Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 92: Heimreise --------------------- „Hast du soweit alles gepackt?“ Joey beobachtete mich, wie ich mich abreisefertig machte. Sein Gepäck war quasi nonexitent, was an seinem unfreiwilligen Ausflug nach Amerika lag. „Ja doch“, murmelte ich leicht genervt und warf meine letzten Sachen in den Koffer. „Nicht, dass du etwas vergisst.“ „Du bist manchmal schlimmer als meine Mutter“, seufzte ich gespielt und rollte mit den Augen. „Nur manchmal?“, grinste mein Freund und küsste mich sanft auf die Lippen. „Meistens“, korrigierte ich mich selbst mit einem frechen Unterton. „Ich werde ein wenig schlafen, wenn das okay ist?“ Joey, der neben mir im Flugzeug saß, nickte und verwob seine Finger mit den Meinen. Kaiba hatte uns allen, sogar Joey, einen First Class Flug besorgt. Dementsprechend üppig war der Platz zum Ausstrecken der Beine. Der CEO unterhielt sich angeregt mit Yugi, während Mokuba mit Tristan und Tea ein neues Brettspiel aus der Spieleschmiede der KC ausprobierte. Obwohl die Messe unfreiwillig beendet worden war; das Interesse an Kaibas neuestem Game schien ungebrochen. Insgesamt war also die Reise nach Amerika ein voller Erfolg gewesen, auch wenn sie von einigen Vorkommnissen überschattet wurde. Ich schloss die Augen und dachte nach. Da war zuallererst einmal die Geschichte mit Joeys Mutter. Wenn das stimmte, was er zu ihr gesagt hatte, dann war sie wirklich ein ziemlich mieser Mensch. Konnte ich mich so täuschen? Auf mich hatte sie einen distanzierten, aber freundlichen Eindruck gemacht. Ich hätte nicht geglaubt, dass sich hinter dieser Fassade eine egoistische, homophobe Frau versteckte. Meine Menschenkenntnis war eigentlich nicht so schlecht, als dass ich mit meinem Bauchgefühl nicht in der Lage gewesen wäre, mein Gegenüber einzuschätzen. Ausnahmen bestätigten andererseits nur die Regel; dennoch wollte es mir nicht ganz in den Kopf gehen, dass Mrs. Wheeler so ein schlechter Mensch war. Für Serenity hatte sie immerhin gesorgt, und tat es nach wie vor. Woher wusste Joey von diesen Vorkommnissen? Er hatte seine Mutter, laut eigenen Aussagen, das letzte Mal bei der Operation seiner Schwester gesehen. Dass er ihr nachspioniert hatte, wagte ich zu bezweifeln. Er war in letzter Zeit außerordentlich gut informiert gewesen. Dazu noch die komische Bitte, ich solle bestimmte Worte wiederholen - etwas war faul. Ich mochte meinen Freund so unbeschwert, wie er derzeit war, doch er verheimlichte mir etwas. Sollte ich Yugi befragen? Schließlich war er mit Joey unterwegs gewesen, bevor er so glücklich zu mir ins Zimmer gekommen war. Was mich mehr beunruhigte als die plötzliche Allwissenheit meines Freundes waren die Vorkommnisse in der VR gewesen. Selbst ich konnte beim besten Willen nicht mehr leugnen, dass dem Milleniumsring etwas Böses anhaftete. Oder war es am Ende ich selbst, der Böse war? Konnte diese fremde Macht, die mir unerträgliche Schmerzen zugefügt hatte, am Ende nur ein Auswuchs meiner bösen Seite sein? Auch das glaubte ich ehrlich gesagt nicht. Ich war ein guter Mensch, freundlich, aufopfernd, hilfsbereit, ehrlich, loyal. Mokuba liebte mich, genauso wie Joey und auch meine restlichen Freunde. Das waren Menschen, die mich nicht mögen mussten, wie etwa meine Familie oder Verwandten. Konnten sich alle so sehr in mir täuschen? Das waren Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Ich hatte auch Angst davor, mein Innerstes zu ergründen. Der Ring war ein äußerst mächtiger Gegenstand. Wenn es stimmte, was Joey und Yugi sagten, dann hatten der Pharao und Mahad damals nicht nur eine Projektion, ein Hologramm, sondern den echten Slifer in die VR geholt. Ohne Yugi wäre es nicht möglich gewesen, dieses Monster zu bändigen. Mir graute davor, was passiert wäre, wenn nur mein böses Ich in diesem Moment die Oberhand gewonnen hätte. „Was denkst du denn, dass passiert wäre?“, fragte mich Mahad leise. „Ich hätte uns wahrscheinlich alle umgebracht.