Eine Chance für Ranma von MariLuna ================================================================================ Kapitel 11: Ukyō ---------------- 11. Kapitel Ukyō   Ihre Hoffnung, sich ungesehen vom Kunō-Anwesen entfernen zu können, erfüllt sich leider nicht. „Ranma!" Unter das Sirren von Fahrradspeichen und das Knirschen von Gummireifen auf sandigem Asphalt mischt sich eine wohlbekannte Stimme. Und dann ist die Sechzehnjährige auch schon heran und springt von ihrem Fahrrad in gewohnter Art und Weise fast in Ranmas Arme. Der fängt sie wie immer instinktiv auf und stellt sie dann wieder schnell auf ihre eigenen Füße. „Ucchan, was machst du denn hier?" Sie lacht verschmitzt und streicht sich eine lange, dunkelbraune Haarsträhne zurück hinters Ohr. „Ich bin Akane gefolgt. Ich dachte mir, ich kann dich trösten, nachdem sie dich zusammen gestaucht hat. Oder dir anbieten, dich bei mir zu verstecken, wenn du vor ihr auf der Flucht bist. Du weißt doch, ich bin immer für dich da.“ „Ah, danke“, meint Ranma und wirft einen zögernden Blick zu Tatewaki hinüber, der gerade damit beschäftigt ist, Ukyōs Fahrrad von der Straße aufzuklauben. Der Lenker ist verbogen und während Tatewaki den kleinen Schaden schnell wieder behebt, hat Ukyō nur Augen für Ranma. „Ich habe gehört, dass die Hochzeit abgesagt wurde? Würdest du-" „Ucchan, können wir in dein Restaurant gehen?“ unterbricht dieser sie hastig. „Wir haben noch nichts gegessen und deine speziellen Frühstücks-Okonomiyaki wären jetzt genau das Richtige." Erst jetzt scheint sie sich gewahr zu werden, dass er nicht alleine ist. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ihr Tatewaki ihr Fahrrad zurückgibt. Für einen klitzekleinen Moment wirkt sie sogar verlegen, wenn man das leichte Rotschimmern auf ihren Wangen richtig interpretiert, aber das ist schwer zu sagen, denn sie wirkt allgemein sehr erhitzt und aufgeregt. „Natürlich, Ran-chan." Ranma in Tatewakis Begleitung anzutreffen irritiert sie sichtlich, schmälert aber nicht ihre Begeisterung. „Und ich werde niemanden heiraten. Niemanden", stellt Ranma klar, während sie zügig die Straße hinuntergehen. Sein Tonfall ist so entschlossen, ja, schon fast unterkühlt, dass sie unwillkürlich ins Grübeln kommt. „Ich verstehe", meint sie schließlich zögernd und wirft dann einen kurzen Blick über die Schulter zurück zu Tatewaki, der einen knappen Meter hinter ihnen geht. Zwischen ihren schmalen Augenbrauen bildet sich eine nachdenkliche Falte.       Zehn Minuten später sitzt Tatewaki an einem der kleinen Tische vor Ukyōs Okonomiyaki Restaurant und wartet darauf, dass sein Freund sein Gespräch mit der Inhaberin beendet und wieder zu ihm herauskommt. Oder dass ihm das bestellte Frühstück gebracht wird. Wahrscheinlich wird es auf beides hinauslaufen. Obwohl es ihm zutiefst widerstrebt, Ranma mit einer seiner Verehrerinnen alleine zu lassen, gebieten ihm seine Manieren, den beiden ihre Privatsphäre zu lassen. Anders als Akane besitzt Ukyō nämlich eine gewisse Reife, schließlich leitet sie trotz ihres jungen Alters schon ein Restaurant, so klein und bescheiden es auch sein mag. Die warmen Sonnenstrahlen und die sonntägliche Ruhe genießend, lehnt sich Tatewaki etwas zurück und läßt seine Blicke schweifen. Eine kleine Bewegung auf der anderen Straßenseite erweckt seine Aufmerksamkeit. Auf einem Mauervorsprung sitzt eine zierliche, cremefarbene