Unter den Schwingen des Horusfalken 2 von Hotepneith (Die Gefahren des Delta) ================================================================================ Prolog: -------- Die Atmosphäre in dem langen, schmalen Raum war angenehm. Das lag nicht nur an den Ziegelwänden, die die Hitze des Tages von den gelagerten Gütern abhielten, sondern auch an den grob gewebten Matten, die über die in Abständen auf die Wände gelagerten Akazien- und Sykomorenstämme gelegt worden waren und so die Sonnenhitze des Sommers abhielten. Aus diesem Grund war auch der Vorratsraum so schmal und lang. Obwohl das Holzrecht in ganz kemet allein dem Horus auf dem Thron der Lebenden zustand, gab es einfach zu wenig lange Hölzer. Stämme, die in den Grabmälern, vor allem natürlich den Pyramiden verwendet wurden, bestanden aus Zedernholz, das aus dem weit entfernten Gebirge der Stufen eingeführt wurde, als Tribut an den Herrn allen Lebens. Linker Hand ruhten eine Menge Tonflaschen sorgfältig aufgereiht in einem tiefen Sandbett, so dass sie nicht umstürzen konnten, jedoch eng gelagert werden konnten. Ein Mann mit einem einfachen, weißen, Lendenschurz griff sich aus einem Weidenkorb feuchten Nilschlamm und verschloss damit sorgfältig Amphore um Amphore. Der Blick des zweiten Mannes folgte ihm. Mit einer Binse rührte er immer wieder in einem hölzernen Schüsselchen, das er vor sich trug und vermerkte sorgfältig Strich um Strich die erfolgte Arbeit. Auf einer Keramikscherbe. Diese Palette war an einem Riemen über seiner Schulter befestigt. Dies, aber auch die fleckigen Finger und das Zeichen der Herrin der Schriftkunst, Seschat, an seiner Halskette, bewies, dass er ein Schreiber war. Immer, wenn fünf hintereinander stehende Amphoren verschlossen worden waren und er das dokumentiert hatte, nahm er ein Rollsiegel, das er in einer Tasche in der Palette trug und rollte quer über den Lehmpfropf, siegelte so mit dem Zeichen des Palastes. Erst dann trat der Vornehmste des Trios hinzu und siegelte noch einmal quer, mit seinem eigenen Siegel und dem des Herrn der beiden Länder, als Beweis, dass diese Lieferung ordnungsgemäß abgeschlossen wäre. Als er dies in der vorletzten Reihe getan hatte, musterte er missbilligend den Korb. „Dieser Lehm reicht nicht für die letzten Verschlüsse. Geh. Und hole neuen.“ Der Arbeiter nahm eilig den Korb. Erstens ziemte es sich nicht dem Vorsteher zu widersprechen, zweitens fürchtete er durchaus, mehrere Fehler könnten dazu führen, dass er nicht mehr die doch ruhigere Tätigkeit hier ausführen durfte, sondern auf die Felder der Domäne geschickt werden würde, natürlich nach einer Tracht Prügel. Der Vorsteher sah zu dem Schreiber. „Geh ihm nach,“ befahl er leise. „Er soll nicht noch einmal nachlässig sein.“ Der Schreiber schob eilig die Palette zusammen, um sie so unter der Schulter zu tragen und legte die Tonscherbe, auf der er seine Notizen machte, zu Boden, ehe er ebenfalls den Vorratsraum verließ,     Der Vorsteher blickte kurz zu der zufallenden Tür aus festem Mattengeflecht, ehe er sich eilig in die andere Richtung wandte. Dort hing ebenfalls eine Mattentür. Neben dieser stand eine mit einem Tuch bedeckte Kiste auf dem Boden. Er hob den Stoff weg. Dort befand sich ein kleines Kästchen aus Ton, mit Deckel, ebenso eine Pinzette, die er einst einem Arzt abgeschwatzt hatte. Er hob den Deckel ab und nahm das Kästchen samt Pinzette, ehe er zu den noch geöffneten Amphoren zurück kehrte. Mit einem gewissen ingrimmigen Lächeln nahm er ein Stück aus der roten Flüssigkeit und ließ es in die erste Amphore fallen, ebenso in die nächsten, ehe er zurück huschte und alles wieder scheinbar harmlos verschloss. Schon morgen würde diese Lieferung als Geschenk des Horus auf dem Thron der Lebenden an Beamte und Menschen in kemet gehen. Und in wenigen Amphoren lauerte der Tod. Starben die Menschen, so war der Beweis erbracht, dass eben Horus Quahedjet nicht die wahre Inkarnation des Himmelsgottes sei, allwissend und unfehlbar. Er selbst zweifelte ja schon daran, seit ihn dieser nicht weiter befördert hatte, ja, ihn nicht einmal in die Residenz nach Ibenu-hedj befohlen hatte, sondern ihn hier als, zugegeben, Vorsteher, aber doch im Sumpf des Deltas, verrotten ließ. Er war sicher, dass er mit solch einem wahrlich tödlichen Beweis dem neuen und wahren Herrscher dienen konnte. Er würde in die Hauptstadt gelangen, würde aufsteigen, womöglich sogar zu tjati ernannt werden. Immerhin hätte er dann seine Klugheit bewiesen.   Kapitel 1: Unerklärlich ----------------------- Es war relativ kühl im „Monat der Herdfeuer“ in kemet, aber der alte Mann, dessen Amulette um den Hals, wie das der Skorpiongöttin Selket oder auch der Herrin von Sau, Neith, auch ohne seine Tasche verrieten, dass er ein Arzt war, wickelte seinen wollenen Umhang nur fester um sich, damit seine Insignien auch verbergend. Die Dämmerung war hereingebrochen, aber er hoffte, dass der Mann, den er aufsuchen wollte, auch bereits zuhause war. Hekaptah, der Siegler des Königs, dessen Halbbruder, war ein vielbeschäftigter Mann. Erleichtert sah der Arzt, dass eine Sänfte auf der Hauptstraße zu eben dem Haus getragen wurde, das auch sein Ziel war. Voran gingen vier hem-per, Diener des Hauses, Wachen des Lebenden Horus, hier natürlich nur mit langen Stäben um die Menschen zu verscheuchen, hinter der Sänfte die engsten Schreiber, die auch hier im Haus oder dessen Nachbarschaft wohnten. Er trat näher und schob seine Kapuze weg.   Hekaptah war es gewohnt, dass auf seinen Wegen ihn immer wieder Leute um etwas baten, und behielt die Menschen, die vor den Wachen beiseite wichen, im Auge. Es war notwendig, die einfachen Leute anzuhören, die nicht schreiben konnten, sich jedoch an die Gerechtigkeit des Horus wenden wollten. Umso erstaunter war er, als er den Arzt stehen sah. Ramose war der Oberste der Ärzte des Königs, der Älteste des Lebenshauses – wenn der so deutlich auf ihn wartete, konnte es nichts Gutes bedeuten. War etwa etwas mit seinem Halbbruder? Natürlich durfte ein Arzt nicht über seine Patienten reden, aber wenn der Falke zum Himmel flog, würde das das gesamte Land betreffen, die Maat stillstehen, ja, die Sonne nicht mehr aufgehen, bis der Nachfolger den Thron bestieg. So richtete er sich auf, so gut das in der engen hölzernen Sänfte möglich war. „Ramose, alter Freund – komm, begleite mich. Du wirst Gewürzwein bei diesen Temperaturen angenehm finden.“   Eine offenkundig gewünschte, vertrauliche, Unterhaltung war in der gewöhnlichen Empfangshalle nicht möglich und so schickte Hekaptah nicht nur seine Schreiber weg, sondern lud den Obersten der Ärzte in sein Schlafzimmer. Er nahm auf dem abgeschrägten, hölzernen Bett mit vergoldeten Löwenfüßen Platz, rutschte gegen die Fußstütze um nicht abzugleiten und deutete auf den lederbespannnten Hocker. „Nimm Platz. Der Gewürzwein wird gleich gebracht, dann sind wir unter uns.“ „Danke. - Ich finde es immer erstaunlich wie viel Zeit du für jeden findet. Ebenso natürlich wie Sobeknacht, unser tjati.“ „Ich fürchte, mein Bruder sogar noch mehr. Er ist der zweite Mann nach dem Lebenden Horus, und sein Arbeitspensum ist unerschöpflich. Ich hüte dagegen nur die Ernten und deren Verteilung.“ Der Siegler zog sich die Perücke ab und strich über den kahlgeschorenen Kopf. Es war das Gefühl nach Hause zu kommen, nicht mehr unter Beobachtung zu stehen. Der kluge Blick Ramoses musterte den vor ihm Sitzenden. „Natürlich. Und wir dienen alle dem Lebenden Gott kemets, nicht wahr? - Oh, Gewürzwein. Aus Retenu, vermute ich?“ Selten und nur für die königliche Familie zu erlangen. „Ja. - Danke, du kannst schlafen gehen.“ Die Anweisung galt dem Diener. Hekaptah wartete, bis dieser das Türrollo hinter sich geschlossen hatte, ehe er aufstand und hinausblickte. Dann nahm er wieder Platz. „Ramose, der Wein ist aus syrischen Granatäpfeln, da hast du recht. Aber ich vermute doch, dass der Älteste des Lebenshauses mich nicht privat aufsucht, um meine Vorräte zu überprüfen.“ Sie kannten sich seit Jahrzehnten, der Königssohn und der Arztsohn, waren gemeinsam in der Palastschule gewesen, hatten ihre ersten Anfänge in Schwimmen und kriegerischen Übungen zusammen erlebt – und ihre ersten Lieben. „Ich wollte, es ginge nicht um deine Vorräte. Sozusagen. - Was weißt du von den Wirkungen von verdorbenem Fleisch?“ „Es verursacht Krankheit, manchmal sogar Tod.“ Hekaptah zog alarmiert die Brauen zusammen. „Und, es sollte nicht vorkommen. Es gibt die Kühlhäuser im Palast, die Scheunen und Lagerhäuser werden auf Mäuse und anderes Ungeziefer überwacht ...“ Und die wilden Katzen, die sich freiwillig in die Lagerhäuser geschlichen hatten, leisteten vorzügliche Arbeit. „Das stimmt. - Ich habe einige Schüler, aber auch andere Ärzte in kemet wenden sich an mich, wenn sie vor Rätseln stehen. So erlangte ich Kenntnis von einigen sehr eigentümlichen Zwischenfällen, die anscheinend auf verdorbenes Fleisch zurückgehen.“ Der Siegler des Königs atmete durch. „Sage mir jetzt bitte nicht, dass diese Zwischenfälle von Fleisch kommen, das der Lebende Horus Leuten schickte.“ „So ist es, leider. Und das in sechs verschiedenen Orten, alle im Delta.“ Das fiel bedauerlicherweise in seinen Verantwortungsbereich. Und Hekaptah kannte Horus Quahedjet gut genug, um zu wissen, dass der, Halbbruder hin oder her, ihn für Fehler seiner Untergebenen bestrafen würde. „Gab es auch Tote?“ „Sieben bislang. In jedem Ort einer, einmal zwei Kinder.“ „Sicher eine Vergiftung?“ „Die Symptome sprechen dafür. Allerdings, und das ist eben das Seltsame: das Fleisch wurde von verschiedenen Personen gegessen. Aber nur einer jeweils erkrankte und starb daran.“ Hekaptah richtete sich auf. „Das ist unmöglich. Ich sehe, wo das Problem ist. Danke. Ich werde mich mit Anchnefer zusammensetzen. Du weißt, Sobeknacht …“ Der Wesir litt noch immer unter den Toden in seiner Familie, auch, wenn er sich selbstverständlich zusammen nahm und auch keine Medizin mehr benötigte. „Es geht ihm immer besser, ja, er ist noch ein wenig ...“ Der Arzt schwieg. „Nun, ich kann dir die Berichte zukommen lassen. Hier oder im Palast?“ „Rahotep ist doch dein Schüler? Er wurde gerade zum Leibarzt der Königssöhne ernannt. Wenn du ihn entbehren kannst, schicke mir die Briefe doch mit ihm. Ich werde ihn auf diese Spur setzen, und einige andere Leute auch.“ „Natürlich. Ich bin froh, wenn das überprüft wird, ehe noch mehr Leute sterben. Und Rahotep ist intelligent und diskret. Ich vermute, du wirst auch Meruka, deinen Stiefsohn, einsetzen wollen, wenn der Herr der beiden Länder auf einen der beiden Vorsteher seiner privaten Schreiber verzichtet.“ „In der Tat.“ Ramose war sehr schlau, das gab Hekaptah zu. „Und, um ehrlich zu sein, alter Freund, wenn das stimmt, was du erfahren hast, ist das ein großer Verstoß gegen die maat. Wir sollten alle zusehen, dass wir das klären, ehe es noch mehr Leute gibt, die in den Westen gehen.“ Dort, wo die Sonne unterging, lagen auch die Schilffelder des Westens, das Totenreich. „Ich werde Rahotep alle Briefe mitgeben, die ich bekommen habe, und ihm freie Zeit geben, solange er benötigt. Ich selbst werde ihn vertreten, um Fragen zu unterbinden. Soll er in dein Büro im Palast kommen?“ „Nein. Ich bin sicher nach einer kurzen Erklärung meinerseits wird der Lebende Gott kemets meiner Bitte zustimmen und Meruka freigeben. Rahotep soll sich an Meruka wenden. Keine Umwege nach Status und Sitte. Je schneller das geht, desto besser. Oder, bist du anderer Meinung?“ „Ganz und gar nicht, Hekaptah. Und ich bin sehr erfreut, dass du nicht auf deinem Vorrang als Siegler beharrst. Nun, ich kenne dich doch eine Weile. – Der Wein ist vorzüglich.“ „Danke. Ich hoffe, wenn das Problem erledigt ist, können wir uns auch einmal abends im Garten auf einen Wein aus Trauben zusammensetzen, der aus meinen eigenen Domänen im Ostdelta stammt.“ Der Oberste der Ärzte lächelte. „Ich bin fast überzeugt davon. Denn, mein werter, alter, Freund, ich bin ebenso davon überzeugt, dass du mir nicht die gesamte Wahrheit gesagt hast. Nun, im Auftrag des Lebenden Horus, unter dessen Schwingen wir alle leben, er lebe, sei heil und gesund.“ „Er lebe, sei heil und gesund. - Auf dein Ka, Ramose.“ Der alte Trinkspruch auf das, was einen Menschen unsterblich machte. Während der Königsbruder trank, dachte er, dass der alte Arzt recht hatte. Nicht nur Meruka und Rahotep würden an dieser Sache arbeiten, sondern auch die drei Anderen, die sich im letzten Auftrag wieder einmal als nützlich erwiesen hatten. Zum Glück lag eine Eheschließung zwischen Meresanch und dem Thronfolger noch in Monaten entfernt, da die junge Dame aus dem ipet doch noch einiges lernen musste. So konnte sie Meruka zur Verfügung stehen. Ptahnacht als Wache des Königs sowieso, und Nefertari als Wärterin des Apis-Stieres, wie ihr Priesterinnentitel lautete, auch.   In einem in diesen Abendstunden leeren Raum des sogenannten Hauses des Lebens, in dem Patienten geheilt, aber auch Ärzte ausgebildet wurden und lebten, traf sich die Gruppe. Die drei Neuankömmlinge warfen unwillkürlich einen Blick auf die verschiedenen Briefe und Buchrollen, die zwischen Rahotep und Meruka auf dem Boden lagen, nahmen jedoch Platz. Von ihnen konnte nur Meresanch, genannt Merit, lesen. „Guten Abend,“ grüßt der Leiter höflich. „Es handelt sich um ein medizinisches Problem, daher sollte Rahotep anfangen. Ihr werdet kaum euch im Ärztestand auskennen.“ Das entsprach den Tatsachen und so begann der Arzt: „Ramose ist der Älteste des Lebenshauses und Oberster aller königlichen Leibärzte. Und er ist mein Lehrer. In der Ausbildung ist es so, dass man, wenn man zum Schreiber geworden ist, aber Arzt werden will, sich einen Lehrer sucht oder auch zugeteilt bekommt. Ramose war so freundlich mich aufzunehmen. Als solcher Schüler lebt man Tag und Nacht mit seinem Lehrer. Zunächst trägt man nur die Arzttasche, aber man lernt, darf auch selbstständig Verbände anlegen … und wenn der Lehrer meint, man sei reif genug, beginnt die eigentliche Arztausbildung. Ich habe fast drei Jahre mit Ramose gelebt und denke doch, ich kenne ihn. Er ist niemand, der grundlos Alarm schlägt.“ Rahotep atmete durch. „Er ist aber eben auch der Oberste Arzt in ganz kemet und ehemalige Schüler des Lebenshauses wenden sich mit Fragen oft an ihn. Wenn jemand Arzt auf einer Baustelle ist oder in einer Mine, oder auch in einer Stadt, so hat er seine eigenen Papyrusrollen mit Behandlungen und Medikamenten dabei, aber natürlich nicht alle, die hier in der Bibliothek sind. Das läuft so, wenn eine solche Anfrage kommt, überprüft der zuständige Bibliothekar, ob es zu der Frage eine Buchrolle gibt und lässt diese dann abschreiben und schickt sie zurück. Nur zu Dingen, zu denen es nichts gibt, wird Ramose selbst befragt. Soweit ich weiß, liest er, antwortet, wenn er jedoch keine Antwort weiß, legt er den Brief beiseite. Diesen Stapel arbeitet er immer wieder durch, auch, um mit Kollegen zu reden. So fiel ihm vor einigen Tagen auf, dass er aus verschiedenen Orten, von verschiedenen Ärzten, die gleiche Anfrage erhalten hatte. - Es gibt eine Krankheit, die ab und an vorkommt, aber stets tödlich ist. Vermutlich liegt es an unsauber eingelegtem Gemüse oder verdorbenem Fleisch. Die Menschen, die davon gegessen haben, bekommen Fieber, Übelkeit und sie ersticken schließlich. Eine Krankheit, wo jeder Arzt sagt, es ist eine, die man nicht behandeln kann. Oft stirbt die gesamte Familie. Solch eine Krankheit ist selten, aber sie kommt leider immer wieder vor. In diesem Fall jedoch handelt es sich um eine Krankheit mit diesen Zeichen – aber nur eine Person bei Tisch wird krank und stirbt, alle anderen sind unversehrt. Manche der anfragenden Ärzte vermuten einen Dämon der Sachmet dahinter. Das mag sein, aber es bleibt die Frage: warum nur einer.“ „Diese Todesfälle,“ übernahm Meruka: „Und die entsprechenden Anfragen dazu, gab es bislang in verschiedenen Orten im Delta. Sieben Todesfälle wurden Ramose bekannt. Was leider nicht bedeutet, dass es alle sind. Wenn es sich um Dörfler handelt, so wird kaum ein Arzt davon erfahren. Aber Tatsache ist, dass diese sieben Toten alle in Städten wohnten und alle Mitglied der Familie des Stadtoberhauptes waren, Männer, Frauen, Kinder.“ „Die Bürgermeister und Stadtvorsteher haben natürlich Zugriff auf einen Arzt,“ meinte Ptahnacht. „Und dass es doch eine andere Krankheit ist?“ Rahotep zuckte die Schultern. „Jeder Arzt lernt als erstes eine sorgfältige Analyse der Symptome, um sein Urteil fällen zu können. Es müsste eine Krankheit mit identischen Symptomen aber anderen Folgen sein, von der noch nie jemand gehört hat.“ „Ja, und wieso nur im Delta?“ Merit sah zu dem Arzt. „Wir haben den Monat der Herdfeuer, das Wasser des Iteru ist zurückgegangen, es ist trocken und die Mücken sind weniger als gleich nach der Überschwemmung.“ „Es ist die angenehmste Jahreszeit im Delta, das stimmt.“ Jetzt wurden auch die Herden aus Mittel- zum Teil sogar Oberägypten auf die reichen Weiden des Delta getrieben, teilweise waren sie Wochen unterwegs. Aber es zahlte sich aus. Die Fruchtbarkeit und das Fleisch stiegen deutlich an. „Rahotep,“ begann Nefertari ein wenig zögernd, da man einen Arzt eigentlich nicht kritisieren sollte. „Wenn es eine Krankheit ist, die ihr kennt – warum könnt ihr sie nicht behandeln?“ „Weil wir keine Götter sind, liebe Nefer. Es gibt, das wisst ihr alle, nach der Diagnose nur drei Dinge, die ein Arzt als Verdikt sagen kann: eine Krankheit, die ich heilen werde – und das wird auch so geschehen, denn die Erfolgsaussichten nach allem, was man gelernt hat, sind gut. Dann gibt es eine Krankheit, mit der ich kämpfen werde, das ist eine Krankheit, bei der die Erfolgsaussichten nicht so gut stehen, aber es genügend Leute in der Vergangenheit gab, die es überlebt haben, und das Letzte: eine Krankheit, die man nicht behandeln kann, denn soweit bekannt ist, hat das niemand überlebt. Natürlich geschehen auch dann manchmal Wunder, aber ein Arzt lügt seinen Patienten nicht an, sondern versucht ihm sein Leiden zu mildern. Mehr kann man dann nicht tun. In dem Fall der Lebensmittelvergiftung – in diesem, sehr seltenen, Fall kann man nichts tun. Es gibt eine andere Form der Vergiftung, im Getreide, tescheref, genannt. Die Leute, die von diesem Getreide essen, bekommen Halluzinationen, wirre Träume, manchmal rasen sie – aber dann lässt dieser Rausch der Sachmet nach und sie sind zwar erschöpft, aber leben. Manchen müssen allerdings abgestorbene Finger oder Zehen amputiert werden. Nur sehr wenige sterben, und die meist an Geschwüren der Haut und Fieber. Auch hier wird nicht behandelt, denn niemand weiß, was dagegen zu tun ist, aber man weiß, dass die Menschen überleben. Natürlich versucht man es mit Sellerie und anderen Pflanzen, alles, was gegen eine Seuche der Sachmet hilft, aber … Nun ja. Man kann Menschen nicht verbieten Weizen oder Gerste zu essen. Übrigens, in diesem Fall, ist oft eine ganze Dorfernte betroffen und wenn es vorkommt leidet ein komplettes Dorf. Auch hier, keine Einzelfälle.“ „Einzelfälle sehen eigentlich nach etwas anderem aus.“ Ptahnacht blickte zu seinem Vorgesetzten. „Könnte es sein, dass die Fälle nichts miteinander zu tun haben – und rein zufällig Giftmorde sind?“ „Dazu müssten man die gleichen Symptome entwickeln.“ Aber Meruka sah zu dem Arzt. „Rahotep?“ Dieser schüttelte den Kopf. „Dazu müsste jemand nicht nur wissen, wie man die Symptome dieser Vergiftung künstlich hervorruft, und das kann kein Arzt, sondern auch noch dieses Wissen quer über das Delta verbreitet haben. Es gibt einen Vorfall in Chem, leider auch meinen Onkel in Sau, zwei Kinder in Per-Bast, eine Tote in Pe und Dep, einen Mann in Djedu und ein Kind in ...“ „Lass nur, ich habe verstanden.“ Ptahnacht dachte kurz nach. „Aber das würde doch auch bedeuten, wenn da jemand so etwas herausgefunden hat, hat er die perfekte Mordmethode entwickelt, denn kein Arzt kann sie heilen, oder?“ „Um ehrlich zu sein, wir denken eher ...“ Mit diesem Satz verriet Meruka, dass er mit dem Siegler des Herrn der beiden Länder die Lage bereits besprochen hatte. „Dass es vermutlich zu irgendeiner Nachlässigkeit in der Lieferung gekommen ist. Diese Nachlässigkeit sollen wir herausfinden. Dazu ist es notwendig, zunächst einmal zu sehen, woher die jeweiligen Lieferungen der tödlichen Speisen kamen, wer sie in die Hand bekam und anderes. Wir werden morgen früh Richtung Norden aufbrechen und abends in Chem sein. Der dortige Stadtvorsteher heißt Anchsachmet, seine Ehefrau Merithor starb. Wir haben für morgen und alle anderen – denn wir reisen nach Sau und dann Pe und Dep weiter - den Vorwand, dass Merit vor ihrer Eheschließung noch alle möglichen Tempel des Landes besuchen soll. Dazu begleite ich als Vorsteher der privaten königlichen Schreiber sie, ein königlicher Leibarzt, ein Wächter, und du, meine liebe Nefer, wirst als ihre Dienerin durchgehen.“ Er lächelte etwas. „Du weißt sehr gut, dass Diener untereinander oft mehr reden.“ Die junge Frau aus Abu nickte. „Ja, ich weiß.“ Aber sich unter die doch Neue unterzuordnen... Nun ja, Das war die künftige Gemahlin eines lebenden Gottes. Der Vorsteher der Schreiber blickte zu dem Mädchen aus dem ipet: „Hast du noch Fragen, Merit?“ „Ja. Ihr sagtet, die Toten gab es in Chem, in Sau, in Pe und Dep, aber auch in Per-Bast und Djedu. Diese Städte, also, die beiden Letzteren, liegen an einem der östlicheren Arme des Flusses. Der Palast der Harpunierenden Horus und seine Domänen versorgen zwar viele, aber doch eher mehr an den beiden westlichen Armen des Iteru.“ „Das ist eine der Sachen, die wir herausfinden müssen,“ gab Meruka zu. „Der Fehler kann auf einer Domäne passiert sein, in den Kühlhäusern des Palastes, aber auch auf dem Transport auf dem Iteru. Und in dem schlimmsten Fall, den ich mir vorstellen kann, ist ein Bootsführer oder ähnliches erkrankt ohne es zu wissen und steckt alle Lebensmittel an, mit denen er in Berührung kommt. Das würde die räumlichen Abstände zwischen den Toten erklären, ebenso wie die Tatsache, dass alle betroffenen Familien zwar auch alle Domänen haben, aber doch auch von denen des Herrn der beiden Länder beliefert werden.“ „Was aber auch bedeutet,“ nahm Rahotep den Faden auf: „Dass es weitere Opfer bereits gegeben hat und noch weiter geben wird. So gesehen sollten wir hoffen, dass es sich um eine einmalige Nachlässigkeit gehandelt hat, die nie wieder vorkommt. „Lausige Zeiten,“ murmelte Ptahnacht. „Schön, ich packe alles.“ „Ja. Wir treffen uns morgen bei Sonnenaufgang am Nordhafen. Ein Schnellruderer mit vierundzwanzig Mann wird uns nach Chem bringen. Befehl des Lebenden Horus.“ Das bedeutete, dass Meruka für diese Fahrt wahrlich von allerhöchster Stelle gedeckt war – und Papiere mit sich trug, auf denen, neben der Petschaft der königlichen Kanzlei, auch der Vermerk befestigt war: gesiegelt in der lebenden Gegenwart des Herrn der beiden Länder. Widerspruch war undenkbar, gleich, was er fordern würde. Nefer fragte auch nur: „Zur Sicherheit nehme ich die große Kiste mit, oder?“ „Ja.“ Darin befanden sich auch allerlei Schmuck- und Schminksachen, die ihrer Rolle nicht angemessen wären – aber für ihre männlichen Partner bestimmt waren. Allerdings auch ein sehr scharfes Obsidianmesser, dessen Gebrauch sie sich vor einigen Jahren angewöhnt hatte – und in Übungen mit Ptahnacht verfeinert hatte. Nie wieder wollte sie das Opfer eines Mannes werden. Und, das gab sie zu, eines Tages würde sie diesen Mistkerl für seine Untat an ihr vor die Götter fordern. Seit sie für den mächtigen Apis, der Verkörperung der Seele des Ptah, singen und tanzen durfte, flehte sie ihn um Gerechtigkeit an. Nachdem der Lebende Horus ihr jetzt jedoch ein Grab in seinem Heiligen Bezirk bewilligt hatte, würde sie ewig unter dem Schatten seiner Flügel leben – und sie würde dafür sorgen, dass dieser Minenaufseher, gleich, wie teuer er sein Grab erbaut hatte, das sicher nicht tun würde. Sollte das ewige Nichts ihn verschlingen!   Kapitel 2: Die Fahrt nach Norden -------------------------------- Paadiptah, der Kapitän des königlichen Schnellruderers „Wildstier“, war mit seinen über vierzig Jahren ein erfahrener Mann, der den Iteru schon seit langem mit all seinen Tücken und Strömungen kannte. In dieser, seiner, wichtigen, beruflichen, Eigenschaft hatte er bereits viele hochrangige Beamte und Boten des Herrn der beiden Länder transportiert. Darum auch hatte er bei Auftragserteilung sich behutsam nach dem Namen erkundigt. Neugier wäre natürlich unziemlich, aber die hohen Herren wünschten manchmal Extratourliches, sei es Halt an einer ihrer Domänen, an denen sie vorbeifuhren oder sonstige Besuche, und es war besser darauf vorbereitet zu sein. Das, was er dann erfuhr, war so bedeutsam, dass er nicht zögerte seinem Schwager und erstem Steuermann, der an Bord geblieben war, zu sagen: „Eine höchst wichtige und deutlich vertrauliche Reise sollen wir da fahren. Das Auge des tjati scheint mehr als wohlwollend auf uns zu liegen. Wir dürfen hier nicht versagen, dann erhalten wir vielleicht, ach was, bestimmt eine Belohnung.“ „Wird der tjati etwa selbst mit uns fahren?“ erkundigte sich der Steuermann, dessen Name gleichlautend mit dem seines Schwagers war, zu Ehren eines gemeinsamen Großvaters. So redeten sie sich meist mit großer und kleiner Bruder an. Dass der Lebende Horus zu ihnen kommen würde, war undenkbar, dieser besaß das Staatsschiff, und reiste auch nur darauf, das nicht von Ruderern betrieben wurde, sondern von Ruderbooten gezogen wurde. Niemand, außer der königlichen Familie und vielleicht noch besonders Begnadeten, würde der Nähe der Macht eines Lebenden Gottes widerstehen können und überleben. „Nein, aber pass auf: offiziell wird die Reise von einem der Vorgesetzten der Schreiber des privaten Büros des Lebenden Horus geleitet. Von einem der Männer, die ihn jeden Tag sehen, sogar mit ihm sprechen dürfen! Es ist ein Königlicher Leibarzt dabei, aber auch ein Mädchen. Und die ist die Hauptperson. Ich habe mich genau erkundigt, weil ich doch keinen Fehler machen wollte. Sie trägt den Titel einer Schreiberin der maat-hor, war zuvor schon Schreiberin der Königsmutter – und, jetzt kommt es, sie hat den gleichen Hofrang wie die jeweils jüngste Königstochter.“ „Sie ist aber keine?“ „Nein, aber mein Freund sagte mir, dass Gerüchte laufen, sie werde demnächst den Ältesten Königssohn heiraten. Sie ist die künftige maat-hor. Deswegen wohl auch die Route nach Sau und Pe-Dep. Sie besucht sicher alle wichtigen Tempel um dort eingewiesen zu werden. Offizieller Leiter der Reise ist natürlich der hochrangige Schreiber des Herrn der beiden Länder. Sag unseren Männern, wenn der Schreiber oder das Mädchen auch nur ein Wort sagen, sollen sie eilen.“ „Haben die auch einen Namen?“ „Oh, ja, der Schreiber heißt Meruka. Mein Freund meinte, der sei aus sehr hoher Familie, das Mädchen heißt Meresanch.“ „Sie trägt aber nicht den Titel einer Königstochter?“ „Nur den Hofrang. Noch.“ „Nur wegen der Ansprache.“ Kapitän Paadiptah wurde blass. „Bist du verrückt, kleiner Bruder? Eine künftige maat-hor anreden zu wollen? Wenn was ist, sagt es ihrer Dienerin!“ „Die, die den Horus sieht … oh, ja. Natürlich.“ Jemand, der im Herrn der beiden Länder den wahren Gott erkennen konnte, ja, dessen unmittelbare Nähe aushalten konnte, war sicher niemand, den ein einfacher Schiffer ansprechen sollte. „Ich werde dann mal lieber den Männern sagen, dass sie die Hütte und die Plätze unter dem Sonnensegel noch einmal gründlich säubern sollen. Und Kissen hinlegen.“ „Ja, ich mag mir gar nicht vorstellen, was geschieht, wenn sich einer der Beiden beschwert.“ „Aber es hieß doch fünf Passagiere? Nun ja, die Königstochter hat sicher eine Dienerin dabei, aber ...“ „Natürlich eine Wache. Du weißt schon, jemand aus dem Palast, die auch bei Strafexpeditionen und so stets um den Lebenden Gott sind. Bitte, Paadiptah, stell dich nicht dümmer als du bist. Das wäre hier fatal, jede Lässigkeit.“ Ja, das war auch dem Steuermann klar. Auf Nachlässigkeiten konnte man nur zu leicht Prügel erhalten, bis zu hundert Schläge wurden da verabreicht. Nein, danke. Von der Degradierung wieder zu einem Ruderer oder Matrosen ganz zu schweigen. „Ich weiß, großer Bruder. Gehen wir uns noch rasch von den Familien verabschieden, ehe wir das Schiff überprüfen.“ „Ja, und die Männer zusammensuchen. Zwanzig Ruderer, wir beide und vier Matrosen. Ich werde zusehen, dass sie jeweils in guter Verfassung sind. Die Wildstier und ihre Besatzung darf sich nicht blamieren.“   Paadiptah der Ältere war froh um seine Vorsicht, als er im Morgengrauen im Nordhafen von Ibenu-hedj, am Königssee, vor seinem auf das Sorgfältigste hergerichteten Schiff stand und seine Passagiere erwartete. Da kamen sie: voran sechs Getreue des Herrn der beiden Länder, die den Weg freimachten, dann ein Mann in einer von vier Männern getragenen Sänfte mit Amuletten und Ketten über dem Leibchen, das in diesem kühlsten Monat des Jahres angeraten war, einen Stab in der Hand. Der Kapitän wusste nicht genau, wie solch ein Stab hieß, aber er zeugte von Amt und Würden – und Macht. Dahinter ging ein weiterer Getreuer, neben einem offenkundigen Arzt, denn der trug die bekannte Tasche eines sunu, eines ausgebildeten und studierten Arztes. In der Sänfte dahinter saß ein augenscheinlich sehr junges Mädchen von kaum dreizehn Jahren, gerade so in ds heiratsfähige Alter gekommen, gehüllt in einen mit bunten Fransen und Fäden verziertem Umhang, daneben lief eine Dienerin, deren Kleidung noch immer verriet, dass sie am Königshof hergestellt sein musste. Danach trugen Diener mehrere Truhen. Ja, das waren überaus wichtige Personen. Paadiptah wartete kurz ab, bis die Sänfte des Vorstehers der Schreiber absetzt wurde, dieser ausgestiegen war, ehe er auf ihn zueilte und sich verneigte. „Ehrenwerter Meruka, Vorsteher der privaten Schreiber … ich bin Kapitän Paadiptah. Ich darf dich ... und deine Begleitung an Bord der Wildstier willkommen heißen. Ich hoffe, du findest alles zu deiner Zufriedenheit.“ Meruka wandte kurz den Kopf, nur um festzustellen, dass Merit wahrlich ihre Rolle kannte. So sagte er: „Danke, Kapitän. Nun, du weißt sicher, wie wichtig diese Reise ist. Wie lange werden wir bis Chem benötigen?