Hate That I Love You von SocialDistortion ([OikawaxOC]) ================================================================================ Kapitel 32: pillowtalk ---------------------- ● • . [Anm.: Spoiler ganz am Ende des Kapitels für alle, die den Manga nicht gelesen haben!] »Was tun wir jetzt?«, fragte Asuna, nachdem sie sich aufs Sofa gesetzt hatte. Es war zwei Uhr nachts. Ihr Wecker würde in ca. fünf Stunden läuten und in sechseinhalb Stunden mussten sie in der Klasse sitzen. Weder sie noch Tōru hatten allerdings vor, die angebrochene Nacht zu beenden. Hätte er etwas dergleichen vorgehabt, hätte er bereits auf dem Weg zu ihr nachhause gehen können. Jetzt gerade saß er geduscht und in gemütlicher Kleidung, die er irgendwann bei ihr vergessen hatte, neben ihr. Viel näher, als er eigentlich musste, denn seit sie den Pool und das Schwimmbad verlassen hatten, suchten sie permanent die Nähe des anderen. Schon die gesamte Zeit wollte sie nach seiner Hand greifen, als wäre es etwas völlig Selbstverständliches. »Wie wäre es mit einem richtig unheimlichen Horrorfilm?«, erwiderte er total ernst und erhielt sofort Asunas Aufmerksamkeit. »Willst du, dass ich sterbe?« Sie war zwar auch niemand, der sich in der Freizeit romantische Filme ansah, aber ein Horrorfilm musste auch nicht sein. »Wieso? Der erhöhte Puls lässt die Müdigkeit verschwinden und wenn du Angst hast...hast du mich. Ich passe darauf auf, dass die fiesen Monster dich nicht kriegen.« Tōru schmunzelte bei ihrer anhaltenden skeptischen Miene. Sie verdrehte die Augen. »Wer sagt mir, dass du nicht das fiese Monster bist, hm?« Herausfordernd hob sie ihre Brauen, während sie ihren Kopf auf die Lehne legte und mit dem Saum ihres Oberteils spielte. Auch sie war unter die Dusche gesprungen und hatte sich aus den ungemütlichen und feuchten Klamotten geschält. Jetzt trug sie eine kurze Stoffhose und ein enganliegendes Top. »Ich? Ein Monster? Bei dem engelsgleichen Aussehen?« Empört deutete er auf sein Gesicht. »Tu mir einen Gefallen: Halte dein Ego im Zaum und schalte den Fernseher ein«, gab sie nun doch mit einem leisen Lachen zurück. Mit einem Grinsen tat er wie befohlen und startete schließlich Netflix. Mit marginaler Begeisterung sah sie dabei zu, wie er das Genre auf Horror änderte. Sie sank tiefer in die Couch und bereute es, nur das schwache Licht der Stehlampe eingeschaltet zu haben. Bei seiner Auswahl weiteten sich ihre Augen. »Oh nein. Ohne mich. Nimm einen anderen!« Sie erinnerte sich daran, dass Maya und die anderen aus ihrer Klasse darüber gesprochen hatten. Es war weniger berauschend gewesen und sie hatte sich noch gedacht, dass sie diesen Film bestimmt niemals ansehen würde. »Wieso? Ich habe gehört, der soll gut sein.« Er zuckte mit den Schultern und ignorierte gekonnt ihren offensichtlichen Konflikt mit sich selbst. »Tōru«, jammerte sie und warf ihm einen leidenden Blick zu. »Hm?« Er hatte nur einen kurzen Blick für sie übrig und sie wusste genau, dass er sie gerade bis aufs Letzte ärgerte. Asuna wäre nicht Asuna, wenn sie nicht darauf anspringen würde. »Gib mir die Fernbedienung!« Bestimmend hielt sie ihm ihre Hand entgegen. Doch natürlich tat er es nicht. Er streckte seinen Arm, sodass sie noch von ihr entfernt war. »Du..«, begann sie brummend und verließ ihre bequeme Position. Sofort langte sie nach dem Gerät. Vergeblich. Das war mühsam. Mühsam und amüsant. »Ich was?«, wiederholte er mit hochgezogenen Augenbrauen und einem frechen Grinsen auf den Lippen. Sie hatte vergessen, wie sehr er sie mit wenig Mitteln provozieren konnte. Stur griff sie nach seiner Schulter, um mehr Halt zu erlangen, während sie sich zu ihm beugte. »Niedlich, wie du etwas Hoffnungsloses versuchst.« Seinen Arm hielt er nach hinten, damit das Objekt ihrer Begierde noch weiter aus ihrer Reichweite verschwand. Asuna schnaubte bei den Worten. Verbissen richtete sie sich auf und setzte sich kurzerhand auf ihn. Er lachte, woraufhin sein Oberkörper vibrierte. Selbst so schaffte sie es nicht. »Hör auf, zu lachen«, forderte sie, jedoch entkam ihr selbst ein Prusten, als er seine Hand auf ihre Taille legte. Normalerweise war sie nicht so kitzlig, aber es war anscheinend der Situation geschuldet. Ihre Ambitionen waren ab dem Zeitpunkt, als sie sich auf ihn gesetzt hatte, ohnehin verschwunden. Sie versuchte seinen Arm wegzuschieben und zuckte zusammen, als er ihre Schwachstelle nutzte. Natürlich waren ihre Bemühungen vergeblich, da er einfach stärker war als sie. Ihr entkam deshalb ein mitleidiger Laut, während sie sich unter seinem belustigten Gesichtsausdruck an ihn lehnte. Sie schnappte nach Luft, als er von ihr abließ. Dabei trafen sich ihre Blicke und ihr fiel auf, wie nahe sie seinem Gesicht war. Ihre Augen glitten von seinen warmen braunen