Siamkatze, die ihn aufmerksam beobachtet und neben ihr sitzt ein weißer Enterich - Shanpū und Mūsu in ihren tierischen Formen. Tatewakis Augenbrauen zucken kurz erstaunt in die Höhe, denn normalerweise sieht man diese beiden nicht so friedlich zusammen sitzen. Üblicherweise wird der Enterich von der Katze davongejagt und fängt sich dabei auch schon mal ein paar gemeine Krallenhiebe ein. Doch diesmal, als der Enterich der Katze mit seinem Schnabel etwas zu nahe kommt, leckt diese ihm nur kurz über die Wange, um gleich eine Sekunde später, als wäre ihr dieses Zärtlichkeit peinlich, Kopf und Blick wieder stur geradeaus zu wenden. Tatewaki verbeißt sich ein Schmunzeln und tut, als hätte er nichts bemerkt. Und während er mit der Speisekarte vor sich auf dem Tisch herumspielt, fragt er sich, wann das wohl passiert ist. Wann genau hat Shanpū den Avancen ihres Verehrers nachgegeben? Zugegebenermaßen ist Mūsu sehr tolpatschig, aber er hat das Herz am rechten Fleck. Außerdem ist er ein passabler Kämpfer, und darauf legen die Amazonen ja viel wert. Ist das der Grund, wieso die Amazonen ihn gestern so unbehelligt aus ihrem Café haben spazieren lassen? Weil Shanpū schon längst das Interesse an Ranma verloren hat? Das wäre natürlich eine glückliche Fügung. Wenn er Ranma von seiner Beobachtung eben erzählt, sollte das diesen auch wieder etwas beruhigen. Vielleicht ist er dann nicht mehr ganz so sauer auf ihn. Tatewaki wirft einen verstohlenen Blick auf die andere Straßenseite hinüber. Die beiden sitzen immer noch da und behalten ihn im Auge. Das macht ihn allmählich nervös, aber er beschließt, sich nicht provozieren zu lassen. Wenn die beiden etwas von ihm wollen, werden sie schon herüber kommen. Plötzlich öffnet sich die Tür und Ukyō tritt heraus, in der Hand einen Teller mit Okonomiyaki balancierend. Nur einen, und den stellt sie alles andere als sanft vor ihn auf den Tisch. Ihre Miene ist ernst, fast ein wenig grimmig. Ranma folgt ihr in einem Meter Abstand und setzt sich dann zu ihm. Tatewaki sieht erst auf den Teller, dann in Ukyōs Gesicht und schließlich in Ranmas. „Du hast es ihr erzählt", stellt er möglichst neutral fest. „Ja, das hat er“, antwortet Ukyō an Ranmas statt und verschränkt dabei die Arme vor der Brust. Ranma lächelt nur etwas verlegen. Tatewaki mustert sein Okonomiyaki argwöhnisch. „Muss ich mir Sorgen machen, ob das Essen vergiftet ist?" „Pah. Ich bin Geschäftsfrau." Ernsthaft beleidigt reckt Ukyō die Nase etwas mehr in die Höhe und funkelt ihn von oben herab an. Das hält sie ungefähr für zehn Sekunden durch, dann kurven sich ihre Lippen überraschend zu einem kleinen Lächeln. „Außerdem habe ich schon vor zwei Wochen eingesehen, dass Ranma nie mir gehören wird.“ Bei diesen Worten tauscht sie mit Ranma einen langen Blick. „Irgendwie“, fährt sie dann an Tatewaki gewandt fort, „bin ich froh, dass du es bist, dem sein Herz gehört. Gegen einen Jungen zu verlieren ist ...“, sie zögert kurz, sucht nach dem richtigen Wort, „... einfacher, denn mit einem Jungen kann ich nicht konkurrieren." Sie schenkt Tatewaki ein etwas schiefes Lächeln, doch nur kurz, dann wird ihre Miene wieder ernst. „Dennoch … laß dir nicht mehr Zeit als nötig fürs Essen und gib mir ja ein anständiges Trinkgeld.