Green Rain von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 10: Zusammen -------------------- Irritiert schlug ich die Augen auf. Das Licht der Glühbirne war kaum mehr zu sehen, immerhin fiel von draußen Sonnenlicht herein. Mein Gehirn brauchte einige Augenblicke um zu verstehen, wo ich mich befand und was geschehen war. Geradezu panisch drehte ich mich zur Seite, nur um in Bakuras braune Augen zu schauen, die mich ruhig musterten, auch wenn meine plötzliche Bewegung ihn zusammenzucken ließ. Nach der gestrigen Nacht waren wir gemeinsam eingeschlafen in dem Glauben nicht mehr zu erwachen. Zumindest nicht als wir selbst. Doch genau das war nun der Fall. Wir waren wach und ich fühlte mich mehr als normal. Zumindest verspürte ich nicht das Bedürfnis rauszugehen und andere Menschen zu jagen oder mich von seltsamen Flugobjekten aufspießen zu lassen. „Guten Morgen“, begrüßte mich Bakura nach einigen Sekunden mit einem mehr als sanften Lächeln. Die Erinnerungen an vergangene Nacht kamen zurück und sorgten nun doch dafür, dass mein Herz etwas schneller Blut in meinen Kopf pumpte. Nicht nur einmal hatte ich mir vorgestellt, wie es mit Bakura wäre. Nun war es nicht nur geschehen, es war auch absolut unerwartet gekommen und der Tatsache geschuldet gewesen, dass wir angenommen hatten zu sterben. Nicht, dass ich es nun, da ich doch noch ich war, bereute. Ganz im Gegenteil. Es war schöner als jegliche Vorstellung gewesen. Dennoch war ich nicht darauf vorbereitet gewesen, mich noch mit irgendetwas auseinandersetzen zu müssen. Ich hatte Bakura eine Seite von mir gezeigt, die noch nie jemand zuvor gesehen hatte. Anstatt ihm nun zu antworten, starrte ich ihn einfach nur wie ein Trottel an, während ich vermutlich knallrot wurde. Ein kurzer Kuss seinerseits löste schließlich diese unangenehme Stille. „Wie kann das sein? Was ist passiert?“ Trotz meines Gefühlschaos, nahm mich die Gesamtsituation doch mehr mit. Bakura setzte sich auf, wobei mein Blick unweigerlich an seiner nackten Brust hängen blieb. Ich konnte noch immer nicht glauben, was in den vergangenen Stunden geschehen war. Bakura war vermeintlich mit dem Regenwasser infiziert worden, ich hatte ihm meine Liebe gestanden und sie war erwidert worden. Wir hatten miteinander geschlafen. Bei dem Gedanken breitete sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper aus. „Es sind mehr als genug Stunden vergangen. Es ist auch schon lange genug hell, so dass es nicht an der Nacht gelegen haben kann“, riss mich Bakura erneut aus meinen Gedanken, als er auf meine Frage antwortete. „Vielleicht war es ja gar kein Regenwasser. Oder es war einfach nicht genug“, dachte ich laut nach. „Doch. Aber vielleicht war es zu alt.“ Verwirrt schaute ich ihn ob dieser Worte an. „Zu alt?“ Was meinte er damit? Als wir geflohen waren hatte es gerade aufgehört zu regnen. Doch warum sollte das überhaupt irgendeinen Effekt haben? „Bei Schnecken gibt es einen Parasiten, der sie steuert und dafür sorgt, dass sie sich fressen lassen.“ „Schnecken?“ Ich konnte Bakura nicht so recht folgen. Allerdings war ich auch ziemlich durcheinander und zudem gerade erst aufgewacht. „Der Parasit sorgt dafür, dass die Schnecken willenlos werden. Er steuert sie, damit er in seinen Endwirt gelangen kann.“ Ich schaute ihn auffordernd an, damit er es mir einfach erklärte. Ich war noch viel zu müde, um selbst nachzudenken. „Sagen wir, es handelt sich hierbei um Parasiten, die möglicherweise von diesen fliegenden Dingern mit dem Regen verteilt werden. Die Menschen infizieren sich, verlieren ihren Willen und begeben sich in Gefahr. Sie lassen sich ohne Widerstand einsammeln und ein paar werden so kontrolliert, dass sie die Ausbeute noch erhöhen, indem sie diejenigen Anstecken, die sich dem Regen entziehen.“ Ich nickte zögerlich. So wie er es sagte, klang es durchaus logisch, auch wenn es nicht viel mehr als eine Vermutung war. Wie alles andere, was wir bisher angenommen hatten. „Und wie kann das Wasser dann zu alt sein?“ „Manche Parasiten sind auf ihre Wirte angewiesen. Befinden sie sich zu lange außerhalb solcher, dann sterben sie.