Hate That I Love You von SocialDistortion ([OikawaxOC]) ================================================================================ Kapitel 12: no. i'm not okay. ----------------------------- ● • . »Beruhige dich.« Die tiefe Stimme verursachte eine Gänsehaut auf ihren Armen und gleichzeitig fiel ihr ein großer Stein vom Herzen. »Tōru«, murmelte Asuna, während sie erleichtert Luft holte und ihre verkrampfte Haltung löste. Sie hatte für einen kurzen Moment gedacht, Riku hätte sie mit sich in diesen Abstellraum gezogen. Dass doch Oikawa vor ihr stand, freute sie ungemein. Dabei war ihr nicht mal aufgefallen, dass sie wieder seinen Vornamen benutzte. Oikawa hingegen hatte bei seinem Namen irritiert die Augenbrauen zusammengekniffen und gemerkt, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung bei ihr war. »Ist alles okay bei dir? Du hast gerade etwas durcheinander gewirkt?« Asuna schüttelte das beklemmende Gefühl ab und räusperte sich. Schnell versuchte sie, an etwas anderes zu denken. »Ja. Mir geht es gut.« Es war dunkel in diesem Raum, dass man kaum etwas erkennen konnte. Höchstens die Umrisse dank des Spalts unterhalb der Tür. Asuna tastete nach dem Lichtschalter. Es flackerte kurz, ehe zumindest ein schwaches Licht den Raum erhellte. Sie verschränkte ihre Arme und wich seinem Blick aus. Obwohl es noch immer viel zu dunkel war, um ansatzweise ihre Verletzung erkennen zu können, fühlte sie sich nicht bereit, ihm irgendwie in die Augen zu sehen. »Willst du etwas Bestimmtes, oder weshalb hast du mich hierher gebracht? Der Unterricht beginnt gleich.« »Der Unterricht ist mir gerade ziemlich egal«, erwiderte er ernst. Sie spürte deutlich seinen Blick auf ihr. »Denkst du wirklich, das würde ich dir abkaufen?« Er schob seine Hände in die Hosentaschen und kniff seine Augen kaum merklich zusammen. Asuna reagierte nicht überrascht über diese Tatsache. Es war fast schon offensichtlich, dass ihr Verhalten untypisch für sie war. »Selbst wenn glaube ich nicht, dass sich daran etwas ändern würde«, murmelte sie als Antwort und seufzte. Seine Anteilnahme war ja schön und gut, aber was half sie schon? Oikawa musterte sie eingehend. »Du bist wirklich unverbesserlich, Kurasaki-san.« Er schnaubte, sein Blick wurde aber schnell ernst. Und mit ernst meinte sie vielmehr verärgert. »Eigentlich wollte ich aber wegen einer anderen Sache mit dir alleine sprechen. Wieso hast du mir nichts davon gesagt?« Asuna sah ihn an und sie wurde merklich panisch. Sie spürte klar und deutlich, wie sich ihr Puls beschleunigte. Die Nervosität stieg klar und deutlich an und sie fing an, an dem Saum ihres Ärmels zu nesteln. »Was meinst du?« Man konnte doch nicht etwa doch etwas von der kleinen Blessur erkennen? Nur mit Mühe konnte sie sich zurückhalten, nicht in ihr Gesicht zu fassen. »Du weißt, wovon ich rede. Selbst die ganze Schule spricht schon davon«, antwortete er eindringlich. »Die...ganze Schule?«, kam es von ihr geschockt. Sie schluckte den Klos in ihrem Hals hinunter. Wie konnte die gesamte Schule davon wissen? Riku hatte doch nicht irgendwem davon erzählt, oder? Das würde sie ihm nicht zutrauen, allerdings hatte sie ihm auch nicht zugetraut, dass er handgreiflich ihr gegenüber werden würde... Was sollte sie nun tun? Sie wollte nicht, dass man über die Sache mit Riku und ihr sprach. »Wann wolltest du es mir sagen?« »Ich weiß es nicht.