Ein Austausch mit Folgen von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 91: Ein kurzes Intermezzo vor der Heimreise --------------------------------------------------- Wir verbrachten die nächsten Tage gemeinsam mit den anderen, mit Ausnahme von Kaiba, der sich um andere Dinge kümmerte (laut Joey hatte der CEO einfach Angst vor ihm, was uns alle zum Schmunzeln brachte). Auf mein Nachfragen hin, gab auch Yugi nicht preis, was mit Joey passiert war. Dieser wirkte nach wie vor wie ausgewechselt. Er lächelte, war fröhlich, fast schon überschwänglich glücklich. Ich hatte zuerst den Verdacht, er würde durchdrehen, doch seine Entscheidungen erschienen mir rational. So unbeschwert hatte ich ihn noch nie erlebt. Außerdem konnte er in privaten Momenten nicht die Finger von mir lassen. „Wenn ich dich um einen Gefallen bitte, tust du ihn mir?“, fragte mein Freund, als wir gemeinsam im Bett lagen. Unser Flug in die Heimat ging morgen. Die anderen waren noch einmal die Stadt erkunden gegangen, während Joey und ich beschlossen hatten, im Hotel bleiben zu wollen und ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. „Ich werde Kaiba nicht erschlagen, falls du darauf hinauswillst“, grinste ich und wurde sogleich mit einem der Kissen verhauen. „Depp, das meinte ich nicht. Es geht um meine Mutter.“ Ich wurde sofort ernst, als das Wort „Mutter“ fiel. Joey hatte bisher immer noch wenig über sie preisgegeben, und ich hatte den Gedanken an sie ehrlich gesagt auch ein wenig verdrängt. Zu schön waren die gemeinsamen unbeschwerten Stunden gewesen. „Was möchtest du denn?“, fragte ich vorsichtig. „Dass du mich begleitest.“ „Wohin?“ „Ich treffe mich mit ihr in zwei Stunden“, sagte Joey leise und senkte den Blick ein wenig. „Natürlich. Was versprichst du dir davon, wenn ich fragen darf?“ „Einen Abschluss.“ Zwei Stunden später saßen wir im Hotelrestaurant. Joey hatte sich fein herausgemacht – ein schwarzes Hemd, welches ihm außerordentlich gut stand, eine dunkle Jeans und seine Winterstiefel. Insgesamt verlieh ihm das ganze Outfit ein selbstsicheres Auftreten, welches durch den ernsten, aber entschlossenen Blick, noch verstärkt wurde. Meine Wenigkeit war legerer bekleidet: Schwarzer Pulli, Jeans und Sneakers. Neben Joey wirkte ich ein wenig deplatziert, was aber niemanden im Restaurant zu stören schien. Kaiba bezahlte auch fürstlich für unser Unterkommen; ich hätte wahrscheinlich auch in Boxershorts hereinspazieren und einen frisch gefangenen Hummer verlangen können, ohne dass sich jemand beschwert hätte. „Du wirkst ein wenig angespannt“, murmelte ich zu Joey und nippte an meinem Zitroneneistee. „Das bin ich auch, ehrlich gesagt“, antwortete er und lehnte sich gegen die Banklehne hinter sich. „Muss ich irgendetwas machen?“ „Nur da sein.“ Joey griff nach meiner Hand und drückte sie sanft. „Das reicht mir völlig.“ Ich wollte etwas erwidern, als sich Joeys Mutter ankündigte. Mrs. Wheeler kam, adrett gekleidet, gleich ihrem Sohn passend, an unseren Tisch. Sie lächelte freudig. Ich warf meinem Freund einen spärlichen Blick zu, der seine steinharte Miene beibehielt. „Joey, schön dich zu…“ „Setz dich, Mum, bitte“, fiel er ihr ernst ins Wort, wobei sich seine Augenbrauen ein wenig nach unten schoben. Die Euphorie von Mrs. Wheeler bekam einen jähen Dämpfer. Kurz zögerte sie, bevor sie der Aufforderung ihres Sohnes nachkam. Wir schwiegen uns alle eine Weile lang an, wobei sich Joey damit begnügte, mir mit dem Daumen über den Handrücken zu streicheln, und dabei seine Mutter zu mustern. Ich kannte diesen Blick von ihm gar nicht; er wirkte nicht sauer, auch nicht enttäuscht, eher wie eine Mischung aus Beidem. „Sind wir nur hier um uns anzuschweigen?“, brach Mrs. Wheeler die unangenehme Stille am Tisch. „Ich überlege nur, wie ich anfangen soll“, entgegnete Joey. „Ich dachte, du wolltest dich endlich mit mir aussöhnen?“ „Ich dachte, du würdest dich entschuldigen.