Augen, bis hin zu seinen Lippen, die nach wie vor von einem Lächeln geprägt waren. So verlockend, dachte sie sich dabei und konnte nicht verhindern, dass sie den plötzlichen Drang verspürte, ihn zu küssen. Im Unterschied zum Moment im Wasser war es nicht ihr Körper, der es forderte. Es war ihr Verstand. Im selben Atemzug schoss ihr Puls merklich in die Höhe und verbreitete die Hitze in ihrem Körper. Asuna atmete tief ein, denn auf einmal war die Luft um sie herum furchtbar dünn und elektrisierend. Ihre Finger umklammerten die Lehne des Sofas, als sie ihrem Drang nachgab. Einfach so. Einfach so legte sie ihre Lippen auf seine und es dauerte nur ein Augenschließen, als sich ihre Zungen trafen. Als hätte er selbst auf diesen Moment gewartet, zogen sie sich an wie zwei Magnete. Asuna entkam ein sehnliches Seufzen. Ihr war bewusst, dass sie in wenig Stunden zurückdenken und die Haare raufen würde. Jetzt gerade genoss sie jedoch seine Hand, die unter ihr Oberteil glitt und über die erhitzte Haut ihres Rückens strich. Es kribbelte, es brannte und es verursachte einen Schauer, der über ihren Rücken lief. Sie konnte von seinen Berührungen und seinen Küssen nicht genug bekommen. Das wurde ihr wieder schmerzlich bewusst. Wie als wäre es eine Sucht, verlange alles in ihr nach mehr und verurteilte sie zugleich, dass sie sich all das nicht schon früher geholt hatte. Unruhig legte sie ihre Hand in seinen Nacken und kratzte mit ihren Nägel über seine Haut, während sie den Kuss unterbrach, um ihre Atmung zu kontrollieren. Egal wie sehr sie sich auch bemühte, sie konnte die entfachte Lust nicht bändigen. Es war unmöglich, das Kribbeln auf jedem Zentimeter ihrer Haut zu ignorieren und die entfachte Hitze im Keim zu ersticken. Erst recht, wenn sie Tōrus Erektion klar und deutlich an ihrer Mitte zu spüren. Sie konnte nicht in Worte fassen, wie sehr sie all diese Dinge vermisst hatte. Wie sehr sie...Tōru vermisst hatte. »Du machst mich verrückt«, murmelte er mit rauer Stimme und ließ ihr keine Zeit zu antworten. Ihre Lippen kollidierten abermals, ihre Zungen trafen sich erneut. Asuna entkam ein überraschtes aber nicht minder verlangendes Stöhnen. Das hier war viel zu gut, um wahr zu sein. Völlig überwältigt davon vergaß sie ihre Zurückhaltung, weshalb sie eine Hand in seinen Haaren vergrub und die andere ebenfalls unter den dünnen Stoff seines Shirts glitt. Benebelt von der Hitze, die dieser Kuss in ihr entfachte, ertastete sie die angespannten Muskeln. Das Gefühl, ihn abermals auf diese Weise berühren zu können, ließ ihr Herz schmerzhaft schnell schlagen. Die Zeit im Schwimmbad war viel zu kurz gewesen. Sie...wollte das hier nicht nur heute erleben. Sie wollte es jederzeit erleben können. Tōru legte seine Hände auf ihre Hüfte und schob sie plötzlich von seinem Schoß. Sie blinzelte einmal und fand sich unter ihm wieder. Das Letzte was sie vorhatte, war sich zu beschweren. Gott! Wie könnte sie, wenn er ihre Arme oberhalb ihres Kopfs fixierte und er seine Lippen auf die empfindliche Stelle ihres Halses legte? Asuna schloss genießerisch ihre Augen, als langsam in ihr Bewusstsein sickerte, dass sie ihm hoffnungslos verfallen war. Egal ob seine Berührungen, seine Küsse, sein Lächeln oder seine Worte. Seine bloße Anwesenheit reichte aus, um sie in den Bann zu ziehen. Dagegen war sie machtlos. Dagegen wollte sie machtlos sein. Asuna holte tief Luft, als er dieselbe Stelle reizte. Dabei dachte sie nicht daran, dass es in der Schule für alle sichtbar sein würde. Genaugenommen...war es ihr sogar absolut egal. Wenn es nach ihrem Verlangen ging, würden sie hiermit nicht aufhören. Sie würden die restlichen Stunden so und noch viel intensiver verbringen. Und Tōru konnte nicht verbergen, dass es ihm genauso erging. Dennoch war er es, der mit seinem Tun stoppte. Nach einem kurzen Augenblick, in dem er sich selbst zur Besinnung rief, meinte er: »Ich will nicht damit aufhören, aber...« »Ich weiß«, unterbrach sie den Satz, während sie ihre Augen aufschlug. Der Widerwille war selbst in ihren eigenen Ohren zu hören. Sie vernahm sein merkliches Ausatmen, bevor er sie losließ und sich von seiner Position erhob. Asuna rührte sich nicht, selbst, als sie das Zufallen der Badezimmertür vernahm. Das war...intensiv gewesen. Langsam führte sie die Hand zu ihrem Oberkörper. Ihr Herz schlug schnell und war deutlich zu spüren. Unweigerlich stiegen ihr typische Was wäre wenn-Fragen in den Kopf und verursachten ein Murren bei der Schülerin. Nichtsdestotrotz hätte sie sich vor wenigen Stunden nicht ansatzweise gedacht, dass ihre Nacht so enden würde. Tōru war um halb drei nachts in ihrem Bad, nachdem sie sich ausgiebig geküsst hatten. Ihr vergangenes Ich wäre bei dieser Tatsache ausgerastet. Ihr gegenwärtiges tat es jedoch genauso. Nur...anders. Asuna setzte sich in dem Moment auf, als Tōru aus dem Bad kam. Sie beobachtete ihn dabei, wie er neben ihr Platz nahm und wieder nach der Fernbedienung griff. »Also, was willst du sehen?