“ „Die Ruderer sind ausgeruht und kräftig. Der Iteru und seine Strömung werden uns helfen. Ich hoffe, dass wir heute Abend gegen Sonnenuntergang in Chem eintreffen werden. Danach soll es ja weitergehen? Nach Sau? Oder zunächst nach Pe und Dep?“ „Nein, nach Sau. Das liegt doch an dem Arm des Iteru wie Chem?“ „Ja, an einer weiteren Abzweigung. Und von Sau aus kann man über einen Kanal quer fahren nach Pe – vorausgesetzt, es begleiten weitere Boote unser Schiff. Wie dir sicher bekannt ist, lauern im Papyrusdickicht mancherlei Gefahren, denen ich die … ich meine, deine Begleitung nicht aussetzen möchte.“ Flusspferde, vor allem, dachte Meruka. Der Kapitän war höflich und vorsichtig. Gut. Andererseits wäre er sonst kaum zu einem solchen Rang bei einem königlichen Schiff aufgestiegen. Er warf einen Blick auf die „Wildstier“. Sie war aus Holz, schon das allein bewies, dass sie dem Herrn der beiden Länder gehörte. Jeder andere hatte Papyrusboote. Jeder Holzeinschlag war königliches Privileg, von den seltenen und teuren Importen an Zedernholz aus dem Gebirge der Treppen ganz zu schweigen. „Gut. Dann lass das Gepäck in die Kabinen bringen. Ich möchte dich Meresanch vorstellen. Sie ist eine Schreiberin der maat-hor.“ Und weitaus älter als sie wirkte, aber das ging den Kapitän nichts an. Paadiptah der Ältere hätte um ein Haar zugegeben was er wusste, aber er meinte nur: „Danke.“ Das fehlte noch, dass ihm ein persönlicher Schreiber des Lebenden Gottes Neugier – zurecht – unterstellen konnte. Meruka wandte sich um und suchte Nefers Blick, ehe er ihr mit einem Kopfnicken bedeutete, dem Gepäck zu folgen. Das war für eine Dienerin nur pflichtbewusst, aber er wollte verhindern, dass sich einer der Matrosen zu sehr um die Truhen kümmerte. Das Meiste wäre zu erklären – nicht jedoch der aus Antilopengehörn und Holz zusammengesetzte Bogen und die fünfzehn Pfeile sowie der Bronzedolch, was alles ihm gehörte, zur Gewissheit indes im offiziellen Gepäck Merits untergebracht worden war. Da er jedoch nicht wusste, was dort im Delta geschehen war, wollte er sicher gehen. Handelte es sich nur um eine Nachlässigkeit, würde der Schuldige bestimmt bestraft werden. Aber Meruka hatte bereits gegen Sandleute und Libyer gekämpft und befürchtete, gerade im Delta, deren Intrigen – und Raubüberfälle. „Meresanch, ich möchte dir unseren Kapitän Paadiptah, vorstellen, der, der in den Augen ist.“ Merit lächelte kurz, ehe ihr Blick zu dem Schiff glitt. In der Tat befand sich dort, wie wohl auch auf der anderen Seite, ein aufgezeichnetes Auge, das Schutz versprach. Und der Platz des Kapitäns war dazwischen. Logisch. Obwohl diese Bezeichnung vermutlich eigentlich mehr bedeuten sollte: der seine Augen überall hat. „Ich freue mich dich kennen zu lernen. Ich bin bereits auf dem Iteru gereist, aber das ist doch Jahre her.“ „Natürlich.“ Auch ohne den Tipp seines Freundes hätte der Kapitän gewusst, dass es sich um ein hochgestelltes Mädchen handeln musste. Selbst der Umhang, den sie sich schützend um die Schultern geschlagen hatte, war aus feinem, wenngleich dichtem, Leinen, aber eingewebte bunte Fäden und Fransen hatte nicht eben jeder. Ebenso wenig wie die drei Reihen aus Gold, Karneol und Amnethystperlen um ihren Hals oder die vier an ihrem linken Arm, der das Tuch hielt. Und, was das deutlichste Zeichen war: um ihre modisch kurze Perücke lag ein Stirnband, wie es aus Lotus und Papyrus gewoben auch ein einfacher Schiffer tragen mochte – aber sicher nicht aus getriebenem Kupfer, der diese Pflanzen kunstvoll nachahmte. Auch die Stoffbänder, die das Diadem am Hinterkopf zusammenhielten, zeigten diese Blüten. Da war eindeutig ein Handwerker des Lebenden Gottes am Werk gewesen – und natürlich dessen Zustimmung. Noch freilich trug die junge Dame vorn an der Stirn nicht den Gazellenkopf, der Töchtern des Königs zustand, aber das würde sicher folgen, sobald sie verheiratet war.   Nur kurz darauf waren Gepäck und Passagiere verstaut und der Kapitän gab den Befehl zur Abfahrt. Der Weg nach Chem war doch weit für eine Tagesfahrt aber er hoffte es zu schaffen. Die Strömung war stark und seine Ruderer ausgeruht. Dennoch sollte man kaum Pausen machen und er hatte den Matrosen neben ihrer üblichen Arbeit – die Bilgen auf dem Boden ausschöpfen und die Ruderer mit Wasser versorgen - auch aufgetragen, für einen mittäglichen Imbiss der Passagiere zu sorgen. In Chem würden sie beim Herrn der Stadt sicher ein größeres Abendessen bekommen.   Die Fünf saßen vor der Kabine im morgendlichen, kühlen, Fahrtwind unter dem Sonnensegel, Merit und Meruka hinten auf Kissen. Der Vorsteher der Gruppe sah sich kurz um, aber die Ruderer, die mit dem Gesicht zu ihnen waren, konzentrierten sich auf ihre Arbeit und die Zurufe des Kapitäns. Dieser stand hinten auf der Kabine, zwischen den beiden Steuermännern, die mit Hilfe der Steuerruder das Schiff auf Kurs hielten. Die Strömung würde es sonst gegen das Ufer drängen, sobald eine Kurve des Iteru kam. Nun, so würde niemand zuhören und er meinte leise: „Gegen Mittag ziehen wir uns in Merits Kabine zurück und besprechen uns für heute Abend. Sonst spielt einfach eure Rollen. - Ist alles dabei, Nefer?“ Diese nickte. „Ja, auch deine Sachen.“ Sie wollte nicht gerade Waffen sagen. „Auch meine.“ Sie hatte auch Schminke für die Männer dabei, um sie je nach Notwendigkeit im Äußeren etwas verändern zu können. Jetzt trug Meruka, wie es sich für einen Einzigen Freund des Königs gehörte, grünen Malachit um die Augen, was sich ein Bauer oder einfacher Bürger nicht leisten konnte. Da fanden andere Materialien als zerriebene Halbedelsteine Verwendung. Geschminkt freilich war jeder, schließlich schützte dieser Zauber und man wurde weniger leicht krank an den Augen als ohne. „Gut. Ich gehe nicht davon aus, dass wir in Chem schon die Lösung finden, aber wir müssen irgendwo anfangen. - Merit, was weißt du über diese Stadt?“ Das Mädchen aus dem ipet zuckte ein wenig die schmalen Schultern. „Nicht viel, gebe ich zu. Ich war dort nie. Ich weiß nur, dass da der Mächtige Horus verehrt wird, in der Gestalt des Falken, als der Erste von Chem. Es ist eine sehr königstreue Stadt. Und, dass der Vorsteher der Stadt Anchsachmet ist. Seine Ehefrau starb ja.“ „Ja, Merithor. Was weißt du über sie?“ „Nichts, ich kenne sie nicht, ich meine, ich habe sie nie kennengelernt. Ich weiß nur, dass Anchsachmet aus einer Beamtenfamilie stammt und auch bei Hofe ist.“ Das bedeutete eigentlich, dass auch seine Ehefrau dort gewesen sein musste, aber zwischen den Damen um die maat-hor oder die Königinmutter und Beamtengattinen bestand doch eine erhebliche Distanz. „Hm. Anchsachmets Vater kannte den meinen. Ich werde es so versuchen. - Leise jetzt.“ Ein Matrose kam heran und brachte heute morgen gebrautes Dattelbier.   So herrschte Schweigen und gerade Nefer und Merit, die selten auf dem Fluss unterwegs waren, musterten die kleinen Dörfer am Rande, die Bauern auf den Feldern. Es war bereits der vierte Monat der Jahreszeit des Sprießens, Peret, angebrochen und der Flachs wurde eingebracht. Die Getreideernten würden in den kommenden Wochen folgen, aber das war dann schon die Jahreszeit der Ernte, Schemu, und damit würde sich auch die Zeit der Hitze wieder nähern. Gegen Mittag blickten die beiden Frauen neugierig zu der großen Stadt, die sich rechter Hand erhob. Über den eng zusammengedrängten Häusern ragte der Haupttempel auf. „Iunu,“ erklärte Meruka hilfsbereit. „Der Tempel des Ra. - Oh, Rahotep, hast du die Neuigkeiten schon gehört?“ Der Arzt zuckte die Schultern. „Viele, aber keine im Zusammenhang mit dem Tempel des Ra. Dort ist doch auch die Schule der Architekten und die zweite, neue, Schreiberschule untergebracht?“ „Ja. Und der Lebende Gott, er lebe, sei heil und gesund, sagte deinem Lehrer Ramose zu, ebenfalls dort eine zweite Schule für Ärzte unterzubringen. Sobekhotep, das ist der Leiter der Schule in Iunu, soll entzückt gewesen sein. Mehr Schreiber und mehr Fortbildung. Das Lebenshaus wird dort neben dem Tempel gebaut werden, wie auch die anderen Schulen.“ „Da sind doch schon Häuser,“ warf Ptahnacht ein, korrigierte sich jedoch eilig: „Ich weiß, sie werden abgerissen und weiter draußen wieder gebaut. Dekret des Herrn der beiden Länder. Daher weißt du es auch wohl.“ „Auch, ja.“ Rahotep lächelte etwas. „Kemet braucht mehr Ärzte, ja. Jede Baustelle, jede Mine, jede Expedition, die in die Wüste zieht, benötigt jemanden. Und eigentlich jedes Dorf, jede Stadt, zumal, wenn man bedenkt, dass es so viele Augenärzte geben müsste. Zu viele Menschen werden blind.“ Gut, wenn der Horus auf dem Thron der Lebenden daran dachte. „Ich fürchte sogar, man kann nie genug Ärzte haben.“ Von Iunu aus zogen die Expeditionen und Steinsucher in die östliche Wüste und zu den Oasen. So war es nur sinnvoll, hier ebenfalls eine Ärzteschule einzurichten und nicht nur in Ibenu-hedj.   Zum Mittagessen zogen sich die Passagiere in die Kabinen zurück, zumal es tatsächlich ein wenig zu regnen begonnen hatte, um diese Jahreszeit im Delta durchaus eine übliche Erscheinung, wenn auch eine recht vorübergehende. Es gab sogar Jahre, in denen oben an der Mündung des Iteru, in den Marschen zum Großen Grünen, Schnee fiel. Aber, dachte Meruka, das war in seinem gesamten Leben nur drei Mal vorgekommen, soweit er wusste. Er blickte lieber in die Runde, schließlich warteten alle auf seine Anweisungen, wenn sie Chem erreicht hatten. „Ich werde mit Anchsachmet reden, unsere Väter kannten sich, und er ist der Stadtvorsteher. Merit, du wirst sicher in den Räumen der Hausherrin untergebracht. Vermutlich haben sie dort schon aufgeräumt. Merithor starb vor vier Wochen, wir könnten höchstens in eine Beerdigung geraten. Nefer, du verschwindest möglichst sofort zu den Dienerinnen in die Küche, Ptahnacht zu den Wachleuten. Ihr alle versucht herauszufinden, wie dieser verhängnisvolle Abend ablief, wer kochte, ob wer bestraft wurde, wer was aß. Es wird schwierig, denn es verging Zeit, aber die Leute sollten sich solch einen tragischen Zwischenfall doch gemerkt haben. Aber sie könnten auch etwas dazu erfinden. - Rahotep, du redet mit dem Arzt, Hekasobek. Natürlich unter Anteilnahme, mit Berufung auf Ramose als deinen Lehrer. Immerhin hat der an ihn auch einen Brief geschickt. Wenn wir möglichst viele Menschen befragen, könnte sich etwas Verdächtiges ergeben. Dann fahren wir weiter nach Sau, wo ja dein Onkel in den Westen ging, Rahotep.“ „Ja. Aber ich bin sicher, ich komme damit zurecht, zumal die Bestattung sicher bereits erfolgte. Es ist der Befehl des Herrn der beiden Länder. Ich kann vermutlich sogar vertrauter mit meinem Vater reden als du.“ Da hatte Rahotep vollkommen recht und Meruka war zu sachlich um nicht nur wortlos zu nicken.   Kapitel 3: Chem --------------- Kurz hinter Iunu teilte sich der große Fluss in zwei Arme, die sich später zur Mündung hin noch weiter verzweigen würden. Manchmal kamen andere Lastschiffe ihnen entgegen, das Segel gesetzt in dem stetig wehenden Wind aus Norden, der die Ruderer bei der Fahrt gegen die Strömung unterstützte. Die Götter hatten kemet wahrlich gesegnet, dachte Merit. Die Strömung half immer bei der Fahrt nach Norden, der Wind bei der Fahrt nach Süden. Der Iteru war das Leben des ganzen Landes. Die Überschwemmungen brachten fruchtbaren Boden, Reisen und Handel erfolgte über ihn, viele Fische tummelten sich, und hier, je näher man zum Delta kam, umso mehr erkannte man auch in den Dickichten am Ufer Papyrussammler und andere Leute, die Lotusknollen ernteten, Fische fingen. Die Papyrusboote der Fischer waren freilich jetzt am Nachmittag schon an Land gezogen, wie man in den Dörfern sah. Nur vereinzelt wurden noch die Reusen in Seitenkanälen geleert. Während der Mittagszeit hatten sie und Nefer sich in ihre Kabine zurückgezogen, vorgeblich, um zu ruhen, aber das Mädchen aus dem ipet war zu neugierig auf die Dinge gewesen, die ihre Partnerin an Schminksachen so bei sich führte. Einiges kannte sie, anderes war ihr fremd, da Bauersfrauen oder Fischer sich doch anders herrichteten als Personen im Palast des Lebenden Horus. Umso glaubwürdiger wirkten dann die Rollen, die sie spielten, wie ihr Nefer erklärte, durchaus angetan, die Lehrerin spielen zu sollen. „Man erkennt an der Schminke, am Schmuck, auch immer den Status der Person, der man gegenübertritt. Natürlich auch am Benehmen, aber das ist der erste Blick. Wenn, sagen wir, Ptahnacht einen Diener spielt, wird er nur eine Perlenkette um den Hals tragen, oder sogar gar nichts. Ist er Wächter des Lebenden Gottes, trägt er Waffen und einen Oberarmring, dazu das Zeichen des Upaut an der Kette. Und so weiter. Die meisten Menschen denken nicht weiter nach, und erkennen nur das, was sie sehen. Oder, sei ehrlich: wie sehr beachtest du die Dienerinnen, die um dich schwirren?“ „Schon, ich meine, wir sind zu viert in unserem Zimmer, ein Fremder würde mir da doch auffallen. Aber, ja, wenn ich in den Gang gehe und jemand dort fegt, würde ich sie immer für eine Dienerin halten und mir gar nichts dabei denken.“ Nefer lächelte. „Genau das ist es.“ „Du bist sehr klug.“ „Danke.“ Die Ältere fühlte sich tatsächlich geschmeichelt. Sie sollte ihre Vorurteile gegen Merit ablegen. Meruka war schließlich auch hochgeboren und behandelte sie fast gleichwertig. „Aber, um ehrlich zu sein, habe ich das aus Notwendigkeit gelernt, nicht ganz freiwillig. Meruka nützt es nur, wie er alle unsere Fähigkeiten nützt.“   Jetzt saß Merit, mit Nefer schräg neben sich, wieder unter dem Sonnensegel und betrachtete den Fluss. „Dort vorne ist Chem.“ Kapitän Paadiptah hatte sich auf dem Kabinendach vor bewegt um seine hohen Gäste zu informieren. „Es wird einen Ruck geben, wenn wir ans Ufer fahren, wenn ich die Damen bitten dürfte sich festzuhalten.“ „Ja, danke, Kapitän,“ gab Meruka zurück. Das kiellose Schiff würde direkt auf den sandigen Strand aufsetzen und von dort entladen werden. „Schickst du gleich Nachricht an den Stadtvorsteher?“ „Ja, natürlich, wie du möchtest, ehrenwerter Vorsteher der Schreiber.“ Diese Passagiere waren pflegeleichter als so manche, die er schon gefahren hatte. Still, leise, keine Sonderwünsche, höflich. War das etwa, weil sie eben dermaßen hochrangig waren, es gar nicht nötig hatten ihre Stellung zu zeigen? Er zog sich zurück, um seinem Schwager und dem anderen Steuermann kurz Anweisungen zu geben. Das Schiff musste jetzt gegen die Hauptströmung hinüber an das östliche Ufer gelenkt werden. Chem, wie jede Stadt, lag auf dem Ostufer, jenseits des Flusses befanden sich die Gräber. Der Westen war das Land der Toten.   Merit betrachtete die näher kommende Stadt. Sie war, wie so viele. Weißgekalkte Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln, die sich zu schmalen Gassen zusammenduckten, der steinerne Haupttempel war in der Mitte zu erkennen. Auch die Häuser darum, Lager, Wohnungen und ähnliches, waren aus Ziegeln. Nur Gräber und Tempel wurden in Stein für die Ewigkeit gebaut. Sie sah beiseite. „Wir werden in das Haus des Stadtvorstehers gebracht?“ „Ja. Sein Name ist Anchsachmet. Ich bin sicher, du wirst passende Unterkunft finden, Meresanch.“ Er war beruhigt, dass sie sich an die Vorgaben hielt. Sie war doch erst zum zweiten Mal bei einer solchen Ermittlung dabei, aber sie hatte wohl im ipet gelernt vorsichtig zu sein. Und Nefer wirkte auch entspannter seit der Mittagspause. Vielleicht verstanden sich die beiden Damen doch besser, als er es schon befürchtet hatte.   Anchsachmet, das Stadtoberhaupt, wurde beim Abendessen von dem außer Atem ankommenden Boten überrascht, der ihm die wichtigen Gäste ankündigte. Der Herr von Chem und des dazugehörigen Gaus schluckte hastig. Ein Vorsteher der Schreiber des privaten Büros des Lebenden Horus wäre schon ein Besuch, der aller Aufmerksamkeit bedurfte. Dazu aber noch der Hinweis, die junge Dame in seiner Begleitung sei im Rang einer Königstochter … nun ja. Da galt es Höflichkeit und Bereitschaft zu zeigen. Die Befehle, die seine Lippen geradezu gewitterartig verließen, ließen die Dienerschaft eilig losrennen und Gästezimmer herrichten, das Abendessen deutlich erweitern und Plätze mit den kleinen Tischchen aufzubauen, seine Kinder sich hastig zurückziehen – und die Küche in hektischste Betriebsamkeit verfallen. Anchsachmet selbst überprüfte kurz sein Äußeres, ehe er sich scheinbar gelassen auf seinen Sessel auf der Empore des Empfangssaales setzte. Er war Mitte Dreißig, Vater von vier noch lebenden Kindern und seit vier Wochen Witwer. Leider, dachte er. Merithor war in den Westen gegangen und hatte ihn nicht nur mit den Kindern, sondern auch nun mit dem Problem allein gelassen, wie man eine Königstochter ihrem Rang entsprechend versorgen sollte. Die Beerdigung war erst vor wenigen Tagen geschehen – und er vermisste nicht nur das Lächeln seiner Frau schrecklich. Sie war seine Ratgeberin gewesen, sein Halt in allen kritischen Lagen. Sie hatte ihn in seiner Laufbahn unterstützt, geholfen, ihn zu einem Stadtvorsteher und adjmer, einem Gauvorsteher, zu machen. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren war er in einer kritischen Lage ohne ihren Rat, ihre Hand auf der Schulter, und er hoffte, wenigstens ihr Ka würde ihm beistehen können. Solch ein hoher Beamter und eine Königstochter kamen vielleicht wirklich nur um der Übernachtung willen zu ihm – aber, wenn sie sich bei dem Horus auf dem Thron der Lebenden beschwerten … Oh, er wollte gar nicht daran denken, dass nicht nur er in den Steinbrüchen zur Zwangsarbeit verurteilt werden konnte, sondern auch seine Kinder irgendwo für den Herrn der beiden Länder arbeiten mussten. Berufsverbote für den Vater wirkten sich auch auf die folgende Generation aus.   So musterte er keine halbe Stunde später seine Gäste. Ja, ein Schreiber des Herrn der beiden Länder, dazu mit Amtsstab. Zur gewissen Erleichterung trug dieser Meruka nur die üblichen Amulette seines Berufs: die Göttin Seschat, Halsketten, die er sicher, den Steinen und der Qualität nach, vom Lebenden Gott geschenkt bekommen hatte. Das Mädchen neben ihm trug die neueste Hofkleidung, und Anchsachmet, wie alle Beamten, war oft genug in Ibenu-hedj um das abschätzen zu können. Das kupferne Diadem um ihre Perücke deutete auf extrem hohen höfischen Stand hin, wenn auch nicht auf den einer Königstochter, denn die trugen vorn Gazellenköpfe. Nun, vielleicht sah das auf Reisen auch anders aus? Ein Mann mit Lanze und Dolch im Strick an der Hüfte war an der Tür stehen geblieben. Von hier aus konnte der Hausherr das Amulett nicht genau erkennen, aber er war sicher, dass das einen liegenden Schakal darstellte: Upaut, der Wegöffner, einer der Begleiter des Horus. Und das trugen nur die Leibwachen des Herrn der beiden Länder. Der dritte Mann war eindeutig ein Arzt, das konnte man schon an seinem Koffer sehen, wie auch an dem Amulett der Neith und dem Horusauge, das er trug. Leibarzt des Horus, also. Meruka neigte höflich den Kopf und so sagte der Ortsvorsteher hastig: „Ich heiße dich, Vorsteher der Schreiber und deine Begleitung in Chem willkommen. Wünscht ihr bei mir zu übernachten?“ „Das wäre in der Tat sehr freundlich. Wir sind auf dem Weg nach Sau und Pe-Dep. - Oh, ich hörte, deine Frau sei verstorben. Möge ihr Ka glücklich sein.“ „Danke, ja. Wir hatten vorgestern die Beerdigung. - Deine Begleitung ….“ „Oh, wenn du Meresanch und ihre Dienerin in die Frauengemächer lassen würdest? - Das ist Rahotep, königlicher Leibarzt. Er, und meine Wenigkeit, haben die Aufgabe diese Reise zu begleiten.“ Das klang geheimnisvoll und interessant. Vielleicht würde der hochrangige Schreiber ihm mehr erzählen? War das nicht der Sohn von einem von Vaters Bekannten? Und nun der Stiefsohn des Sieglers des Königs? Vielleicht konnte er alte Erinnerungen auffrischen und so erfahren, was los war? „Natürlich. Aber darf ich euch zuerst zu einem Abendimbiss einladen, ich bestellte schon in der Küche, als ich hörte, das ihr kommt. Das Reisen auf dem Iteru mag bequem sein, aber richtig zu Essen erhält man doch an Land. - Oh, dort kommen sie schon mit den Schüsseln zum Händewaschen. Bitte, nehmt doch Platz.“ Er sah durchaus interessiert, wie der hohe Beamte unauffällig dafür sorgte, dass diese Meresanch neben ihm zu sitzen kam, obwohl gewöhnlich Frauen und Männer sich gegenüber saßen. Aber es gab ja keine Hausherrin. Sie war also die eigentliche Hauptperson. Ihre Dienerin ließ sich hinter ihr nieder. Sie würde sich bestimmt später etwas in der Küche holen können. Dann erst nahm Meruka Platz und der Arzt. Damit war die Reihenfolge eindeutig geklärt. Er besann sich auf seine Gastgeberpflichten, während die Diener die Schüsseln zum Handwaschen herumtrugen, und die Gäste sich die Hände mit der parfümierten Mischung aus Natron und Pottasche abrieben, die jedermann in kemet nutzte – nur einfache Leute natürlich nicht nach Lotus duftend. „Oh, Rahotep, wenn ich dich so ansprechen darf, königlicher Leibarzt. Vielleicht hast du später Lust mit meinem Arzt zu sprechen? Hekasobek war ebenfalls einst Schüler im Haus des Lebens in Ibenu-hedj, so dass ihr vielleicht gemeinsame Bekannte habt.“ Rahotep nickte prompt, da das ja auch seine Aufgabe war. Von Arzt zu Arzt redete es sich leichter – und er musste dann nur zusehen, was er seinem eigentlichen Vorgesetzten erzählen konnte und was unter das Arztgeheimnis fiel. „Das wäre sehr freundlich von dir, Stadtvorsteher. Ich glaube sogar, er lernte bei meinem eigenen Lehrer, dem Ältesten des Lebenshauses.“ „Das mag sein, ich erinnere mich nicht genau. - Hekasobek lebt und arbeitet drüben am Tempel, mit seinem eigenen Lehrling. Dort behandelt er auch alle Patienten. Fast alle.“ Denn natürlich war der Arzt zu Merithor gekommen, als es ihr so schlecht ging. Aber gewöhnlich machten Ärzte in kemet keine Hausbesuche, sondern die Patienten kamen zu ihnen. „Wenn du möchtest, lasse ich dir den Weg zeigen, natürlich nach dem Essen.“ „Vielen Dank,“ sagte der Leibarzt des Lebenden Gottes höflich. Gut, damit war schon einmal sein Auftrag erleichtert und er konnte, wie Meruka es wollte, mit seinem Kollegen ein wenig diskret plaudern.   Nach dem Essen wurden Merit und Nefer in die Frauengemächer begleitet, natürlich mit dem Hinweis, dass die Hausherrin in den Westen gegangen war und leider noch nicht alles wieder so sei, wie es sollte. Merit nickte nur und blickte sich um. „Es ist reizend eingerichtet. Und die Fahrt hat mich doch ermüdet. - Nefertari, ich werde auch ohne dich zurecht kommen, wie ich hier sehe. Schminke mich nur ab, dann geh in die Küche und besorge dir etwas zu essen.“ Eine Handbewegung, die sichtlich langer Gewohnheit entstammte, schickte die übrigen, durchaus neugierigen, Dienerinnen des Hauses hinaus. Nefer lächelte. „Danke, meine Herrin. Wie großzügig.“ Und leiser: „Man merkt, dass du das schon öfter gemacht hast, perfekt. Komm ins Bad, ich sollte mich beeilen. Die Frauen sind sicher neugierig. Du wirst hier allerdings kaum etwas herausfinden können.“ Merit zuckte die schmalen Schultern, folgte aber ihrer Kollegin in das kleine Bad. „Wie sagt Meruka so schön: aufmerksam bleiben sei alles?“ „Gut, dass du dir das gemerkt hast. Ich gehe in die Küche und rede mit dem Personal, genug Vorwand habe ich. Und sie werden neugierig auf das Leben bei Hofe sein. Ich denke, Ptahnacht und Rahotep kommen dann auch hierher, auch Meruka. Unser Vorgesetzter benötigt die Berichte.“ Merit wollte einen Moment um ihre Tugend besorgt werden, aber sie dachte dann daran, dass ihre Kollegen das sicher schon öfter so getan hatten und auch vorsichtig sein würden. So ließ sie sich nur das weiße Puder abwischen, die Lidstriche und Farbe um die Augen, das Diadem abnehmen. „Danke, Nefer, geh nur, den Rest schaffe ich allein.“ Das mit hellem Ocker eingefärbte Puder schützte das Gesicht vor dem stets leicht wehenden Sand, der bis in die Häuser vordrang. Überdies ließ es die Haut blasser erscheinen und damit interessanter. Da sie sich auch prompt allein fand, zog sie sich die Ketten ab und den anderen Schmuck, legte die Perücke sorgfältig ab. Darunter trug sie ihr eigenes Haar sehr kurz geschnitten. Dann löste sie den Umhang und das langärmelige Oberkleid. Hier im Haus war es doch deutlich angenehmer, zumal die Pfannen nicht nur Licht sondern auch Wärme gaben. Zugegeben, wie im Sommer unbekleidet mochte sie nicht schlafen, aber sie hatte ein leichtes Hemd dabei. Zusätzlich waren ihr Decken hingelegt worden. So viele, dass sie bestimmt Nefer etwas davon geben konnte, die nur eine Decke und eine Nackenstütze zum Drauflegen zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Sie selbst hatte ihre eigene natürlich dabei, die für ihre Schulterbreite maßgefertigt worden war. Dann legte sie sich auf das Bett und bettete die Schläfe auf das kühle Akazienholz. Bis die Anderen kamen, konnte sie auch schlafen.   Sie fuhr in der Tat erst auf, als sie unbewusst die Gesellschaft eines anderen Wesens spürte. Meruka, der gerade behutsam durch die Tür kam und das Rollo hinter sich wieder schloss, lächelte in gewisser Anerkennung. „Vorsichtiges Mädchen, gut.“ Er kam heran und setzte sich ohne weitere Umstände auf ihr Bett. „Du hast nichts in Erfahrung bringen können.“ „Nein.“ Sie wies auf den leeren Raum um sie. „Die Anderen werden bald kommen. Morgen früh geht es weiter nach Sau. Warst du dort schon einmal?“ „Nein. Aber ich dachte, Rahotep stammt von dort.“ „Ja. Sein Vater ist der Gauvorsteher, und sein Onkel war der Stadtvorsteher. Der starb. Wir werden sehen, ob sein Vater in Sau ist. Als Vorsteher ist er auch zuständig für die militärische Absicherung der Grenzen kemets gegen die libyschen Stämme, die gerade um diese Jahreszeit gern ins Delta einfallen, um Tiere und Ernten zu rauben. Als Wächter der westlichen Grenze, wie dieser Titel lautet, ist es ihm gestattet ohne Rücksprache mit dem Lebenden Horus ein Heer aufzustellen, aus seinem Gau und bis hier, Chem hinunter.“ „Das sind dann kaum nur fünfhundert Mann.“ Man merkte ihre Ausbildung an der Palastschule. „Nein, ich denke um die fünfundzwanzigtausend, im Notfall. Er genießt das Vertrauen des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund.“   Als die anderen drei der Gruppe ebenfalls fast lautlos hereingekommen waren und sich ebenso formlos auf Merits Bett setzten, zog diese die Beine an und richtete sich ebenfalls lieber auf. Meruka sah von einem zum anderen. „Beginnen wir bei dir, Ptahnacht. Nach deinem Bericht bewache die Tür.“ Der Krieger nickte. „Alle bedauern den Tod der Dame, sie scheint sehr reizend gewesen zu sein. Anchsachmet trug sie auf Händen. Vier Kinder, der älteste Sohn zehn. Er hatte noch zwei ältere Geschwister, aber die starben. An dem fraglichen Abend fiel auch niemandem etwas auf, die Küche kochte, die Familie aß zusammen, mit einigen Gästen aus der Stadt. Ein Unbekannter kommt nachts hier nicht herein, es ist doch der Sitz des Stadtvorstehers und alle Tore werden verschlossen, das Haupttor bewacht, bis alle Gäste weg sind. Nach einigen Stunden alarmierten Dienerinnen den Herrn und der schickte eilig um den Arzt. Der kam auch, und nach zwei Tagen war Merithor im Westen.“ „Danke. Geh zur Tür. - Was sagt der Arzt, Rahotep?“ Der zuckte die Schultern. „Er steht vor einem Rätsel. Die Symptome, wie er ja bereits in dem Brief geschrieben hatte, erinnerten ihn an eine bestimmte Lebensmittelvergiftung. Aber es traf nur Merithor. Keinem Gast, keinem der Kinder, wurde auch nur schlecht oder er bekam Fieber. Ich fragte ihn, ob sie vielleicht irgendetwas nicht mochte und darum etwas anderes als alle anderen aß, aber das verneinte er. Sie war ja die Hausherrin und sie sagte, was serviert wird. Das Essen wurde auf großen gemeinsamen Platten gebracht und jeder nahm sich oder bekam, die Kinder, einen Teil davon. Es gab Brot, Obst, Fleisch von Enten und Rind und zum Nachtisch Datteln in Wein eingelegt. Das Rind stammte, soweit er weiß, aus den eigenen Herden hier vor der Stadt, die Datteln in Rotwein und der Weizen für das Brot aus den Vorräten des Palastes des Harpunierenden Horus.“ Meruka blickte zu Nefer. „Du warst in der Küche?“ Diese nickte. „Ja. Und sie waren dort alle etwas empört, aber vor allem tief betroffen über den Tod der Herrin des Hauses. Merithor genoss wohl einen vorzüglichen Ruf. Empört deswegen, weil auch schon der Arzt bezüglich der Nahrungsmittel nachfragte und sie sich weder einer Schuld bewusst waren, noch ihnen klar war, wo ihr Fehler gelegen haben könnte. Das Bier, das dazu getrunken wurde, wurde aus der großen Brauerei der Stadt geholt. Frisch am Tage gebraut und an hunderte Menschen verteilt. Das Brot aßen alle, das wurde hier im Haus gebacken, das Obst stammte aus den Gärten Anchsachmets. Kurz, sie sagen, es hätte nichts gegeben, was nicht mindestens einer bis viele auch gegessen haben. Deswegen schließen sie eine Lebensmittelvergiftung vollständig aus, zumal sie für Fleisch und anderes auch ein Kühlhaus haben. Und, natürlich, es auch die kälteste Jahreszeit ist.“ „Hm. Doch der Weizen?“ Der Gruppenleiter blickte zu Rahotep. „Du sagtest doch es gibt eine Getreidekrankheit?“ Der Arzt nickte. „Aber, wie gesagt, das betrifft dann ein komplettes Feld. Ein ganzes Dorf und die Ernte, wohin auch immer diese geliefert wurde. Das sieht man und lässt sich nachverfolgen. Das mit Fieber und Ersticken sind Fälle, die kein Arzt behandeln kann – und so gut wie immer tödlich. Aber, auch noch einmal muss ich darauf bestehen: das passiert nicht einem Einzelnen, sondern einer Familie, oder wer auch immer davon isst. Verdorbenes Fleisch oder auch Gemüse scheint die Hauptursache zu sein. Das kann es bei Merithor jedoch nicht sein.“ „Doch ein zielgerichtetes Attentat,“ vermutete Nefer. „Aber sie war beliebt – und was ist mit den anderen Toten?“ Meruka legte unwillkürlich seine Hand an die Schutzgöttin der Schreiber Seschat, die er an seinem Hals trug und ihn schützen sollte. „Im schlimmsten Fall haben wir es mit jemandem zu tun, der ein unbekanntes Gift verwendet und es willkürlich ausprobiert. Nur, warum sollte jemand das tun?“ „Oder ein Versehen.“ Rahotep dachte nach. „Wenn ein Schiffer, der Essen vom Palast des Harpunierenden Horus verteilt, an irgendeiner unbekannten Seuche erkrankt ist und immer nur einzelne Teile der Ladung berührt ….“ „Ich werde nachdenken,“ beschoss der Gruppenleiter. „Und wir fahren morgen nach Sau. Ich denke nicht, dass wir hier noch viel mehr in dieser Nacht erfahren werden.