“ Sowohl Joeys Mutter, als auch ich, waren ob seiner Kälte ein wenig perplex. Ich war tatsächlich nur ein Zuschauer, mehr nicht. So entschlossen wie Joey war, konnte ihn wohl nichts von seinem Vorhaben, worin dieses auch immer bestand, abbringen. „Joey, Schatz, du weißt, dass ich dich liebe und…“ „Ich weiß, dass du mich von Serenity getrennt hast, und mich bei einem Säufer zurückgelassen hast“, fuhr er ihr erneut grob ins Wort. „Ich weiß, dass du mir den Kontakt zu Serenity erschwert hast, dir hier ein schönes Leben aufgebaut hast, während ich in Japan beim Alten versauern durfte.“ „Aber, du weißt auch, dass…“ „Hör mir bloß auf mit Liebe und Zuneigung. Du hast dich in den letzten Jahren einen Dreck um mich gekümmert, und wusstest dabei von meiner Situation.“ Dem entsetzten und schuldbewussten Gesichtsausdruck von Mrs. Wheeler zu urteilen, hatte ihr Sohn wohl Recht. Man konnte ihr ansehen, wie etwas in ihr zu bröckeln begann, zu zerbrechen. Mein Blick pendelte zwischen Joey und seiner Mutter hin und her. Sie waren sich so ähnlich, beide gute Schauspieler, konnten wahrscheinlich sogar gut lügen, wenn es darauf ankam, aber, dieses Mal, da war jemand ertappt worden. „Wo warst du all die Jahre, als ich dich gebraucht habe? Als mich der Alte verprügelt hat? Mein eigener Vater hat gemeint, es wäre besser gewesen, du hättest mich wegmachen lassen. Wahrscheinlich habt ihr sogar drüber nachgedacht, oder?“ „Aber Joey, das stimmt nicht! Ich habe dich genauso geliebt wie Serenity“, versuchte sich Mrs. Wheeler zu verteidigen. „Das hast du nicht. Hättest du es getan, wäre ich nicht in Japan geblieben. Ihr habt euch das beide fein ausgedacht, er bekommt mich, und du das Mädchen. Habt ihr darüber verhandelt?“ „Joey…“ „Nein, du hörst mir nun zu, denn was ich dir zu sagen habe, brennt schon seit Jahren auf meiner Zunge.“ Mit jedem einzelnen Wort wurde der Druck auf meine Hand fester. Joey klammerte sich an mich, und ich war geneigt, etwas zu sagen, doch eigentlich hatte ich weder das Recht, noch die Pflicht, diese Eskalation zu unterbinden. Vielleicht war es für ihn heilsam, sich von der Seele zu reden, was ihn so lange belastete. „In nicht einmal einem Jahr haben David und Yugi geschafft, was ich mir so sehr gewünscht habe: Frei zu sein. Ich bin nun niemandem gegenüber mehr verantwortlich oder verpflichtet. Zum ersten Mal kann ich in der Nacht durchschlafen, in einem Zimmer, das sauber ist. Keine Müllberge, die sich in der Wohnung häufen, kein Säufer, der mich ankeift und verletzt. Warum hast du das nicht getan?“ Der vorwurfsvolle Ton in Joeys Stimme war nicht zu überhören. Er funkelte seine Mutter an, die den Tränen nahe zu sein schien. Sie hatte wahrscheinlich mit einem erfreulicheren Treffen gerechnet, eventuell sogar mit der erwähnten Aussöhnung. „Wie denn? Ich war in Amerika, hier. Dann hatte ich noch Serenity großzuziehen“, brachte sie brüchig hervor. „Du hast nicht einmal das geschafft. Das Geld für die Operation musste ich erstreiten, gemeinsam mit Yugi. Ohne ihn wäre Serenity heute blind. Ohne David hätte ich sie wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht gesehen.“ „Natürlich hättest du deine Schwester sehen können. Sobald du 18 geworden wärst, hätte ich dich zu mir geholt.“ „Du hättest mich auch mit 25 nicht zu dir geholt. Ich war dir lästig, genauso wie der Alte. Du wolltest immer ein Mädchen.“ Zu meinem großen Erstaunen sagte Mrs. Wheeler darauf nichts. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Wenn ich das als Schuldeingeständnis werten musste, dann hatte ich mich sehr in ihr getäuscht. „Ich weiß auch, was du wirklich über mich denkst. Du schämst dich genauso wie er, dass ich mit David zusammen bin. Hast du dich nicht bei deinen Kollegen drüber ausgelassen, dass ich es nicht einmal auf die Reihe bekomme, mit einem Mädchen zusammen zu sein? Dass es eine Schande ist, so ein Kind zu haben?