Kusuri, der Dämonenarzt von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 21: Einsamkeit ---------------------- 21 Einsamkeit So vergingen Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte, in denen ich meine Ruhe, allein in der Höhle genoss. Zusammen mit unzähligen Studien die ich selbst vollzog oder mir durch Schriften aneignete, die ich durch den Verkauf von Kräutern erzielte, schaffte ich mir ein ordentliches neues Wissen an. Besonders ein Thema hatte es mir angetan. Ich wollte mehr über Hanyou wissen. Sie waren so unbeschrieben, wie wirklich dokumentiert. Leider bekam ich keinerlei Gelegenheit und verbannte diese Sache erst einmal auf meinen Aufgabenstapel. Ich wollte viel wissen und als ich mich einer Pause zuwandte und dafür zu einer kleinen Kochnische ging, fand ich etwas vertrautes, welches ich immer wieder versteckte, in der Hoffnung es nicht mehr zu finden und somit nicht dran zu denken. Kurz nachdem ich hier angekommen war, fiel mir etwas entgegen, welches ich in meiner Reisetasche verstaut hatte, als wir damals die Höhle verlassen wollten. Ich hatte es nicht bemerkt. Die ganze Reise über nicht und erst als ich diese Höhle vollkommen umstrukturiert und heimlich gemacht hatte, fand ich das versteckte kleine Loch im Stoff der Tasche. Dort hatte sich das lange Gebilde hineinverkrochen und sich mir dann offenbart. Ich hatte Yosukes Pfeife mitgenommen. Zunächst wollte ich sie sofort dem Feuer übergeben. Im Nachhinein hätte ich diese Idee nicht verwerfen sollen, denn die Erinnerungen daran lastete schwer auf meinem Inneren. Doch mittlerweile war sie ein Teil meines alten Lebens geworden, welches ich nur mit diesem Gegenstand noch bei mir hatte. Alles andere, hatte ich schließlich zurückgelassen. Da mich die Melancholie überkam, nahm ich ein paar Kräuter, eben diese die Yosuke immer geraucht hatte und setze mich mit der entzündeten Pfeife an den Eingang meiner Höhle. Das Wetter war warm und auch wenn der Nebel der Wolken sich um die spitzen Kluften und Klippen schlang, spürte ich die Wärme. Tief zog ich den kratzenden und heftig, würzigen Geschmack ein und ließ ein Bein über den Vorsprung baumeln. Mit geschlossenen Augen genoss ich die Ruhe, welche zu meinem ständigen Begleiter geworden war. Doch heute wurde diese anders, als eine kleine nervige Stimme neben mir ertönte und ich zunächst meinte, ich hätte mich verhört. Doch als ich neben mich hinabblickte auf die staubige Oberfläche des Gesteins, erkannte ich ein winziges Männlein. Vier arme, ein Rüsselchen und große Augen verrieten, dies war ein Frohgeist. „Was willst du?“, brummte ich unhöflich und wunderte mich über den Klang meiner Stimme. Ich hatte sie schon lange nicht mehr vernommen. „Seid gegrüßt, werter Dämonenarzt. Ich komme auf Bitten des Taishos, aus dem Westen. Er erbittet eine Medizin für seine Gattin, welche die Niederkunft herbeisehnt“, erklärte der kleine Mann und ich sah wieder nach vorn. Der Taisho, bat mich um etwas. Wie kam es denn dazu, wenn niemand von mir wissen konnte? Aber das würde nichts an allem ändern und so stand ich ohne ein weiteres Wort auf und drehte mich zum Eingang meiner Höhle. „Oh, wie ehrenhaft ihr seid! Das ihr gleich zur Tat schreitet, um zu helfen! Wahrlich ein wunderbarer Mediziner!“, lobte der Floh mein Tun und ich hielt abrupt inne. „Verschwinde. Ich werde nicht helfen!“, befahl ich und ging weiter. Das Männlein war geschockt, hielt mit offenem Mund inne und versteinerte für Sekunden. Aber ich hatte die Hartnäckigkeit seinerseits unterschätzt. „Kusuri-Sama! Bitte, ihr müsst dem Befehl Folge leisten! Der Kami-dono, geht es wirklich schlecht!“, bettelte er und drohte mir sogar. „Ich muss gar nichts. Sag das deinem Herrn und lass mich allein!