Ippo ni Yoko von MAC01 (Seto x Jou) ================================================================================ Kapitel 277: Einen Schritt der Ablenkung ---------------------------------------- Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, warum Hiroto und ich immer hier übernachten. Mein Haus ist nur zehn Minuten von hier entfernt und liegt weiter unten in der Straße. Es ist also kein langer Weg und dennoch: Wenn wir als Clique in dieses Haus einfallen scheint es einfach bequemer zu sein auch hier zu nächtigen. Wenn man schlafen kann. Immerhin ist meine bevorzugte Eissorte immer vorrätig, was mich etwas wundert. Eigentlich scheint im doppelflügeligen Eisschrank jede Sorte immer frisch vorrätig zu sein. Was wohl mit den ganzen angefangenen Eisbechern geschieht? Ich will nicht hoffen, dass man die aussortiert und einfach wegschmeißt. Wäre schade um das Eis. Aber im Grunde ist es mir auch egal. Ich sehe, wie die Schwingtür langsam aufgedrückt wird und dann Seto in die Küche kommt. Man, sieht er scheiße aus: Blasse Haut, gerötete Augen, sein Haar hängt einfach nur kraftlos an ihm herunter. Er trägt Freizeitklamotten und bleibt stehen, als er mich im spärlichen Licht sieht. Sein Lächeln ist kaum mehr als ein schmaler Strich in seinem Gesicht. Er geht zur Besteckschublade, holt einen Löffel und setzt sich dann neben mich. Ich halte ihm den Eisbecher so hin, dass er sich daraus bedienen kann. Was auch immer diese Frau - dieser Detective von der Polizei - vorhin wollte hat Seto ziemlich mitgenommen. Ich beobachte, wie Seto einen Löffel Eis nimmt und ewig braucht um es dann vom Löffel zu lutschen. Dabei merke ich, wie unangenehm es Seto ist, dass ich ihn gerade so beobachte. Also schau ich wieder nach vorne auf den runden Becher in meiner Hand und nehm mir auch etwas Eis daraus. Erst nach einem weiteren Löffel frag ich Seto, wie es ihm geht. Er hält kurz inne, nimmt sich dann selbst noch etwas Eis auf seinen Löffel und scheint zu überlegen. Mit gebeutelter Stimme meint er dann zu mir, dass er sich wünscht, er hätte vor ein paar Jahre andere Entscheidungen gefällt. Dann schiebt er sich den Löffeln in den Mund und ich lass ihm ein paar Augenblicke. Vorsichtig frag ich ihn, um welche Entscheidungen es sich dabei handelt. Schmerz und Scham treten auf sein Gesicht und erschrecken mich. Es ist ungewöhnlich, dass Seto diese Gefühle so offen zeigt. Ein deutlicher Hinweis, wie scheiße es ihm gerade gehen muss. Genau wie die Tatsache, dass er seinen Blick gesenkt hat und sichtlich mit sich selbst ringt. Ich möchte meine Frage schon zurückziehen, als er die Hürde in seinem Inneren scheinbar überwindet. Mit zerbrechlicher Stimme erzählt er mir, dass alles dokumentiert wurde. Alles? Was meint er mit 'alles'? Seto hebt seinen Blick nur leicht und unser Kontakt ist nur flüchtig. Dann sagt er mir, dass jeder Missbrauch von seinem Adoptivvater entweder per Bild oder per Video dokumentiert wurde. Damit wollte dieser wohl seine 'Partner' später erpressen, wenn sie nicht in seinem Sinne gehandelt hätten. Es braucht einen langen Moment, bevor mir die Tragweite von Setos Worten bewusst wird und was für ein Zeichen des Vertrauens es ist, dass er es mir erzählt. Für einen Moment glaub ich seine Hand zittern zu sehen, doch dann festigt sie ihren Griff um den Löffel und Seto holt sich erneut Eis aus dem Becher, den er sich rasch in den Mund schiebt. Jeder Missbrauch in Fotos oder Videos dokumentiert. Wenn ich an die Verhaftungswelle zurück denke, die doch Dutzende von hochrangigen Personen der Stadt und des Landes beinhaltet