Die Sonnenprinzessin und der Koboldprinz von SainzDeRouse (Fortsetzung von "Prinzessin Aline und die Groblins") ================================================================================ Kapitel 49: Flammen und Schwert ------------------------------- Kapitel 49 – Flammen und Schwert Mit dünnen, knochigen Fingern hielt Aline den so eben erhaltenen Brief in den Händen, welcher ihr durch eine Brieftaube zugekommen war. Blass war ihr Antlitz und ihre blutunterlaufenen Augen lagen tief in ihrem Gesicht. Es war so weit. Die nächste und sie war sich sicher, die letzte Schlacht stand bevor. Ihre Hand zitterte leicht und langsam knüllte sie den Brief zusammen, während sie nachdenklich vor sich hinstarrte. Sie ließ das Stück Pergament aus ihrer Hand fallen und krallte diese in die metallene Armlehne ihres Thrones. Nach der ersten Schlacht hatte sie die Schwerter ihrer Feinde zusammen sammeln lassen und hatte mit Hilfe ihrer Schmiede und Dragonar einen Thron aus Schwertern errichten lassen. Es war Froschlippes Idee gewesen und er war stolz auf seinen eisernen Thron. Denn Stein hatte keine Bedeutung für ihn. Menschen erschufen sich alles wichtige aus Eisen und so wollte er sich unter den anderen menschlichen Königen abheben. Die nächste Schlacht stand also bevor. Beide Seiten hatten sich in den letzten Monaten eisern darauf vorbereitet. Für die Groblins und den Menschen gleichermaßen wurden Brustpanzer hergestellt, doch für Tand und Zierde war die Zeit zu knapp gewesen. Doch Aline hätte auch mit jahrelanger Vorbereitung darauf verzichtet. Denn wozu etwas aufwendig und teuer herstellen, wenn es nur dazu diente, zerstört zu werden. Wie das letzte Mal versammelten sich die Truppen auf den Feldern zwischen dem Schloss des Sonnenkönigs und dem Berg der Groblins. Und wieder stand Aline oben auf dem Berg und beobachtete gemeinsam mit Dragonar das Geschehen. Doch etwas hatte sich verändert. Sobald sie die Soldaten ihres Vaters in ihren glänzenden Rüstungen erblickte, fraß sich die Wut und Abscheu wie Gift durch ihre Blutbahnen. Tiefsitzender Hass schlug in ihrem Herzen und vor ihrem geistigen Auge stellte sie sich vor wie ein jeder einzelner sein Leben aushauchte. Über die letzten Wochen hatten sich diese Fantasien gehäuft und zunächst hatte Aline sich über diese Gefühle erschreckt. Doch inzwischen lebte sie damit und ein Lächeln trat auf ihrem Gesicht, während sie das Sterben in ihrem Inneren beobachtete. Nie hatte sie unschuldige Menschen getötet oder töten lassen, es war ihr immer wichtig die Richtigen zu bestrafen und nur zu töten, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Wenn es ihrem Ziel nicht im Weg stand. Doch was hatte es ihr gebracht? Dennoch hatte sie ihr Kind begraben müssen, man hatte es ihr geraubt, umgebracht und zur Schau gestellt. Nie würde sie das kleine Gesicht, diesen kalten, blassen, kleinen Körper, welchen sie in ihren Armen getragen hatte, vergessen. Immerzu spukte ihr dieses Bild durch ihren Kopf. Selbst im Schlaf musste sie immer wieder miterleben wie das Kind von seiner Mutter getrennt, in einem Keller verschleppt und getötet wurde. Ein Schlaf ohne Träume war eine Seltenheit. Inzwischen versuchte sie das Schlafen zu vermeiden, wo es nur ging, doch es zehrte an ihrer Kraft, raubte ihr die Nerven und zollte ihrem Körper Tribut. Trotz aller Bemühungen war sie die letzten Monate nicht schwanger geworden. Ein jedes Mal, wenn sie spürte dass das Rot ihren Beinen hinunter rinnt, sammeln sich Tränen in ihren Augen. Das Knurren neben ihrem Ohr holte sie aus ihren düsteren Gedanken und in die schreckliche Realität zurück. Sie richtete das Fernglas in die Richtung in die Dragonar blickte und nach etwas suchen, fand sie sein Ziel der Abscheu. Dort ritt er, ihr Vater, der König der Sonnenmenschen. Die Liebe, die noch sein Anblick bei der letzten Schlacht hervorgerufen hatte, war gänzlich erloschen. Es war als würde sie einem Fremden beobachten. Waren es mehr Soldaten? Sie erkannte fremde Rüstungen und Wappen. Er hatte sich noch mehr Hilfe geholt, sicherlich durch die einflussreiche Hilfe seiner Gemahlin und dessen Vater. Zu ihrem Schrecken erkannte sie das die Armee ihres Vaters in der Überzahl war und diese waren gewiss keine Bauern. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, sich zum Sieg zu kämpfen. Doch Aline spürte keine Angst. Nur Vorfreude. Die Etiketten wurden gänzlich aus dem Spiel gelassen, denn plötzlich gab es einen Aufschrei an der Spitze ihrer Armee. Ein Pfeil wurde wohl abgeschossen und man hatte versucht Froschlippe zu treffen. Doch es wurde ein anderer Groblin erwischt. Der König der Flusslande hatte das Nachsehen gehabt und war von seinem Reittier gefallen. Die Überraschung nutzte ihr Vater und gab Zeichen zum Angriff und alle setzten sich reitend und rennend in Bewegung. „Na warte“, murmelte sie vor sich hin und kletterte auf Dragonars Rücken. Ohne noch darauf zu warten, ob sie bereit war, stieß er sich von der Klippe ab und Aline hatte sich noch im letzten Moment an den Hörnern seines Rückenkamms festhalten können. Doch das scherte sie nicht, für sie zählte nur die Schlacht. Zielstrebig flog sie auf die Armee zu und Dragonar spukte ein Flammenmeer auf sie hinab, von einem Ende zum anderen. Klagen und Schmerzensschreie erfüllte seinen Flug und die Flammen verschlingen alles, was sie zu greifen bekamen. Mit Zufriedenheit ließ Aline ihn in einem Bogen denselben Weg zurückfliegen und das ganze Wiederholen. Als sie es ein weiteres Mal tun wollte, erbebte der Körper plötzlich unter ihr und Dragonar stieß ebenfalls einen Schmerzensschrei aus, den Aline durch Mark und Bein ging. Doch sie hatte keine Zeit zu fragen was passiert war, denn er sie fielen vom Himmel. Schnell stürzten sie dem Boden entgegen, doch konnte Dragonar sich noch zusammenreißen und trotz der unerträglichen Schmerzen die Flügel ausbreiten und sich und seine Mutter sicher auf dem Boden bringen. Etwas Abseits der Schlacht kam er zum Stehen und Aline kletterte von ihm hinunter, um zu sehen was geschehen war. Ein riesiger, gar monströser Pfeil steckte ihm unterhalb des linken Flügelgelenks. Verwirrt blickte sie diesen an, welcher noch breiter war als ein Speer und zog ihn mit ganzer Kraft hinaus. Dies war jedoch nicht so einfach, denn er wollte sich zunächst kein Stück rühren. Doch nach ihrer Wut gab ihr all die Kraft, die sie brauchte, um ihn langsam herauszuziehen. Kaum hatte sie es geschafft, kletterte sie wieder auf seinen Rücken. Dragonar breitete unter Schmerzen seine Flügel aus, rannte in die entgegengesetzte Richtung, in der die Armeen kämpften und begann mit dem Flügeln zu schlagen. Schwerfällig hob er ab und benötigte etwas Zeit, um an Höhe zu gewinnen. Vom Boden aus, war es dem riesigen Tier nicht leicht in die Luft zu steigen. Aline steuerte ihn nun um die Armeen herum und näherte sich der feindlichen Armee von hinten. Zwischen den Bäumen des beginnenden Waldes versteckt fand sie übergroße Balliste, welche nur dazu erbaut worden waren, um ihrem Sohn vom Himmel zu holen. Sogleich lenkte sie ihn wieder um, denn er sollte nicht in deren Sichtfeld kommen. So machte sie noch einmal einen großen Bogen und flog über den Waldrand entlang und verbrannte diesen in Schutt und Asche. Sechs an der Zahl hatten sie dort aufgestellt, doch zersprangen sie in unzählige Einzelteile, als sie mit dem Drachenfeuer in Berührung kamen. Ihr Vater hatte also wieder versucht ihr ihren Sohn zu nehmen. Und das, nachdem sie ihn bereits angeboten hatte sich in seiner Sommerresidenz zurückzuziehen. Sie blickte auf das Schlachtfeld und vergewisserte sich das ihre Armee nicht länger in der Unterzahl war. Wild blickte sie sich um, in der Angst, sie könnte eine Balliste