«, fragte er und sah sie an, als hätte er diese Minuten dafür genutzt, wieder zu einem klaren Verstand zu finden. »Von mir aus Horror, aber nicht diesen. Wie wäre es mit...Curved?« Im selben Atemzug wusste sie, dass sie ihren Vorschlag bereuen würde. »Dein Wunsch ist mir Befehl«, erwiderte er. Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und starrte anschließend auf den großen Bildschirm. Ehe sie sich versah, startete der Vorspann. Sie kannte die Legende der Frau, die unzählige Kinder getötet haben sollte, in- und auswendig. Die Geschichte war beliebt in der Grundschule gewesen. Dass man daraus gleich einen Film machen musste, war vorhersehbar gewesen. Aus diesen Gründen rutschte sie tiefer und umklammerte die Decke mit beiden Händen. Sicher ist sicher. »Hättest du dunkle Haare, würdet ihr euch ähnlich sehen«, kommentierte Tōru nach einigen Minuten. Asuna verzog ungläubig ihr Gesicht. »Was? Sie sieht absolut unheimlich aus.« Tōru zuckte mit den Schultern. »Unheimlich, ja. Aber auch hübsch.« Einen Augenblick überlegte sie, ob er scherzte. »Du hast einen eigenartigen Fetisch, aber ich werte das mal als Kompliment.« »Solltest du eindeutig. Reagierst du eigentlich auf alle Komplimente so oder nur auf meine?«, wollte er wissen. »Ich weiß nicht, was du meinst. Vielleicht musst du mir mehr Komplimente machen?«, gab sie unschuldig zurück. »Clever, Kurasaki. Allerdings hast du anscheinend vergessen, mit wem du da redest. Ich erfülle deine Wünsche. Jeden. Also womit soll ich anfangen? Mit deinem Ehrgeiz, um den ich dich beneide? Mit deiner Gutmütigkeit, die mich im Zusammenhang mit bestimmten Leuten erstaunt? Mit deinem Verständnis für jegliche Dinge, sodass ich manchmal frage, ob du real bist? Oder doch mit-«, ratterte er, ohne nachdenken zu müssen, herunter, sodass Asuna ihm ihren Ellbogen in die Seite stieß. »Okay, lass das.« Ihre roten Wangen waren deutlich spürbar. »Das gefällt mir schon besser.« Er lachte und legte dieses Mal tatsächlich wie selbstverständlich seine Hand auf ihren nackten Oberschenkel, bevor er sich wieder dem Film widmete. Asuna hingegen tat sich in den nächsten Minuten alles andere als leicht, sich auf die Dialoge im Film zu konzentrieren. Es waren seine Worte von vorhin, die ihm so leicht über die Lippen gekommen waren, sowie seine Hand, die ihre Haut in Flammen setzte. Sie versuchte sich dennoch vehement auf den Bildschirm zu konzentrieren, was mit Mühe gelang. Weniger erfolgreich war sie aber damit, ihre Augen offen zu halten. »Ich sollte dringend ins Bett gehen«, meinte sie nach einer weiteren halben Stunde. Sie schälte sich aus der Decke, hatte aber die Rechnung ohne Tōru gemacht. Er schlang seinen Arm um ihre Taille und zog sie zurück. Unelegant fiel sie wieder nach hinten. »Ich glaube nicht, dass du in dein Bett gehen solltest«, sagte er bestimmend, während sie ihre Hand auf seinen angespannten Unterarm legte. »Wo soll ich denn sonst schlafen?«, murmelte sie, warf ihm einen kurzen Blick zu und kannte seine Antwort bereits. Oder erhoffte sie sich diese Art der Antwort? Mit einem schiefen Lächeln erwiderte er: »Hier. Bei mir.« Bei diesem zugegeben unwiderstehlichen Angebot wurde ihr heiß. Sie wusste nur nicht, ob sie so tatsächlich Schlaf finden würde. Bis jetzt hatte sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde, neben ihm zu schlafen. Damals in Okinawa war es irgendwie anders gewesen. Ebenfalls aufregend und neu. Dennoch war sie jetzt gerade so nervös und das, obwohl es so...harmlos war. Gerade deshalb, und weil es für sie wie ein neuer Meilenstein war, schlug ihr Herz ungewöhnlich schnell in ihrer Brust. »Okay.« Asuna kaute auf ihrer Unterlippe und rutschte nach vorne. Zum Glück bot ihre Couch genug Platz für zwei Personen. »Und ich dachte, ich müsste dich dazu überreden.« Tōru schaltete den Fernseher aus. »Tatsächlich? Wieso?«, fragte sie ehrlich interessiert. Immerhin hatte sie sich vor ca. zwei Stunden auf ihn gesessen und geküsst. Da sollte es ein Klacks sein, neben ihm zu schlafen. Eigentlich. »Bilder auf der einen Seite, Hieroglyphen auf der anderen. Erinnerst du dich? Manchmal weiß ich einfach nicht, was in deinem hübschen Kopf so vorgeht«, sagte er und ließ sich neben sie fallen. Da waren sie schon zwei. Oft wusste sie das selbst nicht. »Dann versuche ich es dir leichter zu machen.« Sie drehte sich auf die Seite, um ihn in dem spärlichen Mondlicht ansehen zu können. »Auch wenn es auf den ersten Moment so wirkt, als würde ich zögern – ich bin gerne in deiner Nähe. Auch...nachts.