« Sie war überfordert und dachte nicht mal daran, wieso sie so etwas überhaupt Oikawa erzählen sollte. Auch aus dem Grund, weil es ihn nicht zu interessieren hatte und dennoch hatte er sie hierher gezogen. »Ich...Ich hab absolut keine Ahnung, was ich tun soll.« Sie biss sich so fest auf die Lippen, dass es schmerzte. Klar und deutlich konnte sie wieder diesen Druck in ihrem Inneren vernehmen, der sie auch gestern völlig eingenommen hatte. Bis jetzt hatte sie sich tapfer geschlagen, aber je länger sie über Riku nachdachte, desto intensiver kamen die Gefühle zurück. Vielleicht war das auch ein Grund, weshalb sie mit Oikawa darüber sprach, obwohl sie es nicht tun wollte. Oikawa nahm plötzlich ihr Gesicht in beide Hände und war ihr so nahe, dass sie kurz vergaß, über vorgestern Nacht nachzudenken. Nur für einen sehr kurzen Moment, aber sie vergaß es. »Egal wie du dich entscheidest, wir stehen das gemeinsam durch. Ich lasse dich nicht alleine und bin für dich da.« Die Worte, die so überraschend intensiv und ernst über seine Lippen kamen, überforderten sie maßlos. Sie hatte vorgehabt, ihn zu unterbrechen, aber dafür war sie zu einfach zu überrumpelt. »Wie ich mich entscheide?«, murmelte Asuna perplex und konnte noch immer keinen klaren Gedanken fassen. Sie griff nach seinen Händen und entfernte diese von ihr. Auch wenn sie diese Berührung irgendwie als tröstend empfunden hatte, schob sie Oikawa so etwas von sich. »Wie soll ich mich schon entscheiden? Ich muss wohl irgendwie damit fertig werden und vielleicht kann ich das alles irgendwann vergessen.« Sie war schon immer jemand gewesen, der Dinge lieber aus ihrem Kopf verbannte, anstatt sich eine Ewigkeit damit zu beschäftigen. »Vergessen? Wie kannst du so etwas einfach vergessen wollen?« Oikawa ließ seine Arme sinken und schien fast schon wütend über ihre Aussage zu sein. Er machte einen Schritt zurück und endlich konnte Asuna wieder halbwegs normal atmen. Aus irgendeinem Grund traf ihn ihre Aussage ziemlich hart. »Außerdem betrifft es ja auch...mich, oder nicht?« Asuna war nun endgültig verwirrt. Was zum Teufel meinte er damit, dass es auch ihn betraf? »Von was spricht du?«, fragte sie ihn deshalb ernsthaft konfus. »Muss ich dir das jetzt wirklich erklären?« Er presste seine Lippen aufeinander. »Ja? Denn ich habe keine Ahnung, was du gerade meinst.« Sie verschränkte abwartend die Arme, während sie stur seinen Blick erwiderte. Sie hatte das Gefühl, als würden sie gerade beide aneinander vorbeireden. »Du weißt schon. Also das, wovon jeder spricht«, kam es von Oikawa abgehakt. Als die Blondhaarige nicht reagierte, fuhr er sich durch die Haare. Er schien zu überlegen, wie er fortfahren sollte. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken, eher er sich wieder ihr zuwandte. »Jeder hier in der Schule spricht davon, dass du...schwanger bist.« Die Worte sickerten nur langsam zu ihr durch. Nach und nach realisierte sie, was er gerade gesagt hatte. Sie sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Was?« Ungläubig lachte sie auf, obwohl ihr absolut nicht danach zumute war. Jedoch war dieses Gerücht so absurd, dass es sie zumindest von der Sache mit Riku ablenkte. Also hatte Oikawa die ganze Zeit davon gesprochen. Dadurch machten seine Aussagen auch deutlich mehr Sinn als zuvor. »Das wird über mich gesagt?«, fügte sie baff hinzu. Wow. Sie hätte nie damit gerechnet, dass jemals dieses Gerücht über sie verbreitet werden würde. »Ja. Stimmt es denn nicht?