“ Meine mentale Stimme war nicht mehr als ein Hauchen. Ich hatte den Gedanken an die Zeit in der VR bewusst verdrängt. Mittlerweile schämte ich mich. Was aus Johnson geworden war, wusste ich nicht, und wollte ich auch nicht wissen. In diesem Moment, als er mich vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, wollte ich nur eins: Ihn leiden sehen. „Das ist eine natürliche Reaktion gewesen, David“, versuchte der Ägypter mich zu beruhigen. „Was sie ausgelöst hat war aber nicht mehr natürlich. Ich habe diesen Menschen in den Wahnsinn getrieben, oder noch Schlimmeres mit ihm angestellt. Was, wenn mir das erneut passiert? Bei meinen Freunden, meiner Familie?“ Tatsächlich schwieg mein Begleiter nun. Ich konnte die Ratlosigkeit und Unruhe spüren, die von ihm Besitz ergriff. Auch er wusste keine Antwort auf die vielen Fragen, mit denen ich selbst zu kämpfen hatte. Joey wollte ich nicht damit belasten; dieser sollte seine unbeschwerte Zeit genießen. Yugi war der Einzige, dem ich mich anvertrauen konnte - Kaiba glaubte nicht an die Macht der Milleniumsgegenstände, Mokuba war zu klein und auch der Rest der Truppe hatte nicht die nötige Einsicht, um mir eine Hilfe zu sein. „Denkst du, dass Johnson es verdient hat?“, fragte der Geist nach einer Weile. „Nein“, antwortete ich sofort. „Auch wenn er Mokuba oder Serenity etwas angetan hätte?“ „Ich…“, begann ich den Satz, brach ihn dann aber ab. Ich konnte keine befriedigende, ehrliche Antwort geben. Der Gedanke, den Kleinen nie mehr wiederzusehen, oder Serenity, und damit ein Stück weit Joey, zu verlieren, machte mich noch immer krank. „Mahad, das ist nicht das Problem“, versuchte ich von der Frage abzulenken. „Sondern?“, wollte mein Gesprächspartner wissen. „Ich kann meine tiefsten Wünsche, selbst wenn sie aus Rachsucht und Hass geboren sind, mithilfe des Rings verwirklichen. Wenn ich früher jemandem etwas Schlechtes gewünscht habe, habe ich mich nachher dafür geschämt und die Sache war gegessen. Es ist nicht zwangsläufig etwas passiert. Nun scheint es aber so, dass ich in der Lage bin, solche Verwünschungen und Flüche wahr werden zu lassen.“ „Du klingst dabei so betreten“, stellte der Ägypter fest. „Wärst du es nicht?“ „Nein, denn das Schicksal hat dir den Ring nicht ohne Grund zugedacht. Du bist der Verantwortung gewachsen, und hast starke Freunde an deiner Seite, die dich nötigenfalls wieder auf die richtige Bahn bringen.“ Das hörte sich so einfach an. Was aber, wenn sie nicht ausreichten, um mich wieder zur Besinnung zu bringen? Wenn ich am Ende komplett durchdrehte und alles zerstörte, was mir im Weg stand? „Du musst ein wenig Vertrauen in dich selbst und deine Fähigkeiten haben.“ „Leicht gesagt, wenn man ein Geist ist.“ Mir taten meine Worte schon leid, als ich den Satz beendet hatte. „Das war nicht so gemeint“, fügte ich hastig an. „Schon in Ordnung. Ich an deiner Stelle würde wahrscheinlich genauso denken“, antwortete Mahad mit einer Nuance von Trauer in der Stimme. „Ohne dich hätte ich sicher schon längst den Verstand verloren. Es ist ungerecht so zu denken“, entschuldigte ich mich bei meinem Weggefährten. „Es ist menschlich und natürlich. Du bist 17 Jahre alt und trägst eine große Bürde auf den Schultern. Mit sich selbst und der Welt zu hadern ist in diesem Fall normal.“ Ich konnte Mahad lächeln sehen. Er war immer so verständnisvoll und freundlich. Insgeheim bewunderte ich ihn. In seinen früheren Leben war er Freund, Held und Gefährte gewesen. Ohne zu Zögern hatte er sein Leben gegeben, um dem Pharao zu helfen. Gleiches galt für die Rosenkriege. Wäre ich auch so mutig wie mein Begleiter, meine ganzen rhetorischen Fragen würden sich in Luft auflösen. „Das bist du auch.“ Die sanfte Wärme nahe meinem Herzen beruhigte mich ein wenig. Mahad wusste genau, was er tun musste, um mich aufzuheitern. „Bin ich nicht. Ich zögere so oft das Richtige zu tun.“ „Du bist 17 Jahre alt. Wenn du gleich handeln würdest wie ich, dann wäre das traurig und auch erschreckend.