“ Erneut nickte ich. Dafür, dass Bakura in der Schule nur selten aufpasste, schien er sich mit diesem Thema ziemlich gut auszukennen. „Das heißt, dass nur der Regen nicht aber Wasser an sich gefährlich ist?“, schlussfolgerte ich. „Es ist nur eine Theorie. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück.“ So überzeugt Bakura eben noch geklungen hatte, so schnell tat er es nun wieder ab. „Wir sollten kein unnötiges Risiko eingehen.“ Da konnte ich ihm nur zustimmen. Es war, als wäre uns eine zweite Chance gegeben worden. Ich wollte sie ergreifen und jede weiter Minute, die ich mit ihm verbringen konnte, auch genießen. „Ich hab trotzdem ziemlich Durst“, kam ich schließlich auf meine Bedürfnisse zu sprechen. Und es war nicht nur das, auch Hunger plagte mich. Gestern hatten wir den ganzen Tag über nicht allzu viel zu uns genommen. „Lass uns schauen, was wir hier finden können.“ Wir erkundigten die restliche Wohnung und bemerkten schnell, dass wir hier nicht sonderlich sicher waren. Neben der verschlossenen Tür gab es reichlich Fenster im Erdgeschoss. Bakura musste heute morgen bereits aufgestanden sein und die Scheiben notdürftig verstellt haben. Gemeinsam besserten wir die Barrikaden etwas aus, ehe wir in der Küche nach Essen suchten. Wir hatten Glück und fanden einen vollen Kühlschrank vor. Mit reichlich Essen und einigen Getränken zogen wir uns in die erste Etage zurück, die wir ebenfalls nach unten versperrten. „Wir müssen nur einen Tag hier aushalten, dann können wir heute Nacht weiter.“ Bakuras Worte ließen mich nicken und gleichzeitig zweifeln. Ich dachte an die Gruppe von Leuten, die uns auf unserer Flucht unsere Verfolger abgenommen hatten. Sie waren mit Sicherheit nicht freiwillig aus ihrem Versteck gekommen. „Lass uns erst etwas essen. Danach können wir nach weiteren Eingängen schauen.“ Vermutlich war es reines Glück gewesen, dass bisher niemand in diese Wohnung eingedrungen war und uns im Schlaf überrascht hatte. „Und wir brauchen Waffen.“ Bakura lächelte mich auf einmal an, als er sich auf das Bett in diesem Raum setzte. Fragend schaute ich ihn an. „Du bist auf einmal so entschlossen“, erklärte er. „Natürlich. Ich hab nicht vor zu sterben.“ „Das klang gestern aber noch anders“, wurde er sofort ernst. „Natürlich, das war ja auch eine andere Situation. Wir sind aber noch zusammen und ich werd alles daran setzen, dass es auch so bleibt.“ Die Entschlossenheit in meiner Stimme überraschte mich selbst etwas. Nachdem ich aber so lange auf den Moment gewartet hatte, an dem Bakura und ich tatsächlich so etwas wie ein Paar waren, würde ich diesen nun nicht einfach wieder so hergeben. Vor allem nicht nach dem Schock gestern, den anderen für immer zu verlieren. „Oder wolltest du hierbleiben?“ „Ganz sicher nicht. Es freut mich, dass ich den alten Marik zurück habe.“ Während ich mich noch fragte, was er damit meinte und ob ich mich unüblich verhalten hatte, zog er mich zu sich auf die Matratze. Überrascht von dieser plötzlichen Aktion konnte ich mein Gleichgewicht nicht halten und stürzte geradezu neben ihn, anstatt zu sitzen. Bevor ich mich aufrichten konnte, beugte sich Bakura über mich und küsste mich auf die Wange, was meinen Herzschlag augenblicklich in die Höhe schnellen ließ. „Die werden uns niemals bekommen.“ Unsicher darüber, was als nächstes passieren würde, schaute ich Bakura einfach nur mit großen Augen an. All die Sicherheit, die ich gestern noch bei meinem Handeln empfunden hatte war geschwunden. Meine Verknalltheit war stärker denn je und benebelte meinen Kopf. Nachdem ich aber bemerkte, dass mein Freund nicht weitergehen wollte, nickte ich. „Niemals“, wiederholte ich. Für einige Sekunden schauten wir uns entschlossen an. Als die Nacht hereinbrach verließen wir wie geplant diese Wohnung. Wir würden uns nicht länger verstecken und abwarten. Unser Ziel war es diese Stadt zu verlassen, in der Hoffnung, dass es anderswo anders war. Oder dass wir zumindest einen sicheren Ort fanden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)