Decision von MoonLestrange ================================================================================ Kapitel 3: Blut --------------- Aoi Sangu war in einer Situation, welche sie sich nicht einmal in ihren seltsamsten Träumen hätte vorstellen können. Sie saß auf einem Sofa, Angesicht zu Angesicht mit einem der wahrscheinlich stärksten Vampire, der jemals existiert hatte. Hier, in Japan. Aber das war auch ein Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass die Vampire die japanische, kaiserliche Dämonenarmee als Gefahr ansahen. Sonst wäre er wohl kaum persönlich hier her gekommen. Er war bestimmt nicht so dumm und debil wie so manch anderer Vampir, dem Aoi bereits begegnet war. Entweder konnte er seine Blutgier nur gut verstecken oder er hatte tatsächlich in hohem Maße die Kontrolle über seinen Durst erlangt, denn ihr war noch nicht einmal aufgefallen dass er ihren Hals angestarrt hatte. Auch sein Blut hatte er beherrscht und ruhig zu sich genommen. Wie weit konnten Vampire ihren Blutdurst kontrollieren? Ganz abstellen konnten sie ihn wahrscheinlich nicht, eher nur verdrängen. Auch Menschen konnten sich so sehr in eine Sache vertiefen, dass sie alles andere nicht mehr mitbekamen. Das konnten Vampire wohl auch tun. Urd legte einen Finger unter ihr Kinn und sein Mund näherte sich ihrem Ohr: „Du riechst gut. Darf ich dein Blut trinken?“ Aoi spürte wie sich ihr Körper erhitzte bei der Vorstellung, dass dieser Vampir seine Zähne in ihren Hals schlug. Ihre Wangen erröteten wieder ihres Willens. Als ob dieser Vampir sie tatsächlich fragte, ob er von ihr trinken dürfe. Wahrscheinlich würde er es sich früher oder später ohnehin nehmen, egal was sie jetzt sagte. Das wäre dann das erste Mal, obwohl sie eine Vampirjägerin war, war sie noch nie gebissen worden, in der Regel überlebte man das auch nicht. Vampire neigten dazu ihre Beute leerzutrinken. „Na schön, aber wenn du es übertreibst landet mein Schwert in deiner Brust“, sie ließ Chijiryu kurz aus der Scheide schnappen und steckte ihn wieder zurück. Was für ein Teufel ritt sie eigentlich heute? War sie lebensmüde? Warum ließ sie das alles mit sich machen? Urd hob sie auf seinen Schoß und öffnete die oberen Knöpfe ihrer Uniform. Sie spürte seinen Atem an ihrem Hals, seine Zunge leckte über ihre Haut. Ihre Finger krallten sich in sein Hemd, sie wartete auf den Schmerz. Seine Zähne drangen mühelos durch ihr Fleisch, ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Körper. Sie stöhnte ungewollt auf. Kurz darauf spürte sie wie ihr Blut aus dem Körper gesaugt wurde. Er ließ sich Zeit, langsam und in kleinen Schlucken nahm er sich ihre Lebensessenz. Der Schmerz klang etwas ab und ein leicht unangenehmes Kribbeln stieg in ihr auf. „Ahh…bitte…n-nicht…“, ihr Körper fühlte sich schwach an. Warum hatte sie das getan? Hatte sie nicht vor wenigen Minuten noch gesagt, sie verzichtet auf einen Vampirbiss? Urd ließ von ihr ab, allein sein Griff verhinderte dass Aoi von seinem Schoß rutschte, sie war zu schwach um sich weiter festzuhalten. Auf Urds Wangen hatte sich eine zarte Röte gebildet, ein Tropfen Blut lief noch sein Kinn hinab, welchen er mit seiner Zunge abfing. „Vorzüglich“, sagte er, „Es geht einfach nichts über Blut von der Quelle.“ Für einen kurzen Moment war Urd tatsächlich wie ein normaler Vampir. Aber auch nur kurz. Diese Röte, der Blick und seine vorstehenden Eckzähne verschwanden sehr schnell wieder. „Aoi…“ Es war kalt um sie herum. „Aoi…“ Die Kälte kroch über ihren Körper, nagte an ihren Knochen, schlitzte sich durch ihre Haut. „Aoi!“ Langsam öffnete sie die Augen. Sie befand sich in Shibuya. Wie war sie hier her gekommen? War sie nicht gerade noch auf dem Schiff der Vampire gewesen? „Aoi, da bist du ja.