Eine Chance für Ranma von MariLuna ================================================================================ Kapitel 16: Gemeinsam --------------------- 16. Kapitel Gemeinsam   „Ranma.“ Eine leise Stimme direkt an seinem Ohr, die wie goldene Wärme in sein Bewußtsein tropft und ihn langsam weckt. „Ranma, wir müssen zur Schule.“ Unwillig dreht sich Ranma auf die Seite und kuschelt sich tiefer in die Decke, während er versucht, sich zurück in seine Traumwelt zu flüchten. Es war so ein schöner Traum... „Ranma.“ Jemand zieht ihm die Decke fort, dann spürt er Finger in seinem Haar, an seinem Kinn und der Wange und dann berühren weiche Lippen seinen rechten Mundwinkel. Schlaftrunken dreht er sich etwas und stiehlt sich einen richtigen Kuss. Er liebt diesen Traum! Unwillkürlich schlingt er die Arme um denjenigen, der ihn hier so hingebungsvoll küsst, in den Bestreben, ihn zu sich herunter zu ziehen. Doch er erntet erheblichen Widerstand. „Ranma, wenn wir uns nicht beeilen, kommt Sasuke hier rein und jagt uns höchstpersönlich zur Schule. Ohne Bentobox. Und dann bleibt uns nur der Schulfraß.“ Bei diesen Worten ist Ranma schlagartig wach und blinzelt irritiert hoch in Kunō Tatewakis Gesicht. „Huh? Kein Traum?“ „Nein, kein Traum.“ Amüsiert wuschelt ihm Tatewaki mit einer Hand durchs vom Schlaf ganz zerzauste Haar, pflückt Ranmas Hände von seinen Hüften und schwingt sich aus dem Bett. Während er so dasteht, vom blassen Licht des Morgens umschmeichelt und sich gähnend streckt und reckt, wobei sein nachlässig geknöpftes Jinbeioberteil verrutscht und viel helle Haut samt einem Knutschflecken an seinem Halsansatz entblößt, kann Ranma ihn nur fasziniert anstarren. Sein Hirn braucht lange, um sich von den letzten Eindrücken seines Traumes zu befreien, aber dann kehren die Erinnerungen an die letzten beiden Tage langsam zurück, und er beginnt breit zu grinsen. Nein, das hier ist kein Traum. Es ist viel, viel besser.       Sie schaffen es rechtzeitig zur Schule. Sasuke musste nicht nachhelfen. Sie hatten sogar noch Zeit für ein kleines Frühstück – und Sasukes Miso-Suppe ist wirklich köstlich, die zu verschlafen wäre eine Sünde gewesen. Auf dem Weg zur Schule stellt Ranma dann Verschiedenes fest. Das erste ist, dass Kodachi die ersten fünfhundert Meter denselben Schulweg hat und dass sie, zweitens, verdammt entzückend in ihrer Schuluniform aussieht. Das ist Ranma bisher noch niemals aufgefallen, vielleicht, weil der schlechte Charakter der Black Rose immer alles überschattet hatte. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass er ihre wahre Seite kennenlernen durfte. Diese Seite zeigt sie nicht jedem, aber es gibt doch ganz offensichtlich ein paar Menschen, denen sie genug vertraut, denn an der Ecke, wo sie sich von ihnen trennt, warten zwei Freundinnen auf sie, mit denen sie sofort kichernd und schwatzend weitergeht wie jedes normale Mädchen in ihrem Alter. Den Blicken nach zu urteilen, die sie ihm zuwerfen und dem Tuscheln danach, geht er jede Wette ein, dass sie über ihn reden. Noch vor drei Tagen hätte ihn das beunruhigt, aber heute sieht er dem Trio nur amüsiert hinterher. Der Rest des Schulweges ist genau derselbe, wie er ihn zusammen mit Akane immer genommen hat – was nur logisch ist, weil das Tendō Dōjō und das Kunō Anwesen nur