« Oikawa wirkte nach wie vor angespannt. »Fuck«, murmelte Asuna nach wie vor ungläubig, während sie abermals das Lachen zurückhalten musste. Obwohl es verlockend wäre, ihn für kurze Zeit zu veräppeln, verkniff sie es sich. Das wäre dann doch zu viel des Guten. Deshalb meinte sie: »Natürlich stimmt das nicht, aber gut zu wissen, dass du dich nicht aus dem Staub machen würdest.« In ihrer Aussage schwang ein wenig Spott, aber eigentlich fand sie sein Verhalten und seine Aussagen von vorhin irgendwie...niedlich. Oikawa reagierte auf Asunas Worte mit einem erleichterten Seufzen und einer weit weniger verkrampften Haltung. Es wirkte, als hätte er gerade eine große Last von seinen Schultern geworfen. »Wow. Das waren die nervenaufreibendsten Minuten meines Lebens.« Er lachte nicht und es klang absolut nicht nach dem typischen Setter. Anscheinend saß der Schock noch immer tief. »Wie kommen die anderen überhaupt darauf?« Zugenommen hatte sie nicht, soweit sie wusste. Doch der Grund für diese Annahme kam ihr dann doch selbst schneller als gedacht. »Oh, verdammt. Der Schwangerschaftstest.« Sie schlug sich gegen die Stirn. Natürlich. Da war dieses Mädchen, welches Jana und sie so komisch angestarrt hatte. Jetzt wusste sie auch warum. Im Nachhinein dumm, dass sie mit der Verpackung so offensichtlich herumgewedelt hatte. Oikawa hatte bei ihren Worten überrascht die Augenbrauen gehoben. »Dann hast du also doch geglaubt, dass du schwanger bist?« Asuna machte eine abtuende Handbewegung. »Nein. Der Test war nicht für mich, sondern für...Jana.« Sie hatte kurz gezögert, ob sie etwas davon erzählen sollte. Allerdings war er Iwaizumis bester Freund und würde es früher oder später herausfinden. »Wow. Weiß Iwa davon?« Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Es ist ihre Sache, ob sie ihm davon erzählt oder nicht. Aber er ist negativ ausgefallen, also alles halb so schlimm.« Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand. Die anfängliche Aufregung verblasste und sie merkte, wie Müdigkeit von ihr Besitz nahm. Kein Wunder, nachdem sie die letzten zwei Nächte kaum geschlafen hatte. Sie hob ihren Arm und strich ihre Haare nach hinten. »Wieso hast du mich vorhin eigentlich so angeschrien?«, kam es plötzlich von Oikawa und riss die Blondhaarige aus ihren Gedanken. Asuna verzog kurz das Gesicht. Sie hatte gedacht, dass dieses Thema abgehakt war. »Ich hab mich nur erschrocken. Das ist alles. Immerhin wird man nicht ständig in eine Abstellkammer gezogen.« »Also ich hab mich das letzte Mal nicht so angestellt«, erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Anscheinend war die Panik von vorhin verschwunden. Asuna, die sofort verstand, auf was er anspielte, schnaubte. Er war tatsächlich ganz der Alte, wenn er solche Scherze machen konnte. »Ernsthaft, Oikawa. Könntest du solche Anspielungen in Zukunft lassen? Ich habe echt keine Lust, Hinas Eifersucht abzubekommen.« Bei dem Gedanken wurde ihr ganz mulmig. Das schlechte Gewissen würde sie einfach nicht unterdrücken können. »Ach was! Hina ist keine eifersüchtige Person. Im Gegenteil.« Er schmunzelte leicht, während Asuna über seine Naivität die Augenbrauen nach oben zog. Sollte sie ihm sagen, dass Mädchen so etwas nur deshalb sagten, damit Jungs keinen falschen Verdacht schöpften? Nope. Das sollte er schön selbst herausfinden. »Wie auch immer. Der Unterricht beginnt gleich. Wir sollten wirklich gehen.