“   Kapitel 4: Zur Festung "Der Schrecken vor den beiden Ländern" ------------------------------------------------------------- Am folgenden Tag, an Bord der „Wildstier“, zog sich Meruka in die Kabine zurück und legte sich, gegen die Regeln, mit unter dem Kopf verschränkten Armen hin und schloss die Augen. Es war Zeit nachzudenken und für morgen Abend einen Plan zu haben. Heute Nacht würden sie auf einer Sandinsel irgendwo am Ufer des Iteru übernachten, oder in einem kleinen Dorf, die hier, im Überschwemmungsgebiet, nun in der Trockenzeit wieder besiedelt waren. Diese waren alle auf Sandhügeln angelegt, wurden aber bei höheren Fluten überschwemmt. Erst morgen, oder gar übermorgen, würden sie in Sau eintreffen, der Stadt der Neith. Nach allen Aussagen, auch, was Anchsachmet ihm selbst erzählt hatte, war bei dem Abendessen, an dem Merithor offenbar erkrankte, nichts Ungewöhnliches geschehen. Das Haus selbst war bewacht, abgeschlossen, alles verlief in geordneten Bahnen, wie es sich gehörte. War etwa das Essen gar nicht Schuld an dem Tod der Dame gewesen? Aber die Ärzte waren sich einig, dass die Symptome auf eine besondere Vergiftung durch Lebensmittel hindeuteten. Vor allem das Ersticken am Schluss. Aber, wenn alle Personen, gerade auch die Kinder, das Gleiche gegessen und getrunken hatten – wo hätte da das Gift liegen sollen? Niemand anderer zeigte auch nur eine Krankheit oder starb. Überdies, was sollte das für ein Lebensmittel sein, dass nur eine Person aß? Noch dazu immer nur ein Opfer in sieben verschiedenen Fällen und Orten? Hätte es nur Kinder getroffen, hätte man schließen können, dass sie eben zu schwach waren. Aber Merithor war eine gesunde Frau gewesen, die ihre sechs oder sieben Schwangerschaften gut überstanden hatte, alle ihre Kinder waren lebendig zur Welt gekommen, wenngleich die beiden Ältesten in den schweren Jahren zwischen drei und fünf verstorben. Aber hohe Kindersterblichkeit war leider nur zu üblich. Auch seine Mutter hatte mehr Kinder geboren als ihn – und nur er lebte. In Sau hatte es den Stadtvorsteher getroffen, Rahoteps Onkel, ein Mann in den besten Jahren. Was nur hatten diese Personen gemeinsam? Nichts, im Prinzip, außer, dass sie alle etwas gegessen hatten, das aus dem Palast des Harpunierenden Horus und dessen Domänen stammte. Oder war genau das der Denkfehler? Das war das Offensichtliche. Gab es noch eine andere Gemeinsamkeit, an die niemand dachte, weil die Orte zwar alle im Delta lagen, aber doch recht weit auseinander? Tagesreisen? In Chem konnte er niemand mehr fragen, aber in Sau sollte es mit Rahotep als Familienmitglied möglich sein, herauszufinden, was außer Lebensmitteln noch geliefert wurde. Manchmal wurden auch Salböle oder ähnliches als Geschenke des Herrn der beiden Länder verteilt. Da sollte er Nefer fragen, die gewiss von der Herstellung von ihnen allen die meiste Ahnung hatte. Nicht das Essen, vielleicht brachte ein unscheinbares Fläschchen den Tod. Männer, Frauen, Kinder schminkten sich, zumal in den höher gestellten Familien, wie lieber umso mehr mit einem Ehrengeschenk des Lebenden Gottes. Ja, sicher, solch eine wertvolle Gabe geriet nur in die Hände der Familien der hohen Beamten. Ein Gift, das womöglich die gleichen Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung aufwies. Trotz allem, wie lange die Ausbildung dauerte und wie erfahren und fähig die Ärzte in kemet auch waren – damit würde niemand rechnen. Und Meruka war seinerseits erfahren genug, um zu wissen, dass man nur finden konnte wonach man suchte. Gleichzeitig bat er Ptah und Sachmet, die Schutzgötter von Ibenu-hedj, dass es doch alles nur Zufall wäre und kein Mörder herumlief, der in diesem Fall überaus wahllos mordete. Andererseits - auch ein Fehler bei der alltäglichen Routine der Salbölherstellung mochte solche fatale Folgen haben. Nun, genau das war sein Auftrag. Und er würde seinen Gott nicht enttäuschen. Oben an Deck unter dem Sonnendach beobachtete Merit die fruchtbaren Felder und Wiesen, die sich allerdings zumeist hinter den Papyrusstauden verbargen. Sie entdeckte allerlei Vögel im Schilf. „Sieh nur, ein Wiedehopf!“ Nefer, die annahm, dass ihre neue Kollegin versuchte solcherart ihre Rolle zu spielen, meinte höflich: „Du kennst dich gut mit den Tieren am Nil aus. Lernt man das in der Palastschule?“ „Ein bisschen, aber meine Eltern stammten ja aus Per-Bastet im Delta, wenngleich weiter im Osten. Mein Vater war der Stadtvorsteher, aber auch ein wichtiger Beamter am Hofe des Herrn der beiden Länder. So reisten wir oft hin und her. - Nun ja, jetzt am Vormittag wird man keine Ginsterkatze sehen. Sie schleicht sich immer durch den Papyrus und stiehlt Vogeleier. Das habe ich als Kind einmal gesehen.“ Merit redete etwas lauter als nötig, da sie bemerkte, dass der Kapitän Paadiptah auf dem Dach der Kabine über ihnen stand. Nefertari kannte aus Erfahrung die Bedeutung einer solchen betonten Rede. „So hattest du eine sehr lebhafte Kindheit, Herrin. Ich war ja stets nur in meinem Dorf, bis mich der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, zu sich befahl. Und dort gibt es am Iteru keine Schilfpflanzen.“ „Ach, ja, du kommst ja aus der Gegend von Abu, auch, wenn man deinen Dialekt fast nicht hört. Woher bekommt ihr dann den Papyrus?“ „Das weiß ich nicht. Ich denke, er wird eben eingetauscht, gegen andere Waren, wie es üblich ist.“ Nefer war erst wenige Male im Delta gewesen und noch nie zu dieser Zeit, wenn die Flachsernten eingebracht wurden, die Rinder Kälber warfen, alles grünte und blühte. Verglichen mit dem schmalen Fruchtland, das in ihrer Heimat nur direkt am Fluss lag, während dahinter gleich die steinigen Berge der Wüsten aufstiegen, ein Paradies. Kein Wunder, dass die Hirten die Herden bis hierher trieben, um hier das Kalben und Aufwachsen der Jungtiere zu fördern. „Ja, es wird getauscht,“ mischte sich Ptahnacht ein, dem langweilig war. „Gegen Ziegen oder Papyrus bekommt man schon einen feinen Schurz aus Leinen oder auch die doppelte Menge an Brot, jedenfalls im Süden. Ich war zwar schon in Nechen und so, aber stets im Gefolge des Herrn der beiden Länder, da hat man keine Zeit zu handeln. Und man ist wohlversorgt. Aber, Herrin, du musst bedenken, dass Papyrus ja nur die Schreiber benötigen. Und wie viele gibt es schon. Außer am Hofe des Horus, er lebe, sei heil und gesund. - Oh, wenn ich fragen darf, ich hörte, dass die Königstöchter bei den Jungen ausgebildet werden, ebenso in die Schreiberschule gehen.“ „Ja,“ sagte Merit ehrlich. „Allerdings gab es einen kleinen Vorteil. Wir wurden nicht geschlagen wie die Beamtensöhne, wenn sie Fehler machten. Aber es war das gleiche Arbeitspensum. Man sitzt stundenlang da und schreibt, was der Lehrer aus den alten Schriften vorliest, dann wird mit Rot korrigiert. Jungen, die zu faul waren, wurden geschlagen oder auch gefesselt, um sie an den Sinn dieser Übungen zu erinnern. Später kamen dann auch Rechenaufgaben dazu. Und natürlich war ich mir, eigentlich wir alle, uns des Privilegs bewusst. Mädchen können doch nur wenige Lesen und Schreiben lernen, noch weniger als Jungen. Aber die Damen der königlichen Familie müssen das natürlich beherrschen – und auch die, die für sie arbeiten.“ „Aber ich dachte, keine Frau darf einem Mann befehlen?“ erkundigte sich Ptahnacht. „Also, Verzeihung, Herrin ….“ Er bedachte den Kapitän. „Du bist neugierig, Wächter,“ tadelte Merit auch prompt. „Nun, das wäre schlimm, wenn es so wäre. Eine Regentin, wenn der Horus noch ein Kind ist, muss allen befehlen. Und auch die Königinmutter, die maat-hor, alles, was sie sagen, wird ihnen getan. Und eine private Schreiberin der Königinmutter, die deren Befehle an deren Domänen weitergibt ….Wo ist das Problem? Jede Herrin eines Hauses befiehlt ihren Kindern, ihren Knechten.“ „Ich bitte um Entschuldigung. Höre, oh Bekannte des Königs … ich wollte dich nicht verärgern.“ Ptahnacht warf einen Blick empor, aber Paadineith hatte sich wieder zu seinen Ruderern zurückgezogen. So lächelte er flüchtig, ehe er leise ergänzte, um auch von den Ruderern nicht mehr verstanden zu werden: „Du hast es drauf, Merit, muss ich sagen. Diesen vermutlich unbewussten Kommandoton.“ „Ich habe nun einmal den Rang der jeweils jüngsten Königstochter.“ Aber sie lächelte ebenfalls, um lauter zu erwähnen: „Ich werde mich jetzt zurückziehen und in der Kabine ein wenig Schutz suchen. Nicht, dass die Sonne noch meine Haut bräunt und ich wie eine Bauersfrau aussehe.“ „Der Ocker und die Kreide schützen,“ erwiderte Nefer, um sich zu verneigen und leise zu sagen: „Aber ja, komm nur, hier sind mir zu viele Zuhörer.“ Natürlich würden sie sich in ihre eigene Kabine zurückziehen, nicht in die, in der Meruka angeblich schlief.   Ptahnacht setzte sich etwas aufrechter hin. Er stammte aus einem Fischerdorf an der Meeresküste und musterte noch immer fasziniert die Boote und Reusen, die schwer beladen mit allerlei Fischen nun an Land geschafft wurden. Vor allem natürlich Barsche, die angeblich so groß wie ein Mann werden konnten, aber auch andere kleine Fische, vor allem Äschen, aber auch Hechte und Aale. Er hatte gehört, dass es Waller gäbe, deren Fleisch alles andere als wohlschmeckend sei, aber dafür auch noch giftige Dornen in der Rückenflosse besaßen. Aus seiner Kindheit erinnerte er sich natürlich nur an Meeresfische, wie Rochen, Schwertfische, Drückerfische, aber auch Langusten, Muscheln und vieles andere. Aber Meeresfische waren schwerer zu fangen als hier am Nil. Gerade in den nun ruhigen Kanälen und Armen drängten sich geradezu die Fische um diese Jahreszeit. Zur Zeit der Überschwemmung, im achet, war es fast unmöglich zu fischen, wenn das Hochwasser strudelnd die Dörfer versenkte und das weite Land des Deltas in eine gigantische Wasseroberfläche verwandelte. Selbst von manchen Tempeln ragten nur noch die steinernen Pylonen der Eingänge aus den Fluten des Iteru, der dann natürlich der Gott Hapi war. Umso wichtiger war es nun, möglichst viel Fisch zu fangen, natürlich auch frisch zuzubereiten, aber auch in der Sonne an langen Leinen zu trocknen, um Vorrat für die drei Monate des Wassers zu haben. „Schlafen unsere Gäste?“ Ptahnacht sah auf und lächelte den Arzt an. Rahotep nahm Platz. Er hatte einen Ruderer behandelt, der sich einen tiefen Riss am Arm zugezogen hatte, um eine Hitze des Körpers und eine Entzündung zu vermeiden. Der Kapitän nutzte es, dass er einen königlichen Leibarzt an Bord hatte. Rahotep hatte, wie jeder Arzt, stets wichtige Zutaten in seiner Tasche, für solch einen Fall Küchenzwiebeln und Honig, sowie Blätter der Nilakazie. Allerdings waren diese Dinge für die Kollegen gedacht, da sie sich so manches Mal im Auftrag des Herrn der beiden Länder Verletzungen zugezogen hatten. So erwiderte der königliche Wächter: „Du kennst doch vornehme Damen. Meresanch fürchtet die Sonne. - Den Vorsteher der Schreiber habe ich lange nicht gesehen.“ Das bedeutete für Rahotep, dass sich ihr Vorgesetzter und die Damen vermutlich unterhielten – und hier zugehört werden konnte. „Nun ja, mir soll es recht sein wenn sie nichts von mir wollen.“ Er lehnte sich gegen die Kabine. „Weißt du, wie lange es noch bis Sau ist?“ Ptahnacht war ein wenig überrascht, stammte sein Kollege doch von dort, meinte jedoch: „Der Kapitän meinte heute Abend übernachten wir auf einer Insel. Nun, keine richtige Insel, ich vermute doch, dass er uns die Nilpferde und Krokodile vom Hals halten will. Dort liegt eine Festung, um den Weg hinüber in das Tal des Natron zu schützen. Sie heißt der Schrecken vor den beiden Ländern.“ „Ah, ich erinnere mich. Von dort aus sind wir einmal zu einer Strafexpedition gegen die Libyer, die tehenu, aufgebrochen. Der Lebende Gott selbst nahm daran teil, er lebe, sei heil und gesund. - Dann werden wir übermorgen in Sau sein.“ „Ja. Warst du schon einmal dort?“ „Ja. Du?“ Harmlos bleiben, Gespräche führen, die die Ruderer oder auch den Kapitän nicht misstrauisch machen würden, das war wichtig. Meruka und die Damen würden ihren Part übernehmen. Und wer wusste schon, was noch alles auf sie wartete.   Meruka hörte, dass die Damen sich zurückzogen und richtete sich auf, ordnete etwas den verrutschten Schmuck, seine Perücke. Er musste mit Nefer reden. So wartete er kaum, bis die beiden Frauen ihre Kabine betreten hatten, sondern huschte gleich hinüber und fing das Rollo ab. Nefer fuhr prompt herum, erkannte ihn jedoch sofort. Er bedeutete hastig leise zu sein. „Ich habe eine Frage,“ gab er gedämpft an. Beide Frauen nahmen Platz und sahen ihn an, bis er sich neben der Kiste niedergelassen hatte. „Zeig mir deine Schminkartikel, Nefer. Was davon würde der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, als Geschenk oder Ehre geben?“ Nefertari öffnete den Deckel. „Ich muss nur deine Waffen beiseite legen,“ murmelte sie und legte diese auf den Teppich. „Nun ja, sicher diese Juwelenfarben für die Augen. Sie werden schon gemahlen, meist, und dann als feste Paste vergeben. Man nimmt dann nur einen Pinsel aus Binse mit Wasser und streicht sich die Lider an. Aber natürlich vor allem auch Salböle aller Arten. Je kostbarer, umso höher die Ehre.“ Sie unterdrückte ihre Frage, was er damit wollte. Das sollte er als doch Vertrauter des Lebenden Gottes eigentlich wissen. „Wenn wir in Sau sind, wird sich Rahotep vor allem mit seiner Familie unterhalten. Aber fragt ihr die Damen des Hauses, denn seine Mutter und Schwägerin leben dort, auch seine Tante, die durch den Zwischenfall Witwe wurde. War unter den Geschenken nicht nur Essen, sondern auch Leinen oder Salböl oder anderes. Es ist nicht gesagt, dass nicht in der Salbenherstellung ein, durchaus tödlicher, Fehler passiert ist.“ „Ja, das klingt logischer,“ meinte Merit leise. „Es starb ja immer nur einer. Und selbst Kinder werden eingeölt.“ Es schützte die Haut vor dem stetigen Sand und der stechenden Sonne. „Schon,“ wandte Nefer ein. „Aber, soweit ich weiß, werden große Krüge von Öl aller Arten hergestellt. Dann werden die Pflanzen gesucht, wie Lotos, und in Tücher gewickelt und darüber ausgepresst. Das tropft in das Öl und das erhält dadurch den Duft. Das macht niemand allein. Und die Krüge sind doch recht groß. - Oh.“ Sie hatte ihren Gedankenfehler erkannt und nahm ein Fläschchen aus blaugrüner Fayence aus der Kiste. „Das hier ist Horusöl, das wertvollste. Ich sah noch nie, dass es größer abgepackt war. Aber ich weiß auch nicht, was darin ist.“ „Es riecht mild,“ meinte Merit. „Und, um ehrlich zu sein, es ist immer so klein, eben, weil es kostbar ist. Außer dem Herrn der beiden Länder selbst erhalten es nur hohe Günstlinge und die königliche Familie. Es muss sehr schwer zum Herstellen sein. Aber ich hörte, dass einige Leute in ihren Gräbern sich das Öl für die Schilffelder des Westens auf ihren Opfertafeln bestellen. Zusammen mit anderen Ölen. Es sind, denke ich, immer mehrere. Für den Körper, die Lampen, zum Kochen.“ Nefer nickte und blickte zu ihrem Vorgesetzten. „Das meinst du. Öl, so kostbar, dass es eine hohe Ehre ist. So etwas Feines lässt doch kein Stadtvorsteher oder hoher Beamter stehen. Er schenkt es seiner Frau oder nimmt es selbst her, nicht wahr?“ „Ja, daran dachte ich,“ gab Meruka zu. „Denn wir müssen herausfinden, ob es einen Fehler in der Herstellung gibt – oder es jemand absichtlich tut. Gleich, was es ist, jeder Tote ab nun geht auf uns.“ Beide Frauen nickten.   Die Festung „Schrecken vor den beiden Ländern“ lag auf der Westseite des großen Flusses und überragte das kleine Dorf, das sich dort gebildet hatte. Die Festung selbst war aus Lehmziegeln erbaut, von einer hohen Mauer umgeben. Fast hundert Krieger waren hier stetig stationiert, im Augenblick allerdings nur eine kleinere Einheit, wie die Besucher rasch erfuhren. Der Gauvorsteher und Wächter der westlichen Grenze, Rahoteps Vater Merigeb, hatte alles an Männern, was zu dieser Zeit zu entbehren war, zu einem Zug gegen die Libyer aufgefordert. Daher war der derzeitige Kommandant der Festung kaum vierzehn Jahre alt und begrüßte den hohen Besuch bemüht höflich – und erfreut, denn er erkannte seinen Cousin. Merira war der Sohn des verstorbenen Merinut, und erst vor drei Tagen nach der Beerdigung seines Vaters in Sau hierher zurückgekehrt. Da sich die Damen höflich zurückzogen, in ein winziges Gästezimmer im Dorf, wo ihnen die Frauen behilflich sein sollten, und Ptahnacht ihnen als Wächter folgte, sah der junge Mann von dem ranghohen Vorsteher der privaten Schreiber des Horus zu seinem Cousin. Meruka ahnte, dass Merira erzählen wollte, nun, das wäre in ihrer aller Sinn. So meinte er nur: „Es scheinen die tehenu nie Ruhe geben zu wollen. Ich selbst nahm schon an einer Strafexpedition teil, die der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in höchsteigener Person anführte. Daher kenne ich diese Festung. Es mag schon acht Jahre her sein.“ Der junge Festungskommandant nickte. Natürlich konnte man solch einem hochrangigen Beamten, der sicher jeden Tag den Lebenden Gott erblickte, gar ihn reden hörte, auch alles sagen. „Ja, die Libyer haben eine Karawane in die Oasen abgefangen und eine Reihe Waren erbeutet, dazu auch einige Herden, die auf dem Weg zu den Weiden hier in den Norden kamen. Onkel… ich meine, der Gauvorsteher Merigeb ist dafür verantwortlich und wird sicher einige der Dörfer dort zerstören und Rache nehmen.“ Meruka sah beiseite, um sicherzugehen. „Merigeb, der Herr des Gaus, ist dein Vater, Rahotep, und dein verstorbener Vater, Merira, hieß Merinut. Aber, wenn du nun hier bist, wer ist in Vertretung der Herr der Stadt Sau?“ Merira nickte etwas: „Da Rahotep ja die ärztliche Laufbahn vorgezogen hat, natürlich mein anderer Cousin, Cheprihotep. - Oh, Rahotep, Sesheshet ist schwanger. Dein Bruder wird sicher bald Vater.“ Eine große Familie, dachte der Ermittler. Und, da Rahotep persönlich betroffen war, würden sie hier hoffentlich auch mehr Informationen bekommen. Hier, und in Sau selbst. Denn, soweit er sich entsann, war Merigeb verheiratet, Merinut war es gewesen und auch Cheprihotep, der jüngere Sohn war anscheinend verheiratet. Rahotep hatte nach dem Tod seiner Verlobten nach keiner anderen Frau mehr gesucht, obwohl sicher viele bereit gewesen wären, einen Leibarzt des Königs zu ehelichen. Nun ja, dachte er selbstkritisch. Er hätte auch die Auswahl – aber er liebte nur seine Ermittlungen. Eine Ehefrau und mögliche Kinder würde er nur in Gefahr bringen. Der Arzt des Königs blieb familienorientiert. „So ist Vater mit vielen Männern ausgezogen, wenn er auch hier den Kommandanten mitnahm?“ Merira sah auch prompt zu ihm.„Oh ja, fast fünfzehntausend. Mehr wollte er nicht, er sagte, er könne auch sein, dass weiter nördlich ein zweiter Schlag erfolgen solle. Immerhin ist es doch ungewöhnlich, dass sich mehrere Stämme zusammentun.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Er konnte ja nicht wissen, dass mein Vater ….“ Sein älterer Cousin beruhigte sofort. „Nein, natürlich nicht. Dann habt ihr nur Boten zu ihm schicken können, ich meine, du und Cheprihotep?“ „Um ehrlich zu sein, hat das hauptsächlich deine Mutter, Tante Baunefer, in die Hände genommen. Meine arme Mutter befand sich in einem schrecklichen Zustand. Vater so leiden zu sehen machte sie selbst krank.“ Und ihn fast auch. Er hatte nicht gewusst, wie grässlich es sei, einen Menschen qualvoll sterben zu sehen. „Natürlich,“ sagte Meruka hastig. „Es ist immer schlimm, einen Familienangehörigen sterben zu sehen, noch dazu den eigenen Ehemann. - Darf ich nur um etwas zu trinken bitten?“ Der junge Kommandant erkannte entsetzt, dass er seinen Gästen weder zu Trinken noch zu Essen angeboten hatte. Was wohl Onkel oder gar der mächtige Horus davon halten mochten? „Verzeih. Ich war so überrascht von der Meldung ….“ Nun, das machte es vermutlich nicht besser. Ein Festungskommandant sollte nie überrascht werden können. Aber er bestellte eilig bei den Dienern das Mahl. Kapitel 5: Nachdenken --------------------- Nach dem Abendessen mit dem jungen Festungskommandanten und Rahotep war Meruka überzeugt sehr viel neu erfahren zu haben. Oder auch nicht.   Der adjmer, Gauvorsteher, des Neithgaus war nach den Meldungen über die Überfälle unverzüglich aufgebrochen, zunächst mit allen in Sau und Umgebung verfügbaren Männern, die anderen waren unter Befehl seiner engsten Mitarbeiter gefolgt. Die Regierung des Gaus hatte er seinem Bruder anvertraut, der das schon öfter durchgeführt hatte. Nicht seinem Sohn. Schön. Laut Rahotep war das immer schon so gewesen, dass Merinut die Vertretung innehatte, noch aus Zeiten, als die jeweiligen Söhne in Ibenu-hedj in der Ausbildung waren. Überdies war Merinut der Stadtvorsteher gewesen. Rahotep selbst, der als Ältester gewiss in Frage gekommen wäre, hatte sich für den Beruf des Arztes entschieden, eine Wahl, mit der sich inzwischen auch sein Vater angefreundet hatte, zumal die Karriere seines Sohnes doch recht zufriedenstellend für den hohen Beamten verlief. Der junge Merira hatte hier als Festungskommandant arbeiten sollen – das Interesse der Familie und die Sicherheit des Gaus wahrend und doch etwas außerhalb der eigentlichen Gefahrenzone eines Krieges. Soweit Merira wusste, war sein Vater nach einem Abendessen erkrankt, das er im Kreis der Familie zu sich genommen hatte. Es waren also mindestens seine eigene Ehefrau, seine Schwägerin, Rahoteps Bruder und dessen schwangere Ehefrau dabei gewesen. Und nur Merinut war erkrankt und nach wenigen Tagen in den Westen gegangen. Wieder die Symptome einer Lebensmittelvergiftung, wieder nur ein Opfer im Kreis einer Familie. Was war bloß falsch? War es doch ein Salböl? Irgendetwas vollkommen anderes, an das niemand dachte? Er brauchte mehr Informationen, und die würde es in Sau geben. Und de facto vor allem im Palast des Harpunierenden Horus in Pe und Dep und dessen Domänen. Aber da sollte man vorsichtig mit der Tarnung sein. Merit würde natürlich als Königstochter agieren können, er selbst als Vorsteher der privaten Schreiber des Lebenden Gottes - aber, um in die Scheunen und Werkstätten gehen zu können wäre etwas anderes notwendig. Und würden Ptahnacht und Nefer die wichtigeren Sachen übernehmen können und müssen. Und auch und gerade Rahotep als Arzt. Was passierte wo und welche Wirkung konnte es haben? Nun, erst einmal sollte er sich die Vorgehensweise in Sau gut überlegen. Es handelte sich um Rahoteps Familie, und auch, wenn der Arzt gelernt hatte nüchtern und sachlich zu agieren – es war nun einmal seine engste Familie. Überdies war der adjmer, der Gauvorsteher, Merigeb, einer der Männer, denen der Herr der beiden Länder am meisten vertraute, auch entfernt mit diesem verwandt.   Meruka verschränkte die Hände hinter dem Kopf – eine sehr unübliche Haltung, wie er wohl wusste, aber so dachte er am Besten nach. Er würde Rahotep sein Leben anvertrauen, kannte den seit sieben oder acht Jahren – aber wie reagierte der in seiner Familie? Es half nichts, er musste sich selbst gegen seinen Freund absichern. Wobei, Freund? Das durfte man sich bei verdeckten Ermittlungen nicht leisten. Er wusste, seitdem ihn Hekaptah, der Siegler des Königs und dritter Mann in kemet, der Ehemann seiner Mutter, ihn seit drei Jahren so einsetzte, dass er seine Mitarbeiter in Gefahr und womöglich den Tod schickte. Aber das hatte er auch schon als Befehlshaber einer Schar von fünfzig Männern gegen die Sandleute tun müssen, und da war er knapp achtzehn gewesen. Das war der Preis, wenn man hoch in der Hierarchie stand, lesen und schreiben konnte. Und manchmal fragte er sich, wie Hekaptah oder auch der tjati, Sobeknacht, das empfanden. Die Verantwortung, die sie trugen, wog noch viel schwerer. Der Herr der beiden Länder, Horus Quahedjet, mochte das ähnlich verspüren, war er doch ein Gott und den anderen Göttern gegenüber für die Aufrechterhaltung der maat in kemet, und damit in allen Ländern, über denen die Sonne aufging, verantwortlich. Nun, Selbstmitleid half nicht. Er musste einen Plan haben, wenn ihn seine Mitarbeiter später aufsuchten.   In dem kleinen Raum, in dem man sie und Nefer als ihre vorgebliche Dienerin untergebracht hatte, wartete Merit geduldig bis diese wiederkam. „Sie waren neugierig?“ fragte sie nur. Die „Wärterin des Apisstieres“, wie Nefers offizieller Priestertitel lautete, dem sie ihr geregeltes Einkommen verdankte, nickte schlicht, als sie sich niederließ. „Das kannst du dir vorstellen. Es ist eine Festung des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund, aber dennoch haben sie meist nur Beamte zu Gast, die eben dort übernachten. Frauen haben sie selten. Und natürlich wollen sie möglichst viel über das Leben in einer Stadt wie Ibenu-hedj wissen oder gar am Hofe des Herrn der beiden Länder.“ „Ich denke mal, du hast sie auch ausgefragt?“ „Natürlich.“ Die Ältere beschloss aus der auf dieser Reise gewonnen Erfahrung ehrlich zu sein. Merit gab sich Mühe und sie sollte ihre persönliche Antipathie gegen eine junge Frau, die in ihrem Leben kaum auf Probleme gestoßen war, sein lassen. Das war unprofessionell. „Der Trick ist in tausend Worten weniger zu sagen, als der Andere in hundert. - Der Befehlshaber der Festung ist der Sohn des Toten, Merira, ungefähr fünfzehn. Er erhielt das Kommando, da sein Vater die Stadt Sau leiten sollte, während der eigentlich Verantwortliche, namens Merigeb, sich mit Tausenden von Männer auf einem Feldzug gegen aufsässige tehenu befindet.“ „Das ist Rahoteps Familie.“ „Ja. - Wir werden heute sicher kaum mehr Anweisungen erhalten, eher morgen, wenn wir Meruka wieder sehen und an Bord der Wildstier gehen.“ „Darf ich dich noch zu Meruka etwas fragen, oder eher, zu dem, was du für ihn in meiner Kiste hast?“ Nefer, die bereits die Augenbrauen hochgezogen hatte, verstand. „Nichts privates, der Bogen?“ „Ja. Ich wusste nicht, dass ein Bogen aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden kann.“ „Wird er gewöhnlich auch nicht. Aber Meruka hat ihn von einem besonderen Lehrer, einem Nubier, den sein Vater einst gefangen nahm. Der bildete ihn im Bogenschießen aus. Er war vom Stamm der Medjai. Sie sind berühmt für ihre Bogenkünste. Und Meruka war wohl ein guter Schüler.“ „Ich dachte in kemet gibt es nur Lanzenträger und Steinschleuderer.“ „Und wenige Bogenschützen, geschweige denn solche, ja. Ich weiß nicht genau, was er kann. Ptahnacht sah einmal, wie er auf mehr als dreißig Schritte einen Mann tötete. Und dass das seine noch sichere Entfernung ist. So ein Bogen muss ja erst auch noch zusammengebaut und gespannt werden. Ich weiß nur, das Meruka da sehr schnell ist.“ Nefer lächelte etwas. „Ich bin froh, dass ich in aller Regel auf seiner Seite stehe.“ Merit rieb sich unbehaglich die Arme. „Seltsam. Ich hätte immer gedacht, dass er eben ein Schreiber ist und denken kann. Und Ptahnacht der Gefährlichere ist.“ Nefertari lächelte etwas. „Wir sind alle irgendwie gefährlich. Auch Rahotep oder ich. Ich würde sagen, du reist in ziemlich gefährlicher Begleitung durch kemet, Königstochter.“ „So sollst du mich nicht ansprechen, das steht mir nicht zu,“ protestierte Merit prompt, aber sie dachte nach. „Ja, vermutlich. Und in kaum sichererer.“   Die drei männlichen Gäste hatten ein gemeinsames Zimmer in der Enge der Festung zugeteilt bekommen und es war bereits spät, als auch Rahotep zu seinem Vorgesetzten und Ptahnacht zurückkehrte. Er hatte noch mit seinem Cousin geredet und zog sich Perücke und Schmuck ab. „Noch etwas Neues?“ erkundigte sich Meruka. „Leider nein, nichts, was zu unserem Fall passt. Außer, dass Merira ein Mädchen im Auge hat, aber er hat sie noch nicht gefragt.“ „Aus Sau.“ „Ja. Sein Vater hätte wohl nichts dagegen gehabt, aber der meine. Nun ja. Das ist wie bei mir. Er befürchtet, wenn man nicht rasch und gut Verbindungen knüpft, kann man nie wirklich weit aufsteigen.“ „Deswegen war er auch gegen deine Lehre als Arzt?“ fragte Ptahnacht, der sich bereits niedergelegt hatte, aber bei Weitem nicht schlief. „Ja. Ein Arzt ist eben, bis auf die ranghöchsten Männer, nur ein unterer Hofbeamter, über „semer des Hauses“ kommst du nicht hinaus.“ Und der Hoftitel, der die Nähe zum göttlichen Falken anzeigte, zählte weit mehr als der Amtstitel. Selbst im Grab galt diese Regel: wenn man nur einen Titel schreiben konnte, wählte man den ranghöchsten Hoftitel. „Das ist wahr.“ Meruka dachte kurz nach. „Aber er ließ dich studieren, nachdem der Vorsteher der Ärzte und Älteste des Lebenshauses deine Bildung übernahm.“ In der Hoffnung, dass der seinem Sohn in die höchsten Ehren helfen würde. „Ja, genau. Und ich denke, als ich ihm vor einigen Wochen schrieb, dass ich semer und königlicher Leibarzt geworden bin, hat ihn das doch sehr beruhigt.“ Ein Mann, der nur den Titel eines „semer“ führte, stand im Hofrang über dem „semer des Hauses“, da er näher zum Herrn der beiden Länder durfte, bei Audienzen oder auch einfach in den diversen Wartehallen. Früher hatte dieser Titel sogar nur Königssöhnen zugestanden, nun gut, vor hundert Jahren. Und ein königlicher Leibarzt wurde bei Problemen in der königlichen Familie gerufen, gar des Herrn der beiden Länder selbst, durfte ihn manchmal sogar berühren. Das war sicher etwas, was auch seinen Vater beeindrucken konnte, denn dieser war als so ranghoher Provinzbeamter durchaus auch oft genug bei Hofe, um die dortigen Spielregeln zu kennen. Schließlich wollte der tjati mindestens ein Mal im Jahr persönlichen Bericht, nach solchen Zwischenfällen wie im Augenblick mit den Sandleuten des Westens sicher auch prompt. Falls nicht sogar der Lebende Horus persönlich Bericht wünschte. „Gut.“ Meruka zog sich die Decke über und drehte sich seitwärts, um die Schläfe auf seine private Kopfstütze zu legen, die für seine Schulter maßgefertigt worden war. „Dann weiß ich schon, wie ich dich deinem Vater vorstellen werde. - Und überlege dir, Rahotep, ob dir nicht noch irgendeine Pflanze, ein Öl, einfällt, dass diese Symptome hervorrufen kann – obwohl es vielleicht in einem vollkommen anderen Zusammenhang steht.“ „Die Bücher der Ärzte werden seit Jahrhunderten geführt, Meruka. Was da drin steht, ist hundertprozentig wahr und erprobt. Nur, wenn etwas Ungewöhnliches und Neues dazu kommt, wird es ergänzt. Es können nicht alle Ärzte vor dir sich geirrt haben. - Nun ja. Ein anderer Zusammenhang. Vielleicht ein neues Salböl, ein neuer Duft, ausprobiert, mit verheerenden Folgen, meinst du.“ „Ja, genau das.