“ „Aber besser für meine Umwelt.“ „Fehler gehören zum Leben dazu. Höre auf mit dir selbst zu hadern. Blicke nach vorne.“ „Ich habe aber Angst davor“, gestand ich meinem Gesprächspartner, und auch mir selbst, ein. „Wovor?“ „Vor allem. Den anstehenden Duellen, dem Finale, der Beteiligung an Kaibas Firma, etwas bei Joey zu verbocken, zuhause etwas zu versauen, wieder nach Hause zu gehen, ohne Joey - diese Liste lässt sich endlos fortsetzen.“ „Du machst dir eindeutig zu viele Gedanken“, beruhigte Mahad mich. „Das sind Dinge, die teilweise noch in weiter Ferne liegen. Außerdem bist du nie alleine; du hast mich und deine Freunde. Gemeinsam werden wir jede noch so schwierige Situation meistern, versprochen.“ Seine Worte machten mir erstaunlicherweise Mut und nahmen mir tatsächlich ein wenig die Angst vor den aufgezählten Dingen. Ich war wirklich nicht alleine. Da waren Yugi, Joey, Mokuba, meine Freunde, Kaiba, Mahad, der Pharao. Außerdem hatte ich wirklich einige Dinge zustande gebracht, auch ohne meinen geisterhaften Begleiter. Joey etwa zu einem Ausbruch aus seinem Gefängnis zuhause, oder Mei ein Schnippchen zu schlagen. „Siehst du? Das hast du ohne uns geschafft. Mach dir nicht immer so einen Kopf. Ich weiß, wovon ich spreche“, tadelte mich der Ägypter lächelnd. „Das habe ich wohl von dir, hm?“, grinste ich schief. „Kann man so sagen“, nickte er. Es war schwer vorstellbar, dass dieser stolze junge Mann und ich so viele Gemeinsamkeiten besitzen sollten. Er war so anders als ich und doch ähnlich. Manchmal war das Schicksal komisch. Ich hatte mir als Kind immer gewünscht jemanden zu haben, dem ich mich wirklich anvertrauen konnte, der war wie ich, so eine Art großer Bruder. Nun, da diesen Jemand hatte, war es schwer zu glauben, dass er existierte. „Mahad? Darf ich dich etwas fragen?“ „Das hast du bereits, aber ja“, gluckste mein Gegenüber amüsiert. „Hattest du eigentlich Kinder?“ Ich konnte ein Gefühl der Belustigung spüren, als ich meine Frage ausgesprochen hatte. „Nein, hatte ich nicht.“ „Weil du keine Zeit hattest?“ „Eher, weil Joeys früheres Ich keine Kinder bekommen konnte.“ „Bitte?“ Mahads Amüsement war unverkennbar. Er kicherte leise und legte mir seine australe Hand auf die Schulter. „Sagen wir einfach, dass Jono und ich uns sehr gerne hatten.“ „Jono?“, fragte ich verwirrt. „Ja, Jono. Joeys erstes Leben, wenn du es so nennen möchtest, war in der Gestalt eines jungen Ägypters namens Jono.“ „Wir landen in Kürze, bitte schnallen Sie sich wieder an.“ Die Stimme der Stewardess riss mich aus dem Gespräch mit Mahad und ließ diesen verblassen, was ihn weitere Antworten schuldig bleiben ließ. Jono. Mir gefiel der Name irgendwie. Ich stellte mir seinen stolzen Ägypter vor, ähnlich meinem eigenen früheren Leben, der den Pharao beschützte. „Ich werde es vermissen, in der Ersten Klasse zu fliegen“, seufzte Joey gespielt neben mir. „Vielleicht hast du ja bald wieder die Gelegenheit dazu, wenn du Serenity besuchst?“ „Als ob. Meine Mutter wird sie sicher einmal aufstacheln. Die nächsten Wochen werden die reinste Hölle.“ „Glaubst du denn, dass sie damit durchkommt?“ „Eher nicht. Sie wird es aber versuchen.“ Ich beugte mich zu Joey hinüber, sodass ich nahe an sein Ohr kam und hauchte ihm zu: „Ich bin immer für dich, wie auch die anderen. Wir werden auch das überstehen. Ich liebe dich, Joey.“ Bei meinen Worten stahl sich ein Lächeln auf die Züge meines Freundes. Dieser drückte meine Hand fest, als wir zur Landung ansetzten. Gemeinsam würden wir auch das überstehen. Ich hoffte inständig, dass wir für immer zusammenbleiben konnten. Bisher schien es immer wieder darauf hinauszulaufen - Jono und Mahad, Christopher und Elias und jetzt Joey und David. Ein schöner Gedanke. Vielleicht würden wir unsere nächsten Leben auch beraten, und lächelnd von unserer gemeinsamen Zeit erzählen? Ich würde es mir wünschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)