« Auch wenn sie lieber den 25 Augenpaaren in ihrer Klasse entgehen möchte, würde ihr nichts anderes übrig bleiben. Sie war Klassensprecherin und sollte ihre Fehlstunden so gering wie möglich halten. Zudem möchte sie keinen wichtigen Stoff verpassen. Sie wollte nach der Türklinke greifen, als sie Oikawa zurückhielt. »Warte«, fing er an und dieses Mal war kein Grinsen auf seinem Gesicht. »Ich weiß, dass du mir wieder dieselbe Antwort geben wirst, aber ich frage nochmal bevor du gehst: Ist alles in Ordnung?« Seine Augen suchten in ihren nach einem Anzeichen, wie sie sich tatsächlich fühlte. Als würde er so seine Antwort bekommen, sah er förmlich in ihr Inneres. In ihr verschlossenes, persönliches und emotionales Chaos. Asuna wusste nicht wieso, aber nach seiner Frage fühlte es sich binnen weniger Sekunden so an, als würde sie ein schwerer Anker nach unten ziehen und als würde ihr nach und nach die Luft ausgehen. Sie biss sich so fest auf die Unterlippe, dass es schmerzte. Eigentlich war sie niemand, der leicht anfing zu weinen, aber gerade jetzt hatte sie das Bedürfnis dazu. Sie wusste nicht wirklich woher dieses Bedürfnis kam. Vielleicht war es sein intensiver und fast schon sanfter Blick. Vielleicht war es aber auch einfach das Geschehnis von gestern, welches sie wieder so überrannte. »Wieso antworten, wenn du die Antwort schon kennst?«, erwiderte sie trocken und wie so oft blockte sie einfach ab. Wieso war es so schwer, einfach loszulassen? Loszulassen und ehrlich zu sein? Oikawas Kiefer spannte sich an und zeigte ihr nur zu deutlich, wie sehr ihm diese Aussage missfiel. »Vielleicht habe ich ja auf die Wahrheit gehofft.« Asuna lies ihre Schultern sinken, denn anders konnte sie auf seine Worte nicht reagieren. Es traf sie ungemein hart, doch sie überspielte diese Tatsache einfach, indem sie die Tür öffnete und meinte: »Wie auch immer. Ich gehe zuerst. Ich habe echt genug von Gerüchten.« Es war feige von ihr, jetzt einfach zu gehen, aber je länger sie in diesem kleinen Raum mit Oikawa alleine war, desto schwerer wurde es, ihren Gefühle nicht Überhand zu lassen. Sie sollte wirklich langsam klar werden, dass alles, was jemals zwischen dem Setter und ihr existiert hatte, verschwunden war. Auch wenn es sich nicht immer so anfühlte... Als Asuna in den Flur trat und wieder alleine war, holte sie erst mal tief Luft. Ob sie einfach nach hause gehen sollte? Nein. Reiß dich gefälligst zusammen, Kurasaki! Es gab einiges, was sie gerade beschäftigte und ihr schlaflose Nächte bereitete. Zermürbend. Belastend. Nerven raubend. Doch jetzt musste sie einfach damit klarkommen. Zumindest so lange, bis sie wieder in ihren eigenen vier Wänden war. Wie zuvor auch straffte Asuna die Schultern, richtete die Sonnenbrille auf ihrem Kopf und machte sich auf den Weg in die Klasse. Die anderen Schüler waren längst in ihren Klassen und auch sie zögerte nicht, als sie den Raum 3-5 betrat. Manche Mitschüler warfen ihr einen flüchtigen Blick zu, widmeten sich aber schnell wieder ihren Gesprächen. Immer darauf bedacht, dass ihre Haare ihre Seite verdeckten, ließ sie sich auf dem Platz nieder. Kaum saß sie, stützte sie sich mit ihrem Ellbogen ab und verhinderte so die Sicht auf ihre Blessur. Jedoch waren ihre Gedanken weit entfernt. Es war gut, denn so dachte sie zumindest nicht nur an Riku. Anstatt an ihn zu denken, drängte sich aber jemand anders ins Bild und sie wusste nicht, wie sie diesen wieder verdrängen sollte. »Hey, Asuna.« Jana hatte sich nach hinten gedreht und sich mit ihren Armen an der Sessellehne abgestützt. Ihre Augen musterten die Blondhaarige akribisch. »Wow. Seit wann trägst du so auffälliges Make-Up? Also nicht, dass es dir nicht stehen würde.« Natürlich fiel es ihrer besten Freundin auf. Wem sonst? »Das erzähl ich dir später, okay?