dreihundert Meter Luftlinie voneinander trennt. Als Ranma das bewußt wird, fühlt er sich plötzlich sehr unwohl in seiner Haut. Er möchte ihr nicht begegnen (wenigstens ist heute Montag, da haben sie keinen Unterricht gemeinsam), aber wenn es sich nicht vermeiden lässt, wird er nicht davon rennen. Das verbietet ihm sein Stolz. Trotzdem ist er froh, als sie das Schultor erreichen ohne auch nur eine Haarspitze der Tendō-Schwestern zu sehen. Es fällt ihm schwer, Tatewakis Seite zu verlassen, und um ehrlich zu sein, war er den ganzen Weg über versucht, dessen Hand zu nehmen, hat sich letztendlich aber doch nicht wirklich getraut. Sie waren schließlich auf dem Weg zur Schule, und je näher sie ihr kamen, desto mehr Mitschüler und Lehrer begegneten ihnen und außerdem sind sie zwei Jungen! An einem Sonntagmorgen, wo kaum jemand unterwegs ist, knutschend unter einem Straßenbaum zu stehen ist etwas ganz anderes als das hier. In der ganzen Schule sind sie als Rivalen bekannt, als Gegner, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit provozieren und duellieren. Und die wenigsten Menschen um sie herum werden bemerkt haben, dass sie schon vor zwei Wochen damit aufgehört haben, alles, was ihnen in Erinnerung geblieben ist und immer bleiben wird, sind ihre erbitterten Kämpfe gegeneinander. Niemand weiß, wie sie reagieren würden, wenn sie die Wahrheit wüssten. Und Ranma weiß nicht, ob er das schon herausfinden möchte. „Also, bis später. Sei fleißig.“ Tatewakis warme Stimme reißt Ranma aus seinen Grübeleien. Ranma erschauert wohlig, als ihm Tatewaki zum Abschied einmal sanft über die Wange streichelt. Das kommt aber auch so unverhofft, dass Ranma erst einmal wie erstarrt dasteht, und erst, als Tatewaki schon fünf Meter weiter ist, findet er seine Stimme wieder. „Ja, du auch!“ ruft er ihm schließlich hinterher. „Und viel Glück bei der Prüfung!“ Tatewakis dreht sich kurz lächelnd um und winkt ihm zum Abschied noch einmal zu, dann taucht er in einer Gruppe von Mitschülern seines eigenen Jahrgangs unter. „Hey, Ranma!“ wie aus dem Nichts erscheinen plötzlich seine besten Freunde Daisuke und Hiroshi vor ihm. „Wie war dein Wochenende?“ „Was wollte Kunō von dir?“ fragt Hiroshi gleich weiter, ohne auf eine Antwort der ersten Frage zu warten. „Kämpft ihr nach Schulschluß wieder?“ Seiner Miene nach zu entnehmen, gäbe es nichts, was er sich mehr wünschen würde. Ranma versteht nicht, woher das kommt – wieso sehen seine Freunde ihn so gerne kämpfen und gewinnen? Ist ihr Leben so langweilig? Noch während er ein klares „Nein“ knurrt, will Daisuke von ihm irritiert wissen: „Hast du Kunō eben wirklich viel Glück gewünscht?“ „Ich bin eben höflich“, erwidert Ranma. „Oder wollt ihr, dass er das Schuljahr wiederholen muss und vielleicht in unserer Klasse landet?“ setzt er in Erinnerung an ihr Gespräch von Freitag noch süffisant hinzu. Bei diesem Gedanken schaudert Daisuke übertrieben und Hiroshi schüttelt eifrig den Kopf. Ranma lächelt grimmig und packt seine Schultasche etwas fester. „Lasst uns reingehen, bevor es klingelt.“       Bei einem kann man sich in der Furikan Oberschule sicher sein: Neuigkeiten verbreiten sich rasend schnell. Und so wundert es Ranma nicht im Geringsten, dass er nach der ersten Unterrichtsstunde regelrecht von seinen Mitschülern belagert wird, insbesondere natürlich von Daisuke und Hiroshi, die es gar nicht fassen können. „Ranma, stimmt es, dass deine Hochzeit abgesagt wurde?