« Vielleicht sogar vor allem nachts. »Hm. Das war durchaus hilfreich. Mach ruhig weiter.« Er stützte sich mit seinem Arm ab und sein Grinsen war klar und deutlich in seiner Stimme zu hören. »Nah. Du bist klug genug, um das zu verstehen«, murmelte sie mit roten Wangen, auch wenn ihr langsam kalt in ihren Schlafshorts wurde. »Wie schade.« Er seufzte und legte seine Hand wie zuvor auf ihren Oberschenkel. Der Unterschied war, dass seine Finger auf und ab glitten. »Du hast aber recht. Du zögerst. Wieso?«, stellte er die Gegenfrage, und auch wenn seine Berührung etwas Spielerisches an sich hatten, waren seine Worte ernst. Sie schwieg für einen Moment, obwohl die Frage leicht zu beantworten war. »Weil...ich mich noch nicht daran gewöhnt habe, dass es okay ist, dir nahe zu sein? Einerseits haben wir uns in den letzten Stunden öfters geküsst als in den vergangenen Monaten, andererseits fühlt sich jede Berührung nach wie vor verboten an.« »Geht es dir besser, wenn ich dir sage, dass es mir nicht anders geht? Jedes Mal, wenn ich solche Dinge tue«, seine Hand fuhr unter ihr Shirt und schob es nach oben, bis er beinahe ihre Brüste berührte, »schlägt mein Herz wie verrückt. Es fühlt sich aber nicht nur verboten an. Es fühlt sich verdammt gut an. Und ehrlich gesagt...will ich dich jederzeit berühren und küssen können.« Asuna schnappte nach Luft, als seine Finger mutiger wurden. »Jederzeit klingt gut...nur nicht heute«, brachte sie hervor. Tōru seufzte abermals, zog aber sofort seine Hand zurück. »Du hast recht. Lass uns schlafen gehen. Ich weiß nicht, wie spät es ist, aber der Wecker klingelt bestimmt bald.« Ihr fehlte sofort etwas Essenzielles, wandte ihm aber den Rücken zu. Halbherzig zog sie die Decke bis zu ihrer Taille. Sie dachte gerade daran, wie kalt es eigentlich in der Wohnung war, als sie Tōrus Arm spürte, den er über sie legte. Sofort spürte sie die Wärme, die von seinem Körper ausging. Sie bewegte sich nicht. Auch nicht, als er wie selbstverständlich näher zu ihr rutschte, sodass sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren konnte. Hatte er nicht zuvor gesagt, dass er ebenfalls öfters zögerte, wenn es um die Nähe zu ihr ging? Asuna kniff ihre Augen zusammen, während es in ihrem Kopf ratterte. Trotz der Müdigkeit in ihren Knochen konnte sie noch keinen Schlaf finden. Ihre Gedanken kreisten um den heutigen Abend und die folgende Nacht. Ausnahmsweise handelte es sich nicht um die Nähe zu ihm. Es war etwas völlig anderes. Etwas, was sie bereits seit Tagen beschäftigte. Dank der Stille musste sie wieder an das Spiel denken. Er hatte sich die gesamte Zeit über nichts anmerken lassen. Weder ein falsches Lächeln noch ein nachdenkliches Abschweifen waren ihr aufgefallen. Es war auf den ersten Blick, als hätte es das Turnier nicht gegeben. Tōru war kein schlechter Verlierer. Wenn jemand besser war, dann sah er es ein. So wie bei diesem Kageyama. Allerdings hieß das nicht, dass er nicht enttäuscht darüber sein durfte. Insbesondere da es die letzte Möglichkeit gewesen war, gemeinsam mit den anderen bei den Nationals teilzunehmen. Kurzzeitig hatte sie darüber nachgedacht, ob sie nicht zu viel hineininterpretierte. Wenn sie aber an seinen Blick dachte, der so niederschmetternd und verzweifelt gewesen war, dann waren ihre Sorgen durchaus berechtigt, oder? »Tōru« begann sie bemüht leise, »schläfst du schon?« Sie vernahm eine dezente Regung hinter ihr. »Nein, wieso?« Asuna ignorierte den Drang, sich wieder umzudrehen. »Ich musste gerade an das Spiel denken und ich weiß, dass du vermutlich nicht darüber reden willst. Irgendwie...Ich...keine Ahnung. Vergiss, was ich gesagt habe«, endete sie recht abrupt, denn während sie sprach, kam ihr doch in den Sinn, wie bescheuert ihre Idee gewesen war. Was hatte sie sich dabei gedacht? Wie erwartet antwortete er nicht und am liebsten wäre sie unter die Decke gekrochen. Jedoch wurde sie schnell hellhörig. »Hast du dir schon einmal gedacht: Egal wie gut du bist – es wird immer jemanden geben, der besser ist?«, begann er mit rauer Stimme und sorgte für eine Gänsehaut auf ihrem Körper. »Ich...bin kein Genie. Ich bin niemand, der übermäßig viel Talent vorweisen kann. Und doch besitze ich zu viel Stolz und hasse es, zu verlieren. Nicht die beste Kombination, denn manchmal wird mir das zum Verhängnis.« Sie spürte, wie er sein Gesicht in ihrem Nacken vergrub und schloss für einen Moment die Augen, als sie abermals seine ruhige Atmung auf ihrer Haut fühlte. »Schlussendlich bin ich nichts Besonderes. Ich wusste das natürlich vorher schon, aber es so gezeigt bekommen, ist immer...schmerzhaft.