«, erwiderte Asuna und schenkte Jana ein halbherzig Lächeln. Der Jüngeren war anzusehen, dass es ihr nicht passte, aber da der Lehrer die Klasse betrat, blieb ihr nichts anderes übrig, als es hinzunehmen. Sie seufzte abermals und versuchte, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Gestern hatte sie Gedanken darüber gemacht, wie es in der Schule sein würde. Zu ihrem Glück wurde sie nie aufgerufen. Und auch in den anderen Stunden wurde sie ignoriert. Vielleicht waren manche Schüler aus ihrer Klasse verwirrt über ihre geringe Mitarbeit, aber angesprochen wurde sie nicht. In der Pause hatte sie sich mit Jana das Dach begeben, bevor sie in die Cafeteria etwas zu essen holen wollten. Hier war niemand, der die beiden stören konnte und so konnte sie ihrer besten Freundin in Ruhe erzählen, was passiert war. Es fiel ihr schwer, darüber zu sprechen, obwohl Jana alles von ihr wusste. »Er hat WAS getan?« Janas Augen waren geweitet und die Fassungslosigkeit war ihr ins Gesicht geschrieben. Sie hatte sich, während Asuna erzählt hatte, kaum zurückhalten können. »Fuck, Asuna! Du musst das melden. Das ist Körperverletzung!«, meinte sie eindringlich. »Ich weiß, aber ich denke-«, fing sie an, doch Jana hatte andere Pläne. »Nein, Asuna!« Die laute und energische Stimme von Jana ließ die Blondhaarige zusammenzucken. Es war selten, dass sie wirklich laut wurde. »Sag jetzt nicht, dass du ihn nicht zur Rechenschaft ziehen möchtest. Sag nicht, dass du das einfach ignorieren und vergessen wirst, denn das tust du immer.« Sie schnaubte und ballte ihre Hand zu einer Faust. Asuna wusste im ersten Moment nicht, was sie sagen sollte und tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie recht hatte. Sie war gut darin, Dinge einfach zu verdrängen. »Bei Oikawa habe ich dir ja noch zugestimmt, aber hier kann ich das einfach nicht.« Jana gestikulierte wild mit den Armen. »Jana! Stopp!« Sie langte nach dem Handgelenk und bremste sie so. »Ich weiß, was du meinst und ich werde mit ihm reden. Versprochen. Nur...nicht heute.« Sie war geistig und körperlich einfach zu müde, um Riku gegenüberzutreten. »Ich bin mir nicht sicher, ob einfach nur reden hilft. Riku hat dich geschlagen, Asu. Geschlagen.« Sie betonte dieses Wort mit all der Verachtung, die sie dafür übrig hatte und verschränkte schließlich die Arme. »Leute, die so etwas einmal getan haben, tun so etwas wieder. Ich will nicht, dass du mit ihm alleine sprichst. Ich werde dabei sein.« »Nein«, erwiderte Asuna bestimmend. »Das werde ich alleine machen. Auch wenn du das nicht hören möchtest.« Sie zog ungern ihre beste Freundin mit hinein, selbst wenn diese es anders sah. Riku würde sie sich alleine vornehmen. »Alleine? Bist du dumm? Du kannst das nicht alleine machen. Erinnerst du dich an die erste Klasse, als Yuna dir Seiten aus deinem Mathematikbuch gerissen hat und du das auf eigene Faust regeln wolltest? Danach hat sie dir einen Kaugummi in die Haare geklebt! Das kommt dabei raus, wenn du etwas alleine klären möchtest.« »Das kannst du doch nicht vergleichen.« Sie verdrehte die Augen, als sie diesen Vorfall von vor zwei Jahren erwähnte. Das war absolut kindisch gewesen und sie glaubte kaum, dass man eine zickige Yuna mit einem...Riku gleichsetzen konnte. »Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich mir Sorgen mache. Du frisst immer alles in dich hinein, versuchst immer alles selbst zu klären. Das funktioniert aber nicht. Nicht jetzt. Nicht bei so etwas«, sagte Jana eindringlich und mit Verzweiflung in der Stimme. »Ich bin gut darin, auf mich alleine gestellt zu sein. Ich kann das. Glaub mir«, meinte Asuna überzeugt und ließ keine Widerrede zu. »Asuna...