übersehen haben. Doch aus Angst vor weiteren Pfeilen zog sie sich zunächst vom Schlachtfeld zurück. Der Hass, großmächtig und unbändig hielt in ihrem Herzen Einzug und die Lust nach Blut und Vergeltung trieben das geflügelte Tier unter ihr in die Richtung, nach der es ihr dürstete. Es dauerte nur Augenblicke, bis das Schloss sich unter ihr befand. Der Ort an dem sie geboren und aufgewachsen war. Doch aus dem einst warmen zuhause, der ihr so viel Geborgenheit bedeutet hatte, war nichts weiter übriggeblieben als eine Ansammlung von Steinen. Der Ort an dem sie geboren, ihre Mutter gestorben und ihr Sohn ermordet worden war. Der erste Feuerstrahl brannte auf dem alten, teils verfallenen und unbewohnten Turm ihrer Großmutter nieder. Früher hatte sie sie dort das erste Mal angetroffen und mehrere Male besucht. Ihren Ring mit dem magischen Faden hatte sie dort erhalten und Großmutters Tauben lebten dort. Doch das regte keinerlei Gefühl in ihr, den Turm in den Flammen hinabstürzen zu sehen. Schreie von Menschen waren zu hören und allmählich stürmten diese in den Innenhof und versuchten zu fliehen. Aline jedoch beachtete sie nicht. Sie hatten keinerlei Bedeutung für sie. Immer und immer wieder flog sie über das Schloss hinweg und Feuer sprengte riesige Wunden in das Gemäuer. Diese riesige, schützende Anlage verbeugte sich vor ihrer Wut. Die roten Ziegel auf den Dächern und die Steine sprangen auseinander und beugten sich dem Feuersturm. Nachdem sie die Hälfte zerstört hatte, und nur noch eine brennende Ruine vor ihr stand, kehrte sie um und ließ sich von Dragonar in der Nähe von Froschlippe absetzen. Der Drache sollte sich ausruhen, während sie Froschlippe auf dem Schlachtfeld unterstützen wollte. Um ihn herum hatte Froschlippe gute Arbeit geleistet und nur wenige Soldaten konnten noch aufrecht stehen. „Was tust du hier, verschwinde“, keifte dieser sie nur an und konzentrierte sich weiter aufs Kämpfen. „Nein, ich lasse dich nicht allein. Entweder kämpfen wir zusammen oder wir sterben zusammen.“ Froschlippe trennte dem letzten Feind dem Kopf ab und trat schweiß und blutgebadet zu ihr. Er musste ihr nichts sagen, sie konnte seine Gefühle in dessen Augen lesen. Und diese strahlten vor Liebe zu ihr. Plötzlich griff sich Aline ans Herz und die Luft schien ihr aus der Brust gewichen zu sein. Zur selben Zeit zerschnitt der markerschütternde Schrei von Dragonar die Luft. Aline und Froschlippe blickten erschrocken zu ihm auf. Der Pfeil einer Balliste hatte ihn durch den Hals getroffen. Blut spritzte auf sie hinab und Feuer drang aus seiner Wunde. Er verlor schnell an Höhe und stürzte nicht unweit vom Schlachtfeld zu Boden. „NEEEEEIIIIIINNNN!“, rief Aline wie in Zeitlupe sah sie wie Dragonar auf dem Boden aufkam und hörte trotz des Lärms des Krieges das Knacken seiner Knochen. Stumme Tränen liefen ihr aus den Augen und ihr Körper fühlte nichts mehr. Sie war betäubt, wie ein Stein war sie kalt und hart. Scharf sog sie die Luft in ihre Lungen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Die Wolken zogen sich zusammen und ein Donnern war in der Ferne zu hören. Doch sie sah und hörte nichts mehr. Sie blickte in die Ferne, an dem ihr Kind zusammengesunken am Boden lag. Sie hörte weder das Klirren der aufeinanderschlagenden Schwerter, noch die Schreie der Sterbenden oder die Rufe der Überlebenden. Sie spürte nicht den Wind in ihren Haaren, nicht die Kälte um sie herum, noch das Blut ihres Kindes auf ihrer Haut. Für einen Augenblick stand die Zeit still und sie war ein Stein, in der Form einer jungen Frau. Von der einen Sekunde zur anderen erwachte sie wieder in der Realität, das Klirren der Schwerter schmerzte ihr in den Ohren, ihre Hände zitterten vor Kälter und Blut schmeckte sie auf ihren Lippen. Sie nahm ein Schwert, welches am Boden lag und begann gegen herannahende Soldaten zu kämpfen. Froschlippe blieb dabei jedoch an ihrer Seite und kehrte ihr niemals den Rücken zu. Ein herrenloses Pferd lief orientierungslos an ihnen vorbei. Froschlippe stoppte es und hob seine Frau hinauf. „Lass dich auf keinen Kampf ein, bring unsere Armee zu mir. Wir sind alle zu weit auseinander.