“ „Warum? Was ist passiert?“ „Die arme Akane.“ Zuerst versucht er, es ihnen ruhig und sachlich zu erklären, dass so alles besser sei, weil das ganze sowieso eine Schnapsidee war und die Zeiten für arrangierte Hochzeiten ja wohl vorbei sind. Er wagt es sogar, zuzugeben, dass er sie nicht liebt, obwohl er dieses Wort in der Öffentlichkeit nicht gerne in den Mund nimmt. Aber egal wieviel Mühe er sich auch gibt, zur Mittagspause sind sie alle sauer und enttäuscht von ihm. Sie werfen ihm vor, wie er es nur wagen könne, so ein tolles Mädchen wie Akane sitzen zu lassen, so kurz vor der Hochzeit. Sie nennen ihn „Schuft“ und „Herzensbrecher“ und noch allerlei und er fühlt sich wie bei einem Spießrutenlauf. Die wenigen, die genau entgegen gesetzt reagieren und sich stattdessen freuen, weil sie sich jetzt wieder in der Position sehen, die „liebreizende Akane“ ungestraft umgarnen und anhimmeln zu können, sind dagegen die reinste Erholung. Zum Glück ist bisher noch niemandem die Idee gekommen, ihn zu fragen, ob er trotz allem noch bei den Tendōs wohnt. Es scheint, als wäre ihnen dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. Alles Idioten! Mürrisch lässt sich Ranma auf seinen Stammplatz in der Cafeteria fallen. Es fühlt sich an, als würden alle Blicke auf ihm ruhen und es macht ihn nervös, dass er die Gespräche um sich herum unter dem ganzen Stimmengewirr nicht herausfiltern kann, er also nicht weiß, ob sie über ihn tuscheln oder nicht. Die, die ihm böse Blicke zuwerfen, reden aber garantiert über ihn, und das sind nicht wenige. Als Akane mit ihren Freundinnen hereinkommt – ohne ihn dabei eines Blickes zu würdigen - wird das Geschnattere noch einmal kurz lauter, und als sie sich hinsetzen, wird ihr Tisch sofort belagert. Ranma versteht nicht, was sie sagen, aber Körpersprache und Mienen sind eindeutig: so sehr sie ihn hassen, so sehr bemitleiden und trösten sie Akane. Ranma schnauft einmal und konzentriert sich lieber auf sein Bento. Er ist unendlich erleichtert, dass Akane ihm offensichtlich genauso wenig begegnen will wie er ihr. „Wow! Das sieht aber lecker aus!“ ruft Daisuke neben ihm und starrt zusammen mit Hiroshi geradezu gierig in Ranmas Bentobox. Er hat zwar recht, aber Ranma denkt nicht daran, ihnen auch nur einen Krümel davon abzugeben. Geradezu schadenfroh nimmt er seine Essstäbchen zur Hand und nimmt den ersten Bissen zu sich. Es sind nur ein Reisbällchen und ein paar Sushi, aber etwas Köstlicheres hat Ranma noch nie gegessen. Sasuke ist wirklich ein begnadeter Koch. „Hah? Sasuke? Meinst du damit etwa Sarugakure Sasuke, den Diener der Kunōs?“ erst Hiroshis verdatterte Frage macht ihm bewußt, dass er diesen Gedanken wohl laut ausgesprochen hat. Ertappt beißt sich Ranma auf die Unterlippe, doch dann gibt er sich einen Ruck. „Ja, genau dieser Sasuke. Glaubt ihr wirklich, ich will noch bei den Tendōs wohnen, wo ich Akane täglich begegne? Ich wohne seit Freitag Abend im Kunō Anwesen.“ Für die Dauer einiger Sekunden starren die beiden ihn nur entgeistert an. „Soll … soll das bedeuten...“, stammelt Hiroshi schließlich, „du...