« Jana verzog quälend das Gesicht. Die Blondhaarige erwiderte darauf nichts und ging in die Knie, um in ihrem Rucksack nach ihrem Concealer zu suchen. Für sie war das Gespräch bezüglich Riku beendet. »Könntest du bitte?« Sie deutete auf das Fläschchen und hielt es ihrer Freundin entgegen. Diese nahm es widerwillig an und begann, ihre Blessur abzudecken. Ein »Au« entkam ihr, als Jana etwas zu fest das Make-Up verteilte. Die selbstgefällige Miene konnte sie ihr nicht mal übel nehmen. »Ich kann nicht glauben, dass du dich alleine mit ihm treffen möchtest«, murmelte sie, nachdem sie alles zusammengepackt hatten und wieder die Treppen zum dritten Stock nahmen. »Aber wenn das dein Wunsch ist, werde ich ihn respektieren. Ungern, aber ich werde es tun.« »Danke für dein Verständnis.« Als sie in der Cafeteria angekommen waren und sich in die Schlange für das Buffet stellten, fragte Jana: »Iwa und ich gehen heute übrigens in die Spielhalle. Kommst du mit?« Sie hob ihre Augenbrauen. »Um das dritte Rad am Wagen zu sein? Danke für das Angebot, aber bestimmt nicht.« »Schade. Du bist ein ziemlich stabiles drittes Rad.« Jana lachte, woraufhin Asuna ihr einen Stoß mit dem Ellbogen gab. Sie schüttelte nur belustigt den Kopf und hielt Ausschau nach einem freien Platz. Dabei hoffte sie, nicht Riku und seine Freunde zu entdecken. Das würde ihr gerade noch fehlen. So ganz in Gedanken versunken packte Jana sie plötzlich am Arm und zog sie gezielt in eine Richtung. Die 18-Jährige musste gar nicht schauen, um zu wissen, wo das Ziel ihrer besten Freundin lag. Natürlich wollte sie zu Iwa. Eigentlich keine große Sache, wenn an dem Tisch nicht auch das gesamte Volleyballteam sitzen würde. Das Team und Hina... »Muss das sein?«, murmelte sie und erntete ein euphorisches Nicken. »Klar. Zwei Stunden sind zwei Stunden zu wenig mit meinem Freund.« Bei dem angeekelten Gesichtsausdruck von Asuna lachte Jana. »Sieh mich nicht so an«, trällerte sie und ließ sich neben Iwa fallen. Dieser war kurz überrascht darüber, entspannte sich allerdings schnell, als er seine Freundin erkannte. »Wo wart ihr so lange?«, fragte er sie, doch Asuna verfolgte das Gespräch nicht weiter. Sie nahm neben ihrer Freundin Platz und leider auch gegenüber Hina und Oikawa. Irgendwie hatte das Universum etwas gegen sie, oder? Sie seufzte und fing an, ihren gebratenen Lachs mit Reis zu essen. Eher lustlos, obwohl das Essen hier ziemlich gut war, stocherte sie darin herum und verursachte ein kleines Chaos auf ihrem Teller. Sie hatte seit gestern keinen Appetit. Außerdem ging ihr das Gekicher von Hina richtig auf die Nerven. Es klang in ihren Ohren wie ein Messer, welches fest über den Teller schabte. Es war ihrer Eifersucht geschult und dieser Grund nervte sie tierisch. Seit wann war sie so unreif? Asuna seufzte und griff nach ihrem Eisbecher, der bei ihrer Auswahl dabei war. Sie übersprang den Hauptgang und ging direkt zur Nachspeise über. Mit einer mäßigen Steigerung ihrer Laune las sie, welche Sorte sich darin befand. Prompt folgte der nächste Tiefschlag. »Urgh. Schokoladeneis«, murmelte sie und überleget, ob sie ihn nicht tauschen sollte. Sie hatte aber keine Lust, sich nochmal anzustellen. Deshalb suchte sie nach einem anderen Becher. Okay. Iwa hatte ebenfalls Schokolade, Hina war die letzte