« Sie hatte jedes einzelne Wort aufgesaugt, als wäre es lebensnotwendiger Sauerstoff. Es war die Ehrlichkeit und auch die Bitterkeit in seiner Stimme, was sie einnahm und auch in gewisser Weise beeindruckte. So brutal es auch klingen mag - früher hatte sie es nicht für notwendig erachtet, ihn nach seinen Gefühlen zu fragen. Heute bereute sie es, dass sie nicht schon damals versucht hatte, ihn besser kennenzulernen. Hinter dem makellosen Aussehen lag so viel mehr. Arroganz, übermäßiger Ehrgeiz, Stolz und Verbissenheit, aber auch Zweifel, Ängste und Selbstkritik. Mit jedem einzelnen Charakterzug war Tōru weit von Perfektion entfernt. Und das war gut so. Niemand war perfekt. Niemand musste perfekt sein. Auch nicht Tōru, den diese fehlerhaften Aspekte schlichtweg menschlich machten. Dass er sich all dieser Fehler bewusst war, machte ihn umso beeindruckender und es sorgte bei Asuna für Bewunderung. Ihr tiefes Seufzen brachte ihn dazu, sie zu unterbrechen, bevor sie überhaupt etwas gesagt hatte. »Stopp«, murmelte er, »du sollst dir keine Sorgen um mich machen. Ich werde zwar bestimmt noch öfters daran denken und mich ärgern, aber am Ende kann ich auch aus diesem Spiel lernen. Außerdem ist mir wie so oft bewusst geworden, wie sehr ich Volleyball liebe.« Je länger er sprach, desto gelöster klang er. Diese Ruhe ging direkt zu Asuna über. »Und sollte ich also wieder einmal über Kageyama oder diesen Idioten Ushijima schimpfen, dann nur, weil sie mich anspornen, härter zu trainieren. Wobei...Ushijima geht mir tatsächlich mächtig auf die Nerven. Wenn er noch einmal meinen unnützen Stolz erwähnt und mir vorhält, ich hätte Shiratorizawa beitreten sollen, verpass ich ihm eine.« Asuna musste leise bei seinen Worten über die anderen zwei Spieler lachen, wurde aber schnell wieder ernst. »Ich kann nicht versprechen, dass ich mir keine Sorgen machen werden. Noch nicht. Es ist aber schön, dass du deine Freude an Volleyball nie verlierst. Keine Ahnung wie, aber vielleicht kann ich irgendetwas dazu beitragen. Ich habe mich nach dem Spiel so...nutzlos gefühlt.« »Du trägst bereits viel mehr dazu bei, als dir bewusst ist. Deine bloße Anwesenheit beim Spiel sorgt dafür, dass ich die notwendige Lockerheit habe. Und wenn ich weiß, dass zur selben Zeit mein Name auf deinem Rücken steht, dann bin ich fast unaufhaltsam.« Sie spürte, wie sein Körper aufgrund des Lachens vibrierte und unweigerlich musste sie ebenfalls schmunzeln. Die Richtung, die dieses Gespräch mitten in der Nacht genommen hatte, gefiel ihr. Umso schwerer wurden gerade ihre Lider. »Das tut gut, zu hören. Ich hoffe, ich kann noch öfters dazu beitragen. Es hat mir gereicht, dich einmal so zu sehen.« Asunas Herz schlug zum ersten Mal seit langsam ruhig und in einem unauffälligen Tempo. Zusammen mit der Wärme von Tōrus Körper vernahm sie, wie der Schlaf sie zur Gänze einnahm. Seine Antwort nahm sie gar nicht mehr wahr, so schnell war sie im Reich der Träume angekommen. ♛♔ Als Asuna die Augen aufschlug, dauerte es wenige Sekunden, bis sie realisierte, wo sie war. Zuerst rührte sie sich keinen Millimeter und jeder Muskel weigerte sich, aus der Wärme der Decke und auch jener von Tōru, in die Kälte des Wohnzimmers zu kriechen. Nach und nach kamen aber ihre Erinnerungen zurück. Tōrus Worte und der Kuss, der sie beinahe um jegliche Selbstbeherrschung gebracht hatte. In erster Linie konnte sie es nicht glauben. Sie wusste auch nicht, was sie gerade denken sollte. Eigentlich...wollte sie nichts denken. Dafür fühlte sich seine Nähe viel zu gut an. Ihre Gedanken würden den Moment nur ruinieren. Obwohl sie es so genoss, kam ihr auch in den Sinn, dass diese zwei mickrigen Stunden Schlaf absolut nichts gebracht hatten. Sie spürte die Müdigkeit nach wie vor in ihren Gliedmaßen und am liebsten hätte sie den heutigen Schultag einfach ignoriert und weitergeschlafen, aber die Besprechung der Klassensprecher stand an und die durfte sie nicht verpassen. Um den Setter nicht zu wecken, griff sie nach ihrem Handy und bekam dezente Panik, als sie die Uhrzeit sah. »Fuck«, fluchte sie und wollte aufstehen. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne Tōru gemacht. Er grummelte unzufrieden, schlang seine Arme um ihren Oberkörper und zog sie zurück. Unter anderen Umständen hätte sie darüber gelacht, aber gerade waren sie kurz davor, zu spät zu kommen. Das sagte sie ihm auch. »Ist doch egal«, raunte er und kitzelte sie unbewusst, als er sein Gesicht in ihre Halsbeuge vergrub. »Ich bin noch nie zu spät gekommen«, verteidigte sie ihr Vorhaben, hörte sich aber nicht so überzeugend an, wie gedacht. Vor allem, als sie realisierte, dass es das erste Mal war, dass sie die Nacht zusammen verbracht hatten. Das bedeutete auch, dass sie zum ersten Mal nebeneinander aufgewacht waren. Sie seufzte, denn sein Körper an ihrem verursachte doch den Wunsch, da weiterzumachen, wo sie gestern so abrupt aufgehört hatten. Insbesondere als seine Hand sich selbstständig machte und unter ihr Shirt glitt. »Für alles gibt es ein erstes Mal.