“, befahl ich erneut und fixierte den Floh mit schmalen Augen. Er kauerte sich klein zusammen und redete stammelnd mit sich selbst. Also schnaubte ich, zog an der Pfeife und ging wieder hinein. Die Aura des Flohs verflüchtigte sich und somit hatte ich wieder meine Ruhe. Dachte ich. Denn als ich die Pfeife in das kleine Versteck meiner Vergangenheit versteckte, spürte ich erneut eine Aura am Eingang meiner Höhle. Das konnte doch nicht wahr sein! Wer wagte es denn nun hier hinauf und störte meine Ruhe? „Verschwindet! Wer auch immer dort ist!“, rief ich und hoffte das würde denjenigen verängstigen. Doch der enorme Anstieg des Youki ließ mich wissen: nicht derjenige da draußen, würde sich vor mir fürchten. Nein, ich hatte mich zu fürchten. Kurz wartete ich ab und erblickte dann die Person, die sich in meine Höhle begab. Sie schritt beinahe schwebend und erhaben hinein, warf ihren langen Kimonoärmel vor ihr Gesicht und hielt die Luft an. Ihre Augen suchten nach mir und wir sahen einander in die goldenen Augen. „Ihr seid der Dämonenarzt!“, erfasste sie genau und schlaksig hob ich die Schultern, um sie wieder hinabfallen zu lassen. „Was ist, wenn es so wäre, Weib?“, brummte ich, der Gefahr genau bewusst. Doch der Umstand, das sie nach mir fragte, ließ mich hoffen, das sie mich nicht töten würde. „Wie sprichst du mit mir?“, sprach sie kühl, biss sich allerdings auf die Unterlippe und griff sich im nächsten Moment an die Körpermitte. Musternd röntge ich ihren Körper. Sah hinein in ihre Organe und fand in Höhe ihres Bauchnabels, ein weiteres Leben. Sie war Trächtig, weit vorangeschritten. Aber der kleine Junge, würde ihr die baldige Geburt schwer machen. Er lag Falsch herum und der gegebene Platz, würde ihm nicht reichen, um sich noch rechtzeitig zu drehen. „Was wollt ihr?“, fragte ich daraufhin und trat näher zu ihr. Sie versuchte Haltung anzunehmen, während ihr Körper die Wehen übte, die sie bald brauchen würde. „Ich benötige ein Mittel, um die Übelkeit und Schmerzen erträglich zu machen. Ebenso für die Niederkunft“, sprach sie ruhig und hielt ihre Maske aufrecht. Ich spürte förmlich den Druck in ihrem Körper und stand nun nur noch wenige Schritte entfernt. „Seid ihr keine, der stolzen Yokai, die Schmerzen ebenso aushalten können, wie sie sie verteilen?“, zog ich sie auf und spielte mit meinen Krallen der rechten Hand. Gaukelte ihr Desinteresse vor. „Ihr macht euch ernsthaft über mich lustig? Passt auf Arzt, wenn ihr Euren Kopf behalten wollt.“, drohte sie knurrend. „Ich spüre keinerlei Gefahr, wenn Ihr euch in diesem Zustand, zu mir begebt, Weib.“ „Unverschämter Mischling!“, zischte sie und zuckte dann zusammen. Eigentlich hätte ich sie für diesen Kommentar in Ohnmacht geschnipst. Eine lustige Sache, welche ich mir, für zu starke Gegner angeeignet hatte. Ich konzentrierte meine Gabe so stark in den Spitzen meiner Finger, das das Schnipsen dem Gegner für minimale Zeit, die Synapsen im Hirn unterbrach. Genauso ein kleiner Bruchteil, das es reichte sie ins Traumland zu schicken. Zeit für mich, um zu fliehen. Aber dieses Weibsbild vor mir, benötigte Hilfe. Egal wie hochrangig sie war, sie würde hier ohne Mittel nicht mehr heile herauskommen, ohne unter die Schmerzen zu zergehen. Sie litt eisern und das bekam meine Achtung. Schweigend ließ ich sie zurück und kramte in den verschiedenen Kräuterschachteln, welche ich aus Holz gefertigt und aufeinandergestapelt hatte. In geübten Zügen bereitete ich eine Mischung zu, die sie als Tee konsumieren konnte und welche ihre Beschwerden mildern würden. Doch für die Verdrehtheit des Kindes, müsste ich anders handeln. Die silberhaarige Yokai lehnte sich, weil sie sich unbemerkt fühlte, an die kühle Wand der Höhle und ich ging ohne ein Wort zu ihr und musterte sie. Sie verzeih mir den Blick und richtete sich auf. Ihre Erscheinung strahlte wieder auf, als wäre nichts gewesen, auch wenn ihre Schmerzen nach wie vor da waren. „Nehmt diese Kräutermischung. Als Aufguss drei Mal täglich.