Person, die sie fragen würde und alle anderen hatten kein Eis als Nachtisch. Alle bis auf...Oikawa. Asuna sah von ihrem Eis zu seinem und grinste zufrieden, nachdem sie das Etikett gelesen hatte. Jackpot. Zitroneneis. Besser hätte es sie nicht treffen können. Immerhin liebte er Schokoladeneis, während sie Zitroneneis vergötterte. Er würde also nichts dagegen haben, wenn sie es einfach tauschen würde. Sie beugte sich also nach vorne und griff nach seinem Eisbecher. Allerdings hatte sie die Rechnung ohne Oikawa gemacht, der natürlich sofort reagierte und seine Finger um ihr Handgelenk schlang. »Willst du mir gerade tatsächlich mein Eis klauen?«, fragte er sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Asuna sah auf. »Für wen hältst du mich? Ich wollte dir nur dein Lieblingseis geben. Ich habe nämlich Schokolade und du hast Zitrone. Win-Win-Situation, oder nicht?« Zum Beweis hielt sie ihr Eis mit ihrer freien Hand nach oben. Was wollte sie mit zwei Becher? Nach kurzem Zögern ließ er sie los. »Sag das doch gleich. Gib her.« Auffordernd öffnete er seine Handfläche, woraufhin sie die Augen verdrehen musste. Anscheinend existierte ein Bitte nicht in seinem Wortschatz. Dennoch drückte sie ihm den Becher in die Hand und nahm anschließend jenen, der noch auf seinem Tablett stand. Sie musste vor Vorfreude grinsen und riss ungeduldig die Abdeckung weg. Yummy Zitroneneis! Der erste Löffel verursachte ein Schub Glückshormone bei Asuna. Es war zwar nur Eis, aber gerade war es dafür verantwortlich, dass sie heute zum ersten Mal einen Grund hatte, zu lächeln. »Was war das denn gerade?«, ertönte plötzlich Hinas Stimme und sorgte dafür, dass Asuna sich aus ihrer Gedankenblase begab. Mit dem Löffel im Mund sah sie auf und begegnete so dem entgeisterten Gesichtsausdruck der Zweitklässlerin. Überrascht über diese Reaktion runzelte sie die Stirn. »Was war was?«, antwortete sie undeutlich, da sie noch immer den Löffel im Mund hatte. »Na, dieser Tausch«, erwiderte Hina stumpf. »Kurasaki-san hat mir nur ihr Schokoladeneis gegeben. Nicht der Rede wert.« Oikawa lächelte sie an und versuchte irgendwie das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Allerdings hatte er nicht die Rechnung mit Matsukawa gemacht. Dieser grinste unpassend und stützte sich mit seinem Ellbogen ab. »Man, Kurasaki-san. Dank dir erfahren wir immerhin Neues über unseren Kapitän.« Seine Aussage klang nicht nur provokant, sie waren es auch. »Oh, ja!«, fing auch Watari an. »Fast wie damals beim Schulfest, als du das über d- Autsch!« Er verzog das Gesicht und rieb sich die Seite, nachdem ihm Yahaba einen Hieb in die Seite gegeben hatte. Hinas Haltung versteifte sich bei den Worten. Oikawa hingegen warf Watari einen genervten Blick zu. Und auch Asuna konnte nicht verhindern, dass sie innerlich aufstöhnte. Matsukawa war doch auch nicht besser gewesen und irgendwie beschlich sie das Gefühl, als hätte er es mit Absicht gemacht. Weil sie keine Lust auf irgendein weiteres Drama hatte, meinte sie sachlich: »Stellt euch nicht so an. Es handelt sich doch nur um die Lieblingseissorte. Nichts Weltbewegendes.« Sie seufzte, denn für eine solche Diskussion hatte sie echt keine Nerven mehr. »Außerdem bin ich mir sicher, dass Furuko-san das bestimmt bereits gewusst hat. Also so als Freundin.