“ Froschlippe wollte sie an einem etwas sichereren Ort wissen als an seiner Seite. Die Angst um sie lenkte ihn zu sehr ab. Aline ritt durch die Reihen und zu den einzelnen Gruppen und zeigte ihnen den Weg zu Froschlippe. Sie sah ihnen an das der Tod der besten Waffe, dem Drachen, nicht entgangen war und Angst in ihren Augen eingekehrt war. Sie trieb das Pferd unter sich immer wieder über die Wiesen und trieb ihrer Soldaten in die gewünschte Richtung, rief ihnen Mut zu. Mit aller Kraft versuchte sich Aline zu fokussieren, nicht auf den großen, schuppigen Körper am Rande des Schlachtfeldes zu achten. Sie musste es schaffen, ob mit oder ohne Drachen. Die Leben all dieser Bauern, Soldaten und Groblins befanden sich unter ihrem Schutz. Die Wolken am Himmel verdichteten sich immer mehr und es wurde für die Tageszeit ungewöhnlich dunkel. Sie blickte den Feinden entgegen, die sich inzwischen ebenso die Zeit nutzten, um sich zu sammeln. Diese blickten ihr etwas unsicher entgegen. Sie schienen sich zunächst nicht einig, ob sie weiterkämpfen oder den Rückzug antreten sollten. „Glaub an dich Aline, glaub an dich. Du hast deine eigene Magie gefunden“, dachte sie sich immer wieder und versuchte sich selbst Mut zuzureden. In der Menge fühlte sich ihre deutlich kleinere, übrig gebliebene Armee sicherer und Froschlippe rief ihnen Mut zu, welche sie anheizte und die Kampfeslust wieder die Gruppe beherrschte. Zielstrebig lenkten sie in Richtung der Feinde, in Richtung des Schlosses. Und diese schienen auf etwas zu blicken das ihnen Angst einjagte. Über Aline flog ein Schatten hinweg, und dessen Silhouette kannte sie nur ganz genau. Mit klopfendem Herzen blickte sie gen Himmel und war verwirrt als sie nicht die ledrigen Schwingen ihres Kindes sah. Seine Silhouette sah sie wohl, doch bestand diese nur aus einem schwarzen, zu einem Drachen geformten Nebel, welcher sich auf die Soldaten zubewegte. Ihre Soldaten sahen es ebenso und es schien ihnen den letzten Rest an Mut wieder geschenkt zu haben. Ihre Königin hatte einen Drachen am Himmel erzeugt und kämpfte mit ihnen an ihrer Seite. Die mutigsten Soldaten, welche noch übriggeblieben waren, bekämpften sie erfolgreich, trotz der Anzahl welche ihrer in nichts nachstand. Sie hatten es nur geschafft, weil ein Teil der übrig gebliebenen, feindlichen Armee den Schatten fürchtete, und rannten in Richtung des Schlosses und kaum hatte sich der letzte von ihnen in Bewegung gesetzt und das große Maul des Tieres, welches sich schnell näherte, flog durch diese hindurch und der schwarze Nebel verwehte im Wind. Verwirrt blickte Aline an die Stelle, wo ihr Sohn niedergekommen war, und dort lag er noch immer. Vor dem Schloss hatten sich die Überlebenden des Flammenangriffs gesammelt, jedoch nicht die Überlebenden der Schlacht. Nachdem diese die dicken Rauchschwaden über dem Schloss erblickt hatten, zogen sie es vor sich abzusetzen. Ihren Vater hatte sie darunter nicht ausmachen können, doch die Königin saß dort erschöpft am Boden, umringt von Bediensteten und wenigen Adeligen. Die pure Angst spiegelte sich in jedem Augenpaar wider, in das Aline blickte. Und zu ihrem Missfallen, fiel ihr der stark gewölbte Leib der Königin auf. Sie war offensichtlich in guter Hoffnung. Ihr Vater hatte es also geschafft. Aline trat auf ihrem Pferd und ihrem Schwer zielstrebig auf diese zu, die Groblins und Bauern folgten ihr. „Tötet ihr mich jetzt?“, fragte die junge Königin und konnte nicht verhindern das ihr die Tränen die Wangen hinunterliefen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)