“ Meruka wusste, er musste behutsam sein. Alle Ärzte hatten eine lange Lehre hinter sich und das Wissen ihrer Vorgänger gelernt. Sie hatten es nicht gern, wenn ein Laie daran zweifelte.   Nach dem ausgiebigen Frühstück, der Mundwaschung, wie man es nannte, zu dem auch die beiden Damen geholt worden waren, wurden die Besucher, Merit und Meruka in den hölzernen Sänften, wieder zurück zu der Wildstier begleitet, Kapitän Paadiptah begrüßte seine hohen Gäste bereits vor seinem Schiff mit einer tiefen Verneigung, wartete jedoch höflich ab, bis der ranghohe Schreiber der jungen Dame an Bord geholfen hatte und diese mit ihrer Dienerin sich in die Hütte zurückzog, gewiss, um ihre Kisten wieder einzurichten. Frauen hatten doch immer recht viel Schmuck und Schminke, je ranghöher sie waren, desto mehr, wobei auch die Herren da kaum zurückstanden. Meruka senkte seinen Amtsstab auf den Boden um sich abzustützen. „Nun, Kapitän?“ „Ich weiß bislang noch nicht, wie dein weiterer Reiseplan aussieht. Nun, ja, Sau, aber dann? Muss ich die Männer austauschen oder bekommen sie zwei Tage in Sau?“ „Du sorgst dich um sie, das ist gut und zeugt von deiner Verantwortung. - Nein, ich denke, wir sind sicher zwei Tage in Sau und sie können sich erholen.“ Sau war mit Rahoteps Hilfe einfach DIE Gelegenheit herauszubekommen, was genau bei diesen fatalen Essen serviert wurde oder überhaupt geschah. Das wäre der Ort an dem man, mit Ausnahme eben des Königspalastes bei Pe weiterkommen musste. Er musste es schaffen. Vor dem lebenden Gott kemets versagte man nicht – die Konsequenzen für das jetzige Leben und in alle Ewigkeit waren zu schrecklich.   Auf der weiteren Fahrt in den Norden wurde es merklich kühler und begann zu regnen, ein seltener Genuss, der weder Meruka noch seine Mitarbeiter davon abhielt, sich unter dem Sonnendach leise zu unterhalten, gegenseitig Bericht zu erstatten. „Es ist wahrlich ein Rätsel,“ murmelte Merit am Ende. „Wenn alle das Gleiche gegessen haben ….“ „Und es unterschiedliche Wirkungen hatte, ja.“ Meruka sah sie an. „Aber das bedeutet nur, dass vermutlich etwas anderes als das Essen die Ursache des Todes war.“ Sie sah ihn an. „Und was, glaubst du?“ „Ich glaube gar nichts. Wir müssen es finden.“ „Ich habe nachgedacht,“ sagte Rahotep. „Deine Idee mit einem Salböl wäre im Prinzip gut. Es wurde, nun, sagen wir verunreinigt, und das spätere Opfer freut sich ein so wertvolles Geschenk des Herrn der beiden Länder zu erhalten. Es reibt sich ein, natürlich nur sich selbst, und stirbt. Das wäre durchaus denkbar, es gibt gewisse Stoffe, die ich natürlich nicht nennen werde. Nur: in Chem war es die Hausherrin, in Sau mein Onkel, woanders Kinder … Wer gibt seinen Kindern solch ein Fläschchen in die Hand? Das wertvollste Öl überhaupt? Womöglich denken wir zu kompliziert und es handelt sich um etwas ganz einfaches, das wir nur nicht sehen.“ Der königliche Schreiber nickte. „Ja, das befürchte ich auch. Es gibt manche Menschen, die auf bestimmte Nahrung hin krank werden. Womöglich so etwas, aber in Salbenform. Und es kam nur auf, weil es sich eben um hochstehende Personen handelte, die einen Arzt befragen konnten. Ich befürchte, dass durchaus hundert Bauern gestorben sind.“ „In diesem Fall würde es aber kaum um königliche Geschenke gehen,“ warf Merit prompt ein. Meruka nickte erneut, froh, dass seine Mitarbeiter auch mitdachten. Schon in jungen Jahren, bei Einsätzen gegen die Sandbewohner, hatte er gelernt, dass nur Befehle erteilen zwar einfacher war, aber nicht unbedingt zum Erfolg führte. „Ja, aber das müssen wir eben herausfinden. Wenn ein bestimmtes Öl Menschen in den Westen schickt, wird der göttliche Falke, er lebe, sei heil und gesund, das sicher nicht mehr herstellen lassen. Liegt dagegen ein Fehler eines Menschen vor, nun ….“ Ja, dann würde der Schuldige den Zorn eines Gottes zu spüren bekommen. Aber, und da machte sich Meruka keine Illusionen, fand er keine Lösung, würde er eben dieses tun. Und auch sein Stiefvater würde ihn weder schützen wollen noch auch nur können. Der Fluch des Herrn der beiden Länder war wirksam und mächtig in alle Ewigkeit. Abgesehen davon, dass er sich auch nur ungern als Befehlshaber über fünf Mann, oder gar als Rangniedrigster, an einem öden Wachposten am Horusweg nach Osten wiederfinden würde. „Wenn wir in Sau sind, Merit und Nefer, redet mit den Frauen. Rahoteps Mutter heißt Baunefer, ihr Mann ist auf dem Feldzug. Ihr zweiter Sohn heißt Cheprihotep und ist momentan der Stadtherr, in Vertretung seines Vaters. Sesheshet ist seine Ehefrau. Die Witwe des Opfers und Mutter von Merira, unseres Gastgebers letzte Nacht, heißt Meritneith. Kennst du jemanden, Merit?“ Das Mädchen aus dem ipet dachte kurz nach. „Baunefer, denke ich. Sie hat den Titel einer Königsbekannten und war öfters auch bei der maat-hor oder der Königinmutter, wenn sie in Ibenu-hedj waren.“ Sie warf einen Blick auf Rahotep. „Ich habe allerdings nicht gewusst, dass sie deine Mutter ist.“ Der Arzt zuckte ein wenig die Schultern. „Nun ja, ich besuchte sie bislang, wenn sie in Ibenu-hedj waren. Vater nimmt Mutter ja immer mit, wenn er Bericht erstattet oder Steuerklärungen abgibt. Ihre Familie stammt aus Nechen und so bietet es sich an, dass sie sich bei den jährlichen Treffen sehen können. Ich selbst lebe seit meiner Ausbildung im Lebenshaus. Ich werde mit meiner Muter auch reden, mit meinem Bruder, aber ihr seid natürlich auch gefragt. So nahe wie in Sau kommen wir an keine andere der betroffenen Familien heran. Und, ehrlich gesagt, ich habe meinen Onkel gemocht. Ich möchte gern wissen woran er starb und damit auch die anderen. Ich gebe zu, ich persönlich vermute, dass es nicht am Essen lag sondern an etwas anderem. Meruka meint Salböl oder so, das mag sein. Aber das würde wenigstens erklären, warum es nur eine Person traf. Es könnte ein Gewürz, ein Kraut, aus der Fremde sein, ich hörte schon einmal, dass jemand ausgerechnet auf den göttlichen Weihrauch reagierte.“ „Ich denke auch an den Versuch Menhekat zu töten,“ erwiderte der Gruppenleiter sofort. „Eine Feuerschale mit gewissen Kräutern. Aber, sowohl dein Onkel war verheiratet, als auch in Chem Merithor, sie hatte sogar Kinder. Das Risiko nicht nur einen, sondern mehrere zu treffen, falls es Absicht war. War es nur ein Versehen? Hat jemand neue Kräuter als Tribut nach kemet geschickt und niemand kennt die Gefährlichkeit? Und, da sie so kostbar sind, werden sie eben auch selten verarbeitet und verteilt? Ich bezweifle nicht, dass der Stadtvorsteher von Chem, Anchsachmet, oder auch deine restliche Familie, Rahotep, unschuldig sind. Das ist kein einfacher Mord. Niemand anderer hat etwas bemerken können. Aber es ist eben die Frage ob Fahrlässigkeit oder Mord. Wir drehen uns im Kreis. In Sau liegt die beste Möglichkeit etwas zu finden. Und, leise jetzt.“ Er sah warnend zu den Ruderern. Nefer begriff sofort. „Oh, Herrin,“ begann sie lauter als nötig, aber ja, einige Ruderer bemühten sich anscheinend zuzuhören, was bei dem Wind und Regen schwierig war aber natürlich musste man vorsichtig sein. „Sieh doch, da drüben, ein Flusspferd. Ich hörte, das sind die gefährlichsten Tiere in ganz kemet. Aber so ein großes Schiff werden sie nicht angreifen.“ „Nein, du kannst unbesorgt sein,“ erwiderte Ptahnacht prompt. „Sie greifen solche hölzernen Schiffe nicht an, nicht einmal die Papyrusboot, die hier im Delta üblich sind.“ „Überdies hat der Kapitän gestern und vorgestern stets Opfer gebracht, um die Götter zu beruhigen,“ meinte Merit. „Das sollte man nie vergessen. Und er machte auch, als wir losfuhren das Handzeichen gegen … nun ja, Seths Tiere.“ Man sollte die Gefahr nie aussprechen oder zeichnen, sonst wurde sie zur Wirklichkeit. Selbst in den Gräbern wurden Tiere, die gefährlich werden konnten, nur teilweise oder tot dargestellt, Schlangen zumindest durchgestrichen. „Oh, mir fällt ein, Nefer, wenn wir im Palast des Harpunierenden Horus sind, können wir sicher auch das Öl bekommen, das aus dem Horn gewonnen wird.“ „Äh, Antilopenhorn?“ Nefer war ehrlich verwirrt. „Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Es ist aber sehr selten und mir sagte Hekaptah, der Siegler, zu, dass ich ein Fläschchen bekommen könne. Hornöl, heißt es, das weiß ich. Und ich weiß, dass die Königinmutter es erhielt. Der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, verwendet es sogar zur Ehre der beiden Herrinnen, wenn er morgens deren Riten im Tempel vollzieht.“ Der Kronengöttinen, die ihn wie eine Mutter beschützten. Hornöl. Meruka dachte nach. Das kannte er nicht, aber er vermutete so etwas Seltenes als Ursache. Solange man Götter damit schmückte, geschah nichts – und bei Menschen? Andererseits: wieso wirkte das dann nicht bei dem Herrn der beiden Länder selbst? Weil er eben göttlich war und die Opfer Menschen? Dann wurde die Ermittlung nur noch schwieriger. In göttliche Sphären konnte man sich kaum vorwagen.   Kapitel 6: Informationen ------------------------ Als sich die beiden Frauen in die Kabine zurückzogen, bemerkte Merit ein wenig erstaunt, dass sich ihre Partnerin mit einer leichten Grimasse in die Kissen niederließ. „Probleme, Nefer?“ „Nachlässigkeit.“ Die „Wärterin des Apis“ griff unter ihren Umhang in ihr Kleid und zog zur Überraschung ihrer Partnerin eine gut geschliffene Obsidianklinge heraus. „Oh,“ machte Merit nur. „Hast du dich geschnitten?“ „Etwas. Aber selbst schuld. Ich habe die Bandage nicht korrekt umgelegt.“ „Du bist immer mit dem Messer bewaffnet? Meintest du das mit: auch du bist gefährlich?“ „Ja, auch.“ Nefer seufzte etwas, erkannte jedoch die Neugier. „Soweit: ich wurde … vor langer Zeit ….von einem Mann überfallen und musste aus meinem Heimatdorf fliehen. Als ich Ptahnacht kennenlernte und dann auch Meruka, bat ich sie mir solch eine Klinge zu besorgen und mir beizubringen, wie ich damit umgehen kann. Ich will nie wieder das Opfer eines Mannes werden.“ „Das verstehe ich,“ erwiderte Merit so ernst, dass die Ältere sie ansah. Verstand sie wirklich? So fuhr das Mädchen aus dem ipet fort: „Das ist und war ja auch immer mit ein Grund, warum ich nicht heiraten wollte. Sicher, ich kenne Menhekat seit Jahren, wir sind gut befreundet, da mag es etwas anderes sein, aber ein Fremder …. - Hast du das Messer je benutzen müssen?“ „Ja, einmal. Aber der Kerl hatte nicht mich überfallen, sondern wollte Ptahnacht umbringen.“ „Du hast ihn getötet?“ fragte Merit mit großen Augen, die durch die Schminke sowieso schon vergrößert wirkten. Nefer zuckte die Schultern. „Er war gerade dabei Ptahnacht zu erwürgen. Und so viele Freunde habe ich nicht. Ja. Ich stieß ihm das Messer zwischen die Schulterblätter.“ „Ich vermute, Ptahnacht war dir dankbar. - Was ist eigentlich aus dem Mann geworden, der …?“ „Er ist Vorarbeiter geworden, das hat Meruka herausfinden können. Er sagt, er lässt ihn im Auge behalten. Wenn er einen Fehler macht, ist er dran. Aber der macht keinen, der Mistkerl. Aber, da der mächtige Horus so gnädig war, mir ein Grab bei seiner Pyramide zuzuweisen, werde ich ihn im Westen anflehen mich zu rächen.“ Und diesen Mann aus der maat, der Welt der Ordnung, in das isfed zu schicken, oder besser noch, in das ewige Nichts. „Du konntest ihn nicht bei dem tjati und den Gerichtshöfen anklagen?“ Merit klang gedankenvoll. Nefer lächelte nachsichtig. „Ja, theoretisch. Aber ich stamme aus Abu. Als ich aus meinem Heimatdorf floh, um ihn nicht heiraten zu müssen, musste ich …. nun, ich war außerhalb der maat. Ich musste mich bis nach Ibenu-hedj durchschlagen. Ja, ich wollte das dem mächtigen Horus melden. Und das Leben in diesen Jahren war meist nicht einfach und entsprach auch nicht der Weltordnung. Ptahnacht und Meruka haben mich dann zurück geholt, ich habe ein geordnetes Leben, im Auftrag des Herrn der beiden Länder, bin versorgt, sogar mit einem Grab nahe der Pyramide … Würde ich ihn anklagen, käme auch heraus, was ich gewesen bin. Das würde mein jetziges und ewiges Leben zerstören. Darum schweige auch du.“ „Ich werde schweigen.“ Merit war es ernst. Nefer, die so kühle, ruhige Nefer, war schon außerhalb der maat gewesen. Kein Wunder, dass sie den lebensspendenden Atem des göttlichen Falken und den Schatten seiner Flügel nie mehr verlassen wollte. Und sie sollte auch besser nicht nachfragen. Diesbezüglich. „Meinst du, ich könnte auch lernen mit einem Messer umzugehen? Nicht so gut wie du oder gar Ptahnacht, dessen bin ich mir bewusst, aber für den Fall …. nun, bei solch einem Auftrag.“ „Vielleicht. Das musst du Meruka fragen. Du spielst momentan die Rolle der Königstochter. Königstöchter hantieren höchstens bei Zeremonien mit Messern, oder?“ „Schon.“ Bei den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Horus, als Vorsteherin der Schlächter des Akazienhauses. Aber sonst wahrlich nicht. „Das würde dann hier oder so auffallen. Und im ipet geht es auch kaum, sonst würde die maat-hor oder selbst der lebende Horus nachfragen, was da die zukünftige Schwiegertochter tut.“ „Auch wieder wahr. Ich muss mich wohl auf euch verlassen.“ Nefers Lächeln war plötzlich warm. „Das kannst du, Merit.“   Die „Wildstier“ kam mit den kräftigen Ruderern und der Strömung des Iteru gut voran. Der kurze Regen hatte aufgehört und es wurde wieder deutlich wärmer. Der Wind kam von Norden, ihnen entgegen, aber schon zeigte er an, dass der Monat der Herdfeuer vorbei war und es nur zu bald wieder die Hitze des Sommers selbst hier im Delta geben würde. Im Verhältnis zu den Ländern wie wawat oder kusch im Süden war es hier zumeist erträglich – aber die gespeicherte Feuchtigkeit der Überflutungen ließ leider nicht nur das Gras, sondern auch allerlei blutsaugende Insekten wachsen, die vor allem des Nachts mehr als lästig waren. Dichte Netze vor den Türen und schmalen Fenstern waren daher selbst bei einfachen Fischern eine Notwendigkeit. Die Gruppe saß in der Kabine. „Noch einmal, damit sich alle die Namen einprägen,“ begann Meruka. „Rahotep, deine Familie, wenn es geht, mit Titeln.“ Ja, er hatte eine doch recht große Familie, gab der Arzt zu. „Mein Vater Merigeb ist der Gauvorsteher und Wächter der westlichen Wüste. Er ist also der militärische Befehlshaber und Priester der Neith, wie übrigens ich auch. Meine Mutter heißt Baunefer. Ihre Familie stammt aus Nechen, ihr Bruder ist Chnummose, der derzeitige Wächter von Nechen, und sie trägt den hohen Hoftitel einer Königsbekannten, wie auch du, liebe Merit. Mich kennt ihr ja, ich bin deren ältester Sohn. Mein jüngerer Bruder ist Cheprihotep, er ist momentan in Vertretung von Vater und Onkel der Stadtvorsteher. Er ist gewöhnlich Schreiber der Wirtschaftsanlagen von Sau, durchaus ein gebräuchlicher Einstieg in die Schreiberlaufbahn. Vater möchte ihn zu seinem Nachfolger. Seine Ehefrau heißt Sesheshet und ist laut meinem Cousin schwanger. Seid also freundlich zu ihr. - Der Verstorbene hieß Merinut, war der Bruder meines Vaters, der jüngere, und er war Stadtvorsteher von Sau und Leiter, falls der Falke zum Himmel fliegen würde, Leiter eines Teils des königlichen Begräbnisses. Auch er trug den Titel Priester der Neith. Er ist, war, verheiratet mit Meritneith. Sie haben einen Sohn, Merira, der ist königlicher Schreiber und momentan, wie ihr gesehen habt, Festungskommandant. Ich vermute, dass er auch der neue Stadtvorsteher werden soll, aber noch kam wohl keine Nachricht aus Ibenu-hedj, und durch den lästigen Feldzug gegen die tehenu konnte Vater auch noch nicht selbst an den Hof fahren um alles in Ordnung zu bringen. - Sie leben alle in einem großen Haus im Stadtzentrum, nahe des alten Tempels der Göttin. Neith ist Schutzherrin des Krieges, aber auch der Heilung, daher auch tragen Ärzte ihr Zeichen, manche ja auch das der Sachmet oder Selket.“ „Ist Sau nicht auch eine Hafenstadt, ähnlich wie Pe und Dep, wo die Schiffe, die über das Große Grün kommen anlegen?“ erkundigte sich Ptahnacht. „Ich dachte, die mit Holz und so?“ „Ja und nein,“ erwiderte der Arzt, „Du meinst die Schiffe, die kebenit genannt werden, da sie aus keben, der großen Stadt am Gebirge der Treppen kommen. Manchmal bringen sie das Zedernholz als Geschenk für den Lebenden Gott, das wäre natürlich auf dem Landweg, durch die Wüsten und über den Horusweg, kaum ratsam. Aber diese landen in Pe und Dep. Nach Sau gelangen hauptsächlich Schiffe aus dem Westen. Dort liegt im Gebiet der tehenu eine Stadt, deren Name mir gerade nicht einfällt. In dieser endet ein großer Handelsweg aus dem Süden, aber auch die Schiffe aus keftiu kommen dort an, wenn sie über das Große Grün gelangen. Von dort aus fahren sie her. Sie bringen vor allem Silber und Kupfer, aber auch besonders geflochtene Matten und, ich glaube, Olivenöl.“ „Die Sandleute lauern gern auf Karawanen,“ ergänzte Meruka. „Auch, wenn der Horusweg immer besser geschützt wird, ist eine Reise durch die Wüsten aus retenu nach kemet mühsam und gefährlich. Gut, auch Schiffe können untergehen.“ „Eigentlich gibt es nur Tribute aus dem Osten,“ meinte Merit nachdenklich. „Die tehenu im Westen liefern nichts. Nun, natürlich auch wawat und kusch im Süden.“ Von dort gelangte vor allem über Abu, aber auch über die Oasen der östlichen Wüste Elfenbein, Ebenholz, Gold ebenso nach kemet wie Straußenfedern und -eier. „Das sind dann auch wohl die Güter, die hier landen, wenn sie nicht über die Oasen bereits in die beiden Länder gelangt sind.“ „Ja, aber aus dem Osten stammen Lapislazuli, Zedernholz, Silber ...“ Meruka dachte nach. „Syrischer Wein aus Granatäpfeln, ach, vieles. Dafür erhalten die retenu und ihre Verbündeten den Lebenshauch des Horus und Leinen, Weizen und anderes.“ Kein Gold, denn das wenige, das man fand, wurde in kemet für den Horus und die Götter benötigt. Silber war allerdings noch kostbarer, da seltener. „Sag, Rahotep, könnte es sein, dass auf diesem Weg ein Gift nach kemet kam?“ „Du meinst, dass es nichts mit dem Palast des Harpunierenden Horus zu tun hat?“ Der Arzt dachte nach. „Ich kann mir ehrlich gesagt nichts vorstellen.“ „Nun, wir müssen suchen. Und unseren besten Möglichkeiten finden wir in Sau und in Pe-Dep, vor allem im Palast des Harpunierenden Horus. Warst du schon einmal dort, Merit?“ „Ja, vor drei oder vier Jahren,“ erwiderte das Mädchen aus dem ipet. „Es war die zeremonielle Jagd auf ein Flusspferd.“ Der Lebende Gott kemets tötete damit symbolisch alle Flusspferde, ja, das Chaos, und schützte das Land. Und diese Jagd war durchaus gefährlich. Es gab Legenden, nachdem sogar ein Horus vor langer Zeit von einem solchen Tier weggetragen wurde. Natürlich wurde versucht den Herrn der beiden Länder zu schützen, das Flusspferd in die Enge zu treiben und möglichst zu fesseln, aber es blieb stets ein Risiko. „Oh, ja. Sie wird auch dieses Jahr stattfinden.“ Der Leiter der Gruppe fühlte sich unangenehm daran erinnert, dass er bereits früher als erwartet dem Lebenden Gott kemets Rechenschaft schulden würde, träfen sie sich bereits im Palast des Harpunierenden Horus. Bislang hatte er doch geglaubt erst bei seiner Rückkehr in die Residenzstadt Bericht erstatten zu müssen. Umso wichtiger war eine sorgfältige Überprüfung der Lage in Sau. Was war dort ebenso wie in Chem gelaufen, was anders - und, war etwas anderes dort aufgetaucht? Waren die Speisen, die Getränke, identisch? Oder eben auch nicht? Das würde in diesem Fall wahrlich auf Öl oder Parfüm hindeuten. Nur, woher und wie und wer? „Rahotep, wie und wo wird es eine Gelegenheit geben, wie wir uns alle unauffällig treffen können?“ „Im Palast des Stadtvorstehers? Ohne Zweifel wird Merit samt der lieben Nefer, im Frauentrakt untergebracht und ich müsste mich sehr irren, wenn meine Eltern nicht eine offiziellen Empfang vorbereiten würden. Du hast doch für so etwas auch Kleidung dabei?“ Da beide Frauen nickten, lächelte er flüchtig. „Gut. Zu deiner Frage, Meruka. Die Gästezimmer liegen in der Nähe der Frauengemächer und die sind nicht bewacht. Wachen stehen nur an den äußeren Türen und an der Außenmauer, nachts eher weniger sogar. Ich selbst werde sicher in mein altes Zimmer können. Auch das wäre nicht allzu weit weg von den Gästezimmern. Es dürfte am Besten sein, wenn wir uns nachts, wenn alles ruhig ist, zu dir gesellen und dir Bericht erstatten.“ „Gut. Wenn es irgend möglich ist, Ptahnacht, gehe zum Hafen und höre dich um, ob in dem letzten halben Jahr ein Schiff Waren aus dem Palast des Harpunierenden Horus brachte, das Waren nicht nur für Sau und dessen Stadtvorsteher brachte, sondern auch nach Chem weitersegelte.“ „Hm,“ machte der Wächter des Horus. „Also nicht auch aus dem Westen und keftiu?“ „Wenn es dir gelingt, ja.“ Meruka war wie stets angetan, dass seine Leute mitdachten. „Aber das Wichtigste ist natürlich, dass wir herausfinden, ob im Verantwortungsbereich eines Beamten aus kemet etwas vorgefallen ist.“ Damit hatte er für seine aufmerksamen Mitarbeiter durchaus zu erkennen gegeben, dass der Siegler und Schatzmeister zwar der Halbbruder des Herrn der beiden Länder war, Merukas Stiefvater jedoch durchaus um seine Existenz fürchtete, konnte jemandem in seinem Verantwortungsbereich ein Fehler nachgewiesen werden, der auf mangelnder Kontrolle beruhte. „Merit, du wirst genug mit Rahoteps Verwandtschaft zu tun haben. Versuche einfach herauszufinden, woher sie ihre Parfüme und Speisen beziehen. Nefer, wenn Ptahnacht zum Hafen geht, begleite ihn in Distanz.“ „Sicherung?“ erkundigte sich die junge Frau aus Abu nur. „Sicherung,“ bestätigte ihr Vorgesetzter. „Wir wissen nichts. Und eine Sicherung schadet nie.“ „Danke.“ Aber der Wächter des Horus lächelte. Es stimmte und er hatte nicht vergessen, dass ihm Nefer bereits einmal das Leben gerettet hatte. Sie lebten unter den Schwingen des Horusfalken, aber sie waren auch seine Augen und Ohren. Manchmal wurde ein Abenteuer daher etwas zu abenteuerlich. Rahotep dagegen verspürte einen leichten Druck auf den Magen. Es war seine Familie, seine Heimat und er hatte sich dort stets sicher gefühlt. Aber die Toten schrieen nach Gerechtigkeit und es war überdies seine Pflicht als Arzt weitere Krankheitsfälle, ja, Tote, zu verhindern. Der Lebende Gott kemets gab Leben, aber er forderte auch vollständige Pflichterfüllung. Meruka mochte die Last noch deutlicher auf seinen Schultern fühlen. Unwillkürlich blickte er zu Meresanch. Sie sollte den Falken im Nest, den Thronfolger heiraten. Das bedeutete, sie wäre nicht nur die künftige maat-hor, mit allen kultischen und politischen Pflichten, die das mit sich brachte, sondern, falls es ihr gelang einen überlebenden Sohn zur Welt zu bringen, die künftige Königinmutter. Das wäre die höchste Stellung, die eine Frau je erreichen konnte, aber das setzte sie auch unter den Zwang Söhne zu bekommen, zumindest einen, der die kritischen Jahre überlebte. Nein, niemandem wurde etwas geschenkt. Wobei … „Meruka, entschuldige, Merit – ich möchte dich etwas Ungewöhnliches fragen. Es hat nichts mit unserem Auftrag zu tun.“ Der Leiter der Gruppe wollte schon sagen, dass dann auch nichts hier verloren hätte, aber ihm war seit Jahren bewusst, dass auch die Stimmung seiner Leute passend sein musste. Immerhin konnten seine Befehle sie auch in den Westen schicken. Das Mädchen aus dem ipet nickte neugierig. „Natürlich.“ Wenn ein Arzt einen schon etwas fragen wollte …. „Man sollte nicht darüber reden,“ begann Rahotep ein wenig zögernd. „Aber, gibt es eigentlich Regeln, was geschieht, wenn der Falke zum Himmel fliegt?“ „Ja, natürlich, das ist seit den Zeiten der Ahnen, ja, der Götter festgelegt. Was meinst du?“ „Nun, falls Horus Qahedjet, er lebe, sei heil und gesund, zum Himmel fliegt, würde doch Menhekat sein Nachfolger, oder?“ „So ist es.“ „Und du wärst die maat-hor, ein Sohn, den du bekommen könntest, ich meine, wirst, wäre dann der Falke im Nest.“ „Ja, vorausgesetzt, dass Menhekat mich zur maat-hor ernennen würde.“ Merit sah durchaus das Lächeln all ihrer Partner, Sie hielten es wohl für sehr unwahrscheinlich, dass ihr Freund seit Kindertagen eine andere Frau an seiner Seite sah. „Aber ich verstehe nicht, was du meinst.“ Rahotep zögerte, immerhin sprach man keine schlechten Omen aus, da sie sonst zur Realität werden würden. „Nur mal angenommen, ihr seid verheiratet, du bekommst einen Sohn, aber Menhekat ist noch nicht der Lebende Gott. Und nur mal angenommen, er würde sterben, ehe er den Thron der Lebenden besteigt, was die Götter verhüten mögen …. wer erbt dann? Ich hörte einmal, dass der Tod des Vaters alle Söhne von der Thronfolge ausschließen würde.“ Unwillkürlich atmete er tief durch. Oh. Merit dachte nach, ohne dass jemand sie störte. Endlich meinte sie: „Ja, doch, das habe ich auch einmal als Regel gehört. Aber natürlich ist es immer auch so, dass der Lebende Gott kemets seinen Nachfolger beliebig ernennen kann. Es gibt gewisse Regeln, aber durch die Tatsache, dass es nur noch zwei Königssöhne gibt in dieser Generation …. es käme ja nur noch Menka in Frage. Er müsste alt genug sein, denn der Herr der beiden Länder sollte nie ein Kind sein, aber auch nicht zu alt. Es würde sich wohl um den Zeitablauf handeln. Ist Menka alt genug oder … oh du liebe Zeit, wir reden hier über… über…“ Der Arzt senkte unwillkürlich den Kopf. Ja, das war eine mehr als ungehörige Frage. „Ja, entschuldige. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob wir hier mit der möglichen Regentin reisen.“ „Ich denke sicher nicht.“ Merit nahm sich zusammen. „Entweder mein Sohn wäre in diesem unwahrscheinlichen Fall alt genug um den Thron zu besteigen oder es wäre Menka.“ Der Königssohn war immerhin auch schon neun Jahre alt. Meruka hielt es für an der Zeit zu dem Auftrag zurück zu kehren. „Nun, wir werden sehen, ob einer der folgenden Herren der beiden Länder Menka oder Senneferu heißt, denn, Merit, so wolltest du doch deinen Sohn nennen.“ Und die Mutter bestimmte in der Regel die Namen durch Ausrufe bei der Geburt. „Gibt es noch etwas Wichtiges, was wir in Sau beachten müssen, Rahotep?“ „Ich hoffe nicht. Es ist schwer in seine Geburtsstadt zu kommen und sie doch von außen zu sehen. Eines vielleicht noch. Meine Mutter, Baunefer, ist sehr stolz auf ihre Position als Königsbekannte. Sie wäre gern öfter am Hof. Aber ich bin sicher, Merit weiß, wie man höflich bleibt.“ „Das hoffe ich doch,“ erklärte die künftige Gemahlin des Ältesten Königssohnes prompt. „Aber ja, ich denke, ich weiß, was du meinst. Ich trage ja auch diesen Titel, seitdem ich mich bereit erklärt habe Menhekat zu heiraten.“ Und der Titel „Eine, die der König kennt“, war der höchste Hofrang, den eine Frau außerhalb der königlichen Familie erhalten konnte. Unter Männern entsprach dem der „Einzige Freund“, von denen es in der Tat kaum je mehr gab als an einer Hand Finger. „Gut. Dann weiß jeder, wie er vorzugehen hat,“ beschloss der Vorsteher der Gruppe. „Achtet auf die kleinen Dinge. Wir müssen herausfinden, was in Sau gleich ablief wie in Chem – und was anders. Art der Zubereitung, Lieferungen, alles mag wichtig sein, gleich, wie unbedeutsam es auch scheinen mag. Falls du, Nefer, Ptahnacht nicht zum Hafen begleiten musst, halte dich in der Küche auf, sei neugierig, was die soweit im Norden kochen, betone vielleicht deinen südlichen Akzent.“ Nefertari lachte etwas. „Sie würden mich kaum verstehen. Zwischen Abu und dem nördlichen Delta kann man sich kaum verständigen, wenn man nicht auf den Dialekt von Ibenu-hedj ausweichen kann. Aber, ja, du hast recht. So gehen sie auch kaum davon aus, dass ich sie verstehe und reden womöglich mehr.“ Sie musste zugeben, Meruka dachte an praktisch alles. Dieser nickte nur. „Rahotep, dir überlasse ich deinen Vater und Bruder. Fiel ihnen etwas auf? Ebenso den Arzt, der in die Residenz schrieb. Übrigens, nett, dass keiner fragt, was ich tun werde. Ich werde den Beamten darstellen, der ich bin, auch reden, aber noch mehr zuhören.“ „Wir hatten auch nicht angenommen, dass du dich vor der Arbeit drücken willst,“ gab der Wächter des Königs prompt an, grinste jedoch. Es war schön, dachte Ptahnacht, jemanden als Gruppenleiter zu haben, der sich die vornehme Geburt nie heraushängen ließ, weder ihm als Fischerjungen gegenüber, noch zu Nefer. Nun, auch Rahotep tat dies nicht und auch Merit, wobei Ptahnacht nicht wusste, ob Meruka sie so ausgesucht hatte. Vermutlich allerdings schon, so, wie er ihn kennengelernt hatte. „Ich werde mich zunächst bei den Hauswachen umhören, immerhin waren wohl einige auch jetzt bei dem Feldzug dabei, die stutzig werden könnten, wenn ich da nicht neugierig bin, ehe ich die befrage, die in Sau blieben und damit bei dem Tod Merinuts anwesend waren. Danach geht es zum Hafen, aber das ist sicher erst morgen oder in zwei Tagen der Fall. Wie lange bleiben wir in Sau, Meruka?“ „Einige Tage. Die Ruderer der Wildstier müssen sich erholen, denn von hier aus geht es durch Kanäle weiter, durch Papyrusdickichte und ohne Strömung. Das wird anstrengender für sie, bis wir nach Pe und Dep kommen.“ Die Doppelstadt lag zwar ebenfalls am Iteru, doch an einem anderen Arm, der nach Norden durch gewaltige Sumpfgebiete und Marschen bis zum Großen Grün führte. Kapitel 7: Ankunft in Sau ------------------------- Die folgende Nacht verbrachte die „Wildstier“ mit ihrer Besatzung und den Gästen auf einer Sandbank im Fluss. Einige Matrosen und der Steuermann Paadiptah der Jüngere hielten bei einem Feuer Wache. Kapitän Paadiptah der Ältere wollte keinerlei Risiko eingehen. Natürlich war kemet unter dem Schutz des göttlichen Falken ein sehr sicheres Land und kein Mensch würde es hier auch nur wagen auf Beute aus zu sein. Selbst Sobeks Tiere, die Krokodile, würden nicht an Bord des Holzschiffes gelangen können. Der erfahrene Kapitän befürchtete jedoch, dass einer von Seths Freunden, ein Flusspferd, sich an dem Schiff stören würde. Wütend waren sie stark genug, selbst das hölzerne Schiff zu beschädigen. Die Reise war bislang gut verlaufen und, wenn es nach ihm ging, sollte es auch dabei bleiben. Holz, selbst das der Akazien und Tamarisken, war mehr wert als Gold oder gar Silber, und ihm war klar, dass er sich bei einer Beschädigung des königlichen Schiffes auf sehr großen Ärger einstellen musste. Zu seiner gewissen Erleichterung blieb es eine ruhige Nacht und mit Beginn des Nachmittags konnte man die landwirtschaftlichen Domänen und Dörfer hinter dem Schilf immer näher an den Fluss heranrücken sehen. „Bald sind wir in Sau,“ erklärte Meruka Merit, ums einer Rolle als Reiseleiter Genüge zu tun. Der Kapitän stand auf dem Dach knapp über ihnen, um die „Wildstier“ quer durch die Strömung steuern zu lassen. Beide Steuermänner mussten sich mit den Rudern anstrengen, ebenso die Matrosen, die geradezu hektisch paddelten. Das Wasser des Iteru strömte hier breit und massig dahin. „Ich fürchte, oh Königsbekannte, du wirst von dem ehrwürdigen Tempel der Neith ein wenig enttäuscht sein. Er ist alt und heilig, kleiner jedoch als der des Ptah in Ibenu-hedj.