« Asuna holte tief Luft und war kurz davor, die Augen genießerisch zu schließen. Allerdings rannte ihnen auch die Zeit davon, weshalb sie seinen Arm widerwillig von sich schob. »Ich meine das Ernst, Tōru.« »Wie kann ich dem zustimmen, wenn du neben mir liegst und meinen Namen auf diese Weise aussprichst?« Er bewegte sich keinen Millimeter und langsam bekam sie wirklich Stress. »Wie spreche ich deinen Namen denn aus?«, hakte sie dennoch nach. »So heiß und...bestimmend. Darauf stehe ich.« Um seine Worte zu unterstreichen, begann er, Küsse auf ihrem Hals zu verteilen. Sie bekam Flashbacks und weil sie diese gerade jetzt nicht gebrauchen konnte, stoppte sie ihn. Hastig stand sie auf. Ihr Herz war dabei wie immer der Verräter. »Du bist echt unmöglich. Bist du morgens immer so drauf?«, murmelte sie. »Vielleicht.« Zum ersten Mal konnte sie das Grinsen in seinem Gesicht sehen, nachdem er sich auf den Rücken gelegt hatte. Dennoch wirkte er nicht so, als würde ihn die geringe Zeit stören. Asuna erwiderte nichts. Nicht aufgrund seiner Worte. Es war sein Anblick, der ihr die Sprache verschlug. Seine Haare hingen ihm teilweise wirr ins Gesicht und sein verschlafener Blick hatte zugleich etwas so Verführerisches an sich, dass sie für einen kurzen Moment tatsächlich daran dachte, mit Tōru hier zu bleiben. »Okay. Jetzt sollten wir wirklich gehen«, erwiderte sie und es war eigentlich eine Antwort an ihre Gedanken. Deshalb machte sie kehrt und ging ins Bad. Normalerweise brauchte sie länger, aber dieses Mal stand sie innerhalb von zehn Minuten fertig angezogen wieder im Wohnraum. Sie war gerade dabei, die Krawatte zu binden, als Tōru ebenfalls in der getrockneten Kleidung von gestern vor ihr stand. Auffällig starrte sie ihn an. Beinahe hätte sie vergessen, dass er seine Schuluniform gar nicht hier hatte. Das hieß, sie mussten einen Zwischenstopp einlegen. »Gehen wir.« Nach 15 Minuten waren sie bei Tōrus Zuhause angekommen und nach zehn weiteren waren sie kurz vor dem Eingang auf das Schulgelände. Es war niemand mehr unterwegs. Sie würden dennoch pünktlich zum Unterrichtsbeginn in der Klasse sein, weshalb sie aufatmete. Asuna konnte nicht verstehen, wie man ständig so knapp kommen konnte. »Warte«, kam es auf einmal von Tōru, sodass sie überrascht stehenblieb. Sie sah ihn abwartend an und erstarrte, als er mit einem Schritt plötzlich dicht vor ihr stand und ihr Gesicht in beide Hände nahm. »Wer weiß, ob und wann ich das wieder tun kann«, murmelte er, ehe er seine Lippen auf ihre legte. Einfach so. Einfach so wie sie vor wenigen Stunden sorgte er dafür, dass ihr Puls in die Höhe schoss und die Schmetterlinge in einem heftigen Durcheinander herumflogen. Sie erwischte sich dabei, wie sie die Augen schloss und den Kuss mit jeder vorhandenen Faser genoss. Es klang in ihren Ohren furchtbar kitschig, aber jeder ihrer Küsse sorgte dafür, dass die Welt für einen kurzen Moment stillstand. Erst als er sich langsam von ihr löste, kam alles um sie herum wieder in Bewegung. Sie bekam wieder ausreichend Luft, denn er raubte ihr wahrhaftig den Atem. Doch das Gefühl, dass er sie zum ersten Mal mitten am Tag, wenige Meter vor ihrer Schule küsste, stellte gerade alles andere in den Schatten. Während er verschmitzt grinste, versuchte Asuna, ihre Gedanken zumindest ein wenig zu ordnen. Seine Worte waren dafür essenziell. Wann würden sie sich wieder küssen? Wenn es nach ihr ginge, dann würde sie nicht lange damit warten. Auch jetzt verspürte sie diesen Drang, neben jenem, seine Hand zu halten. Ein kleiner Teil in ihr wollte damit allen Schülerinnen zeigen, dass sie aufhören konnten, von Tōru zu fantasieren. Dass sie...zusammengehörten. Auch wenn es nicht zur Gänze so war. Das Läuten, welches über den Schulhof tönte, brachte sie aber auf den Boden der Tatsachen. Es hinderte sie auch daran, über das, was gerade passiert war, zu sprechen. Das Gespräch von vor wenigen Stunden war nicht genug. Im Schulgebäude angekommen, holte sie die Realität ungewöhnlich schnell ein. »Wenn ich einschlafe, gebe ich dir die Schuld«, meinte sie, als sie vor der Klasse 3-6 zum Stehen kamen. »Okay. Ich tu dann einfach so, als wäre ich derjenige gewesen, der in ein Schwimmbad eingebrochen ist und sich ausgezogen hat.« »War es nicht so?«, fragte sie unschuldig und machte ein paar Schritte rückwärts, ehe sie belustigt mit den Schultern zuckte und zu ihrer Klasse ging. Länger konnte sie es nicht hinauszögern. Als sie den Raum betrat, war Mai die Erste, die ihr Auftauchen bemerkte. »Wow! Und wir dachten schon, wir erleben den historischen Moment, an dem Kurasaki Asuna einen Schultag verpasst.« »Ihr kennt mich. Das passiert nicht.