“, wies ich sie an und reichte ihr das kleine Säckchen mit Kräutern. „Sie riechen abstoßend“, rümpfte sie die Nase und ich rollte die Augen. „Nehmt Sie, wenn ihr wollt. Mehr kann ich nicht für euch tun, Weib. Nun geht“, sagte ich so beiläufig wie möglich und drehte mich ab. Die Dame sah mich an, nahm das Säckchen und schloss die Augen. Eine minimale, winzige, fast nur ein Hauch, einer Verbeugung widmete sie mir und ich seufzte auf. Sie drehte sich schon ab, da geriet mein Entschluss, nicht mehr zu tun, ins Wanken. „Wartet“, rief ich ihr nach und sie blieb stehen, wendete sich zu mir und ihre zittirgen Hände, ballten sich zur Faust. Sie konnte die Schmerzen kaum ertragen. Eilig ging ich zu ihr und stellte mich direkt vor ihrem Körper auf. Sie war einen halben Kopf kleiner wie ich und ich hob die Hände auf ihren gewölbten Bauch. Doch bevor ich sie berührte, erfragte ich schweigend ihre Erlaubnis. Sie neigte ihren Kopf und schloss erhaben die Augen. Sanft berührte ich die seidenen, weichen Stoffe auf ihrem Körper, ließ meine Hand aufleuchten. Kurz schloss ich meine Augen, suchte das kleine Köpfchen, welches sich tief in die kleinen Ärmchen vergaben hatte. Mit einer kreisenden Bewegung in Richtung des Bodens, ließ ich die Hand immer dann leuchten, wenn es das Kind sehen könnte. Ich hatte diese Tatsache, bei manchen menschlichen Schwangeren erkannt. Kinder folgten Lichtquellen. Vielleicht würde diese Wegweisung helfen. Als ich fertig war, löste ich mich von der Frau und ging auf Abstand. Sie legte ihre Hand an ihren Bauch, schien verwundert, denn ich hatte ihr die Schmerzen in den Muskeln des Rückens genommen, die Verspannungen gelöst indem ich mein Youki hineinfließen lassen hatte. Sie sagte jedoch nichts dazu, sah mir noch einmal in die Augen und schritt dann hinaus. „Eine Kami vergisst niemals, wer ihr einmal half“, flüsterte sie, bevor sie in den Wolken verging und ihre Erscheinung erstarb. Eine Kami also. Die Gemahlin des Taisho etwa? * Wieder vergingen ein paar Jahrhunderte und ich fand heraus, wer zuerst den Floh und dann seine Gebieterin, zu mir geschickt hatte. Die Kami war eine freundliche Gesellschaft für Tego. Sie pflegten seit seiner Ernennung, eine Beziehung, welche anfangs nur dem Herrschen geliehen war und immer mehr wurde. Er hieß es allerdings gut, das sie sich in den einstigen Krieger verliebte und ihn an sich riss. An einem abendlichen Gelage hatte sie seine Schwäche ausgenutzt und ihn verführt. Dem Resultat hatte ich auf die Sprünge geholfen und dem Westen war ein prachtvoller, starker Erbe geboren worden. Der Taisho entfernte sich von der Kami und akzeptierte, das sie die Aufzucht des Jungen übernahm. Solange bis er auch die kriegerischen Dinge lernen sollte, ebenso das Land zu kennen, denn er war ein hochgeborener Bastard geworden. Hochnäsig und alles was nicht nötig war zu Atem zu kommen, wurde von ihm getötet. Ich hörte so manche Gräueltat und doch nahm sich der Bursche, den Aufgaben seines Vaters an. Zumindest so lange, bis dieser sich in eine Menschenfrau verliebte und auch mit ihr, ein Kind zeugte. Der Taisho suchte diesmal, zusammen mit dem menschlichen Weibsbild meine Hilfe. Ich hatte also Gelegenheit direkt bei dem Heranwachsen eines Hanyou dabei zu sein und ließ es mir nicht nehmen, mir Scherze zu erlauben. Nicht nur, das sich der Herrscher bald vor mir fürchtete, war ein netter Zeitvertreib. Nein, ich hatte mich in den letzten Jahrzehnten in mich selbst zurückgezogen. Meine Gefühle erforscht. Yosuke, war nahezu täglich in meinem Sinn. Rund um den Stand der Sonne. Egal wann ich atmete, oder mein Herz schlug. Ich vermisste ihn so sehr. Zudem hatte sich eine Hexe in die Gebirgskette verirrt, welche sich aus Dank anbot, mir mit ihrem Körper Erleichterung zu verschaffen. Als wir danach in meiner Schlafstätte lagen, starrte ich an die Decke, hielt die Yokai mit violettem Haar und kurvigen Körper