“ Mit diesen Worten verschwindet sie wieder im Inneren ihres kleinen Restaurants. Tatewaki sieht ihr noch einen Moment hinterher, dann betrachtet er sein Frühstück etwas genauer. Er hat nicht für einen Augenblick wirklich angenommen, dass es vergiftet sein könnte, er hatte das nur gesagt, weil es ihm in diesem Moment witzig erschien, und er muß zugeben: es sieht verdammt lecker aus. „Willst du etwas abhaben?“ fragt er Ranma, doch der lehnt ab. „Nein, danke, ich hab drinnen schon einen gegessen.“ Tatewaki nickt. Das hatte er sich schon gedacht. „Ich habe kein Geschrei gehört“, meint er, während er sich den ersten Bissen auf der Zunge zergehen läßt. „Und sie sah auch nicht aus, als hätte sie geweint.“ „Nein, sie hat es sehr ruhig aufgenommen. Als hätte sie etwas ähnliches schon geahnt.“ „Sie ist ein sehr kluges Mädchen. Und sie ist schon sehr erwachsen. Darüber hinaus noch verdammt hübsch. Ich kenne mindestens fünf Jungs aus meiner Klasse, die sie gerne um ein Date bitten würden. Und jeder davon wäre eine gute Partie.“ Er sieht, wie Ranma eine Grimasse zieht und verbeißt sich ein kleines Grinsen. Der Gedanke daran, dass seine Ucchan plötzlich ernst zu nehmende Verehrer haben könnte, ist für ihn wohl noch gewöhnungsbedürftig. Manchmal benimmt er sich ihr gegenüber wirklich wie ein großer Bruder. „Es ist auch viel besser, wenn ihr nur befreundet bleibt“, fährt Tatewaki versonnen fort. Er ist wirklich froh, dass die Sache so reibungslos ablief. „Von einer Freundschaft zu einer Liebesbeziehung ist es vielleicht nur ein kleiner Schritt, aber ein Zurück davon gibt es nicht.“ Ranma blinzelt überrascht. „Du bist nicht sauer, wenn ich mit Ucchan befreundet bleibe?“ Daraufhin verschluckt sich Tatewaki fast an seinem Frühstück. „Ranma - ich verbiete dir ganz bestimmt nicht deine Freunde!“ „Du bist nicht eifersüchtig? Nicht im Geringsten?“ Ranma klingt überrascht, verwirrt und sogar ein klein wenig enttäuscht. Für einen Moment ist Tatewaki versucht, in alte Gewohnheiten zurück zu fallen und das lachend abzustreiten, doch dann entscheidet er sich für die Wahrheit. „Natürlich bin ich eifersüchtig. Am liebsten hätte ich dich für mich ganz allein, aber das würde dich nur unglücklich machen. Und das ist das Letzte, was ich will.“ Gerührt greift Ranma nach seiner Hand und drückt sie. In seinen Augen schimmert es verdächtig feucht, und er muß ein paar Mal schlucken, bis er seine Stimme wiederfindet. „Tachi-“ ist dann doch alles, was er herausbringt, und es ist nicht mehr als ein schwaches Hauchen. Dieser lächelt nur wieder dieses gottverdammte, schöne Lächeln, drückt Ranmas Hand und widmet sich auffällig hastig dem letzten Rest seines Frühstücks. Ranma spürt, wie er wieder errötet und ist sich plötzlich nur allzu sehr der Tatsache bewußt, dass sie hier mitten auf der Straße sitzen und jeder sie sehen kann. Außerdem halten sie immer noch Händchen. Vor Verlegenheit weiß er gar nicht, wohin er blicken soll, und so landet sein Augenmerk schließlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Zum allerersten Mal bemerkt er die Katze und die Ente, die dort auf einer Mauer sitzen und zu ihnen hinüber starren. Aber bevor er irgendwie darauf reagieren kann, reckt und streckt sich die Katze genüßlich, dreht sich um und spaziert dann mit hochaufgerichteten Schwanz davon, dicht gefolgt von dem weißen Enterich. Das ganze wirkt so friedlich, dass sich Ranma ernsthaft fragt, ob er seinen Augen noch trauen kann.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)