“ er holt einmal tief Luft. „Dass du Akane nicht liebst und sie deshalb nicht heiraten willst, habe ich ja kapiert, aber soll das heißen, du willst die verrückte Kunō Kodachi heiraten?“ „Ich will niemanden heiraten“, entfährt es Ranma lauter als beabsichtigt. Schon starren andere neugierig zu ihm hinüber. Hastig senkt er die Stimme. „Darum geht es gar nicht. Und außerdem ist Kodachi sehr nett, wenn man sie erst einmal richtig kennt.“ Die beiden mustern ihn zweifelnd. „Na ja“, meint Daisuke dann nachdenklich, „vielleicht keine schlechte Idee. Wenn du mal als Ranko und mal als Ranma vor ihnen stehst, bringst du sie ganz durcheinander. Ich meine, Tatewaki sieht dich ja als bösen Zauberer, der sein geliebtes Mädchen mit dem roten Zopf vor ihm versteckt. Und Kodachi sieht Ranko als Konkurrentin zu Ranma.“ „Wenn du sie gegeneinander ausspielst“, spinnt Hiroshi den Faden weiter, „sind die beiden Durchgeknallten darauf konzentriert, aufeinander loszugehen. Vielleicht bringen sie sich ja gegenseitig um und dann haben wir alle unsere Ruhe vor denen.“ Im ersten Moment ist Ranma fassungslos und würde ihm am liebsten eine Lektion erteilen, aber da er gerade ein Sushi im Mund hat, verzichtet er darauf. Es wäre wirklich eine Schande, diese leckere Köstlichkeit nicht einfach nur zu genießen. Und je länger er kaut und der Diskussion zwischen seinen beiden Freunden einfach zuhört, desto mehr begreift er, warum Tatewaki niemals zugegeben hat, dass er weiß, dass Ranma und Ranko ein und dieselbe Person sind. Es entbehrt nicht einer perfiden Schadenfreude, zuzusehen, wie sich andere echauffieren ohne dabei zu wissen, wie lächerlich sie sich damit in Wirklichkeit machen. Einer inneren Eingebung heraus folgend hebt er den Kopf und blickt Richtung Eingangstür, durch die just in diesem Moment niemand geringerer als Kunō Tatewaki tritt. Er zögert und sieht sich suchend um und rein automatisch hebt Ranma den Arm und winkt ihn heran zu seinem Tisch. Nur ganz am Rande seines Bewußtseins nimmt Ranma wahr, wie Daisuke und Hiroshi verdutzt verstummen. Auch ein paar Gespräche an den Nebentischen stocken und man beobachtet mit neuerwachter Neugier, wie sich Tatewaki wie selbstverständlich zu ihnen setzt. „Wie war die Prüfung?“ will Ranma sofort wissen. „Erstaunlich leicht“, kommt es zurück. Und dann fühlt sich Ranma von saphirblauen Augen besorgt gemustert. „Und bei dir ist auch alles okay?“ Ranma zögert und für die Dauer zweier Herzschläge bleibt sein Blick auf Tatewakis Hämatom unter dem linken Auge hängen. Es schimmert immer noch blau-violett und hebt sich deutlich von Tatewakis hellem Teint ab. Ranma fasst einen Entschluss. „Nein“, gibt er mit einer unbestimmten Geste zu Daisuke, Hiroshi und allen anderen im Raum zu. „Seit die wissen, dass ich Akane nicht heiraten werde, flippen die alle völlig aus. Als wäre ich ein Schwerverbrecher. Die sind schlimmer als mein Vater. Was ist so schlimm daran, wenn ich einmal leben will, wie ich es will?“ „Nichts.“ „Wenn ich einmal tun will, was ich tun will?“ „Geht auch in Ordnung.“ „Gut.“ Ranma holt einmal tief Luft. Um seine Mundwinkel spielt ein pfiffiges Lächeln, als er aufsteht, über den Tisch langt, Tatewaki am Kragen seiner Schuluniform packt und ihn daran hoch und zu sich heran zieht, um ihm einen stürmischen Kuss aufzudrücken.       ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)