“ „Ja, das hörte ich,“ erwiderte die junge Dame unverzüglich. „Aber er soll ja schon zu Zeiten der Ahnen gestanden haben, ehe die beiden Länder vereinigt wurden, ewig her. - Oh, was ist das?“ Sie hatte eine Arbeitsstätte am Ufer entdeckt, in der fleißig gehämmert wurde. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie andere Männer, die die grünen Stängel der Papyrusstauden heranschleppten und sorgfältig auf Haufen stapelten. „Ach, ich erinnere mich. Eine Papyruswerkstatt!“ Gewöhnlich sah sie nur das fertige Endprodukt, die Rollen, die bei Hofe von den Schreibern und auch ihr selbst benutzt wurden. „Ja, genau. Die abgeschnittenen Stauden werden gesammelt, dann gewässert, und sie werden geschält. Das Mark, also, das Innere, wird dann abgezogen und in Streifen geschnitten. Diese werden leicht überlappend gelegt und festgeklopft. Darauf kommt eine zweite Lage, die quer dazu gelegt wird. Beides wird dann zusammengepresst und immer wieder geklopft. Ein Leim bindet es zusätzlich. So entsteht ein weiches Blatt, das zusammengerollt werden kann. Mehrere dieser Blätter werden dann aneinander gelegt und so entstehen die eigentlichen Buchrollen, die ja meist drei oder vier Mal so lang wie ein Mann sind. Es ist sehr aufwendig und steht darum auch nur dem Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, zu.“ „Dort vorne kommt Sau, Vorsteher der privaten Schreiber,“ warf Rahotep ein, der seine Heimatstadt mit einem leichten, frohen Stich an einer Kurve des Iteru erscheinen sah. Eine hohe, weißgekalkte Mauer verbarg die eigentliche Stadt. Davor allerdings konnte man schon von hier aus das Hafenbecken erkennen, wo einige Lastschiffe aus Papyrus lagen, aber auch ein größeres aus Holz. „Ach, seht nur, das ist eines von diesen Schiffen, die über das Große Grün kommen. Sicher brachten sie wertvolle Ware. Sie haben auch andere Kleidung als wir, diese Leute auf keftiu.“ „Bunter?“ fragte Nefer. „Nein, andere Muster. Sie weben anders. Hast du schon einmal im Inneren eines Grabes die Deckenmuster gesehen, die das ja imitieren sollen? Oder im Palast des Lebenden Horus die Stoffe an den Wänden? So etwas. Sie weben, ja, eckiger.“ Und das war selten, also modern in der höheren Schicht des Hofes. „Wir haben Glück, dass gerade ein Schiff hier ist.“ Er blickte unwillkürlich zu Ptahnacht, der ja im Hafen Nachforschungen anstellen sollte. „Es wird anscheinend erst ausgeladen, bleibt also gewiss bis morgen, eher länger.“ „Du weißt viel,“ meinte Merit. „Auch, seit wann keftiu kemet beliefert?“ „Sicher schon länger als hundert Jahre. Ich hörte, aber das ist nicht sicher, dass es unter Horus Netjerichet und seinem tjati Imhotep geschah, oder gar schon dessen Vater.“ „So ein Schiff ist bestimmt sehr interessant und die Fremden gleich dazu,“ sagte Ptahnacht, schon, um dem doch mithörenden Kapitän einen Vorwand zu liefern, falls der ihn beim Herumschlendern im Hafen entdeckte. Derartige Vorsicht war ein Grund, warum ihn Meruka so schätzte. „Natürlich.“ Der Leiter der Gruppe klang bewusst herablassend, um den Standesunterschied für die Zuhörer zu betonen. „Ich glaube übrigens, dass der Feldzug gegen die tehenu gerade abgeschlossen wurde, wenn ich das Lager dort vor der Stadt betrachte. Morgen können die Männer dann gewiss nach Hause.“ Es handelte sich um ein einfaches Feldlager, die Zelte wie stets aus drei gleichlangen Stangen gebaut, eine Matte als Schattenspender darüber geworfen – genug Platz für vier einfache Soldaten, zwei Unteroffiziere oder einen Offizier. Die Latrinen wurden täglich frisch abseits ausgehoben. So wurde jeder Tag bei einem Feldzug mit dem Aufschlagen des Lagers beendet, wobei Meruka zugab, dass er weder Latrinen hatte ausheben müssen noch ein Zelt aufschlagen, hatte er doch mit seinem Vater zu der direkten Umgebung des Lebenden Horus gehört und war entsprechend bevorzugt behandelt worden, als er mit dreizehn auf seinem ersten Zug war. Mit fünfzehn hatte er ein eigenes Kommando aus fünfundzwanzig Männern befehligt. „Gut. So ist der Gauvorsteher und Wächter der westlichen Grenze auch wieder in der Stadt.“ Er sah empor. „Kapitän?“ Paadiptah der Ältere bewies unbeabsichtigt, dass er zugehört hatte. „Soll ich einen Eilboten zu dem Gauvorsteher mit der Mitteilung eurer Ankunft schicken, oh ehrenwerter Vorsteher der privaten Schreiber?“ „Ja. Bis das Gepäck von Bord ist, werden wir gewiss Antwort haben.“ „Sicher. Ich werde mich dann auch, so es dir gefällt, nach einem erfahrenen Lotsen für die Weiterfahrt nach Pe und Dep umsehen. Nach jeder Überschwemmung liegen doch die Sandbänke anders und ab hier fahre ich zu selten.“ „Ja, tue das.“ Meruka war sicher, der Kapitän kannte den passenden Lotsen.   Merigeb, der „Wächter der westlichen Grenze“, war ein Mann um die vierzig. Er saß in seinem Empfangszimmer, rechts und links je drei Schreiber und arbeitete sich durch die Angelegenheiten, die während seiner Abwesenheit und nach dem Tod seines Bruders aufgelaufen waren. Sein jüngerer Sohn Cheprihotep hatte keinerlei Vollmachten besessen sich um alles zu kümmern und nur das Notwendigste entschieden. Jetzt seufzte er, wenngleich nur innerlich. So ein hoher Besuch, gleich, nachdem er angekommen war? Hoffentlich war alles in Ordnung, hoffentlich sah der Vorsteher der privaten Schreiber im Feldlager keine Unordnung. Meruka, ja? Ja, dessen Vater hatte er gekannt und er wusste auch, dass der Junge eine geradezu atemberaubende Karriere hingelegt hatte. Natürlich stand zu vermuten, dass die Fürsprache seines Stiefvaters als Siegler da mitgeholfen hatte, aber er kannte Horus Quahedjet seit der gemeinsamen Schulzeit. Ohne Können beförderte der niemanden so hoch. Meruka musste fähig und diskret sein, sonst wäre er nie so nahe an den Herrn der beiden Länder herangekommen. Und er wusste, dass dieser, wie er selbst auch, den höchsten Hofrangtitel als „Einziger Freund“ verliehen bekommen hatte. Nun, es half nichts, er musste diesen Besuch hinter sich bringen, wollte er sich nicht blamieren. Und eine junge Dame dabei, hm. Schreiberin der maat-hor? Ah, das musste das Mädchen sein, das bald eine Heirat mit dem Ältesten Königssohn eingehen wollte. Da sollte auch das Gästezimmer bei den Frauen wohl vorbereitet sein. So ließ er seine Frau rufen. Baunefer nickte nur. „Meresanch, ja. Ich erinnere mich an die Kleine.“ „Vorsicht,“ mahnte Merigeb prompt. Das vor den Ohren seiner Schreiber! „Du wirst mich nicht für taktlos halten. Aber sie ist eine Schreiberin der maat-hor, keine Königstochter oder gar die maat-hor selbst. Ich bin eine „Königsbekannte“.“ „Dennoch, sei behutsam.“ Sie war als Tochter und Schwester des „Wächters von Nechen“ von hoher Geburt und hielt ihm immer noch vor, dass er aus einfacheren Verhältnissen stammte. Allerdings war sie soweit mit seiner Karriere zufrieden, bis auf die Tatsache, dass sie in Sau war und lieber in der Residenz leben würde. Aber das schickte sich nun wirklich nicht. „Informiere auch Sescheschet und Meritneith.“ „Ich werde alles bereit machen lassen. Hat sie eine Dienerin dabei?“ Sie erwartete sichtlich ein „Nein“. „Ja. - Und noch etwas. Rahotep ist dabei.“ Dessen Wunsch Arzt werden zu wollen hatte zu erbittertem Streit zwischen ihm und seinem Sohn geführt, aber der Oberste der Ärzte hatte sich für den Jungen eingesetzt. Nun war Merigeb durchaus zufrieden, hatte Rahotep ihm doch vor einigen Wochen mitteilen können, dass er vom „semer des Hauses“ zum „semer“ befördert worden war, was beileibe nicht alle Ärzte wurden, und zudem zum Leibarzt der königlichen Familie ernannt wurde. Das war schon recht weit hoch in der Hierarchie. So bestand doch die Aussicht, dass er sogar zum Leibarzt des Horus selbst oder zum Obersten der Ärzte wurde. So sollte sein jüngerer Sohn jetzt der Stab seines Alters werden, sein Nachfolger. Cheprihotep zeigte sich auch geneigter, oder gehorsamer, als sein Bruder. Baunefer lächelte unwillkürlich. Von den sechs Kindern, die sie geboren hatte, lebten nur noch zwei Söhne und so sehr sie auch zunächst geschimpft hatte, Rahotep werfe sein Leben weg, so sah sie nun, dass man auch auf diesem Weg hoch angesehen bei Hofe sein konnte. „Das ist schön. Hoffentlich findet er Zeit für seine Eltern. Ist Meresanch etwa krank?“ „Das weiß ich nicht, es ist aber wohl eine Vorsichtsmaßnahme. - Ich werde Sänften und Träger zum Hafen schicken.“ „Natürlich. Wer ist der Leiter der Reise? Meruka?“ „Vorsteher der privaten königlichen Schreiber. Und Einziger Freund.“ „Und angeheirateter Sohn des Sieglers, ja. Unverheiratet.“ „Rahotep ist das auch.“ „Rahotep trauert noch immer. Sinnloserweise. Er könnte durchaus eine gute Partie machen.“ Aber Baunefer strich sich nur kurz über die modische dreireihige Schmuckkette um den Hals, ehe sie sich abwandte. Sie hatte zu tun, immerhin sollten sich die Gäste, vor allem Meruka, nicht beschweren können. Und für ihren Sohn sollte das Zimmer auch hergerichtet sein. Überdies wollte sie sich nicht vor Meresanch blamieren, das Mädchen war ja immerhin trotz des fortgeschrittenen Alters noch zu einer Gemahlin des Thronfolgers auserwählt worden, warum auch immer. Mit ihren neunzehn Jahren war sie doch eine alte Jungfer, die niemand gewollt hatte. Vermutlich nur, weil sie eben die Ausbildung der Königskinder geteilt hatte und die Riten und Vorgehensweisen kannte. Menhekat würde gewiss eine Andere zur maat-hor ernennen, wenn diese ihm einen Erben geboren hatte. Mit neunzehn war Meresanch doch schon zu alt für das erste Kind. Obwohl, Wunder gab es ja. Sie sollte vorsichtig bleiben. Jedenfalls würde sie selbst bei dem Empfang heute Abend glänzen. Sie besaß Schmuck, den die Hofjuweliere hergestellt hatten, Geschenke ihres Mannes, die dieser vom Horus selbst zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Ja, Merigeb hatte alles gehalten, was sie sich einst von ihm versprochen hatte. Leider musste er als „Wächter des Westens“ hier in der Provinz leben und konnte nur alle drei Monate zu seinen Berichten an den tjati oder den Herrn der beiden Länder selbst in die Residenz reisen, aber immerhin nahm er sie mit und sie traf dort oft genug ihren Bruder Chunmmose.   Merigeb zog sich derweil eilig in sein eigenes Schlafzimmer zurück, um einen neuen Schurz anzulegen. Es ziemte sich nicht so hochrangige Gäste, nun überhaupt Gäste, zerknittert zu empfangen. Auch ein paar neue Sandalen, ein Armband für den linken Arm, das genügte, schließlich war es kein Fest. Hoffentlich kam er dazu mit Rahotep auch einmal unter vier Augen zu sprechen, es interessierte ihn doch sehr, wie die weitere Karriere seines Ältesten aussehen könnte. Ehre hatte ihm dieser sowieso bereits gemacht. Der Junge war klug und seine Leidenschaft für den Arztberuf war eindeutig echt gewesen, kein Vorwand, sich vor den militärischen Aufgaben zu drücken. Als er in die Empfangshalle zurückkehrte, sah er zufrieden, dass sich auch seine Schreiber rasch gewaschen hatten. Ja, Mitdenken erwartete er von seinen Leuten. „Bastschepses, gehe doch in die Säulenhalle und melde mir unverzüglich, wenn die Sänften kommen.“ Während der Schreiber aufstand und verschwand, setzte sich der Gauvorsteher wieder auf seinen Platz. Es konnte nicht mehr lange dauern, schließlich befand sich die Residenz der Statthalter direkt gegenüber des Neith-Tempels, im Herzen der Stadt.   Merit, die in der Sänfte hinter Meruka getragen wurde, war die gewisse Unbequemlichkeit des Hockens in Holz gewohnt. Allerdings wurde ihr, wenn sie im Gefolge der Königinmutter oder der maat-hor so gereist war, stets ein Kissen hineingelegt. So war es härter, aber das war eben so. Für jemanden ihres Standes war das die gängige Art des Reisens, zumindest auf kurze Distanzen. Zu Fuß zu gehen war nur bei Prozessionen und anderen religiösen Tätigkeiten erwünscht. Sie entdeckte vor sich einen größeren Platz, an dem sich rechter Hand zwei steinerne Pylone erhoben, die den Eingang zu dem ummauerten heiligen Bezirk der Göttin Neith bildeten. In der Tat, dieser Tempel war kleiner als der des Ptah in Ibenu-hedj oder selbst der der Löwengöttin Bastet in ihrer Heimatstadt. Links lag ein ebenfalls mit einer hohen Mauer umgebenes Gebäude, sicher die Residenz des adjmer und Wohnsitz seiner Familie. Das große, hölzerne, Tor war geöffnet und die Wachen dort erwarteten sichtlich die Gäste. Sie warf keinen Blick auf das Holz, wusste jedoch, dass dies nur auf ausdrücklichen Befehl des Lebenden Gottes so angefertigt worden war. Holz gehörte, ebenso wie Gold und Silber, zum Eigentum des Herrn der beiden Länder. Hinter dem Tor öffnete sich ein Hof, umrahmt mit Säulengängen, die Schatten boten. In der Mitte lag ein großes Wasserbecken, wo Sykomoren ebenfalls Schatten warfen. Der eigentliche Garten befand sich sicher hinter der imposanten Fassade des Anwesens verborgen, war privat. Sie kannte solche Häuser, ihr Vater hatte schließlich selbst eines besessen als Stadtvorsteher. Sie beachtete daher weniger die schmalen, langen Fensteröffnungen, die nur Luft aber keine Hitze einlassen sollten, die Treppen, die auf das Dach führten, wo sich die Familie hinter Windschirmen unter Matten sicher im Sommer oft aufhielt, sondern warf einen raschen Blick hinter sich nach unten, wo neben Nefer Rahotep ging. Er kam nach Hause, dachte sie, als sie ein kleines Lächeln um den Mund des Arztes huschen sah. Wie schön musste das sein noch Eltern zu haben, die nicht in den Westen gegangen waren.   Die Sänften wurden mit den üblichen Rucken abgesetzt, die beiden Insassen steigen aus. Merit trat unverzüglich zu Meruka, als sei sie sich unsicher. Der Leiter der Gruppe bemerkte es zufrieden. Er hatte ihr zuvor nur gesagt, sie solle schüchtern tun, damit sie unterschätzt würde, ihr aber keine weiteren Verhaltensmaßregeln gegeben. Sie würde allein zusehen müssen, was sie von den Damen der Familie zu dem unseligen Abend herausbringen konnte. Merigeb würden er und auch Rahotep übernehmen, das Dienstpersonal und den Hafen Ptahnacht und Nefer. Mehr war einstweilen nicht klar gewesen. Sie mussten hier etwas herausbringen, das war allerdings klar, aber wie und was … Nun, das mochten die unvergänglichen Sterne am Nordhimmel wissen. Er nahm seinen Amtsstab zur Hand und rückte unwillkürlich seinen Halsschmuck gerade. Über dem Leibchen verrutschte dieser doch eher als auf der bloßen Brust. Aber wohl schon in mehreren Tagen oder zwei Wochen würde der zusätzliche Stoff überflüssig sein.   Merigeb musterte fast ein wenig zu neugierig die Neuankömmlinge, die die Empfangshalle betraten, in der Feuerpfannen das Licht und etwas Wärme brachten. Meruka kannte er, aber er sah sich kurz Meresanch an, die er kaum bewusst zu Gesicht bekommen hatte, ehe er zu dem jungen Mann hinter ihr blickte. Rahotep lächelte ihm flüchtig zu. Ihm schien es gut zu gehen, auch, wenn er natürlich nicht Privates und Offizielles vermischte. So atmete der adjmer durch. „Ich grüße euch und heiße euch hier willkommen. Leider herrscht noch ein wenig Unruhe, da ich gestern erst von einem erfolgreichen Rachefeldzug gegen die tehenu zurückgekehrt bin.“ „Wir hörten davon,“ erwiderte Meruka höflich. „Du wirst einiges an Vieh mitgebracht haben.“ „Ja. Mein jüngerer Sohn Cherprihotep kümmert sich noch soeben um die Männer. - Oh, Baunefer. - Meruka, ich möchte dir die Königsbekannte Baunefer, die Herrin meines Hauses, vorstellen.“ Diese lächelte und kam näher, musterte aber Meresanch. Merit bemerkte doch, dass ihre Kleidung, ihr Schmuck taxiert wurde – und auch, dass sich die Hausherrin durchaus wertvolle Ketten umgehängt hatte. Nun, heute Abend bei dem Empfang würde es noch teurer werden. Glaubte diese etwa, sie hätte nichts anderes dabei oder besäße nichts anderes? Das war eine dezente Herausforderung, wenn man die Zeichen lesen konnte. Meruka meinte unterdessen: „Danke. - Ihr kennt euch vermutlich? Die Königsbekannte und private Schreiberin der maat-hor, Meresanch.“ „Ja, natürlich,“ erwiderte Baunefer. „Wenn ich dich, Meresanch, bitten dürfte, mit mir zu kommen? Ich zeige dir das Gästezimmer. Die Reise wird ermüdend gewesen sein.“ Formell korrekt, dachten Meruka und Merit in Eintracht. Der Leiter der Gruppe war jedoch durchaus angetan, dass seine jüngste Mitarbeiterin nicht auf die Provokation einging – immerhin war erst Mittag - , sondern nur den Kopf neigte. So sagte er: „Da ich doch vermute, Merigeb, dass dich einiges mehr interessiert …“ Seine Handbewegung deutete auf Rahotep. „Danke, ja, das ist sehr freundlich. Mein Haushaltsvorsteher wird dir dein Zimmer zeigen und dafür sorgen, dass euer Gepäck geliefert wird. Für heute Abend habe ich mir erlaubt einen Empfang vorbereiten zu lassen. Selten genug zeigen sich Leute aus der Residenz in Sau.“ „Natürlich. Nur von hohen Beamten wird erwartet, dass sie reisen.“ Er sah, dass Merit und damit auch Nefer der Hausherrin folgten, und wandte sich etwas um. „Es wäre zu freundlich, Merigeb, würdest du auch Sorge um den königlichen Wächter tragen, der uns zur Verfügung gestellt wurde.“ „Natürlich.“ Jemand winkte Ptahnacht und der folgte ihm, sicher, dass er zu den Unterkünften der hiesigen Wachen gebracht werden würde – und hoffentlich dort etwas in Erfahrung bringen konnte. Bislang hielten sie ja nichts in der Hand. Umso wichtiger war es sich unauffällig nach dem Speiseplan jedes verhängnisvollen Tages zu erkundigen – und ob es in Rahoteps so friedlicher Familie doch Spannungen gab.     Kapitel 8: Erste Nachfragen --------------------------- Nachdem Baunefer höchstpersönlich Merit das Gästezimmer gezeigt hatte, sagte sie: „Du kannst dich einrichten Heute Abend gibt es dann einen großen Empfang, aber ich bin überzeugt, du hast entsprechende Kleidung dabei.“ „Ja, danke. Ich vermute, wenn man diesen Gang entlang geht, kommt man in den Privatgarten?“ „Ja. Allerdings hält sich dort meist meine Schwägerin auf. Meritneith. Sie wird heute Abend auch sicher nicht an dem Empfang teilnehmen. Sie ist erst vor kurzem Witwe geworden, die Beerdigung fand erst vor einigen Tagen statt. So wäre es nicht nur unziemlich, sondern würde sie belasten.“ Nanu, dachte Nefer prompt, hörte sie da etwas wie menschliche Anteilnahme heraus? Das entsprach nicht ganz dem Eindruck, den sie bislang von der Dame gewonnen hatte. Merit nickte. „Ich werde darauf selbstverständlich Rücksicht nehmen. Möge das Ka ihres Mannes glücklich sein.“ „Nun, hier, das ist Tij. Sie wird deiner Dienerin zur Hand gehen und ihr auch die Wege zeigen.“ Die Hausherrin deutete auf eine sich rasch verneigende Dienerin mittleren Alters, deren weißen, schmales Kleid nur von einem bunt bestickten Gürtel geschmückt wurde, Der Machart nach ein Geschenk ihrer Herrin.   Weder Merit noch ihre erfahrenere Kollegin nahmen an, dass Tij nur eine Hilfe sein sollte. Ganz gewiss sollte sie auch Baunefer etwas über den Besuch berichten. Das Mädchen aus dem ipet sah nur zu ihrer Kollegin. „Das ist Nefer, Tij. - Ich danke dir, Baunefer, für die Gastfreundschaft. Es ist ein reizendes Zimmer.“ Das entsprach den Tatsachen. Wie alle Räume des Statthalterpalastes waren auch hier Wände und Säulen bunt bemalt, zeigten Reichtum und Macht des Hausherrn. Im Vorraum zu diesem Zimmer stand eine eigene kleine Wanne aus Sandstein, damit sich der Gast erfrischen konnte, das Gästezimmer selbst bot ein Bett mit hölzernen Füßen, eine Feuerschale, die Licht und Wärme spendete, denn das schmale Fenster erhellte kaum den Raum, schon, um ihn im Sommer kühl zu halten. Merit vermutete, dass auch Meruka ähnlich untergebracht wurde. Merigeb und seine Familie wollten sich sicher nicht Geiz nachsagen lassen und im Gegenteil die Geschenke des Herrn der beiden Länder präsentieren, wie hoch sie in dessen Gunst standen. „Wenn du etwas benötigst, sage es nur Tij. Dein Gepäck wird sicher gleich gebracht.“ Ja, dachte Merit, und es war gewiss nicht durchsucht worden. Um so etwas zu verhindern hatte Meruka heute morgen noch alle Kisten versiegelt. Niemand, der bei klarem Verstand war, würde es wagen ein Siegel zu öffnen, auf dem das Zeichen der königlichen Kanzlei prangte. Sie gab zu, dass ihr Vorgesetzter an sehr viel, wenn nicht an alles dachte. Es war eine sehr interessante Arbeit. Ob sie diese nach der Heirat mit Menhekat noch durchführen könnte? Wohl eher weniger. Ausbildung zur maat-hor und viele Pflichten warteten, nicht zuletzt die Möglichkeit ein Kind zu bekommen, wenn möglich natürlich einen Sohn, der ihr den Weg zur Königinmutter ebnen würde. Das lag jedoch in der Zukunft, und sie sollte sich auf das Hier konzentrieren. So verneigte sie sich höflich ein wenig vor Baunefer, die das erwiderte ehe sie ging. Nefer lächelte ein wenig Tij an, verlegen und schüchtern, eine Frau vom Land. Sie wusste, dass im Delta die Menschen aus dem tiefen Süden, wie sie, für dumm und simpel gehalten wurden. Aber sie war sich inzwischen sicher, dass Merit ihr helfen würde. Sie musste nur ihren Dialekt ein wenig betonen und niemand in Sau würde sie für voll nehmen. „Dann kümmere dich, kümmert euch, um mein Gepäck. Nefer, ich möchte vor dem Empfang heute mich abschminken und dann noch baden. Jetzt gehe ich ein wenig in den hoffentlich schattigen Garten. Falls die Arme, wie hieß sie doch, dort ist, werde ich sie nur grüßen.“ Schön, dachte Nefer, also sollte sie sich um Tij und die anderen Dienstboten kümmern, wie Meruka ja schon gesagt hatte – und Merit würde versuchen mit der Witwe zu reden. Mal sehen, was dabei herauskommen würde. Erst nach diesem Empfang heute Nacht würden sie sich alle wieder treffen können. So wechselte sie in die schwere südliche Aussprache. „Es sind zwei große Kisten.“ „Ja, natürlich.“ Tij unterdrückte ein Lächeln. Leute aus dem Süden waren einfach verbauert.   Merit musste nicht fragen um den Garten zu finden. Die Holztür war leicht geöffnet, so dass frische Luft, aber auch etwas Wärme der Sonne in das winterkühle Haus kam. Sie blieb kurz in der Tür stehen und orientierte sich. Wie alle Gärten besaß auch dieser in der Mitte ein großes Wasserbecken, das hier vermutlich von dem Kanal gespeist wurde, der sich dort von rechts näherte und sicher zum Fluss führte. Mit diesem Wasser wurden bestimmt auch die Pflanzen gegossen, die hier wuchsen. Sykomoren und Akazien boten Schatten, weiter links gab es nahe der Gartenwand eine große Pergola, deren Schatten von Wein gebildet wurde. Wie praktisch. Im Herbst konnte man dort sitzen und genüsslich die Trauben pflücken. Wie alle Gärten war auch dieser von einer hohen Mauer umgeben, um den stetigen Sand und Wind abzuhalten. Um die Bäume waren kleine Erdwälle aufgeworfen um das Wasser zu halten. Im Teich entdeckte sie blauen Lotos, Mohn und Lilien blühten in Beeten. Aber sie interessierte sich mehr für die Frau, die in der Pergola saß und mehr oder weniger in den Teich starrte. Das musste Meritneith sein, denn zum Zeichen der Trauer trug sie noch immer die Haare offen und mit Asche bedeckt. Vorsichtig trat Merit näher. Die Witwe war ungeschminkt und wirkte wahrlich verhärmt. Es tat ihr fast leid sie stören zu müssen, aber nur so konnte sie selbst vielleicht etwas über diese mysteriösen Todesfälle herausbringen – und womöglich verhindern, dass andere in den Westen gingen, andere Frauen mit so leerem Blick da saßen. Meritneith fuhr zusammen und blickte auf. Das Mädchen aus dem ipet entschuldigte sich hastig. „Ich bitte um Vergebung, ich wollte nicht stören. Ich bin Meresanch. Ich kam heute als Gast mit dem Vorsteher der privaten Schreiber des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund. Du bist wohl Meritneith? Möge das Ka deines Mannes glücklich sein.“ „Danke, ja. Gäste? Davon erwähnte Baunefer nichts.“ „Sie wurde wohl überrascht. Ich weiß es nicht genau, denke jedoch wir wurden nicht angekündigt. Ich soll in Sau den Tempel der Neith besuchen“ „Bist du Priesterin? Andere dürfen doch gar nicht in den inneren Bezirk.“ „Ja. Und nein, ich bin keine Priesterin der Neith. Aber es gibt gewisse Regeln, Riten, die ich lernen soll, den Ort kennenlernen soll, ehe sie mich erreichen. Ich werde in wenigen Wochen den Falken im Nest heiraten.“ „Oh.“ Mit gewissem Interesse hob die Witwe doch den Kopf und sah ihre junge Besucherin an. „Ich verstehe. Einen...Bildungsreise. - Setze dich nur her.“ Sie deutet auf den zweiten Hocker. „Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich ….es war so schwer, weißt du? Neben jemandem zu stehen und ihm nicht helfen zu können. Der Arzt sagte ja, es sei eine Krankheit, die man nicht bekämpfen können, aber ….Es war schrecklich.“ Merit nickte nur und nahm die Hand Meritneiths. „Du hättest ihm gern geholfen, aber wenn schon ein Arzt versagt….“ „Ja., ich weiß.“ „So traf ihn wohl ein Fluch der Sachmet?“ „Ja, ich denke. Ich weiß nur nicht warum, er hat doch die Götter immer geachtet!“ „Man sagt, die Dämonen der Sachmet treffen unvermutet und wahllos. Auch meine Eltern und Brüder starben bei der Seuche an solchen Dämonen. Vor fast zehn Jahren. Ich war erst acht und stand allein.“ „Ja, die zornige Göttin ließ mir meinen Sohn. Er heißt Merira und ist schon aus der Schule, im Augenblick soll er eine Festung leiten, da ja der adjmer auf einem Feldzug war. Aber er darf sicher bald wieder zu mir.“ „Sicher.“ Merit überlegte, was sie noch sagen sollte und könnte. Immerhin hatte da gewisser Stolz auf den Sohn herausgeklungen. „Deine Eltern starben an der Seuche? Wer waren sie denn?“ „Oh, mein Vater hieß Minnacht. Er war der Stadtvorsteher von Per-Bast und Milchbruder des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund.“ „So war deine Großmutter die Amme eines Lebenden Gottes. Kein Wunder, dass du in Erwägung als maat-hor gezogen wirst.“ In der Stimme Meritneiths klang gewisse Bewunderung. Sie war aus guter Familie, aber hatte Sau kaum je verlassen. Der Hof, die Residenzstadt, hatten sie eher eingeschüchtert, dazu das strikte höfische Protokoll. „Ich wollte dich hier nicht stören,“ meinte die junge Dame behutsam. Hier kam sie wohl kaum weiter. „Nur ein wenig die Einsamkeit genießen. Heute Abend soll ein Empfang stattfinden.“ „Ja, natürlich, wenn schon Gäste herkommen. - Ich würde ja auch müssen, wenn mein Ehemann noch leben würde ….“ Merit sah ihre Chance. „Du magst solche Empfänge wohl nicht? Es gibt immer gut zu essen, das muss ich sagen.“ „Ach ja, Baunefer und Merigeb lassen sich bei solchen Gelegenheiten immer etwas einfallen. Aber ich würde sowieso nichts essen wollen. Ich müsste immer daran denken, wie das letzte Mal ….“ „Oh, deinem Mann ging es nach einem solchen Essen so schlecht? War es etwa ein Fehler in der Küche? Und wurden auch andere Leute krank?“ „Oh nein!“ Meritneith war prompt bemüht Schwager und Schwägerin zu schützen. „Wirklich nicht! Es wurde niemand krank außer ihm. Und der Arzt sagte ja, es wäre ein dämonischer Wurm. Er erklärte es mir so, dass in einem Körper ein Fluss laufe, mit vielen Kanälen. Der giftige, dämonische Same käme dort hinein und würde etwas verstopfen. Deswegen soll man ja auch immer wieder Abführmittel nehmen. Leider hat es bei meinem armen Ehemann nichts geholfen und so schloss der Arzt eben auf einen Wurm. Ich hatte ja einmal einen Wurm im Zahn, der daran fraß, und ein Zahnarzt konnte das Loch verschließen und mir den Schmerz nehmen. Ich weiß, wie weh das tat. Merinut sagte ja auch zu mir, es sei, als oh er innerlich aufgefressen würde, so sehr schmerze es.“ Das war eine neue Information. Bislang war doch gesagt worden, die Opfer seien alle durch Ersticken gestorben? Schmerzte das etwa auch? Sie müsste es in jedem Fall Meruka und Rahotep berichten. „Ja, das hört sich schrecklich an. Möge sein Ka glücklich sein – und dein Sohn dich glücklich machen. - Ich werde dich wieder allein lassen. Ich möchte doch heute Abend hübsch aussehen.“ „Ja, natürlich. Baunefer wird auch ihren Schmuck tragen.“ „Das denke ich mir, ja.“ Merit erhob sich und ging, durchaus zufrieden dass sie hier offenkundig etwas Neues gehört hatte. Sie vermutete, wenn jemand am Ersticken sei, könne er doch nicht mehr sprechen. Also musste der Tote hier an etwas anderem gelitten haben. Handelte es sich etwa gar nicht um eine Serie von Todesfällen, sondern waren eben immer andere Ursachen dafür verantwortlich? Aber das sollten Meruka und Rahotep überlegen. Ihr Interesse sollte wahrlich sein heute Abend hübsch auszusehen, den königlichen Hof würdig zu repräsentieren. Zum Glück hatte sie auch ihren wertvollsten Schmuck mitgenommen, weniger, weil sie an einen großen Empfang in Sau gedacht hatte, als daran, dass sie womöglich dem Herrn der beiden Länder in Pe und Dep begegnen würde, wenn dieser dorthin fuhr, um die Riten der Flusspferdejagd und des Fischfangs zu vollziehen, um die Äcker zu schützen und die Menschen in kemet mit Fisch zu versorgen. Nun, es war besser, dass sie den Schmuck, den ihr der Lebende Gott kemets geschenkt hatte, dabei hatte, denn so könnte sie Baunefer im wahrsten Sinn des Wortes ausstechen. Derartiges besaß eine noch so hochrangige Frau nicht, die nicht der engsten königlichen Familie angehörte. Da sie es von dem Herrn der beiden Länder bereits erhalten hatte ohne mit Menhekat verheiratet zu sein, durfte sie diese Ehre gewiss auch nach außen zeigen. Zunächst jedoch sollte sie sich ausziehen und in dem kühlen Becken waschen und abschminken. Nefer sollte dann auch kommen um ihr zu helfen, so dass sie Neuigkeiten austauschen könnten. Meruka wollte ja stets, dass mindestens zwei seiner Mitarbeiter Informationen teilten, um sicher gehen zu können selbst alle zu erhalten.   Nefer hatte sich unterdessen mit Tij unterhalten, aber die Dienerin war ihrerseits zu neugierig auf das Leben bei Hofe gewesen, als dass sie allzu viel hätte in Erfahrung bringen können. Nur, aber immerhin, dass es an dem Abend, an dem Merinut erkrankt war, ebenfalls einen Empfang gegeben hatte, bei dem viele Speisen angeboten worden waren, darunter auch, wie Tij betonte, Ehrengeschenke aus dem Palast des Harpunierenden Horus, darunter der Nachtisch, Datteln in echtem Wein, wie es die Frau aus Sau nannte, also aus Trauben. Es hatte Rind gegeben, Ente, frisch gebackenes Brot aus der großen Bäckerei der Stadt, frisch angesetztes Dattelbier aus der Brauerei, dem auch reichlich zugesprochen worden war. „Das mag im Süden anders sein,“ erklärte Tij stolz. „Aber hier wird Honig mit hineingetan. Ich glaube, im Süden wird der von wilden Bienen gesammelt.