun auf seinen Bruder der ihn mit einem grimmigen Grollen in Empfang nimmt. Nur Augenblicke später sind ihre Körper in grelles Licht getaucht und nehmen erheblich an Masse zu. Aus dem wütenden Knäuel zweier wild aufeinander eindreschender Daiyokai erwächst nun ein pelziges, wutschnaubendes Bündel zweier gewaltiger Dämonenhunde die grimmig darum bemüht sind sich knurrend, kläffend und grollend gegenseitig in Fetzen zu reißen. Glücklicherweise verlagert sich der verbissene Kampf rasch auf die weite Ebene die hinter dem Heimatfelsen der Inuyoukai liegt. Mehrere Schaulustige beeilen sich einen guten Platz zu finden um das mächtige Spektakel aus der sicheren Entfernung zu verfolgen und eifrig Vermutungen über den Ausgang anzustellen. Zurück bleiben Sesshomaru, Inu Taishou und Reiseimaru, sowie Hanaki und ihr Vater. Für den Moment interessiert sich Sesshomaru jedoch nicht im Geringsten für den epischen Hundekampf ein Stück entfernt. So rasch es ihm möglich ist, eilt er zu Hanaki hinüber, die noch immer am Boden liegt. Ohne ihren Vater dabei mehr als eines kurzen Blickes zu würdigen neigt er sich zu der angeschlagenen Daiyoukai herab. „Hanaki?“ Die Sorge in seiner Stimme, ist kaum zu überhören. Langsam setzt die Youkaifrau sich auf. „Es ist nichts.“ Betreten meidet sie seinen Blick. Nur mit größter Selbstbeherrschung kann Sesshomaru an sich halten um sie nicht sofort an sich zu ziehen und sich von ihrer Unversehrtheit zu überzeugen. Doch gerade gesellen sich auch sein Vater und sein Urahn zu ihnen und weder ihr noch sich möchte er diese Blöße geben. Reiseimaru wirkt ziemlich verstimmt. Er atmet einmal tief durch dann sagt er grimmig: „Es ist wirklich im höchsten Maße beschämend.“ Sein Blick geht von Sesshomaru zu Hanaki und zurück. Schließlich ballt er noch einmal die Faust und fügt dann hinzu: „Ein solches Verhalten ist wirklich vollkommen ungebührlich und mit nichts zu entschuldigen.“ Unwillkürlich reckt Sesshomaru sich, bereit jeden Zweifel an seiner oder ihrer Ehre mit allen Mitteln auszuräumen, doch der Erste Westfürst scheint seine Absicht erkannt zu haben. „Ich spreche natürlich von dem schändlichen und unangemessenen Verhalten meiner Brüder“, gibt er ruhig zu verstehen. „Sich auf diese Weise gehen zu lassen, steht einem Daiyoukai ihres Ranges in keinster Weise zu Gesicht.“ Es ist deutlich zu erkennen wie Sesshomaru sich entspannt. Doch der hochrangige Youkai redet schon weiter. „Was nun euch beide betrifft“, er seufzt ein wenig, „das steht bedauerlicherweise auf einem ganz anderen Blatt.“ Eingehend mustert er die beiden Angesprochen, die es offenbar bewusst vermeiden sich anzusehen. Die Anspannung über den weiteren Verlauf der Angelegenheit macht die schwüle Luft noch um einiges schwerer. Nun richtet der Erste Westfürst das Wort wieder an Sesshomaru. „Ich bedaure es, dass dir bisher keine Hilfe zuteil werden konnte. In Sachen Unproduktivität haben meine Brüder es zur Perfektion gebracht.“ „Verstehe ich recht, dass Ihr mir Hilfe anbietet, aus rein pragmatischen Gründen natürlich?“ Der leichte Sarkasmus in Sesshomarus Stimme ist nicht völlig zu verbergen. „Gegen Pragmatik gibt es nichts einzuwenden“, antwortet Reiseimaru diplomatisch, „Oder würden uns Gefühle in dieser Situation eher weiterbringen?“ „Ich hege die Vermutung, dass Ihr über diese Situation weit mehr wisst, als ich“, entgegnet Sesshomaru ärgerlich. „Was mich in der Tat weiterbringen würde, wäre zu wissen, womit ich es hier eigentlich zu tun habe. Wenn Ihr mir helfen wollt, so sagt mir endlich, was es mit diesem Katsuken auf sich hat. Wer ist er?“ Der hochrangige Daiyoukai zögert einen kurzen Moment, dann sagt er ruhig: „Ich denke dein Vater wird dir die Geschichte erzählen können. Ich sollte mich besser derweil darum bemühen, dass meine Brüder sich nicht in ihrer blinden Wut vollständig vernichten.“ Mit diesen Worten wendet er sich ab und das unheimliche Glühen, das seinen Körper nun umspielt verwandelt nun auch ihn in einen gewaltigen Hund mit silberweißem Fell. Ein letzter Blick zurück und schon ist er über den Felsenkamm verschwunden, woraufhin das Gekläffe dahinter sogleich um noch ein Beträchtliches anschwillt. Grimmig blickt Sesshomaru dem Daiyoukai hinterher. Da ist er ja nun offenbar um eine unliebsame Pflicht herumgekommen. Doch dann reckt er sich wieder und wendet sich mit steifer Miene seinem Vater zu. „Nun also, ich höre?“, lässt er ungeduldig verlauten. Einen Moment lang blickt dieser ihn nur unergründlich an. Dann sagt er: „Also gut. Aber dir wird nicht gefallen was du hörst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)