“ Sie drehte sich um, ihre Augen weiteten sich: „Kureto! Was ist hier los? Habt Ihr mich gerettet?“ „Verräterin!“, seine Stimme war kalt, verachtend, „Du hast einen Vampir von dir trinken lassen. Wie konntest du mich hintergehen, Aoi?“ „Wa…ich würde Euch nie hintergehen, Kureto. Niemals!“, Aoi fühlte sich als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren. „Ach ja? Was ist dann das an deinem Hals?“, entgegnete er und betrachtete sie aus schmalen Augen. Aois Finger tasteten nach ihrem Hals. Sie spürte die beiden Wunden an ihm, ihre Augen weiteten sich. Sie erinnerte sich wieder, Urd Geales hatte von ihr getrunken. Kureto holte mit seinem Schwert aus: „Stirb, Verräterin!“ „Nein warte! Ich kann das erklären!“, stammelte sie während die Klinge auf sie zuraste. „Hey, Aoi! Hörst du mich?“, eine Stimme raunte zu ihr. Aoi öffnete die Augen. War sie nun tot? Kureto hatte sie bestimmt getroffen. „Wieder da, Aoi?“, sie kannte diese Stimme. „Chijiryu?“, murmelte sie. „Ja, ich bin es. Hast du gut geträumt?“, sagte ihr Dämon und kicherte leise. „Du…hast mir vorgegaukelt, Kureto würde mich töten?“, es war nur ein Traum gewesen, zum Glück. Chijiryu kicherte erneut: „Ja, habe ich. War doch gar nicht mal so unrealistisch. Immerhin hast du es ja wirklich getan. Du hast einen Blutsauger an deine Venen gelassen. Du wirst immer interessanter Aoi. Zum einen bist du ganz wild auf deinen Vorgesetzten Kureto Hiragi… “ Aoi spürte wie sie rot wurde. „Zum anderen….spüre ich starke Gefühle, wenn du in der Nähe dieses Vampirs bist, Urd Geales. Wut, Angst, Hass…aber auch Faszination und Hingabe…Welcher soll es wohl sein?“ „Darüber darfst du nicht mal Witze machen, Chijiryu. Dieser Vampir ist mehrere tausend Jahre älter als ich! Außerdem bin ich ein Mensch. Vampire können sich gar nicht verlieben, von daher würde das sowieso nie funktionieren.“, Aoi war erbost. Erst dieser Traum und jetzt dieses Gespräch. Das Chijiryu sie damit belästigte war nichts Neues für sie. Das Urd Geales ins Spiel gebracht wurde ging jedoch endgültig zu weit. „Interessant. Du gehst als erstes auf den Vampir ein…“, die Stimme von Cijiryu wurde nachdenklich. Aoi schäumte vor Wut: „Lass das, hörst du? Als ob ich Sympathie für einen Blutsauger empfinden würde!“ Der Raum um sie begann zu verschwimmen und sie hörte nur noch das verzerrte Lachen ihres Dämons. Erneut schlug Aoi die Augen auf. Diesmal war es aber kein Traum, da war sie sich sicher. Langsam setzte sie sich auf, aber es breitete sich sofort ein Schwindelgefühl in ihrem Kopf aus. Sie fiel zurück in die Kissen und wartete bis es besser wurde. Moment, Kissen? Sie schaute sich kurz um, sie war in dem Zimmer, in welchem sie schon zuvor gewesen war. Jemand musste sie hierhergebracht haben, doch wer? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Auf dem Nachtschrank neben ihr hatte jemand eine Glaskaraffe mit Wasser abgestellt. Daneben stand ein Glas, in dem sich eine zartrosa, dickflüssige Substanz befand. Skeptisch nahm sie das Glas und ein starker Geruch nach bitteren Kräutern stieg ihr in die Nase. Allein davon stieg ihr schon die Galle hoch, sie stellte es wieder zurück. „Trink“, die kühle Stimme des Vampirs spürte sie förmlich in jeder ihrer Synapsen. Sie hatte nicht bemerkt dass er auf dem Stuhl saß, welcher sich in der Ecke neben dem Tisch befand. Er hatte ein Buch auf dem Schoß und seine roten Augen waren wieder unentwegt auf sie gerichtet. „Was? Was ist das?