“ „Ja, in der Wüste, oder deren Rand,“ hatte Nefer eilig gesagt, die durchaus schon gehört hatte, dass im Delta Bienen in langen Tonröhren gehalten wurden. Das war natürlich einfacher den da zu finden und einzusammeln, aber die Agentin wollte die Gelegenheit nutzen zu verdeutlichen, dass sich die Deltabewohner zu Recht überlegen fühlten. Tij lächelte auch. „Na, komm. Deine Herrin wird sicher schon warten. Hat sie auch Schmuck dabei?“ „Ja, natürlich.“ Nefer hütete sich freilich zu sagen welchen, zumal sie auch nur gesehen hatte, dass einiges in blau aus Färberwaid gefärbtem Tuch eingehüllt war., auf dem in Gold ein Serech gestickt war. Sie konnte nicht lesen, aber sie wusste, dass darin immer und ausschließlich der Horusname stand.   Ptahnacht hatte sich bei Getränken und Essen von den Männern des adjmer von dem erfolgreichen Feldzug, oder eher, der Strafaktion, gegen die tehenu unterrichten lassen. Die gestohlenen Rinder waren ebenso zurückgeholt worden, wie Schafe und Ziegen der Stämme, die das Pech gehabt hatten dem Heer in die Quere zu kommen. Auch fast hundert Gefangene waren gemacht worden, die in den Süden gebracht werden würden, um in den Grauwacke-Steinbrüchen oder anderen Minen zu arbeiten, als Schadenersatz. Das war eine sehr gnädige Sache, befanden alle hier, immerhin hatten es die tehenu gewagt, das Eigentum des Herrn der beiden Länder anzurühren. Ein solcher Diebstahl konnte durchaus mit der Todesstrafe geahndet werden, auch, wenn diese relativ selten verhängt wurde. Ptahnacht erkundigte sich behutsam, wie denn Empfänge, wie der heute Abend so stattfinden würden, wo die Wachen wären, und damit auch er, wie die Türen bewacht wurden. Auch in Sau, wie schon in Chem, wurde nur das Haupttor für die Gäste aufgelassen, alle anderen geschlossen und verriegelt. Nachtwachen passten auf, dass auch wirklich jeder nach Hause ging, der nicht in den Statthaltersitz gehörte. Es konnte also kein Fremder gewesen sein. Doch Unfall oder eine natürliche Krankheit, die nur die Ärzte nicht kannten? Er selbst hatte ja den Chirurgen auf einem Feldzug gegen die Sandleute eine Menge zu verdanken, sie hatten ihm das Leben gerettet, aber deswegen nahm er nicht an, dass jeder Arzt jede Krankheit kannte. Allerdings sollte der Oberste der Ärzte genug Ahnung haben, um zumindest in der Bibliothek nachschlagen zu können. Was also war nur passiert? Oder etwas ganz anderes, was jeder kannte – und an das keiner dachte, weil es eben alltäglich war? Was war da nur gerade für ein Gedanke vorbei gehuscht? Er sollte besser zuhören, was die Kameraden hier so von sich gaben, erkannte er, als er zum zweiten mal gefragt wurde, wie denn die Wachen in Ibenu-hedj stationiert wären, was sie zu essen bekämen …. Hastig streckte er seinen Becher aus. „Gib mir noch Wein,“ forderte er. „Dann bekommt ihr es ausführlich zu hören, was es im Haus der Getreuen so gibt.“ Jetzt musste er selbst reden, aber darin besaß er Übung. Alle wollten wissen, wie es einem Wächter des mächtigen Horus erging, schließlich war das der Wunsch manches Kriegers.   Rahotep hatte sich einige Zeit mit seinem Vater unterhalten, dem über seine Karriere und die Aussichten berichtet, zumal als Arzt der königlichen Familie, genauer, der Königssöhne, ehe er sich noch zu seiner Mutter begab. Baunefer wollte, wie eigentlich immer, wissen, ob er sich nicht eine Ehefrau aus guter Familie suchen wollte, er wiegelte, ebenso wie immer, damit ab, dass er zum Einen seine Verlobte nicht vergessen könne, zum Zweiten doch erst noch seinen beruflichen Fortgang beschleunigen wollte. Und solch eine Reise wie hier wäre mit Ehefrau und kleinen Kindern doch schlechter möglich. Danach allerdings suchte er den Arzt der Familie auf, der drüben, in einem Haus direkt neben dem Neith-Tempel wohnte und arbeitete – und der sich sehr über sein Kommen freute, zumal er Nachrichten aus erster Hand aus dem Haus des Lebens in der Residenzstadt erhoffte. Nach seiner Ausbildung war er doch seltener dort gewesen, aber er kannte einige der königlichen Ärzte noch aus dieser Zeit.Sein Name war Djehutimose und er war schon sehr lange in Sau, noch unter dem früheren adjmer, ehe mit der Thronbesteigung Horus Quahedjets auch dessen Vertrauter der Wächter der westlichen Wüsten geworden war. Nicht, dass der Arzt am Urteil des Lebenden Gottes auch nur zu zweifeln wagte. Merigeb war ein hervorragender Verwalter und Schützer des delta, das klang in seiner Rede immer wieder heraus, wenn er dessen Sohn aus den letzten Jahren erzählte. Rahotep hörte eine Weile geduldig zu, ehe ihm einfiel, dass er sich wohl auch noch für den Empfang heute Abend waschen und umkleiden musste. Es wäre undenkbar gewesen für einen königlichen Arzt, aber auch den Sohn des Gauvorstehers, in einem zerknitterten oder gefleckten Schurz, ungewaschen und ungeschminkt aufzutauchen. So kam er etwas abrupt zu dem Thema, das ihn eigentlich interessierte. „Ich hörte, du warst dabei, als Onkel verstarb. Du konntest nichts tun.“ „Nein, leider nicht. Die Boten der Sachmet hatten zugeschlagen. Ich versuchte es natürlich, mit einem Getränk aus Sellerie oder auch noch einem Abführmittel aus dem Granatapfelbaum aus retenu. Selten und teuer, wie du weißt, aber ich hoffte doch noch, es sei ein gewöhnlicher Wurm.“ „Das war es nicht.“ Ja, Sud aus Granatäpfeln vertrieb sehr sicher die Asch- Würmer aus dem Körper. „Du hast keinerlei Mittel gescheut, entnehme ich dem.“ „Das ist wahr. Aber, nun, du weißt es selbst, Rahotep. Es gibt Krankheiten, die man nicht heilen kann. Dennoch suchte ich noch durch Räuchern ihm Linderung zu verschaffen, die Dämonen mit dem Geruch des Weihrauchs zu vertreiben. Auch ohne Erfolg. Er wurde immer matter, rang immer mehr nach Atem und verstarb schließlich. Ich konnte für deine Tante noch Beruhigungsmittel brauen. Sie war sehr erschöpft und litt mit.“ Weihrauch stammte von Sträuchern, die noch tief im Süden von kemet wuchsen, ja, von weiter her, aus retenu oder auch kusch beschafft wurden. Man benötigte ihn für die Götter und natürlich den Horus, um die Riten zu vollziehen, aber auch für manche Räucherung bei schwerkranken Patienten. Bei einigen wurde es wirklich besser.Man konnte ihn als Arzt oder Priester nur über den Palast des Horus beziehen. Nein, Dejutimose hatte wirklich an nichts gespart. Ein ärztlicher Kunstfehler war ausgeschlossen, wie er es sich eigentlich bereits gedacht hatte. Immerhin gab es auch den Tod von Merithor in Chem und die anderen Vorfälle. „Ja, du hast wirklich alles unternommen. Aber es gibt eben Dinge, die auch ein noch so kundiger Arzt nicht heilen kann. - Verzeih, wenn ich das nochmals frage, aber ich möchte auch lernen, da du viel erfahrener bist als ich. Onkel wurde immer matter? Rang er erst dann nach Atem oder bereits zuvor?“ „Als ich gerufen wurde bekam er kaum mehr Luft. Aber er hatte kein Fieber, obwohl sein Puls sehr rasch schlug. Ich vermutete, er kämpfe mit einer Krankheit, aber ich sah keine. Sein Atem ging auch immer rascher und er begann zu keuchen, konnte auch nicht mehr sprechen. Obwohl deine Tante sagte, zuvor hätte er es noch vermocht. Aber sie riefen mich erst im Morgengrauen.“ „Ich verstehe dein Problem, das du Ramose schriebst.“ Das klang eigentlich auch nicht nach einer der bekannten Lebensmittelvergiftungen. Und überhaupt – wieso nur eine Person? Dieses Rätsel blieb. Meruka tippte ja auf Öl oder Parfüm, aber das erschien Rahotep doch recht weit hergeholt. „Ach ja, der Oberste der Ärzte ist ja dein Lehrer. Alle anderen, die an dem Empfang teilnahmen waren übrigens unversehrt. Es kann nicht am Essen gelegen haben.“ „Ich danke dir.“ Rahotep erhob sich, doch ein wenig unzufrieden. Kapitel 9: Der Empfang ---------------------- Meruka sah sich unwillkürlich um, als er hörte, dass die Türmatte vor dem Gästezimmer bewegt wurde. Ptahnacht kam herein und er entspannte sich. „Hast du etwas?“ „Nichts besonderes zu unserem Thema. Es wurde sozusagen das Übliche gegessen. Und ich weiß, dass alle Wachen aufgepasst haben, dass auch der letzte Gast die Residenz verließ, ehe das große Tor geschlossen wurde. Ich habe übrigens Nefer getroffen mit einer Frau aus diesem Haus, sie kamen mit Dienern, die die Kisten trugen. Merit will wohl heute Abend hübsch aussehen.“ „Davon gehe ich aus. Ich hoffe nur, dass sie sich zurücknehmen kann. Baunefer scheint sehr stolz auf ihren Rang zu sein.“ Und das Allerletzte, was man bei solchen Ermittlungen brauchte, wäre ein Skandal. Beide Damen trugen den Titel „Königsbekannte“, aber Baunefer hielt sich wohl für ranghöher, zumindest, solange Merit nicht mit einem Königssohn verheiratet war oder gar die Gemahlin des Horus. „Naja, unser Gastgeber ist ja auch ziemlich weit oben, oder?“ Ptahnacht ließ sich ohne weiteres auf dem Bett nieder. „Ja. Und sie ist die Schwester von Chummose, eines der Großen. Ihre Mutter war eine Schwester des letzten Herrn der beiden Länder. Darum hat sie auch Merigeb geheiratet, auch er ist entfernt mit dem Königshaus verwandt.“ „Um es mal so zu sagen, viele der hohen Beamten, irgendwie, oder? Du auch.“ „Nun ja, meine Mutter ist mit einem Königsbruder verheiratet, ja. Und Merits Vater war ein Milchbruder des Horus. Ja, irgendwie wohl schon.“ Meruka setzte sich wieder an das Tischchen, wo er seine Schminkpalette ausgebreitet hatte und nahm das feine Röhrchen auf, ehe er es durch die angefeuchtete Holzkohle zog, um sich die Augen zu umrahmen. Auch er wollte bei dem Empfang sich seiner Stellung entsprechend zeigen und schminkte sich neu. Für die Lider hatte er fein gemahlenen Malachit gewählt, sicher, dass auch der Hausherr zu Halbedelsteinen greifen würde. „Morgen hast du frei und kannst dich am Hafen umhören.“ „Sobald Nefer frei hat. Ich habe mich erkundigt, am Hafen gibt es auch Marktstände, da kann ich mich ein bisschen umhören. Und es wird kaum auffallen, wenn ich nach dem fremden Schiff frage. Das sieht man ja nicht alle Tage.“ „Ja, was die Leute aus keftiu hier verkauft haben. Ich werde später Merigeb auch danach fragen, vielleicht kam von dort etwas hier an Land, was giftig war, und wurde weiter verteilt. Soweit wir wissen gab es bei allen Todesfällen Lieferungen aus dem Palast des Harpunierenden Horus. Schiffe aus keftiu sind selten – auch das könnte erklären, warum es so viele Tote so verbreitet gab. Die Lieferungen brauchten eben Monate.“ Der Vorsteher der Schreiber stand auf und sah sich nach seinem Strick um. Ptahnacht warf ihm ihn zu und er verknotete ihn um die Taille, ehe er zu einem blütenweißen Stück Stoff griff, es geübt umschlang und zwischen den Beinen hindurchzog, um es über der Schnur vorn hinabhängen zu lassen. Damit wurde auch Wohlstand demonstriert. Einfache Bauern trugen oft nur zwei Tücher vorn und hinten, bei schmutzigen Arbeiten zumal im Sommer auch gar nichts. „Du trägst auch zwei, nein, drei Ketten?“ Ptahnacht musterte neugierig die bunten Halbedelsteine, die von grünen Fayenceperlen aus Distanz gehalten wurden. Er kam selten dazu so etwas zu tragen, wenn, dann nur bei einem Auftrag. Gewöhnlich zierte seine Brust nur das Amulett des Upauut, des schakalähnlichen Wegöffners des Horus – und Zeichen seiner „Getreuen“. Upauut war auch ihr Schutzgott und sie vergaßen nie seiner Statue, die vor dem Haus der Wachen stand, Wasser zu spenden. „Ja. Dreierketten sind die Mode am Hof. Und die Damen verbinden sie sogar, dass es fast wie ein breiter Kragen aussieht.“ Männer trugen weitaus weniger Armreifen, aber auch davon einige, die Fußkettchen der Frauen waren für Herren dagegen aus der Mode gekommen. Augenschminke allerdings würde für Männer wie Frauen, arm und reich nie aus der Mode kommen. Es gab zu viele Blinde, den fähigen Augenärzten zum Trotz, und es half eigentlich nur die Magie. Er streifte sich die unterste und längste Kette über. An ihr zeigte sich unten die Göttin Seschat, die Schutzpatronin der Schreiber, und ein hundeartiges Wesen, das seinen Rang als sab-Beamter, als Ermittler und Richter im Namen des Lebenden Gottes anzeigte. Warum sollte er damit hinter dem Berg halten. Merigeb wusste sicher, dass er im engsten Umfeld des Horus arbeitete. Schließlich galt der als einer der wenigen Vertrauten. Nun, sie beide, wenn man es so sehen wollte, neben den Halbbrüdern des Königs. Einziger Freund des Königs war eben auch ein sehr seltener Titel. „Hast du Gelegenheit vor dem Empfang noch Nefer oder besser noch Merit zu sehen?“ „Nefer, eher. Was soll ich ihr sagen?“ „Wir wissen noch immer nicht woran die Leute starben. Sie sollte sich nur Lebensmittel nehmen, die sicher nicht vergiftet sein können, wie einen Teil eines Fisches oder Brot. Ich werde mich auch daran halten. Rahotep werde ich selbst informieren. Lieber hungrig vom Bankett aufstehen als tot.“ Und er verspürte nicht die mindeste Lust herauszufinden, was ein lebender Gott für überaus wirksame Flüche im Dies- und Jenseits ausstoßen konnte, stürbe ihm die künftige Schwiegertochter.   Merigeb setzte sich auf seinen Hocker und musterte zufrieden seine Halle. Alles war vorbereitet, duftende Blüten auf den Boden gestreut, in den Kohlepfannen verglühten Lotosblüten, die Diner stapelten im Hintergrund die kleinen Tischchen, die vor jedem Gast aufgestellt werden würden, Kissen wurden ausgelegt. Und seine Frau sah bezaubernd aus. Baunefer trug ein eng anliegendes Etuikleid aus feinstem Leinen, dessen breite Träger ihre Brüste bedeckten. Darüber lagen die modischen drei Ketten, wertvoll und eine davon sogar vom lebenden Horus geschenkt. Um ihre dunkle Perücke spannte sich ein kupfernes Diadem, dessen Blüten aus Alabaster nachgebildet worden waren. Über ihren Hinterkopf rann dunkelrot ein besticktes Band. „Du machst diesem Haus alle Ehre,“ sagte er, wohl wissend, dass sie auf dieses Lob wartete. Sie lächelte auch und schob die fünf Armbänder an ihrem linken Handgelenk unwillkürlich nach oben. „Man sollte zeigen, was die Familie bringt, nicht wahr?“ „Du möchtest gern Meresanch ausstechen.“ „Verständlich, nicht wahr? Sie ist zwar die Tochter eines Stadtvorstehers und aus guter Familie, aber ich bin höher geboren. Meine Mutter war die Tochter eines Lebenden Gottes.“ „Ja, ich weiß.“ Und das hatte ihm durchaus in den Anfängen seiner Karriere geholfen. Später allerdings war er aus eigenen Erfolgen aufgestiegen, was wiederum Baunefer nicht so gern hörte. Ihr Bruder war ja nun auch der Sprecher von Nechen, ein Titel, der früher nur Königssöhnen zugestanden hatte. Aber die Zeiten änderten sich eben. Und er persönlich würde Meresanch höflich behandeln. Falls etwas schief lief in der Zukunft, was die Götter verhindern mochten, wäre sie Regentin. Allerdings auch als Königinmutter in der Lage sich an Leute zu erinnern, die ihr schräg gekommen waren. Und Königsmütter trugen nicht umsonst gern den Titel „Alles, was sie sagt, wird ihr getan“. Man sollte vorsichtig sein. Aber Baunefer würde das kaum gern hören. Nun, was sollte es. Sie wüsste sich zu benehmen. Merigeb lächelte, als er seine beiden noch lebenden Söhne in lebhaftem Gespräch eintreten sah. Rahotep, der Arzt, und Cheprihotep, sein Nachfolger. Mit ihnen kam sogar Sesheshet, der er es freigestellt hatte hier teilzunehmen. Die Geburt ihres ersten Kindes, seines ersten Enkels, näherte sich, man hatte schon auf dem Dach die Geburtslaube errichtet, für den Fall der Fälle. Bis auf die Tatsache, dass sein Bruder in den Westen gegangen war und seine Schwägerin noch immer sehr darunter litt, waren sie doch eine glückliche, von den Göttern gesegnete, Familie. „Oh, Baunefer, Meritneith bleibt in ihrem Zimmer?“ „Ja. Ihr geht es noch nicht gut genug zum feiern. Rahotep hat sie allerdings besucht, hörte ich.“ Das Ehepaar begrüßte höflich und sichtlich erfreut Söhne und Schwiegertochter, die Baunefer möglichst unauffällig sofort auf die Seite schob und auf ein Kissen drückte. „Setz dich nur. Niemand wird es dir verübeln. Dir geht es doch gut genug?“ „Ja, danke.“ Die junge Frau, unter deren Kleid sich deutlich eine Wölbung abzeichnete, griff jedoch unwillkürlich nach dem Amulett, das sie an einem Gürtel trug – die Flusspferdgöttin Tausret, die Schwangere und Gebärende schützte. Sesheshet wusste wie jede Frau in kemet um die Gefahren dieser Zeit, aber bislang war alles gut verlaufen. „Oh, das ist wohl der Ehrengast? Der Vorsteher der königlichen Schreiber?“ Baunefer wandte sich um. Mit anderen Gästen kam auch Meruka. Ja, der trug die ihm zustehenden Amulette und teuren Schmuck, hatte für heute Abend auch bereits auf die Oberbekleidung verzichtet. Als Gastgeberin sah sie zufrieden, wie er tief einatmete. Ja, die Düfte der Blumen des Delta waren durchaus anders als auch nur in Ibenu-hedj oder noch weiter im Süden, zumal um diese Jahreszeit. Er ging sofort zu Merigeb um den zu begrüßen. Gut. Das lief. Wo blieb denn nur Meresanch? Es war kaum davon auszugehen, dass die Schreiberin der maat-hor allzu viel an Schmuck auf diese Reise mitgenommen hatte, zumal kostbaren. Aber, selbst wenn. so würden ihre Ehrengeschenke doch stets höher rangieren als die ihren. Noch war diese mit keinem Königssohn verheiratet, hatte kein Kind geboren. Warum also sollte der mächtige Horus ihr seine Gunst zuwenden. Oh, da kam sie ja. Automatisch glitt der Blick der Königsbekannten an ihrem jungen Gast entlang, sah zufrieden, dass diese zwar fünf Armreifen am linken Arm trug, aber nur einen einzigen am rechten. Drei Halsketten, nun ja, und ein Diadem, das neben der Kohlepfanne fast silbern leuchtete. Aber natürlich war es auch aus Kupfer, wie das Meresanch auch schon zuvor getragen hatte und auch sie selbst. Das stand einer Frau, die der König kennt, zu.   Meruka wandte sich von Merigeb ab, als dieser an ihm vorbei blickte und sichtlich erstaunt war. Gut, dachte er. Er hätte sich denken können, dass Merit auf die kleinen Sticheleien einstieg. Frauen waren da in der Rangordnung fast rigoroser als Männer, die das über ihre Titel klärten. Bei Frauen war es Kleid und Schmuck, das dominierend wirkte. Im ersten Moment war auch er überrascht, dass Merit am rechten Arm nur ein Armband trug. Als sie näherkam erkannte er, dass ihn zumindest der erste Eindruck nicht getäuscht hatte – sie trug nicht mehr das kupferne Diadem der letzten Tage. Das, was sie da auf dem Kopf hatte, konnte nur, musste, ein persönliches Geschenk des Lebenden Gottes sein: ziseliertes Silber, besetzt mit Blüten, in denen Lapislazuli schimmerten. Silber. Viel kostbarer als Gold, da es stets von außerhalb kemets als Tribut dem Horus gegeben wurde. Das würde Baunefer kaum freuen. Und jetzt sah er auch, warum nur ein Armband Merits Rechte zierte – weiße Fayenceperlen hielten blau unterlegte Plaketten in Abstand, auf denen sich der Horusfalke duckte, gemeinsam mit dem Namenszug. Kein anderer Schmuck wäre daneben würdig gewesen. So etwas trug neben dem Herrn der beiden Länder gewiss nur die maat-hor und war ein überaus persönliches Geschenk, das große Wertschätzung zeigte. Unwillkürlich warf der Ermittler einen Blick auf seinen Gastgeber, aber Merigeb war erfahren genug – ahnungslos wohl kaum – um nur höflich den Kopf zu neigen. Baunefer dagegen schluckte etwas. Das war nichts, mit dem sie mithalten konnte. Aber sie konnte und musste sich zusammennehmen. So meinte sie: „Ah, Meresanch. Ich darf dir meine Schwiegertochter Sesheshet vorstellen?“ „Gern, ja.“ Merit unterdrückte ihre Heiterkeit und wandte sich freundlich an die junge hoffende Mutter. „Die Götter haben dich gesegnet, Sesheshet. Ich hoffe, dir geht es gut.“ Höfisch erzogen. Dachten alle, die sie hörten prompt. Das kam so selbstverständlich. Nun ja. Der Lebende Horus hatte gewusst, warum er die Ehe seines ältesten Sohnes mit ihr anbefahl. Sie ließ sich auch auf ein Kissen neben Sesheshet nieder und die beiden jungen Frauen begannen zu plaudern.   Weitere Gäste aus Sau selbst kamen, die die Gelegenheit nutzen wollten, einmal Personen des königlichen Umfeldes zu sehen. Natürlich gab es den adjmer und seine Frau, aber solch hochrangige Fremde kamen doch recht selten her. Und der lebende Gott bevorzugte Pe und Dep, befand sich dort doch der alte, ehrwürdige Palast des Harpunierenden Horus. Dennoch hatte es die Schreiber des Neith-Gaus gefreut, als der Herr der beiden Länder beschlossen hatte, in ihrem Gebiet eine Domäne als Totenstiftung zu gründen. Noch stand nicht genau fest, wer diese betreuen würde, aber als Priester eines verstorbenen Königs hatte ein Beamter stets auch Anteil an den Opfergaben, war wohl versorgt. So versuchte der Eine oder Andere Meruka auszuhorchen, aber dieser beteuerte wahrheitsgemäß, dass dies nicht zu seinem Amtsbereich gehörte. Als die Diener die Tischchen vor den Gästen aufbauten und die mit Gerichten beladenen Platten hereintrugen, beobachteten die drei Ermittler aufmerksam was geschah. Leider, das mussten sie so feststellen, gab es keine Gelegenheit bewusst eine Person im Raum zu vergiften. Brot wurde ebenso auf Platten herumgereicht, wie gebratene Tauben und Enten, gesottenes Rindfleisch, Käse. Jede Platte wurde von den Dienern der Reihe nach serviert, die nächste genommen. Unmöglich, dass Meritnut zielgerichtet vergiftet worden war. Doch nicht das Essen, sondern war die Todesursache wie Meruka bereits vermutet ein Parfüm? In Chem war es ja das Gleiche gewesen. Käse wurde gereicht, als Abschluss in Traubenwein eingelegte Datteln aus den Vorräten des Lebenden Horus. Nur, das bedeutete leider, dachte der Vorsteher der Schreiber dass es entweder sich um Versehen, Unfälle, handelte, Fehler mit fatalen Folgen – oder jemand bewusst wahllos Menschen tötete. Was es war, das lag nun an ihm und seinen Mitarbeitern. Hoffentlich würde Ptahnacht morgen im Hafen zumindest das Schiff von keftiu ausschließen können. Mit diesen Ausländern war immer schlecht reden. Auch, wenn sie vernünftig sprechen konnten, vergaßen sie die zivile Sprache sobald es Probleme gab. Das kannte er ja auch von den Leuten aus kanan oder retenu und er bezweifelte, dass die Menschen von Inseln inmitten des Meeres anders wären. Aber dieser Empfang war anscheinend nicht sonderlich weiter führend. Sie machten nur negative Ausschlüsse, wie die Tode nicht passiert sein konnten. Dass Menschen mit nahezu identischen Symptomen in den Westen gegangen warne, war jedoch ein Fakt. Und er sollte ausschließen, dass der Dämon der Sachmet, der da zugeschlagen hatte, kein menschliches Gesicht trug.   Die Nacht war schon lange hereingebrochen als die Residenz des Statthalters still wurde, selbst die Wachen verschwanden. Meruka setzte sich auf sein Bett und wartete geduldig. Nach einer Weile huschte Nefer herein und meinte leise: „Merit schminkt sich selbst ab. Die Anderen?“ „kommen gleich.“ Tatsächlich hoben kurz darauf auch Ptahnacht und Rahotep die Türmatte. Die drei Mitarbeiter ließen sich einfach auf dem Boden nieder, knapp vor dem Bett, so dass sie leise miteinander reden konnten. Meruka sah zu Nefer: „Sie kommt aber?“ „Ja. Sie meinte nur, ich solle schon mal gehen. Hast du ihren Schmuck gesehen? Ich dachte ja, mit verschlägt es den Atem, als ich das Armband in der Hand hielt!“ „Ich wusste auch nichts davon. Mal hören, was sie erzählt. - Ah, Merit.“ Denn die kam auch heran, nur noch in dem leichten Leinenkleid, ohne Schmuck und Perücke, das Gesicht ebenso wie Meruka und Nefer bereits frei von magischen Zeichen oder auch nur dem Ockerpuder, der die Haut vor dem stetigen Sand und der Sonne schützte. Sie setzte sich neben ihre Kollegin und alle sahen zu ihrem Vorsteher. So begann Meruka: „ich vermute einmal, dass ihr das Gleiche erfahren habt wie ich: so ähnlich wie heute Abend ließ auch der Empfang ab, den Merinut vor seinem Tod gab. Er war der Stadtvorsteher und hatte einige Leute, Schreiber und wichtige Mitarbeiter eingeladen, darunter natürlich auch seinen Bruder als adjmer. Das Fest fand in der halle statt und zu essen gab es ähnlich wie heute. Fangen wir mit die an, Rahotep. Hast du etwas anderes in Erfahrung bringen können?“ „Nein,“ gab der Arzt zu. „Dejhutimose steht und stand vor einem Rätsel, als er gerufen wurde, ging es Onkel bereits sehr schlecht und er rang nur mehr nach Atem. Er verwendete alle anerkannten Heilungsmethoden, oder auch nur zur Linderung, aber nichts half. Er meinte, sie hätten ihn auch erst im Morgengrauen gerufen, aber, wenn der Empfang so lange dauerte wie heute, wäre das auch kein Wunder. Es wird in wenigen Stunden bereits wieder hell. Jedenfalls bekam Onkel da schon keine Luft mehr und vermochte nicht mehr zu sprechen, obwohl meine Tante zum Arzt meinte, er habe es noch versucht.“ „Verzeih, wenn ich dich unterbreche, Rahotep,“ meinte Merit. „Deine Tante erzählte mir, dein Onkel habe noch gesagt, dass es so sehr schmerze, es fühle sich an, als ob er von innen aufgefressen würde. Sie glaubte, an einen Wurm, ähnlich dem, der Zähne von innen heraus frisst. Kannst du damit etwas anfangen?“ „Im Moment, nein.“ Aber Rahotep begann nachzudenken. „Hm,“ machte Meruka. „Weiter, Nefer?“ Die dachte kurz nach, um es möglichst genau zu formulieren. Berichte erstatten hatte sie erst bei Meruka gelernt. „Diese Empfänge, sagte mir Tij, aber auch andere, laufen immer gleich ab. Ziemlich aufwendiges Essen, Brot aus der großen Bäckerei in der Stadt, mehrere Sorten, Datteln und Obst aus den Gärten vor der Stadt, die Merinut oder Merigeb gehören, Wein entweder aus ihren eigenen Domänen oder als Geschenk des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, Rinder von den Weiden im Umfeld der Stadt, manchmal auch Wild aus der westlichen Wüste, schließlich ist der adjmer ja auch der Schützer der westlichen Grenze und damit dafür zuständig. Das Wild wird auch nach Ibenu-hedj an den königlichen Hof geliefert, übrigens. Der Fisch, getrocknet oder nicht, wird von Fischern aus dem Umfeld geliefert, oder auch mal aus Pe und Dep oder dem Palast des Harpunierenden Horus.“ „War irgendetwas heute dabei oder auch damals, was als Besonderheit galt, weil es aus keftiu gekommen war?“ „Da hat mir niemand etwas gesagt. Du denkst an das Schiff im Hafen?“ „Ja.“ Meruka sah zu Ptahnacht. „Die Wachen?“ „Auch,“ gab der Wächter des Horus zu. „Nichts besonderes. Alles wie immer. Auch heute wurden die Tore des Palastes geschlossen, sobald alle Gäste da waren, nur das Haupttor blieb offen und bewacht. Durch die anderen kommt man nicht, die sind massiv aus Holz und schließen oben in der Mauer ab. Also mehr als drei Männer hoch. Das Essen und Trinken war ähnlich wie heute. Als alle weg waren, wurden alle Gänge noch einmal abgelaufen, um zu sehen, ob auch wirklich alle Gäste weg oder in ihrem Zimmer waren, ehe auch das Haupttor verriegelt wurde und sich die Wachen hinlegen. Momentan sind nur zwei Männer am Tor stationiert. Morgen werden die Bauern und so übrigens nach Hause geschickt, auch die Männer der Festung Schrecken vor den beiden Ländern. - Eigentlich ist es unmöglich hier jemanden zu vergiften, das muss ich sagen.“ „Und doch ist es nicht nur hier passiert,“ gab Meruka prompt zurück. „Ja, natürlich, das meinte ich auch nicht. Ich dachte mir vorher nur bei dem Gespräch mit den Kollegen, dass es vielleicht irgendetwas ganz anderes ist, etwas so alltägliches, an das keiner denkt. Wären wir am Meer – es gibt zum Beispiel auch Magenschmerzen oder Ärgeres, wenn man Muscheln isst, die schon zu lange aus dem Wasser sind.“ „Aber das weiß jeder. Und so viele Köche können sich nicht im gesamten Delta irren.“ „Ja, ich weiß. - Schön, Nefer, Schwester, gehen wir morgen zum Hafen. Ich habe den ganzen Tag frei, wenn du gehen kannst, treffen wir uns im Schatten der Sykomore gleich am vordersten Tor. Ich werde auf dich warten.“ Meruka und Rahotep sahen sich an. Muscheln, ja. Die waren im Delta unbekannt, wenn man nicht gerade direkt am Großen Grün wohnte. Ptahnacht stammte ja von dem östlichen Meer, das auch ganz andere Tiere und Pflanzen bot – und eine Möglichkeit der Schifffahrt, man sagte bis nach Punt. Aber Fische und ähnliches kamen nicht durch die engen Wüstentäler bis in das Kernland von kemet, sondern wurde dort gegessen.   Kapitel 10: Ptahnacht --------------------- Der Getreue des Königs zögerte einen Moment, ehe er langsam sagte: „Meruka, auch du, Rahotep, ihr wisst, ich bin kein Schreiber und schon gar kein Arzt. Aber als ich mit meinen Kollegen redete, kam mir eine Idee, die so ganz anders war. Ich weiß nicht …“ „Rede,“ befahl der Leiter der Gruppe knapp. Er hielt nicht viel davon womöglich gute Ideen im isfedt verschwinden zu lassen, nur, weil man einem einfachen Mann nicht zuhörte. „Ich redete mit den Kameraden und dabei kam die Rede natürlich auch auf den Arzt hier und die Ärzte im Allgemeinen. Dabei erinnerte ich mich auch an die schwere Verletzung, die ich mir bei einem Feldzug gegen die Sandbewohner zuzog, der erste unter deinem Kommando, Meruka.“ „Du hast einen Stich im Bauch gehabt,“ entsann sich dieser. Nur, was hatte das mit ihrem Fall zu tun? Zurückhaltung, mahnte er sich selbst. Ptahnacht war lange Berichte abliefern kaum gewohnt. „Ja. Und als jetzt Merit sagte, das Opfer, also, dein Onkel, Rahotep, habe gesagt, es fühle sich an, als ob er von innen gefressen werde, musste ich an damals denken. Das fühlte sich so ähnlich an. Ja.“ Der Wächter überlege sichtlich, wie er das ausdrücken sollte. „Ich weiß ja, dass man bei den Opfern nichts von außen sah, keine Wunde. Vielleicht, weil der Stich eben nicht von außen, sondern von innen kam.“ „Wie sollte ….“ begann der Arzt prompt, bemerkte jedoch das Abwinken seines Vorgesetzten und schwieg. „Ich bin der Sohn eines Fischers, wie ihr wisst. Im iteru sah ich auch viele Fische schwimmen, die Rückenflossen mit Stacheln haben, darunter den Wels. Sie sind lang und sehr scharf. Sie werden von den Fischern gezogen, gleich, ob die Welse getrocknet oder gekocht werden. Was, wenn solch ein Stachel versehentlich verschluckt wird?“ Das war tatsächlich ein vollkommen neuer Einfall und der Vorsteher der Schreiber und Arzt blickten sich an. „Nun ja, es mag möglich sein,“ murmelte Rahotep. „Die Speise kommt aus dem Mund ins Herz und dann in den Magen. Wenn solch ein Dorn das Herz durchsticht…. Aber, davon hörte ich nie.