« Sie schmunzelte und setzte sich an ihren Fensterplatz. Sie war tatsächlich selten krank und hatte dementsprechend kaum Fehltage. »Gibt es einen Grund, weshalb du kurz vor dem Läuten auftauchst?«, fragte zu ihrer Überraschung Maya. Ihr war nur gut in Erinnerung geblieben, als sie Tōru vor ihren Augen um ein Date gebeten hatte. Asuna gähnte und meinte passend dazu: »Ich habe verschlafen.« In letzter Zeit war es Standard geworden, nicht zu lügen, aber auch nicht die Wahrheit zu sagen. Allerdings war sie auch kein Fan davon, wenn Personen außerhalb ihres Freundeskreises zu neugierig waren. Jana, die sie auffallend lange mit zusammengekniffenen Augen ansah, zählte nicht dazu. Immerhin war ihre Skepsis berechtigt, nachdem sie gestern ausnahmsweise nicht auf ihre Nachricht geantwortet hatte und heute viel zu spät auftauchte. »Sieh mich nicht so an. Ich war...beschäftigt«, sagte sie zu Jana, nachdem Maya das Interesse an der Konversation verloren hatte. Das war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Zu ihrem Glück betrat in diesem Moment die Lehrerin für Japanische Geschichte die Klasse und unterbrach die Gespräche. Allerdings hatte Asuna nun ein neues Problem. Sie hatte Mühe, ihre Augen offenzuhalten. Es war richtig unangenehm und sie konnte sich nicht auf den Unterricht konzentrieren. Bereute sie es deshalb? Nein, keine Sekunde. ♛♔ Asuna war tatsächlich eingeschlafen und wurde von Jana am Ende der dritten Stunde, in der sie einen Film angesehen hatte, geweckt. Zu ihrem Glück war ihr Ethiklehrer steinalt und hatte nichts mitbekommen. Oder ihm war es egal gewesen. »Warte, das muss ich mir notieren. Irgendwie ein Highlight in deiner Schullaufbahn.« Ihre Freundin grinste, während Asuna ihr auf den Flur folgte. Wie aufs Stichwort gähnte sie wieder. »Ah, ich bin wirklich müde. Was haben wir jetzt? Sport, oder?« Sie verzog das Gesicht. Jedoch würde es die Müdigkeit zumindest für kurze Zeit vertreiben. Jana nickte. »Vielleicht schleiche ich mich währenddessen zu den Jungs? Ist mir lieber, als Yogaübungen zu machen.« »Wenn Kato-senpai das mitkriegt, bringt sie dich um. Außerdem hat sie das letzte Mal gesagt, dass wir Basketball spielen«, merkte Asuna mit einem Grinsen an. »Basketball? Okay, das klingt nicht so übel. Was aber übel klingt, ist, dass ich von Hajime erfahren muss, dass du die Nacht mit Oikawa verbracht hat.« Mit einem tadelnden Seitenblick blieben sie vor dem Getränkeautomaten stehen. Irgendwie hatte sie darauf gewartet. »Ahhhh, da war ja was«, murmelte sie und ärgerte ihre ungeduldige beste Freundin bewusst. »Ehrlich gesagt war ich gestern selbst ziemlich überrascht über sein Auftauchen. Nachdem wir gelernt haben, sind wir zu Lawson gegangen und irgendwie in dem alten Hallenbad gelandet. Du weißt schon. Das eine, in das ich damals eingebrochen bin.« »Ja. Du hast mir davon erzählt. Soll das heißen, dass du wieder dort eingebrochen bist? Mit Oikawa?« Jana bekam große Augen und man sah ihr an, dass sie sich einen Teil bereits selbst zusammenreimte. »Mhm. Und wenn ich dir das jetzt sage, bitte ich dich, dass du nicht ausflippst«, warnte sie, da zwar nicht mehr viele Leute am Flur unterwegs waren, aber noch immer genug für Gerüchte. Asuna holte tief Luft, ehe ihr fast schon nuschelnd entkam: »Wir haben uns geküsst.« Abwartend kratzte sie an dem Etikett ihrer Wasserflasche. Jana erwiderte nichts, sondern starrte sie an, während sie an dem Strohhalm ihrer neu gewonnenen Capri-Sonne zog. »Als ob du jetzt nichts dazu zu sagen hast«, fügte sie dem Schweigen ihrer besten Freundin hinzu. »Oh, ich habe einiges zu sagen! Jetzt gerade versuche ich mir aber auszumalen, wie ihr euch geküsst habt. In einem Pool. Nackt...oder halbnackt?« Sie runzelte die Stirn. »Wir hatten Unterwäsche an«, erwiderte sie langsam, »aber das ist nicht wirklich wichtig. Wir haben uns geküsst. Ist dir klar, was das bedeutet?« »Scheiße, ja. Wurde echt Zeit, wenn du mich fragst.« Sie lachte, verstummte aber bei ihrem Blick. »Tut mir leid. Ich weiß, dass das ein großes Ding für dich ist. Ich freue mich nur so. Wie war es?« »Viel zu...gut?« Sie verzog das Gesicht bei ihrer eigenen Wortwahl. »Viel zu gut gibt es nicht, Süße.« Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu den Umkleiden, da die Pause bald zu ende sein würde. »So etwas Ähnliches hat Tōru gestern auch gesagt«, murrte sie und wurde sofort euphorisch. »Es war wirklich gut, Jana. So...richtig. Damit meine ich nicht erregend gut. Also nicht nur, aber auch eher überwältigend gut? Macht das Sinn? Außerdem war es...absolut unglaublich, neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dazu sagen soll...« »Ohhh, du bist so süß, wenn du verknallt bist«, sagte Jana mit einem Lächeln im Gesicht. Asuna seufzte und stritt es nicht ab, dass sie verknallt war, denn seit einigen Tagen und vor allem seit einigen Stunden war sie sich absolut sicher, dass es eindeutig mehr als Verknalltsein war. »Wenn es nur das wäre...