“, fragte Aoi. Unter keinen Umständen würde sie etwas trinken, was sie nicht kannte. „Diese Kräutermischung wurde dafür konzipiert die Blutversorgung anzukurbeln. Damit erholt man sich schneller wieder. Wird häufig an Menschen in unseren Siedlungen verteilt, direkt nach der Blutabnahme. Damit soll Krankheiten vorgebeugt werden. Auch wenn ich mittlerweile mitbekommen habe, dass viele Menschen sie nicht besonders zu mögen scheinen, trink.“ Könnte vielleicht an dem abstoßenden Geruch liegen? Wenn es genauso schmeckte wie es roch dann wunderte es Aoi kein bisschen, dass die Menschen es hassten. Ein bisschen überraschte es sie schon dass die Vampire zumindest etwas taten um die Menschen fit zu halten. Dennoch gab es keinen sicheren Beweis, dass diese Medizin wirklich wirkte. Nur zögerlich setzte sie das Glas an ihre Lippen und versuchte diesen Geruch so gut es ging zu ignorieren. Es war wahrlich eine bittere Medizin. Aoi unterdrückte den Reiz zu würgen. Belebend war sie allemal, das musste sie zugeben. Wer bei dem Geschmack nicht hellwach wurde, um dessen Zunge machte Aoi sich sorgen. Urd schien zufrieden: „Sehr gut. Lass es heute trotzdem etwas langsamer angehen.“ „Wie lange war ich weg?“, fragte Aoi nach. Urd holte eine kleine Taschenuhr aus seiner Hemdtasche: „Du…hast sechs volle Stunden geschlafen. Nachdem du beschlossen hattest auf meinem Schoß einzuschlafen hielt ich es für sinnvoll dich in dein Bett zu bringen.“ „Wa…“. Aois Gesichtszüge entgleisten. Urd erhob sich von seinem Stuhl und klemmte sein Buch unter den Arm. Anschließend ging er in Richtung Tür: „Du hast Blut verloren. Es ist nur natürlich, dann Ruhe zu suchen.“ Sein Blick fiel auf Chijiryu: „Du solltest lieber vorsichtig sein. Dämonen sind gefährlich, ehe man sich versieht haben sie einen in ihrem Bann. Ohne das man etwas davon merkt. Ich kann nur hoffen…dass du stark genug bist. Solltest du dich hier in einen Dämon verwandeln werde ich dich eigenhändig töten.“ Damit verließ er den Raum. Idiot. Als ob sie das nicht selbst wusste. „Kureto Hiragi, Sir. Wir haben keine Spur von ihr. Wir weiten das Gebiet aus“, der Soldat salutierte vor ihm. Kureto sah von seinen Unterlagen auf: „Ich verstehe. Tut das. Findet sie, so schnell wie möglich.“ „Jawohl!“, damit verließ er den Raum. „Aoi…“, Kureto spürte wie sein Herz zusammengeschnürt wurde, „Bitte…dir darf nichts passiert sein.“ Die Tatsache, dass seine Männer ohne sie zurückgelehrt waren machte ihn schier verrückt. Was wenn sie einem apokalyptischen Reiter begegnete? Oder einem Vampir? Oder schlimmerem? Er brauchte sie, ohne sie würde er nie seinen Vater bezwingen können. Er hörte ein Klopfen. „Herein“, sagte er. „Ah, hier bist du“, es war Guren Ichinose, „Was ist? Sucht ihr immer noch nach Aoi? Nein, sag nichts. Ich sehe es dir an.“ „Wir suchen schon lange, seit gestern, seit sie von ihrer Truppe getrennt wurde. Doch wir haben noch nicht mal ein Haar von ihr entdeckt. Irgendetwas stimmt da nicht. Sie wäre von allein gekommen, wenn sie könnte“, es war das erste Mal seit langem dass Kureto sich Sorgen machte, das sein Plan scheitern könnte. Das erste Mal dass er sich um jemanden ernsthaft sorgte. Guren lehnte sich gegen Kuretos Schreibtisch: „Vielleicht haben die Vampire sie erwischt. Oder eine Horde apokalyptischer Reiter. Gegen einen hätte sie allein noch eine Chance, aber gegen eine ganze Gruppe wird es wahrscheinlich schwierig.“ „Guren!“, Kureto unterbrach ihn. Er wusste selbst, was alles passieren könnte. Von apokalyptischen Reitern zerfetzt, von Vampiren ausgesaugt oder, noch schlimmer, von ihnen verschleppt und zu ihrer Nahrungsquelle gemacht. Diese Welt war voller Gefahren. Kureto erhob sich von seinem Stuhl und schaute zum Fenster hinaus. „Aoi…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)