“ Die Augen von Joeys Mutter wurden immer weiter. Woher wollte Joey das überhaupt wissen? Hatte ihm Serenity etwas erzählt? Kannte er jemanden, der seine Mutter kannte? Waren das nur Vermutungen, die zufälligerweise genau in die richtige Richtung gingen? „Du hast ihn belogen, du hast Yugi belogen, und auch Serenity. Ich hatte mir so gewünscht, dass ich mich irre, aber das tue ich nicht. Du bist dieses manipulative Monster, das ich immer schon in dir gesehen habe.“ „Das ist nicht wahr“, schluchzte Joeys Gesprächspartnerin und vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Natürlich ist es wahr. Ihr beide schämt euch für mich. Ihr schämt euch für mich und meine Freunde. Was siehst du in Mokuba? Eine Möglichkeit, an Kaibas Geld ranzukommen?“ „Joey, ich glaube…“, fing ich leise an, wurde dann aber mit einer bestimmenden Geste zum Schweigen gebracht. „Du begreifst allmählich, was du wirklich verbockt hast, Mum. Jetzt, wo es zu spät ist, scheinst du endlich zu bereuen. Du hast dich lange genug vor der Verantwortung gedrückt, die dir als Mutter zugekommen wäre. Nun brauche ich dich nicht mehr. Ich habe Menschen, die mich mögen und lieben.“ Joey stand auf und sah bedauernd auf seine Mutter hinab. „Ich bin fertig mit dir, Mum. Daran hast du erst einmal zu knabbern, wie ich es tat.“ „Joey, ich glaube nicht, dass wir sie so hierlassen können. Die anderen Gäste gucken schon.“ „Das interessiert mich einen feuchten Dreck. Soll doch die ganze Welt wissen, was sie ihrem Sohn angetan hat.“ Ich war hin- und hergerissen. Mein Freund machte sich bereits auf den Weg zu gehen, und die heulende Mrs. Wheeler einfach alleine zu lassen. Sollte ich ihm folgen? War das richtig? Ich fühlte mich ein wenig schuldig. „Aber Joey, sie hat dir sogar eine echt seltene Karte gegeben. Die wollte ich dir eigentlich schon vor einer Weile zeigen, aber, der Zeitpunkt hat nicht gepasst.“ „Als ob eine Karte ein verpfuschtes Leben ausgleichen würde.“ Ich sprang auf und lief Joey hinterher, der wütend in unser Zimmer stapfte. „Ich kann ja verstehen, dass du sauer bist, aber, das war nicht okay.“ „Natürlich war es nicht okay. Ihr Verhalten aber auch nicht. Ich weiß jetzt endlich, woran ich bin, und dass ich abschließen kann.“ „Woher willst du das überhaupt wissen?“ „Weil ich es eben weiß“, lenkte der Blondschopf ab. „Joey, bitte…“ „Nein. Sie war Serenity eine gute Mutter, aber mir nicht. Ich brauche sie nicht mehr, und ihn auch nicht.“ So wie mein Freund auftrat, war an dieser Entscheidung auch nicht mehr zu rütteln. Wenn stimmte, was er zu ihr gesagt hat, dann konnte ich seinen Zorn gut verstehen. Ich glaubte ihm sogar. Sie war eingeknickt, und hatte sich nicht gewehrt. Ein Zeichen von Schuld. „Schatz…“ „Nichts Schatz, David. Das ist meine Entscheidung. Bitte respektiere das.“ Genervt riss sich Joey das Hemd vom Körper und warf es über einen Stuhl. „Ich gehe jetzt eine Runde in die Mall. Es findet ein Anfängerturnier statt, bei dem ich zuschauen möchte, kommst du mit?“ „Hältst du das für eine gute Idee?“ „Halte ich, ja.“ Beim Anfängerturnier beruhigte sich Joey wieder. Er half einem Jungen, von etwa zehn Jahren, mit einigen hilfreichen Tipps, die mich selbst überraschten. Dass er so freundlich sein konnte, trotz der vorangegangen Situation, wunderte mich. „Der Kleine hat wohl ein neues Idol gefunden“, schmunzelte ich, als wir uns wieder auf dem Heimweg befanden. „Er hat mich sogar erkannt!“, strahlte Joey. „Klar, du bist doch im Königreich der Duellanten auf den zweiten Platz gekommen, und im Battle City Turnier auch weit.“ „Trotzdem!“ Wir verbrachten unsere letzte Nacht in Amerika im Kreis der Freunde. Joey spielte mit Yugi, und Tea mit mir eine Runde Duel Monsters, unter den wachsamen Augen von Tristan, Serenity und Mokuba. Wir verloren, wenn auch nur hauchknapp. Dass Joey ihre Mutter so angefahren hatte, erwähnte er seiner Schwester gegenüber nicht. Ich hütete mich auch davor, dieses Thema anzuschneiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)