“ „Weil es so selten vorkommt?“ schlug Merit sanft vor, um einer aufkommenden schlechten Stimmung gleich entgegen zu wirken. „Das sicher,“ sagte der hohe Beamte prompt. „Selbst, wenn ein Fischer einen Fehler macht, so wird er doch von seinem Aufseher kontrolliert. Dann werden die Fische zubereitet, auch da sollte es jemand sehen. Jeder Koch sollte es bemerken.“ „Richtig,“ bestätigte Ptahnacht, froh, dass sein Einfall noch nicht vollkommen abgelehnt wurde. „Deswegen geschieht so wenig. Es wird kontrolliert. Aber angenommen, es gibt da einen Fischer, meinetwegen sogar im Palast des Harpunierenden Horus, der das aus Unwissen IMMER vergisst, oder auch aus Schlamperei des Öfteren. Viel wird gefunden, eines wird übersehen und so weiter. Das erklärt, warum es selten vorkommt, auch, warum es nur hochgestellte Personen trifft, die eben aus dem Palast beliefert werden.“ „Das mag ja logisch klingen.“ Nefer griff unwillkürlich nach ihrem Mund. „Aber ich würde doch merken, wenn ich in etwas Hartes oder Stacheliges beiße.“ „Und wieder wurde ein Rückenstachel gefunden und kann kein Unheil mehr anrichten,“ gab Meruka zu. „Aber, du willst doch noch auf etwas hinaus, Ptahnacht?“ Der Krieger nickte. „Ja. Die Opfer waren doch alle bei solchen Empfängen. Gestern trankt ihr Wein und Bier. Bei Wein kann ich mir vorstellen, dass der doch so selten und gut ist, dass man den mit einzelnen Schlucken trinkt. Bier ist fester, breiartiger, und damit spült man doch schon einmal einen Schluck Essen hinunter, oder? Kann man dann einen solchen Stachel übersehen, Rahotep?“ Der Arzt zuckte die Schultern. „Wie lang sind diese Stacheln? Aber, du meinst eher ein Bruchstück, einen Rest im Fisch. Ich will es nicht ausschließen, aber das wäre eine wahrlich lange Kette an Zufällen. Was natürlich auch erklären würde, warum es doch ..man verziehe den Ausdruck, nur relativ wenig Personen traf.“ Meruka schwieg und so sahen ihn alle seine Mitarbeiter an. „Fisch wurde serviert, in Chem und auch hier, wohl aus dem Palast des Harpunierenden Horus. - Ptahnacht, wenn du morgen zum Hafen gehst, du auch, Nefer, redet doch, unabhängig voneinander mit den Fischern und ihren Frauen, die dort gewiss ihren Fang aufbauen und fragt behutsam nach den Stacheln der Fische, auch, ob sie jemanden kennen, der schon einmal nachlässig war. Aber sehr vorsichtig, damit sie auch die Wahrheit sagen und nicht glauben, sie würden verdächtigt. Rahotep, findest du unauffällig morgen noch einmal Gelegenheit mit Djehutimose zu sprechen? Er ist ein sehr erfahrener Arzt. Ob er schon einmal so etwas hörte? Wir brauchen mehr Informationen. Eine lange Kette von Zufällen, ja, du hast recht, Rahotep. Aber das besagt nicht, dass es unmöglich ist. Und ehrlich gesagt, ein nachlässiger Fischer gefiele mir besser als ein Dämon der Sachmet.“ „Ich werde es versuchen,,“ sagte der junge Arzt mit einem Lächeln. „Aber, jeder Erfahrene redet gern. Ich werde auch meine und seine Papyri durchsuchen.“ Jeder Arzt in kemet trug die für ihn wichtigsten Abschriften der Lehrbücher stets mit sich: ein Augenarzt für die Augen, ein Chirurg auf diesem Bereich.“ „Gut. Ich werde mit deinem Vater reden und auch unseren Kapitän aufsuchen, wann wir morgen abreisen können. Es gibt ohne weiteres keinen Grund, warum wir uns hier länger aufhalten sollten. Dann geht es nach Pe und Dep, danach in den Palast des Horus.“   So bummelte Ptahnacht am nächsten Vormittag durch Sau in Richtung auf das Tor in der Stadtmauer, das zum Hafen und den dort liegenden Schiffen führte. Dort befanden sich auf Lagerhallen, in denn die Güter, die hier nur umgeschlagen und rasch weitertransportiert wurden, zwischengelagert wurden. Die Lagerhallen der Stadt selbst befanden sich wohlweislich innerhalb der Schutzwehr. Man musste Sandleute und tehenu ja nicht unbedingt einladen, wobei weder die einen noch die anderen es mit Schiffen hatten. Vor der mauer befand sich auch ein freier Platz, wo Bauern und Handwerker der Stadt und der Umgebung ihre Waren feilboten. Er trug seinen weißen Schurz, jedoch keine Waffen nur das Amulett des Upauut auf seiner Brust zeigte seine Stellung. Er drehte sich nicht um, auch, wenn er wusste, dass Nefer ihm im Abstand folgte. Ihre Kleidung und ihre Perücke entsprachen weit weniger einer Dienerin einer Königstochter als einer bürgerlichen Herrin des Hauses. Sie trug eine aus bunten Fäden gewebten Gürtel und zwei Halsketten aus Steinen, als deutlichen Anhänger eine Muschel. In der Hand hielt sie einen Beutel aus festem Hanf gewebten den besser wohl niemand hineinblicken sollte, befand sich darin doch der Schmuck für Hals, Arme und Stirn, den sie sich vor Betreten des Statthalterpalastes rasch wieder überstreifen würde. Die Wachen am Hafentor wirkten eher gelangweilt, verständlich, denn an ihnen vorbei wanden sich Einkäufer, aber auch zum Hafen gehende Transportarbeiter mit Amphoren und Säcken. Er sah sich kurz um, entdeckte dann eine Frau die auf Matten offenbar Fische anbot, die frisch heute morgen gefangen worden waren. Sie verstand etwas von ihrem Geschäft, das verriet ihm die Tatsache, dass sie auch eine Matte über ein Gestänge als Schatten geworfen hatte und immer wieder die Ware mit Wasser, das sie aus dem Fluss holte, begoss. So ging er näher, in der Hoffnung etwas über Welse zu erfahren,zumal er dort zwei kleinere Exemplare liegen sah, wenngleich sorgfältig bearbeitet. „Hast du auch getrockneten Fisch, den man tagelang mitführen kann?“ Sie sah ihn kurz an, deutete dann auf ihre Fische. „Nein, nur frische Ware, heute morgen gefangen.“ „Schade, so kann ich ihn nicht mitnehmen.“ „Ach, bist du von den Männern, die jetzt wieder nach Hause dürfen? Ich sah sie vor der Stadt.“ „Nein, ich komme in Begleitung eines hohen Beamten aus Ibenu-hedj. Und so gute Fische wie hier im Delta gibt es ja dort nicht.“ Was nicht so ganz stimmte, aber er wusste, dass jede Gegend stolz auf sich war. Die Frau lächelte auch zufrieden. „Ja, das ist wohl wahr. Man sagt, selbst der Lebende Horus, er lebe, sei heil und gesund, lasse sich so etwas lieber aus dem Delta kommen. Er kommt sogar selbst her.“ „Was, hierher?“ Da musste sich die Frau irren. „Nein, natürlich nicht, aber es heißt doch, dass er nach Pe und Dep fährt, noch ehe die Flut kommt.“ War das möglich? Merit oder Meruka hatten nichts erwähnt, aber natürlich hatte sie auch niemand gefragt. Und ja, der Gott auf dem Thron der Lebenden fuhr alle zwei Jahre oder so in den Palast des Harpunierenden Horus um dort zeremoniell ein Nilpferd zu erlegen, Vögel und Fische zu fangen, um so sowohl Schaden von kemet abzuwenden als auch den Menschen zu helfen selbst etwas zu fangen. Aber Gerüchte kamen immer rasch auf. „Was ist das hier für eine Sorte? Sie ist recht groß. Aber Barsch ist das nicht?“ „Nein, Barsche sind solche hier, kleinere und größere. Es gibt viele Arten. Das hier sind Welse.“ „Welse?“ tat er erstaunt. „Oh, ja, man muss erfahren und geschickt sein als Fischer um sie zu fangen, wie mein Mann und sein Bruder. Sie beißen sehr.“ Nun ja, das Maul war groß genug, dachte der Fischersohn, aber dennoch hatte er noch nie davon gehört, dass Fische Menschen beißen würden. Ein Mann trat heran und neben die Verkäuferin, der offenkundig an einem anderen Stand etwas getauscht hatte und Ptahnacht hätte nicht Agent des mächtigen Horus, sondern der dümmste aller Sterblichen sein müssen, um nicht den Blick deuten zu können. Ja, da war jemand eifersüchtig. So meinte er eilig: „Ach, du bist wohl der Fischer. Deine Frau erzählte mir gerade, dass nicht jeder solche Welse fangen könne, nur, wenn man stark und geschickt ist. Das ist wohl auch der Grund, warum einige sich weigern sie zu fangen. Jemand, also, ein Fischer, erzählte mir in Ibenu-hedj, dass er sie nie fange.“ Der Fischer war beruhigte. „Ach, dann hat er keine Ahnung, oder er war aus Djedu.“ „Wieso Djedu?“ Das war immerhin eine Stadt im Delta. „Der Gott dieser Stadt heißt User, Usir oder so. Und dieser Fisch ist ihm heilig. Natürlich wissen die Leute aus Djedu, dass Welse das anderswo nicht sind.“ Ja, jede Stadt hatte ihre Götter und jeder Gott seine Eigenheiten. „Von dem habe ich noch nie etwas gehört. Aber gut, ich war auch nie in Djedu.“ „Du bist auch nicht aus Sau.“ „Nein, ich kam gestern mit dem hohen Beamten aus Ibenu-hedj. Heute habe ich frei, aber morgen werde ich mit ihm weiter reisen.“ „Ein hoher Schreiber, wohl?“ Der Fischer deutete auf die „Wildstier“. „Ein Schreiber, ja. - Aber, sag, das andere Schiff dort, sieht so ganz anders aus als das mit dem wir kamen. Ist das eines von diesen Schiffen, die über das große Grün kommen?“ „Ja. Es wird morgen auslaufen. Hast du noch nie so eines gesehen? Es sind Leute aus keftiu darauf, Inseln im Meer.“ „Nein, das habe ich nicht. Oh, ja, sie tragen ja Amphoren und Säcke hin. Ja, das wird bald beladen sein. Geschenke des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund, an die Völker des Meeres, ohne Zweifel.“ „Ja, vor allem Weizen und Gerste, soweit ich weiß. Leider keine Fische. Aber nun ja, sie werden sie aus dem Großen Grün auch welche fangen können. Natürlich andere als hier im iteru schwimmen.“ „Du weißt viel. Aber natürlich bringen sie auch Tribute für den Lebenden Gott, er lebe sei heil und gesund.“ „Ja. Ein besonderes Öl, Olivenöl, das es hier nicht gibt, auch Kupfer und andere Stangen Metall, was in Körben, das ich nicht kenne.“ Er hatte es wohl nicht sehen können Ptahnacht lächelte etwas. „Ja, das wird dann wohl in Schiffen weiter verteilt. Sag mal, deine Frau meinte vorhin die Welse würden beißen. Ich hörte noch nie von so einem Fisch. Obwohl, groß genug wären sie ja …“ „Es fühlt sich an, als ob sie beißen. Man muss sie in einem Netz fangen und darf sie nicht berühren. Es schmerzt und manchmal wird sogar die Hand oder der Arm kurz gelähmt. Ich weiß nicht, was das ist, aber es fühlt sich wie ein Biss an. Das ist es eben. Man muss geschickt sein. Die Leute aus Djedu haben ja ihren Vorwand.“ „Und man muss mutig sein, wie du.“ Ptahnacht war mit seinen Neuigkeiten hier recht zufrieden. „Ich gehe mir dann mal das Schiff aus keftiu ansehen. Man weiß ja nie, ob man so etwas noch einmal zu Gesicht bekommt.“ Als er sich mit einem höflichen Gruß abwandte, entdeckte er in einiger Entfernung Nefer, die getreu ihrer Aufgabe ihn nicht aus den Augen ließ, aber erfolgreich so tat, als ob sie den übenden Tänzerinnen zusah, die hier ihre akrobatischen Übungen zeigten, in der Hoffnung auf ein Engagement am Abend. Selbst Radschlagen, vorwärts und rückwärts, gehörte zu diesem Programm. Die langen Haare waren echt, schon um dabei keine Perücke zu verlieren. Er ignorierte das Schauspiel allerdings und wandte sich der Wildstier zu, um daran vorbei zu gelangen. Zwischen dem Schiff, das sie hergebracht hatte, und dem aus keftiu lag ein anderes, hölzernes Schiff, das anscheinend entladen worden war, denn die Mannschaft ging frei von Bord. Sie hatten dort wohl geschlafen und genossen jetzt den Aufenthalt in Sau, ehe ihr Schiff im Laufe des Nachmittags wieder beladen wurde und weiter fahren würde. Woher das wohl kam und wohin es ging? Es war eindeutig heimischer Bauart, aus Holz, das sprach dafür, das es dem Herrn der beiden Länder gehörte. Er trug immerhin das Abzeichen dessen Leibwachen und so sprach er einen der Ruderer an. „Entschuldige, dieses Schiff … kehrt es nach Pe und Dep zurück?“ „Nein, wir fahren weiter nach Ibenu-hedj. Aber, was fragst du?“ „Nun, wie du siehst bin ich ein „Getreuer“.“ Ptahnacht deutete auf sein Amulett. „ich kam gestern mit einem hohen Beamten hier an und wir sollen morgen Richtung des Palastes des Harpunierenden Horus weiter fahren. Ich bin für seine Sicherheit und die seiner Begleitung verantwortlich. Es wird dich kaum wundern dass ich Erkundigungen einziehe.“ „Oh, ja. Ich sah dein Amulett nicht.“ Der Mann mochte Mitte Dreißig sein und trug nur zwei einfache Ketten um den Hals. Um seinen rechten Oberarm spannte sich ein Kupferreif. Das ließ Ptahnacht stutzen. Also war das wohl der Steuermann, oder gar der Kapitän. Umso besser. „Nun, dann seid ihr wohl nicht das Schiff, das ich suche. Es heißt Wildstier.“ „Nein, das ist Mins Stolz. Und, wie gesagt, wir fahren weiter.“ Der Mann ging. Der Agent drehte sich etwas. Eigenartig, dachte er. Ein Mann aus Pe oder sogar dem Palast des Horus, der so kurz angebunden war, obwohl er ihm gesagt hatte, wer er war. Gewöhnlich waren die Leute dann eher redselig, fiel doch von seiner Anwesenheit in der Nähe des Lebenden Gottes auch etwas Abglanz auf ihn. Hm. Ein Schiff aus Pe oder dem Palast des Harpunierenden Horus, das hier auslud und weiter in die Residenzstadt fahren würde. War es nicht genau das, war Meruka erwähnt hatte? Er sollte dem Mann unauffällig folgen, um herauszubringen, was das Schiff geladen hatte. Vielleicht- wären andere, einfachere Ruderer, zumal nach einer Einladung gesprächiger. Der Kapitän, Steuermann, oder was auch immer der war, ging jedenfalls durch das Tor Richtung Stadt. Und, wenn er sich nicht täuschte, hatten da vier Ruderer auf ihn gewartet. Zufall, waren sie befreundet, oder war da eine Verschwörung im Gange? Es gab nur die Möglichkeit nachsehen zu gehen. Sekunde. Warum gingen sie jetzt in ein Lagerhaus? Nun ja, zu einem Lagerhaus und der Kapitän redete dort mit einem Schreiber. Das war eindeutig verdächtig. Er sollte denen irgendwie unauffällig folgen, am Besten, in dem er zunächst zur Wildstier ging. Dort war zwar niemand zu sehen und er hätte auch nicht gewusst, was er Kapitän Paadiptah hätte erzählen sollen, aber das war gleich. Falls sich der Unbekannte umdrehte, würde der doch sehen, dass er sich nach dem „richtigen“ Schiff erkundigte und so wurde seine Tarnung bestärkt. Erst, als er direkt vor der Wildstier stand, drehte er sich erneut um. Der Trupp aus fünf oder sechs Männern verließ den Hafen, ging durch das Stadttor. Das war zwar nicht verboten, aber er sollte eiligst hinterher, um herauszufinden, was die dort trieben oder auch nur vorhatten. Oder sollte er zuerst mit Nefer sprechen, die zu dem Schreiber schicken, mit dem die Männer gesprochen hatten und der sich nun wieder im Schatten der Lagerhalle niederließ? Nein. Inzwischen konnten die genauso gut auch weg sein. So beeilte er sich, bemüht, nicht durch übertriebene Schnelligkeit aufzufallen, zum Stadttor zu gelangen und hindurch zu gehen. Nefer würde ihn schon nicht aus den Augen lassen. In der geraden, schmalen, Straße direkt dahinter waren rechts und links noch einmal Lagerhallen. Hauptsächlich Männer kamen und gingen in die Häuser, es herrschte ein gewisses treiben, aber ein nochmaliger Blick zeigte eindeutig: die Leute von „Mins Stolz“ waren verschwunden. Mist. Er konnte doch nicht zurück zu Meruka gehen und dem sagen, dass er Leute, die sich eigen benahmen nicht genauer überprüft hatte? Immerhin hatte er den Namen des Schiffes, wusste woher es kam und wohin es fuhr, aber … War das nicht der Steuermann oder Kapitän? Der ging soeben in die dritte Lagerhalle von rechts und der davor stehende Wächter bummelte zu seinem Kollegen der nächsten Tür für ein Plauderstündchen. Schön, das war verboten, allerdings nicht, dass ein Kapitän eines Lastschiffes eine Lagerhalle besuchte. Deutlich langsamer ging er näher und versuchte durch die herabgelassene Matte der Tür etwas zu hören. Nichts, aber das war ja auch kaum zu erwarten gewesen. Sollte er oder sollte er nicht? Diese Frage stellte sich ihm nicht mehr. Etwas traf ihn heftig am Kopf, so heftig, dass er trotz seiner Perücke zusammenbrach. Dass er an den Beinen unter der Türmatte durchgeschleift wurde, spürte Ptahnacht bereits nicht mehr.   Kapitel 11: Nefer -----------------   Nefer hatte aus den Augenwinkeln beobachtet, dass Ptahnacht mit jemandem von diesem anscheinend königlichen Schiff gesprochen hatte und dem Mann jetzt möglichst unauffällig zum Stadttor folgte. Da sie seinen Schatten spielen sollte, musste sie ebenfalls dorthin. Allerdings benötigte sie etwas länger, da sie noch über fast den halben Markt musste, aber als sie an den Wachen zurück in die eigentliche Stadt gelangte, erstarrte sie. Hier befanden sich rechts und links Lagerhallen, vor manchen saßen Schreiber, aber bis zu dem nächsten schmalen Tor, das sichtlich in eine Gasse mit Wohnbereichen führte, war niemand zu sehen. Nefer blieb kurz stehen. Das passte nicht zu ihrem Partner, Sie kannte Ptahnacht seit einigen Jahren, sie waren durchaus zusammen in gefährlichen Lagen gewesen – er wusste doch, dass sie ihn beschatten sollte. Wo also steckte er? Warum wartete er nicht vor einem Lagerhaus oder auch nur unauffällig an der Ecke in die Gassenwelt der Stadt? Weil hier, in diesem Lagergebiet irgendetwas passiert war. Entweder war er in eine Falle gelaufen, aus der nur sie ihn herausholen konnte, oder er hatte irgendetwas so überaus wichtiges, eiliges gesehen, dass er nicht auf sie warten wollte oder konnte. In die engen, schattigen, Gassen Saus zu folgen ohne Ahnung wo sie suchen sollte, wäre unsinnig. So entschloss sie sich die Lagerhallen abzusuchen, natürlich nicht am Haupteingang, neben dem oft genug der zuständige Schreiber im Schatten saß. Das wäre doch auffällig, Frau hin oder her. Aber zum Glück hatten die Lagerhäuser ja meist eine zweite Tür, schon, um im Hochsommer die morgendliche Kühle durchziehen zu lassen. So wich sie nach rechts, da sie sich dort zwischen den Hallen und der Mauer zum Hafen einigermaßen in Sicherheit fühlte. Waren dort Wachen oder etwa auch Schreiber, so musste sie eben improvisieren. Sie nahm ihre Tasche instinktiv fester an sich, als sie sich auf den Weg machte. Die Geräusche des Hafens waren hier kaum zu hören, die Rufe der Händler wurden durch die Mauer gedämpft. Und ihr war so, als hörte sie jemanden reden. Im dritten Lagerhaus. Möglichst leise huschte sie zu der Mattentür. Zu Glück war hier Schatten, so dass der ihre nicht in die Lagerhalle fallen würde, als sie lauschte. „Das reicht,“ sagte jemand. „Fesselt ihn. Wir müssen zusehen, dass wir weitermachen.“ „Und wenn der Schreiber kommt?“ erkundigte sich ein anderer. Nefer hätte fast aufgeatmet. Immerhin musste man Tote nicht fesseln. Aber sie lauschte angespannt. „Ich sage dem Schreiber, dass unser Schiff etwas später beladen wird. Du weißt schon, Ballast und so. Die Schreiber kennen sich damit nicht aus und glauben einem Kapitän, zumal eines Schiffes des Horus. Gut. Weg jetzt.“ Nefer wich instinktiv zwischen die beiden nächsten Hallen zurück, erkannte jedoch, dass hier hinten niemand herauskam und wandte sich prompt zurück, um nicht im letzten Moment noch durch einen Blick zwischen den Häusern gesehen zu werden. Dann erst hob sie behutsam die Matte auf und huschte hinein. Ein Lagerhaus wie tausend andere in kemet. Ein Gang, in Sandbetten auf der einen Seite waren Säcke und Amphoren gestapelt. Zwischen Zweien, ungefähr in der Mitte der Halle, entdeckte sie ihren Kollegen. „Ptahnacht!“ flüsterte sie und ließ sich eilig nieder. Die Bösewichte konnten nur zu bald zurückkommen, wenn sie mit dem Schreiber gesprochen hatten. „Los, komm, beeil dich.“ Sie zog das Obsidianmesser unter ihrem Kleid hervor, froh, dass sie sich angewöhnt hatte, es immer bei sich zu tragen. Zum zweiten Mal schon kam es Ptahnacht zu Gute. Der Wächter war kaum bei Bewusstsein und offenkundig systematisch zusammen geschlagen worden. Blut rann über seinen verstopften Mund, als er sich mühsam auf zerren ließ. Nefer nahm den Knebel ab. „Wir müssen hier weg!“ zischte sie. „Los ,hoch mit dir, großer Krieger!“ Das war leichter gesagt als getan, dachte Ptahnacht, aber er gehorchte in dem Wissen, dass sie recht hatte. Auch Meruka hatte recht gehabt ihn nicht allein hier losziehen zu lassen. Zwei gute Gründe seine Partner zu schätzen. Dennoch spürte er, wie schwer er sich auf sie stützen musste. Zu seiner gewissen Verwunderung bog sie direkt in das folgende Lagerhaus ein. Er wollte sich schon hinsetzen, als sie wie Sachmet persönlich fauchte: „Ich wusste nicht, dass sie dir das Herz zerschlagen haben!“ Das galt als Sitz des Denkens, aber er war zu matt um zu begreifen. So fuhr sie ruhiger fort, bereits hastig in ihrem Beutel kramend, sich die Perücke abreißend: „los, zieh dich aus. Die werden dich doch suchen! Perücke weg!“ Er nahm sie ab und wickelte etwas mühsam seinen Schurz ab, den Strick, an dem der befestigt war. Was hatte sie nur vor? Zu seiner Verblüffung zog sie sich ebenfalls aus und nahm seine Kleidung. „Hier, zieh mein Kleid über!“ kommandierte sie. „Diese Narren suchen doch gewiss nach einem Mann.“ Er wollte schon einwenden, dass sie doch keiner sein, als sie sich bereits seinen Schutz umwickelte und ebenso hastig seine Perücke überstülpte. Immerhin reichte sie ihr bis zu den Schultern, das ging auch bei Frauen gut durch. Ihre war länger und er konnte, wie er sinnloserweise feststellte, die Haare zwischen den Schulterblättern spüren. Gleich. Er musste ihr Kleid überziehen. Immerhin waren Frauen und Männer fast gleich geschminkt, so dass es schon gehen würde … was hatte sie nur vor? Seine Gedanken waren viel langsamer als gewöhnlich, was nur zu einem Gutteil auf die Schmerzen zurück zu führen war. „Dir ist wirklich schwer zu helfen,“ murrte sie, als sie ihre Ketten abstreifte und um sein Genick legte. „Hier, meine Sandalen und den Korb. Los.“   Ptahnacht gehorchte, noch immer verwirrt und zerschlagen, aber ihm war bewusst, dass Eile geboten war. Nur, sie konnte doch unmöglich als Mann durchgehen? Mit bloßem Oberkörper? Dann erst sah er, dass er nur das weißen Leinenkleid trug. Das darüber geworfene Netz aus Fayenceperlen, das ihr zum Schmuck gedient hatte, trug sie nun über dem Leinenschurz. Am Hafen gab es Tänzerinnen und Marktfrauen, die ihre Waren und Leistungen anboten, aber eben auch andere, die etwas mehr als nur Tanz bieten konnten. Jedenfalls würde kein Mensch daran zweifeln, dass sie weiblich war. Er raffte sich auf. „Los!“ befahl Nefer ungeduldig und drückte ihm den Korb in die Hand. „Du bist eine alte Frau, gehst gebeugt, trägst schwer an deinem Einkauf. Verschwinde in den Gassen. Ich werde dich schon finden. Falls die Truppe zurück kommt, lenke ich sie ab.“ Dazu brauchte sie kaum mehr zu tun als so, wie sie eben vor ihm stand, aber Ptahnacht fand es besser, dazu nichts zu sagen. So meinte er nur ein wenig mühsam: „Du hast etwas gut bei mir.“ „Vergiss es nur nicht. Weg jetzt.“ Sie trat an den Vorhang zum Hauptweg und überprüfte die Lage. „Los jetzt. - Du gehst ja wirklich wie eine alte Frau,“ erklärte sie dann. „Halte den Kopf geneigt.“ Ptahnacht gehorchte, als er mühsam aus der Lagerhalle humpelte. Das würde er diesem Sextett nie vergessen! Hoffentlich wusste Meruka etwas mit seinem Bericht anzufangen. Diese Tracht prügel würde er den Männern der „Mins Stolz“ nur zu gern heimzahlen.   Unbehelligt gelangte er durch das schmale Tor in eine Gasse. Unwillkürlich drehte er sich um, aber er sah nur, wie Nefer scheinbar auf der Suche nach interessierten Kunden ihm in gebührendem Abstand folgte. So würde sie auch sehen, in welche Gasse er verschwand. Die schmalen Straßen hier waren leer, aus den Häusern drangen die Geräusche der fleißigen Hausfrauen, Töpfe, manchmal auch das leise Klappern eines Webstuhls. Die Einkäufe waren erledigt, oft auch das Bier im Haus gebraut, jetzt stand die Hitze des Mittags bevor und da zog sich jeder lieber in das doch angenehmere Haus zurück. Er war nicht böse darum, musste er sich doch nicht irgendwelchen kritischen Blicken stellen. Er bog erst nach links ab, als er eine Sackgasse erkannte, an deren Ende sich ein kleiner Platz öffnete, der mit einem größeren Sandhügel verziert war. Offenbar war hier eine der Gruben, in denen die ärmeren Stadtbewohner ihre Abfälle entsorgten. Nach jeder Ladung wurde Sand darüber gestreut, schon, um die Geruchsbelästigung gering zu halten. Er blieb dort stehen und sah sich um. Nefer kam bereits heran, sie war offenbar deutlich schneller geworden, als sie die relative Sicherheit der Gassen erreicht hatte. Unwillkürlich wich er zurück an die Wand, um von der Hauptstraße nicht gesehen zu werden. Das fehlte noch, dass diese Typen zurückkamen und ihn erneut in die Mangel nahmen. „Tauschen wir wieder unsere Kleidung,“ sagte er leise. „Wie sehe ich aus?“ „Die Frauen werden dir kaum zu Füßen liegen. Das dürfte einige blaue Flecke geben. Abschürfungen habe ich auch gesehen. Hier, deine Perücke.“ „Ja, danke, noch mal.“ „Was wollten die denn von dir?“ „Ich weiß von keinem Fehler, aber da soll Meruka drüber nachdenken, Er ist unser Genie und wozu hat man solche Leute. Naja, ich denke,“ ergänzte er ehrlich, als er sich den Strick umschlang: „Sie wollten mir die Neugier austreiben.“ „Schlagende Argumente? Überdies, sinnlos, das versuche ich seit Jahren.“ Aber Nefer lächelte, froh, dass ihm nicht ernsthafteres widerfahren war. „Gehen wir rasch zum Palast, am Besten in Merukas Zimmer. Ich weder zusehen, dass ich Rahotep finde, damit er dich verarzten kann und auch Meruka Bescheid geben kann. Ich muss zu Merit.“ „Weißt du,“ Ptahnacht rieb sich ein wenig das schmerzende Kinn: „Ich kann dominante Frauen ja im Allgemeinen nicht ausstehen, aber bei dir mache ich eine Ausnahme. Du hast nämlich heute laufend recht.“ „Nicht nur heute, und es wäre gut, wenn du dir das mal merken würdest. Komm jetzt.“   Mit ihren Amuletten und Schmuck kamen sie unbehelligt in den Statthalterpalast. Falls sich eine der Wachen wunderte, warum der Getreue des Königs ein Tuch um die Schultern und untere Gesichtshälfte geschlungen hatte, so fragte doch niemand nach. Ptahnacht streckte sich in Merukas Zimmer mit einem gewissen Seufzen auf dem Bett aus, froh, dass er nicht mehr gehen musste. Das hatte doch recht weh getan. Nur kurze Zeit später kam Rahotep, den Arztkoffer dabei. Er setzte den neben dem Bett ab. „Ich sehe schon. Bleib liegen. Nefer sagte, du bist zusammen geschlagen worden. Das wird blaue Flecken geben. Lass dich mal ansehen. Ich werde dich auf alle Fälle mit Korniferenharz, Antiu, einreiben. Das hier gibt Striemen. Da stand wohl ein Pfosten?“ „Ja, leider. Hast du Meruka erwischt?“ „Ja, ich konnte allerdings nur Andeutungen machen, denn er saß neben meinem Vater und dessen Schreibern. Gegen die Striemen hole ich dir nachher noch Milchsaft der Sykomore, den habe ich jetzt nicht dabei. Ja, hier am Auge auch. Kannst du dich umdrehen? Gut.“ Der Arzt strich den heilenden Balsam über den ganzen Körper. „Wie viele waren das denn?“ „Sechs.“ „Sechs gegen einen? Echte Helden.“ Er wandte rasch den Kopf, entspannte sich jedoch, als er seinen Vorgesetzten hereinkommen sah. Meruka ließ die Türmatte hinunterfallen und trat näher. „Bericht,“ meinte er nur. Ptahnacht begann mit der Unterhaltung mit der Fischerfrau und deren Man zum Thema Welse, dann die kurze Unterredung mit dem Kapitän der „Mins Stolz“ – und dem Überfall auf ihn. Meruka hörte schweigend zu, sagte auch nichts, als der Krieger geendet hatte. Erst, als Rahotep sich aufrichtete sah er zu diesem: „Du gehst?“ „Ich komme noch einmal, ich hole nur Sykomorensaft.“ „Gut. Dann warte ich.“ Ptahnacht wäre es weitaus lieber gewesen die Meinung seines Vorgesetzten gleich zu hören, vor allem, ob der sagen würde, er habe einen Fehler begangen. Aber da half nichts außer Warten. So schloss er die Augen. Als der Arzt zurückkam, meinte der Vorsteher der Schreiber: „Ich gebe dir recht, Ptahnacht, das verhalten dieses Kapitäns und seiner Mannschaft ist mehr als eigen, zumal für ein königliches Schiff. Du hast dich als Wache des Horus vorgestellt und es gibt keinen Grund, warum sie derart zuschlagen sollten. Überdies glaube ich, wenn dich Nefer nicht herausgeholt hätte, hättest du die reise in den Westen angetreten. Andererseits denke ich nicht, dass das etwas mit unserer Todesserie zu tun hat. Falls sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben sollten, wäre es weitaus einfacher gewesen, dich einfach zur Wildstier weiter zu schicken und fertig. Nein. Sie müssen entweder etwas an Bord haben oder bringen, das sie nicht dürften. Ich werde Merigeb von dem Überfall auf dich in Kenntnis setzen, wie es jeder hohe Beamte tun würde, wenn einer seiner Leute so zugerichtet wird. Er wird sicher Mins Stolz untersuchen lassen und die Mannschaft gleich dazu. Falls sie, wie ich vermute, etwas von dem Eigentum des Lebenden Horus an sich genommen haben, unterschlagen haben, werden sie ihre gerechte Strafe bekommen.“ Diebstahl am Eigentum des Herrn der beiden Länder wurde nicht, wie unter Privatleuten, als Zivilvergehen behandelt, das mit Rückgabe der Ware und einer Strafzahlung in Höhe des Doppelten oder auch Mehrfachen Preises geahndet wurde, sondern das galt als Gotteslästerung und Hochverrat – mit den entsprechenden Konsequenzen. „Eine gewisse Panik dürfte die Ursache sein, dass sie sich von dir verfolgt fühlten, ja, bedroht.“ Ptahnacht verzog das Gesicht. „Die Bedrohung lag wohl mehr auf ihrer Seite. Glaubst du nicht, dass sie, wenn sie etwas zu viel an Bord haben, das wegbringen?“ „Wir wissen nicht, ob sie überhaupt schon bemerkt haben, dass du weg bist. Deswegen werde ich mich beeilen und auch Merigeb zu promptem Handeln auffordern. Überdies – sie könnten Schmuggelware oder ähnliches nicht einfach in den Fluss kippen. Sie werden Mitwisser haben, Lieferanten oder wartende Kunden. Bis später. Bleibe nur hier.“ Meruka ging. Rahotep nahm ein kleines Gefäß. „Also, Saft der Sykomorenfeige gefällig? Er heilt blutende Wunden gut ab, aber auch Striemen. Man verwendet ihn auch, wenn Delinquenten eine Tracht Prügel bekommen haben.“ „Du bist der Arzt.“ Aber der Wächter wusste, der kühle Milchsaft würde ihm gut tun.   