in meinem Arm. Und ich spürte nichts. Es war erleichternd gewesen, ihre Techniken ausgezeichnet und befriedigend, auch die Hülle ihres Aussehens. Doch es fühlte sich falsch an. Sie war eben eine Frau. „Du trägst einen Mann in deinem Herzen. Ebenso eine Frau. Das finde ich sehr interessant“, sprach sie mich an und strich mit ihren Fingerspitzen über meine Brust. Mein Blick fiel zu ihrem Haarschopf und in die, von violetten Wimpern umschlossenen weißen Iriden. „Es ist etwas, worüber ich seid Jahrhunderten nachdenke und nicht verstehe“, gestand ich. Dieses Weib würde mich ohnehin in wenigen Stunden verlassen. Was sollte ich ihr dann also verheimlichen? Sie löste sich aus meinem Arm, wendete sich auf den Bauch und lehnte ihre Arme, dessen Finger sie auf meiner Brust verhakte, auf mich. Ihr Blick tauchte in meinen Geist, weitete die versteckte Gabe in ihrem Inneren auf mein Inneres aus. Sie erforschte mein Sein genau und ich schloss die Augen, lehnte den Kopf tiefer in mein Kissen zurück. Vielleicht fand sie die Antwort, auf mein Sein. „Ich denke, du solltest endlich Akzeptanz für das finden, was dein Herz schon seit langer Zeit weiß“, fällte sie ihre Diagnose und lächelte mir zu. „Du sagst das, als wäre es das einfachste der Welt. So wie atmen“, erwiderte ich meine Abneigung dagegen und brachte sie zum Kichern. Sie setze sich auf, regte ihre Brüste weit heraus, als sie sich streckte wie eine Schlange. „Das ist es. Glaube mir. Außerdem macht es Spaß.“ „Spaß?“, fragte ich ungläubig und stemmte mich auf meinen Armen auf. „Du glaubst gar nicht, wie die Männer gucken, wenn du dich ihnen offensichtliche Aufwartungen machst. Ich habe dies schon oft bei den Frauen getan. Glaub mir. Es ist spaßig.“ „Du scheinst verrückter, als gedacht“, betitelte ich sie. Grinsend fuhr sie sich durch ihre lockige Mähne und stand dann auf. Sie wand ihre Hände mit einem funkelnden Zauber und ihre sperrliche Kleidung, wand sich kunstvoll um ihren Körper. „Denk darüber nach, Kusuri, der Dämonenarzt.“ „Nun betitelst du mich schon so? Hexe der Zeit“, brummte ich und sah ihr zu, wie sie über meinen, von der Decke bedeckten Körper stieg und sich zum Ausgang begab. „Ich könnte unser Gespräch rückgängig machen, aber das kostet dich zu viel. Mach’s gut!“, verabschiedete sie sich und ich ließ mich zurück ins Kissen fallen. Ich wollte schlafen, doch ihre Worte ließen nicht los. Sollte ich mir diesen Spaß wirklich erlauben. Würde es mir diese Sache vielleicht einfacher machen? Konnte ich es dann akzeptieren? Auch wenn ich ihr dafür dankte, mir von diesem Spaß erzählt zu haben und ich ihn sehr gerne am Taisho und seinem herzlichen Untergebenen testete, brachte mir die Gewissheit zwar, das ich mich mehr akzeptierte, ebenso auch der Stab, aber Yosuke, brachte es mir nicht zurück. Nach der Geburt des Hanyou und den Tod des Taisho, verfiel das Land wieder in erbitterte Kriege. Die menschliche Frau ging nach einem Jahrzehnt und der Untergebene des Taisho, kümmere sich so lange um ihm, bis ich mich einschaltete. Ich hatte den Hanyou regelmäßig untersucht und somit erforscht. Er wuchs zunächst auf, wie ein Menschenkind. Auch wenn seine Kräfte groß waren, wie die seines Vaters oder Bruders. Doch als er ins Jugendalter kam und die Hexe mir weißsagte, das es wichtig sei, das er sein Leben alleine bestritt um derjenige zu werden, für den sein Schicksal bestimmt war, musste ich dem Jungen die Erinnerung nehmen. Diese Prozedur kostete mich drei Tage meine Kraft, doch es funktionierte einwandfrei. Der Junge wurde auf eine Lichtung gebracht als er schlief und wachte, nichts wissend auf. Er bestritt sein Leben, während Byorigaku, die Hexe, der Untergebene namens Nousagi und ich, ein neues Ziel hatten. Dieses verfolgten wir bis vor kurzem und auch die Geheimnisse der Wiedergeburt waren erforscht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)