hat... Leise frag ich Seto, wie viele dieser Bilder und Video es gibt. Wieder braucht es einen längeren Moment, bis er mir antworten kann. Er antwortet mir nur mit einem Wort: Hunderte. Hunderte? Diese Angabe schockt mich enorm. Als Seto vor ein paar Wochen in der Golden Week im Onsen davon sprach, dass er am letzten Schultag vor den Sommerferien einige Männer anzeigen wird, weil er von ihnen missbraucht worden ist hatte ich an fünf oder sechs gedacht. Nicht an Dutzenden. Wie oft müssen die wohl zu Besuch gewesen sein, damit es hunderte von Fotos und Videos von ihnen geben kann? Ich spüre, wie sich etwas in mir zusammenzieht, als mir bewusst wird, von was für einer Hölle Seto damals gesprochen hatte. Noch ehe ich etwas weiter zu dem Thema sagen oder fragen kann kommt von Seto auf einmal eine Frage, die mich fast vom Hocker haut: Er erkundigt sich danach, wann gleich noch einmal die Anhörung von meinem alten Herrn sei. Kurz bleibt mein Herz stehen und ich schau zu ihm. Der Schmerz und die Scham sind aus seinem Gesicht gewichen und bis auf die Blässe wirkt er plötzlich wie immer. Da er mir gegenüber so offen und vertraulich gewesen ist, will ich ihm in nichts nachstehen. Also beantworte ich seine Frage mit dem Datum, welches in der kommenden Woche liegt. Jetzt klingt meine Stimme leicht brüchig und zerbrechlich. Seto fragt mich weiter, ob ich hingehen und mich gegen eine vorzeitige Entlassung aussprechen werde. Ich versuche locker mit der Schulter zu zucken und so zu wirken, als ob mir alles irgendwo egal sei. Doch so wirklich will es mir nicht gelingen. Also lass ich meine Schultern einfach sacken und hängen. Antworte mit der Gegenfrage, was das bringen soll. Ist doch eh egal, was eine vorzeitige Entlassung für mich bedeuten würde. Da legt mir Seto eine Hand auf die Schulter und ich schau ihn erschrocken an. Mit so einer Geste hab ich nun nicht gerechnet. Unser Blickkontakt ist jetzt fester als der vor einigen Minuten. Dann sagt mir Seto mit fester Stimme, dass mein Schmerz nicht egal sei und ich ein Recht darauf habe, diesem Ausdruck zu verleihen, indem ich mich vor diesem Komitee äußere. Doch ich weiß nicht. Jetzt bin ich der, der zögert. Immerhin hab ich nie öffentlich darüber gesprochen, wie mein Vater mir gegenüber oft war. Von den Schlägen, Tritten, ... wie er mir die Narbe im Gesicht zugefügt hat und mich dabei auslachte, weil ich vor Schmerz geschrien habe. Mir androhte, dass er mir das Auge rausschneidet, wenn ich nicht gehorchen würde. Plötzlich meint Seto zu mir, dass wir Montag mal bei seinen Anwälten vorbei schauen und die Firma und mein Eigentum prüfen lassen. Falls ich nicht aussagen möchte und mein Vater früher rauskommen sollte, soll er keinen Ansatzpunkt finden mir irgendetwas wegzunehmen. Ich mustere Seto und weiß, dass er Recht hat. Schon vor Wochen hätte ich das selbst anpacken müssen. Doch wann immer dieses Thema aufkam hat es mich gelähmt. Oft saß ich dann immer wieder reglos da und bekam nichts mehr hin. Dennoch war ich danach so erschöpft, dass ich nur noch schlafen wollte. Hiroto ist diese Erschöpfung ein oder zwei Mal aufgefallen. Doch wann immer er mich danach fragte hab ich ihn abgeblockt. Auf einmal wird mir bewusst, wie froh ich darüber bin, dass Seto mir etwas unter die Arme greifen möchte. Also nicke ich und sag ihm, dass ich das für eine gute Idee halte. Er erwidert das Nicken und nimmt sich dann noch einen Löffel voll Eis. Ich tu es ihm gleich. Mit dieser Sache nicht mehr alleine dazustehen fühlt sich ... gut an. . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)