«, murmelte sie deshalb. Auch wenn sie bei dem Gedanken mittlerweile nicht mehr völlig panisch wurde, war es nach wie vor ungewohnt, so ehrlich zu sich selbst zu sein. »Oh. Also ist das andere v-Wort nicht mehr tabu?« Mehr als nur begeistert war sie kurz davor, in die Hände zu klatschen. »Ich schätze nicht.« Janas Brustkorb hob sich merklich und sie sah aus, als würde sie vor Aufregung platzen. Jedoch riss sie sich zusammen, denn anstatt eines Wortschwalls kam ihr mühevoll über die Lippen: »Geht klar. Lass uns heute noch ausführlich darüber reden. Wir sind spät dran und wir wissen beide, was das bedeuten kann.« Ihre Mitschülerinnen waren fertig angezogen in der Halle, als sie diese ebenfalls in ihrer einheitlichen Sportkleidung betraten . Asuna zog ihren hohen Zopf fester, als sie sich zu den anderen gesellten, die mitten in den Dehnübungen waren. Katō-sensai war heute gnädig und hatte nur einen genervten Seitenblick für sie beide übrig. Zehn Minuten später war sie auf den Weg, um zwei Basketbälle zu holen. Wieso ist es hier so kalt?, fragte sie sich. Sie rieb sich die Arme, während sie nach oben sah. »Natürlich«, sprach sie mit sich selbst, als sie die Bälle im obersten Regal erkannte. Sie streckte sich und berührte mit ihren Fingerspitzen das raue Leder. Völlig harmlos, wenn sie nicht plötzlich Hände an ihrer Taille spüren würde. »Drei Stunden sind vergangen und irgendwie habe ich dich vermisst. Merkwürdig, oder?«, vernahm sie neben ihrem Ohr und Tōru sorgte damit mühelos für eine Schauer, der über ihren Rücken lief. Asuna stoppte mit ihrem Vorhaben, welches plötzlich nichtig wurde. Seine Worte und Nähe brachten sie dazu, kurz ihre Augen zu schließen. Es war nach wie vor ungewohnt, wie sehr er sie beeinflusste, ohne viel dafür zu tun. »Nicht merkwürdig. Höchstens...abhängig?«, scherzte sie und drehte sich zu ihm. Es sollte verboten sein, so gut auszusehen. Vor allem in schlichter Sportkleidung. »Wie auch immer du es nennen willst.« Er grinste und starrte auf ihre Lippen. Es war genauso offensichtlich wie die Tatsache, dass keiner von beiden es wagte, den anderen zu küssen. Auch wenn sie es vor kurzen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit getan hatten. Vielleicht war es die Umgebung, oder auch das Unausgesprochene zwischen ihnen. Egal was es war, sie konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie sich seine Lippen auf ihre angefühlt hatten. »Weißt du? Ich würde liebend gerne länger mit dir hierbleiben, aber wenn ich nicht bald diese zwei Basketbälle von dort oben zu Katō-sensai bringe, bekomme ich Ärger.« Oh, sie würde gerade so viel lieber bei ihm bleiben. Ohne zu zögern griff er nach dem letzten Regal und hielt ihr wenige Augenblicke später die Bälle entgegen. »Ausnahmsweise verlange ich keine Gegenleistung.« »Wie gütig. Danke.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und auch wenn es ihr schwerfiel, schob sie sich an ihm vorbei. Nur mit Mühe konnte sie es verkneifen, sich umzudrehen, obwohl sie das Kribbeln in ihrem Nacken nur zu deutlich vernahm. Sie zog es durch, bis sie bereits auf halbem Weg bei ihren Mitschülerinnen war. Genau in diesem Moment fiel ihr auf, dass sie die Schleifen für die Einteilung der Teams vergessen hatte. Mit einem genervten Seufzen rollte sie die Bälle in Richtung Lu und Jana und machte auf den Absätzen kehrt. Tōru hätte sie nicht ablenken sollen... Fast war sie wieder durch die Tür zum hinteren Bereich gelangt, als sie zwei Stimmen hörte. Eindeutig Tōru und Iwa. Sie wollte eigentlich nur schnell die Bänder holen, stoppte jedoch abrupt, als Fetzen des Gesprächs zu ihr durchdrangen. In erster Linie wollte sie nicht lauschen. Absolut nicht! Aber die Unterhaltung erwischten sie unvorbereitet und eiskalt. »Ist deine Zusage fix?«, wollte Iwa von seinem besten Freund wissen. »Ja. Sie haben bereits ziemlich Druck gemacht, obwohl ich erst in ein paar Monaten dort sein soll.« »Argentinien, hm? Ich kann es noch immer nicht glauben. Wenn du in die Nationalmannschaft kommst, bist du ein Spieler in einer der zehn besten Mannschaften der Welt.« Iwa klang beeindruckt. »Bist dorthin wird es ein ziemlicher langer Weg. Vor allem dauert es zwei Jahre, bis ich die Staatsbürgerschaft bekomme«. Es war viel zu viel auf einmal, um zu realisieren, worüber die beiden sprachen. Wenn sie ehrlich war, dann wollte sie es gar nicht wissen. Jedoch wurde ihr plötzlich heiß und übel zugleich, während ein einziges Wort wie ein Damoklesschwert in ihren Gedanken schwebte und nur von ihrer geringen Selbstbeherrschung gehalten wurde. Ar...gentinien? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)