« Vielleicht hatte er es sogar mal in einem seiner Interviews erwähnt. Es würde sie nicht wundern, aber es war wirklich keine interessante Information über Oikawa. Nicht so wie der Grund für seine Narbe an der Stirn. Das war damals schon...spannender gewesen. Zumindest für alle umstehenden Schüler. »Uhhh, diese Aussage hat einen noch wunderen Punkt getroffen«, murmelte Iwaizumi neben ihr und sorgte dafür, dass Asuna ihm einen perplexen Blick zuwarf. Was sollte das denn bedeuten? Sie sah in die Runde und wusste zumindest, dass Iwaizumi recht hatte. Es hatte einen wunden Punkt getroffen. Hina hatte bei ihrer Aussage die Schultern sinken lassen und starrte vehement auf die Tischplatte. Die meisten Anwesenden schienen allerdings ebenfalls verwundert über die plötzliche Reaktion und auch Jana warf ihrer besten Freundin einen verwirrten Blick zu. Iwaizumi hingegen sah aus, als würde er seinen Kopf am liebsten gegen die nächste Wand schlagen. Hatte sie etwas falsches gesagt? »Tōru-kun und ich«, begann sie leise, »sind nicht zusammen.« Oh! Asuna öffnete ihren Mund und schloss ihn aber schnell wieder. Konfus sah sie von Hina zu Oikawa und wieder zu Hina. Während die Zweitklässlerin tunlichst vermied, in die Runde zu schauen, durchbohrte Oikawa sie mit seinem Blick. »Ehm, sorry. Das wusste ich nicht«, murmelte sie und fühlte sich wirklich...schlecht. Selbst wenn sich die Sympathie für Hina in Grenzen hielt, wusste sie, wie gern sie Oikawa hatte. Dennoch würde sie das Warum brennend interessieren. Warum waren sie nicht zusammen, wenn doch alles dafür sprach? Jedes Mal, wenn sie die beiden gesehen hatte, waren sie gemeinsam unterwegs. Dann war da noch dieses Bild, welches Hina gepostet hatte und die Tatsache, dass sie immer bei seinem Training dabei war. Das ergab für sie nicht wirklich Sinn. »Natürlich wusstest du das nicht.« Hina lächelte, doch in ihrer Stimme schwang ein hörbarer Spott mit. Klar und deutlich spürte sie die Blicke der anderen auf ihr. Asuna ignorierte diese und presste bei diesem Unterton ihre Zähne zusammen. Das anfängliche Mitleid war schnell verschwunden. Was hatte dieses Mädchen eigentlich für ein Problem? Eigentlich war sie niemand, der sich leicht provozieren ließ, aber wenn sie etwas nicht leiden konnte, dann war das Spott. Insbesondere wenn er von Hina kam. Sie musste sich gerade wirklich zusammenreißen, um ihr nicht irgendetwas Gemeines an den Kopf zu werfen. Es wäre kindisch und unpassend. Immerhin befanden sie sich mitten in der Cafeteria. Sie sah von Hina zu Oikawa, dessen Miene nach wie vor unergründlich war. Bis jetzt hatte er nichts gesagt, was vielleicht auch besser war. Sie wusste nicht, wie gerade er die Situation hätte retten können. Was für ein scheiß Tag! Zuerst dieses Gespräch mit Oikawa und jetzt das! Sie hätte einfach die Klappe halten und Hina über den Eistausch aufklären sollen. Asuna stecke ihren Löffel dezent aggressiv in das Eis, nur um verärgert weiter zu essen. Selbst als Hina aufstand und ohne ein weiteres Wort verschwand, verblasste der Ärger nicht. Im Gegenteil. Er wurde größer, als Oikawa ebenfalls aufstand und ihr folgte. »Wow. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so aggressiv Eis isst«, raunte Iwaizumi seiner Freundin zu. Asuna lockerte den Griff um ihren Becher, denn seine Worte machten sie darauf aufmerksam, wie lächerlich sie sich gerade verhielt. Was war nur los mit ihr? Wieso ärgerte sie sich über solch dämliche Dinge? Seufzend ließ sie ihre Schultern sinken. Mit wenig Elan in der Stimme erwiderte sie schließlich: »Halt die Klappe, Iwa.« Seit wann war ihr Leben zu einem verdammten Drama geworden? Sie hatte es so satt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)