Der adjmer des Neith-Gaus war alles andere als begeistert, als ihm Meruka von dem Überfall wahrheitsgemäß berichtete. Nun ja, er ließ die Kleinigkeit aus, dass Nefer Ptahnacht gerettet hatte und sich dieser verkleidet hatte, sondern meinte nur, der erfahrene Krieger habe sich selbst befreien können. Merigeb nickte bloß und befahl sofort „Mins Stolz“ zu durchsuchen und die gesamte Mannschaft festzusetzen. Er war alt und erfahren genug um zu wissen, dass bei weitem nicht die Menschen gut waren. Leider bezog sich das in diesem Fall auch auf ihn. So manch anderer Beamter wäre gern adjmer oder gar der militärische Befehlshaber gegen die tehenu. Meruka nahm er da tatsächlich aus. Der wollte anscheinend Karriere bei Hof machen, sonst wäre der kaum in das private Büro des Herrn der beiden Länder gegangen. Allerdings würde der diesen Zwischenfall sicher in seinem Reisebericht erwähnen, ja, erwähnen müssen – und das würde das Auge des tjati und damit des Lebenden Horus negativ auf ihn selbst lenken. Je höher ein Beamter stieg umso weniger wurden Fehler verziehen. Meruka wusste das anscheinend recht gut, denn er hatte ihm mit diesem prompten Lagebericht die Gelegenheit gegeben seinen Fehler auszubessern. Hatte die Besatzung etwa Waren, die dem Herrn der beiden Länder gehörten, getauscht, unterschlagen, so war das schlicht unerhört und sie würden namenlos in die Ewigkeit gehen müssen. Selbst, wenn sie nur das Schiff, das ja dem Lebenden Horus gehörte, für andere Zwecke als seine Dienste benutzt hatten, war das eine bodenlose Unverschämtheit. Und, da musste er seinem Gast recht geben – das Benehmen des Kapitäns und seiner Männer war mehr als verdächtig. Überdies ziemlich töricht, denn sie lenkten so ja die Aufmerksamkeit auf sich. Oder hatten sie etwa vorgehabt diesen Ptahnacht umzubringen und das nur herausgeschoben, weil sie einen wichtigen Termin hatten, den sie unbedingt einhalten mussten? Merigeb bemerkte erst, dass er diese Frage laut gestellt hatte, als Meruka erwiderte: „Ja, das ist auch meine Meinung. Sie waren sehr aufgeregt, machten nicht nur einen Fehler, was darauf hindeutet, dass es sich kaum um kaltblütige Verbrecher handelt. Vielleicht ist das ihr erstes Mal, aber das wirst du sicher herausfinden können.“ „Mit Sicherheit.“ Der adjmer musterte den Schmuck des neben ihm Sitzenden. Ja, Seschat, die Göttin der Schreiber, aber auch der hängende Schakal – das Zeichen eines sab-Beamten. Zuerst hatte er geglaubt, das sei nur der Ehrentitel, aber anscheinend führte Meruka ab und an zumindest auch Ermittlungen für den Herrn der beiden Länder durch. Männer, die dies taten, genossen in aller Regel das Vertrauen des Horus, ebenso wie er selbst. Und als einer der Vorsteher des privaten Schreiberbüros war Meruka gewiss in der Lage jeden Tag den Lebenden Gott zu sehen, mit ihm zu sprechen. Umso wichtiger war es sich mit dem gut zu stellen, diesen Fehler unverzüglich zu bereinigen. Diese Bande konnte sich schon einmal auf eine ausgiebige Fragestunde einrichten, Stockschläge inklusive. Wenn ein Bauer seinen Pflichten, sei es dem Anteil der Ernte oder auch an Arbeit für den König, nicht nachkam, drohten dem ebenso Prügel wie jedem Beamten, der seiner Aufsichtspflicht nicht genüge tat, oder einem faulen Schreibschüler. „Ich werde die Aussagen noch abwarten, danach jedoch nach Ibenu-hedj fahren. Immerhin muss ich auch noch über den Feldzug gegen diese tehenu berichten. Wobei … Ich muss es noch überprüfen, aber du wirst es sicher eher wissen – reist nicht der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in diesem Jahr wieder einmal nach Pe und Dep um die Zeremonien der Jagd zu vollziehen?“ „Oh, ja, natürlich.“ Meruka hätte nicht zugegeben, dass ihm das entfallen war. Leider bestanden damit gute Aussichten, dass der Lebende Gott kemets bereits in wenigen Wochen, eher Tagen, von ihm eine Lösung für die Todesfälle verlangte. Die Zeit wurde knapp. Gut, dass sie morgen bereits abreisten. „Wir werden sicher die Ehre haben ihn im Palast des Harpunierenden Horus empfangen zu dürfen. Was mich daran erinnert, ich möchte Kapitän Paadiptah sprechen, bezüglich der Abreise morgen.“ Das hatte er zwar schon, aber er wollte Merigeb darauf aufmerksam machen, dass noch ein königlicher Kapitän im Hafen gewesen war. Womöglich hatte einer der beiden Paadiptah, Kapitän oder Steuermann mit jemandem von der „Mins Stolz“ gesprochen. Der adjmer bewies sofort, dass er mitdachte. „Ja, wenn ihr morgen schon abfahren wollt – dann sollte ich wohl auch noch mit ihm sprechen.“ Gut, dachte Meruka. Dann würde er auch hoffentlich noch das Ergebnis der Befragung erfahren, hoffentlich die Bestätigung seiner Vermutung, dass es sich um sehr kleine Leuchten handelte, nicht um die gesuchten Serienmörder. Vielleicht war alles doch nur Zufall, Unfall? Aber der Zwischenfall hatte bewiesen, dass es auch in königlichen Diensten Unsitten, ja, Verbrechen, gab.       Kapitel 12: Merukas Gedanken ---------------------------- Am folgenden Morgen wartete der adjmer höflich – und vorsichtig – bis die Damen nach dem gemeinsamen Frühstück zum Packen verschwunden waren, ehe er sich an Meruka und Ptahnacht wandte. Rahotep saß als sein Sohn ebenso neben Merigeb wie der Zweite Cheprihotep. „Ich habe die Männer, die törichterweise dich überfallen haben, Wächter des Horus, noch gestern Abend und in der Nacht befragen lassen. Ich kann es fast nicht glauben, die … ja, wie nichtsahnend sie waren und sind. Zum einen, natürlich, werter Vorsteher der königlichen Schreiber, natürlich, überhaupt eine solchen Frevel gegen den lebenden Gott zu begehen, er lebe, sei heil und gesund, ist stets verrückt. Dann aber noch einen von dessen Wächtern, der ihnen ja gar nichts wollte, zu verletzen, gefangen zu nehmen und, das haben sie gestanden, umbringen zu wollen … Nun, ich finde keine Worte. Ich werde sie mit mir nach Ibenu-hedj nehmen. Der Herr der beiden Länder sollte sich zwar auf dem Weg nach Pe und Dep, genauer in den Palast des Harpunierenden Horus befinden, aber der tjati sollte meinen Bericht über den Feldzug gegen die tehenu ebenso erhalten, wie diese Männer.“ Meruka nickte ein wenig. „Sie haben also Dinge unterschlagen, die dem Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, gehören?“ „Ja. Sie haben es noch nicht genau gesagt, aber anscheinend gibt es im Palast einen Verwalter oder höheren Schreiber, der falsche Aufzeichnungen macht. Sie erhalten also mehr an Bord als sie sollten. Das, was sie mehr eintauschen können hier oder auch selbst in Ibenu-hedj, teilen sie untereinander oder eben auch dem Schreiber. Dessen Namen werden sie mir noch sagen, ehe ich dem tjati Bericht erstatte, so dass Sobeknacht, wenn er möchte, einen Eilboten zurück ins das Delta schicken kann um auch diesen zu verhaften.“ „Du hast schnell gehandelt,“ sagte Meruka mit einer Kopfneigung. „Man merkt nur zu deutlich deine Erfahrung.“ „Danke, wobei ich sagen muss, ohne diese unschöne Begegnung des Wächters und deine rasche Information wären diese Verbrecher bereits wieder auf dem Rückweg gewesen und wir hätten nie von ihnen erfahren. Sie sagten aus, sie hätten das schon öfter getan.“ „Aber sie decken ihren Anstifter? So ist er wohl von hohem Rang.“ Merigeb zuckte ein wenig die Schultern, ehe er doch zugab: „Das hätte ich auch gedacht, Meruka. Aber – er darf nicht zu hoch sein. Ein Palastleiter, der mit einfachen Schiffern spricht, noch dazu öfter, wird auch beobachtet werden. Ein unglaubliches Risiko.“ „Das ist wahr.“ Kein derart hoher Beamter ging allein spazieren oder war je unbeobachtet, das wusste er ja selbst. Als Vorsteher der privaten Schreiber war es ihm immer schwerer durchführbar seine Gruppe heimlich zu treffen und nur mit Umwegen über das Büro des tjati oder seines Stiefvaters als Vorsteher der Scheunen und Siegler möglich. Oder gar mit Wissen und Duldung des Göttlichen Falken selbst. Wenn Merit den Ältesten Königssohn geheiratet hatte, würde sich da vielleicht auch noch eine Möglichkeit ergeben. Aber, das lag in der Zukunft und nur die Gegenwart, die Erfüllung des Auftrages, zählte. „Ich bin sicher, werter Merigeb, du wirst den Namen rasch erfahren.“ „Ohne Zweifel. Eine gehörige Tracht Prügel hilft immer. Hätten das nur die Eltern getan. - Ich wünsche euch eine gute Reise mit der „Wildstier“, soweit ich weiß ist der Lotse bis zur Abzweigung des Kanals vom iteru bereits unterwegs. Auch die Schiffer der Vorschiffe. Es sollte euch also nicht zustoßen können. Euer Kapitän kennt sicher auch die nötigen Opfer.“ „Ja, das denke ich auch. Du entschuldigst mich …“ Meruka erhob sich und winkte Ptahnacht ihm zu folgen, um Rahotep, seinem Bruder und seinem Vater noch die Gelegenheit für einen privaten Abschied zu geben.   Merit trug im Gegensatz zu dem Empfangsabend auch heute wieder nur ihr Reisegewand, allerdings mit dem kupfernen Reif einer Königstochter um die Perücke. Als sie aus der Sänfte ausstieg entdeckte sie neben dem Bug der Wildstier erlöschendes Feuer und erkannte Reste von Fischen, wie jeden Morgen. Diesmal war der Haufen größer, so wollte Kapitän Paadiptah also sicher gehen, immerhin gelangten sie nun in das eigentliche Delta, in dessen Altarmen und Sumpfgebieten sich eben auch Sobeks Freunde und die Flusspferde herumtrieben, beides lebensgefährlich für arglose Menschen. Aber sie wusste nur zu gut, dass die Papyrussammler, gleich, ob sie Blätter schnitten oder die Mandeln der Pflanzen aus dem Schlamm holten, ein ebenso großes Risiko eingingen, wenn nicht ein viel größeres, als sie auf einem hölzernen Schiff, dem zusätzlich noch ein Papyrusboot mit acht bewaffneten Männern und einem Trommler vorausfuhr.   Kapitän Paadiptah der Ältere begrüßte seine illustren Gäste mit einer höflichen Verneigung, ehe er meinte: „Ich habe die Kabinen bereits mit Netzen verschließen lassen. In den Morgen- und Abendstunden fliegt doch allerlei lästiges Getier auf dem Wasser. Nicht, dass sich die Dame gestört fühlt.“ „Eine gute Idee, Kapitän,“ bedankte sich Merit prompt lächelnd, die sich aus ihren Kindertagen an solche Fahrten ohne Netze erinnerte. Nachts war es gerade in der Überschwemmungszeit noch ärger. Was diese bissigen Mücken nur im Delta fanden? „Ich werde mich auch zurückziehen., sobald die Kühle des Morgens verschwindet.“ Die zwei letzten Tage war die Sonne doch merklich heißer geworden und sie vermutete zu Recht, dass das Wasser des Flusses sich langsam aber sicher seinem Tiefpunkt näherte, ehe die Götter wieder die Flut schicken würden. „Bis dahin werde ich den kühlen Wind unter dem Vordach genießen.“ Sie ging bereits weiter, sicher, dass der Kapitän den ihr unbekannten Mann noch Meruka als Leiter der rReise vorstellen wollte.   Tatsächlich meinte der Kapitän: „Werter Meruka, dies ist unser Lotse bis zum Kanal. Er kennt die derzeitige Flusslage sehr genau. Sein Name ist Chabauneith. Er fährt stets mit den Schiffen des Herrn der beiden Länder.“ „So kennst du dich gut aus.“ Meruka dachte kurz nach, ob der Lotse wohl mit den Männern der „Mins Stolz“ gekommen war und mit diesen geredet hatte. Aber, zum Einen war das nun die Sache Merigebs und des tjati, zum Anderen wagte er doch zu bezweifeln, dass diese Männer, unerfahren oder nicht, so dämlich gewesen wären mit einem nur flüchtig Bekannten zu sprechen, was auch immer sie da geschmuggelt hatten. „Bleibst du hier an Bord?“ „Oh nein, ehrenwerter Vorsteher der Schreiber.“ Der Lotse hatte schon gehört, dass dies ein sehr hoher Beamter am Hofe sei. „ich werde auf dem Vorboot mitfahren um dieses zu lotsen. Kapitän Paadiptah wird uns dann folgen. Falls das Papyrusboot wider Erwarten doch eine Sandbank berührt werdet ihr davon verschont bleiben. Ich fahre bis heute Abend mit, in mein Heimatdorf. Dort wird am nächsten Morgen mein Cousin euch in den Kanal bringen, bis nach Pe und Dep. Es sind zwei Tage, sicher, eher drei, je nachdem wie der Wasserstand gefallen ist. Manchmal muss man Umwege machen.“ „Müssen wir da an Bord übernachten?“ Chabauneith warf einen raschen Blick auf den Kapitän. „Ich denke ja. Es gibt zwar einige Stellen, an denen man auch auf Inseln oder auf den Weiden übernachten kann, aber es ist fraglich, ob ihr so eine erreicht. Das muss mein Cousin wissen.“ „Natürlich. Name?“ „Teti.“ „Danke, Chabauneith. Dann werden wir heute Nacht in deinem Dorf übernachten können?“ „Ja. Es steht dort ein Haus für Reisende zur Verfügung. Es werden bei uns öfter Ladungen umgeschlagen. Ich vermute, dass der Aufseher, der sowohl unser Dorf als auch die Domäne unter sich hat, ebenfalls dort sein wird.“ „Die Domäne…?“ „Oh, ja, sie gehört einem sehr hohen Beamten, dem Siegler des Königs.“ Und dessen Halbruder. Unwillkürlich hoffte er doch, dass etwas von diesem Glanz auch auf sein Dorf und damit ihn abfallen würde. „Meinem Stiefvater also.“ Der Lotse erbleichte. „Oh, ja, natürlich. Verzeih.“ Der Sohn eines Königssohnes war ein hoher Beamter, natürlich – es war nicht notwendig sich mit Halbbruder des Lebenden Gottes und Nummer Drei im Land anzulegen. Meruka ärgerte sich etwas über sich selbst. Er kannte die Regeln doch, warum hatte er sich so provozieren lassen? „Du kannst an deine Arbeit gehen.“ Hatte ihn der Zwischenfall mit den Männern der „Mins Stolz“, die Tatsache, dass Ptahnacht um ein Haar in eine Falle gelaufen war, doch so aus dem Konzept gebracht? Er sollte ruhiger werden, nachdenken – und erst einmal seine Mitarbeiter sich harmlos unterhalten lassen. Jeder seiner eigenen Fehler würde auch sie betreffen, er durfte sich keinen leisten, zumal er nur zu bald bereits dem Lebenden Horus Rede und Antwort stehen musste. Und er durfte nicht versagen.   So saß er bald zwischen seinen Kollegen als die Mitarbeiter des Hafens das schwere Schiff wieder in den Fluss schoben und der Kapitän Befehle schrie, um sich hinter dem großen Papyrusboot einzureihen. Er hatte nur genickt und sich selbst nach hinten an die Kabine gelehnt, deutlicher Hinweis darauf, dass er nachdenken wollte und die Anderen ihre Rollen spielen sollten. „Eine schöne Stadt ist Sau,“ sagte Nefer daher zu dem Arzt. „Aber, Rahotep, mich wundert es fast, dass sie so klein ist.“ „Sie ist nicht klein. Aber sehr alt. Oh, natürlich, wenn du es mit Ibenu-hedj vergleichst. Aber keine Stadt gleicht der Waage der beiden Länder. Übrigens kein so ungeeigneter Beiname für Ibenu-hedj. Waren aus dem Norden und aus dem Süden werden dorthin gebracht, kommen in die Scheunen und Schatzhäuser des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund. Und von dort wird wieder alles an alle gegeben.“ Rahotep dachte einen Moment nach, ehe er fortfuhr: „Man sagt, Horus Aha habe Ibenu-hedj gründen lassen, das ist Jahrhunderte her. Aber Sau ist sogar noch älter, wie alt, weiß ich nicht.“ „Und durch die Mauer kann es auch kaum wachsen,“ erklärte Ptahnacht, um auch etwas zu sagen, denn der Kapitän stand fast über ihnen. Das Gespräch sollte nicht abflauen. „Aber, Rahotep, ich denke, die liebe Nefer kommt sehr weit aus dem Süden. Gibt es da überhaupt so große Städte?“ „Sieh nicht auf die Frau aus dem Süden herab, Wächter des Horus,“ murrte sie prompt, ihrer Rolle gemäß. Immerhin wusste er nur zu gut, woher sie kam. „Allein die Stadt unterhalb des Dorfes aus dem ich komme….“ „Ich dachte, Abu ist eine Insel?“ „Zwei Inseln, sogar. Auf einer liegt der Ort, auf der anderen die Festung, aber das meinte ich nicht. Südlich von Abu befinden sich Stromschnellen, die kein Schiff durchqueren kann. So gelangen alle Waren aus dem Süden per Land nach Abu. Sie werden dann nur nach Abu gebracht und dort auf Schiffe geladen. Die Wege aus der Wüste enden in zwei Orten rechts und links des iteru. Eine davon, die größere, ist Sunu auf dem Westufer. Dort enden alle Karawanenwege aus kusch und wawat. Sie bringen Gold, Elfenbein, Edelhölzer, Kräuter und Pfauenfedern…. Oh, so viel an Luxus. Das wird von Abu aus dann nach Ibenu-hedj gebracht.“ „Nicht alles,“ warf Rahotep ein. „Wie schon erwähnt – es gibt auch Karawanen, die durch das Sandmeer an das Große Grün gelangen. Die Waren von dort kommen dann hier nach Sau und dann nach Ibenu-hedj.“ „Wie groß ist denn Sunu?“ erkundigte sich Ptahnacht. „Ich weiß es nicht,“ gab Nefer zu. „Es ist befestigt, ja, aber nicht so sehr wie Sau. Die Festung ist eben Abu. Mein Heimatdorf liegt oberhalb, schon außerhalb des Fruchtlandes. Selbst das Wasser wird jeden Tag mit Eselskarawanen gebracht. Dafür bauen die Männer ja auch Granit ab, so dass wir gut versorgt werden.“ Und sie hatte früh gelernt behutsam mit Wasser umzugehen. Solchen Überfluss konnte man sich nur im Fruchtland leisten, wie duschen, zumal der iteru ja monatelang ganze Regionen unter Wasser setzte, das in Rückhaltebecken gesammelt wurde. „Ach, dann kommst du aus einem Minendorf? Die Männer arbeiten in den Steinbrüchen, die den berühmten Granit schaffen.“ Rahotep tat überrascht, zumal er feststellte, dass sich der Kapitän fast unschicklich nahe über ihnen befand, „Umso überraschter wirst du dann hier über die weiten Felder hinter dem Papyrusstauden sein.“ „Und über den Papyrus. So klein, und dann wieder so groß. Das sind wohl Jungpflanzen?“ „Nein, Nefer. Es handelt sich um verschiedene Arten. Dort, so klein wie diese, das ist Nussgras. Man kann seine Knollen essen, die auch Erdmandel genannt werden. Als Arzt verwende ich sie gemahlen, nun ja, um den doch nicht immer guten Geschmack von Arzneimitteln zu verbergen. Ihren süßen Brei hast du sicher schon am Hofe gegessen.“ „Nun, ja, wenn du es sagst…“ Nur immer die Konversation aufrecht halten, dachte sie. Meruka schien nachzudenken, der Kapitän zuzuhören. „Gibt es denn so viele verschiedene Arten dieser Gräser? Ich dachte, das sei nur das, worauf die Schreiber … nun ja, schreiben.“ „Nein, es gibt auch noch eine dritte Sorte, die aber seltener gesammelt wird, aber deren Knollen gegessen werden….“     Meruka hörte kaum zu. Warum nur war ihm, als hätte er irgendetwas übersehen? Etwas, das für seinen Auftrag, für die Lösung dieses Rätsels um die diversen Toten wichtig wäre? Das konnte dann nur jetzt im Zusammenhang mit der „Mins Stolz“ gewesen sein. Oder? Was nur hatte Ptahnacht erzählt, was Nefer, was Merigeb, was hatten die Männer ausgesagt? Er bekam nur am Rande mit, dass sich die beiden Frauen zurückzogen, der Wächter des Horus und der Arzt sich über Fische zu unterhalten begannen. Was nur hatte er übersehen? Was war… Er richtete sich auf. Natürlich. Welch ein Narr konnte man sein. Die einfachen Männer auf dem Boot hatten ihren Schmuggel nur mit Hilfe eines Ranghöheren betreiben können. Mindestens eines Schreibers, aber keines zu ranghohen Mannes wie dem Palastleiter, denn da hatte Merigeb recht gehabt: wenn der mit einfachen Schiffern plauderte würde es auffallen. Irgendwem - und der Tratsch würde ebenso rasch die Runde machen, zwischen den beiden wichtigsten Palästen des Lebenden Gottes sowieso. Ebenso sicher war es auch keiner der angelernten Schreiber, die gerade es schafften das Zeichen ihrer Ware zu machen und die Striche dazu, denn diese wurden permanent von ihrem Vorsteher, einem gelernten Schreiber, überwacht, der auch siegelte. Und genau das war es, was ihm als so undenkbar erschienen war. Diese Vorsteher siegelten, waren in der Palastschule sicher sieben und mehr Jahre ausgebildet worden – wie konnte einer von denen Dinge unterschlagen, die dem Horus auf dem Thron der Lebenden gehörten? Der für ihn sorgte, ihn ausgebildet hatte? Und genau das konnte auch nur die Ebene sein, bei der ein Fehler oder sogar der Mordplan zu suchen war. Vielleicht hatte, wie Ptahnacht es gemeint hatte, einmal ein Fischer die giftigen Stacheln eines Welses übersehen und sein Vorgesetzter hatte das bemerkt, ja, seinem Leiter der Abteilung mitgeteilt? Und dieser wiederum hatte eine Möglichkeit gesehen Menschen zu vergiften? Aber warum nur? Es gab doch keinerlei Motiv wahllos, überaus wahllos, Menschen zu ermorden. Handelte es sich doch um einen, wenngleich folgenschweren Fehler, der sich durch die gesamte Kette aus Arbeitern und Sieglern zog? Jeder Mensch in ganz kemet war Teil einer Organisation, selbst die so genannten freien Bauern. Auch sie wurden von den Steuereinnehmern überwacht, wenn diese nach der Überschwemmung die Felder maßen und einteilten, nach der Ernte den Anteil des Horus einsammelten. Überdies waren auch diese Bauern dem Lebenden Gott zu Arbeit verpflichtet und konnten in der Überschwemmungszeit für Bauarbeiten und Kanäle eingesetzt werden. Umso strenger waren die Rahmenbedingungen in einem Palast oder einer Domäne. Selbst die Palastleiter und adjmer wurden durch den tjati, ja, durch den Herrn der beiden Länder, überwacht. So war es auch, dass, wenn zwei Arbeiter miteinander Streit bekamen, zwei Bauern, wer auch immer, gingen sie zu ihrem Vorgesetzten und der richtete dann über diesen Fall. In einem Dorf waren das immer die Ältesten, Männer und Frauen, die bei Streitfällen Recht sprachen, so, wie es seit dem Beginn der Schöpfung von Mund zu Mund gegangen war. Aufgeschriebene Regeln gab es nicht, sie waren einfach da, altehrwürdig und der maat entsprechend. Warum also sollte es jemandem gelingen dieses doch recht enge System zu umgehen? Und wie? Und wieso? Nun, wie bereits gedacht wäre es niemand der unteren Ebenen. Arbeiter, Fischer, hatten ihre Vorgesetzten, diese wiederum die ihren und alle wurden durch einen ausgebildeten Schreiber kontrolliert. Nur ab dieser Verwaltungsebene konnte man überhaupt nur hoffen mit einem Betrug durchzukommen, das wusste Meruka noch aus seinen Anfängen, als er, wie jeder neue Schreiber zunächst auf dieser Stufe in den Scheunen des Horus eingesetzt worden war. Nur ab da hatte man, wenn man böswillig war, warum auch immer, eine Möglichkeit. Einem der ungelernten Helfer sagen, dass er einen Fehler gemacht habe, sich verzählt habe und das ausbessern, oder gar ohne dessen Wissen ausbessern – und schon war ein Krug Wein oder ähnliches verschwunden. Schön. So mochte es der Anstifter der Männer der „Mins Stolz“ gemacht haben und der würde dafür auch zur Verantwortung gezogen werden. Was jedoch war mit den Todesfällen? Zufall oder doch Mord? Zufall war fast auszuschließen – nicht in dieser Menge an Fehlern. Irgendjemand hatte, bewusst oder unbewusst, das getan, war dafür verantwortlich. Dazu stellte sich jedoch immer noch die Frage an was diese Menschen gestorben waren. Nur, wenn man das WIE ihres Todes herausfand, würde man auch dem Täter näher kommen. Äußerlich oder innerlich Gift? Angenommen es wäre ein Wels mit Giftstacheln, nur als Beispiel. Ein Fischer übersah die Stacheln, dessen Vorgesetzter der Fischer ebenso – nicht unmöglich, wenn täglich Dutzende von Fischen in den Reusen und Netzen gefangen wurden. Einmal, ja. Möglicher Zufall. Öfter? Absicht. Wenn allerdings der Vorgesetzte den Fischern sagen würde, sie sollten die Stacheln drin lassen … würden sie gehorchten oder sich zumindest so laut wundern, dass sich das herumsprach? Das Risiko mit einem derartigen Befehl bekannt zu werden, ja, dem Palastleiter oder auch nur einem anderen hohen Beamten aufzufallen, wäre natürlich enorm. Gut, weiter in der Hierarchie. Vorgesetzter des Vorstehers der Fischer war der Leiter der Scheunen des Palastes. Ihm unterstanden der Vorsteher der Fischer, der des Weins, des Hauses des Öls, der Scheune, in der Getreide gelagert wurde, kurz, alles Lebensmittel, die an den Palast geliefert wurden – und von dort aus weiter verteilt. Möglichkeit, ja, aber das war schon ein derart hoher Beamter, dass es auffallen würde, würde er mit einfachen Fischern reden. Nein, es musste die Ebene der Vorsteher sein. Aber eher kein Fisch, so plausibel Ptahnachts Theorie auch geklungen hatte. Zu viele Mitwisser. Es musste also etwas anderes sein. Wein? Öl? Öl als Parfüm oder gar Lampenöl? Auch bei der Ölherstellung und dem Weinpressen waren sehr viele Menschen beteiligt, viele Augen die sehen, viele Münder, die reden konnten. Nein, nicht das Öl oder der Wein an sich. Es musste irgendetwas anderes sein, etwas, das ein Mann allein rasch machen konnte. Blieb nur die Frage: was. Welches Gift? Und natürlich auch die Frage nach dem Warum. Wer riskierte sein Leben jetzt und in alle Ewigkeit? Wer wollte so dringend in das Nichts?   Kapitel 13: Der Norden, natürlich --------------------------------- Obwohl Merit aus Per-Bast und damit dem östlichen Delta stammte, war sie stets ein wenig überrascht zu sehen wie sehr sich das Land im Laufe des Jahres veränderte. Jetzt, wo die Trockenheit ihren Tiefpunkt erreicht hatte, wuchsen neben den Papyrusstauden an den Ufern auf weiten Sandbänken die weißen Dörfer, man erkannte dahinter Kleinvieh, auf den Weiden dahinter Rinder, die von Hirten sorgfältig bewacht wurden. Wenn in wenigen Wochen mit dem ersten Erscheinen der Sothis auch die Flut kam und das Jahr begann, würde sich um die Dörfer nur noch die Wassermassen befinden, Menschen und Tiere eng zusammenrücken müssen. Gab es gar eine zu große Flut, so musste alles Leben fliehen und die Dörfer verschwanden in den gurgelnden Wassern des iteru. Die allerdings auch das Land fruchtbar machten. Sie sah, dass Nefer neben ihr neugierig Ausschau hielt. „Suchst du Flusspferde?“ fragte sie daher. „Ja,“ gab die junge Frau aus dem tiefen Süden zu. „Es gibt sie auch bei uns, aber hier doch viel öfter, habe ich gehört,“ ergänzte sie eilig. Sie saßen unter dem Sonnendach, das der fürsorgliche Kapitän Paadiptah erneut hatte spannen lassen. Meruka hatte sich mit seinen beiden männlichen Mitarbeitern zurückgezogen, vermutlich wollten sie leise etwas besprechen. So fiel es den beiden Frauen der Gruppe zu den Schein einer amüsanten Flussreise zu wahren und einfach zu plaudern. „Sie sollen ja sehr gefährlich sein. Gefährlicher noch als Krokodile.“ Merit machte eilig das Zeichen gegen das Böse. „Sobeks Freunde oder das Kraut des Sees,“ tadelte sie. „Verzeih, Herrin .“ Nefer senkte etwas den Kopf. Natürlich wusste sie das, aber in ihre Rolle als die dumme Frau aus dem Süden passte das. „Überdies greifen sie solche Schiffe aus Holz nicht an, nicht einmal solche Papyrusboote wie das vor uns. Ich weiß nicht warum.“ „Wenn ich es erklären darf …“ Ptahnacht war aus der Kabine gekommen und setzte sich. „Die Schiffer sagen, sie halten die grünen Papyrusboote für ihresgleichen und lassen sie darum in Ruhe. Darum ist es ja auch wichtig, dass der Papyrus, aus dem solche Boote gebaut werden schön grün ist. Wenn er gelb wird geht er unter oder lockt ...eben anderes an.“ Da er sich denken konnte, dass die Mädchen neugierig waren, was es zu besprechen gegeben hatte, zuckte er die Schultern, ganz der müde Krieger. „Ich bin froh wieder an der Luft zu sein, dass mich der ehrenwerte Schreiber hinausschickte. Ich bin kein Schreiber und kein Arzt und die Pflanzenkunde, die sie austauschten langweilte mich nur. Aber natürlich, So gebildete Herren ….“ Damit hatte er angezeigt, dass Meruka und Rahotep noch immer herumrätselten, wie diese seltsamen Tode zustande gekommen wären. Der Gefolgsmann des Horus ergänzte: „Es ging allerdings immer mehr um besondere Pflanzen, die nur hier im delta wachsen. Ich kannte meist nicht einmal die Namen. Aber ich stamme ja auch nicht aus dieser Gegend, sondern vom Ostmeer. Da gibt es schon ganz andere Fische als im iteru und natürlich auch ganz andere Pflanzen.“ „Man muss durch die Wüste dorthin, nicht wahr?“ Merit wollte das Gespräch am Laufen halten, denn der Kapitän stand schon wieder sehr neugierig weit vorn. „Von Nubt aus oder so.“ „Ja. Es gibt Trockentäler, auch ein sehr großes, die die Tore zur Wüste genannt werden. Da kommt man gut durch. Natürlich mit einer ganzen Eselskarawane, Es gibt nur sehr wenig Wasserstellen und das Wasser muss mitgenommen werden. Aber es lohnt sich, dort in der Wüste werden Gesteine gefunden, die der Lebende Horus, er lebe, sei heil und gesund, für Bauten benötigt oder sogar zu Schmuck. Manchmal finden sie in der Wüste sogar Himmelserz.“ Eisen, das selten genug mit einem Meteoriten vom Himmel fiel und zu überaus wertvollen Schmuckwaffen oder Schmuck verwendet wurde. Es galt schon darum als überaus wertvoll, weil es im Gegensatz zu Eisen aus dieser Welt nicht rostete. Ptahnacht hätte auch keinen Grund gewusst, warum man schöne Steinklingen aus Obsidian oder Pfeile mit Steinspitzen gegen ein eisernes Schwert eintauschen sollte, das gleich zerbrach. Kupferschwerter waren viel härter und Kupfer fand sich auch in kemet, musste nicht erst beschafft werden. So fuhr er fort: Ich war allerdings höchstens bis zu den Minen von Timna, wo Kupfer und Türkise abgebaut werden können, wenn die Sandleute Ruhe geben und es Winter ist. Im Sommer wäre es dort viel zu heiß. Alle paar Jahre wird eine solche Expedition hin gesandt. Es ist sehr gefährlich dort, weil die Sandleute die Transporte überfallen und sich nicht dem Willen des mächtigen Horus beugen wollen. Aber er wird sie schon belehren.“ „Sicher.“ Merit, aufgewachsen und ausgebildet am Hofe, kannte auch die magischen Zeremonien, mit denen das Land unter den Flügeln des göttlichen Falken sicher war. Die Sandleute sollten doch froh sein, ebenso wie die tehenu und die Leute aus wawat und kusch, dass ihnen Schutz angeboten wurde, solange sie Tribute spendeten. Die ganze Welt gehörte doch dem Lebenden Horus, jedes Land, jedes Tier und jeder Mensch. Ihr war auch nur zu bewusst, was Meruka drohte, wenn er den Fall nicht löste und den Lebenden Hott enttäuschte, ja, erzürnte. Degradierung, kein Grab und verflucht in alle Ewigkeit. Schreckliches Schicksal, das war ihr nur zu bewusst. Aber das war der Preis, den jeder, der hochstieg zu zahlen hatte.   Die Sonne berührte bereits fast den westlichen Horizont als das führende Papyrusboot scharf nach rechts bog, um gegen die hier breit und gemächlich fließenden Wasser des iteru zu kreuzen. Kapitän Paadiptah wies eilig seine beiden Steuerleute an zu folgen. Er und auch seine Passagiere, die seit Stunden vollzählig unter dem Sonnendeck saßen und redeten, erkannten am rechten Ufer eine weiße Sandbank, an der einige Fischerboote aufgelaufen waren. Die Netze wurden an Seilen daneben getrocknet. Einige hundert Meter weiter hinten, getrennt durch eine weiße Sandfläche und einige Höhenmeter, lag das eigentliche Dorf, dessen weiß gekalkte Wände im Licht der Spätnachmittagssonne förmlich leuchteten. Um das Dorf befanden sich Gärten. Jedem der Besucher war klar, dass in wenigen Wochen, wenn die Flut kam, die gesamte Sandfläche unter Wasser läge und sich im Dorf Mensch und Kleinvieh eng zusammendrücken mussten. Nun aber war genug Platz und einige Ziegen und Schafe, von Kindern im Auge behalten, weideten die vereinzelten Gräser auf dem Sand ab. Auf die Felder wurden sie erst nach der Einsaat gelassen, wenn ihre Hufe und Klauen den Samen tiefer in den dann feuchten Boden treten sollten. Ein Mann kam aus dem Dorf heruntergeeilt, da ihm offenbar die Schiffe aufgefallen waren. Meruka entdeckt ein Stück weiter flussabwärts ein dichtes Papyrusfeld, das sich lang und schmal Richtung Osten erstreckte. Vermutlich lag dort der Kanal, der sie morgen in Richtung der Doppelstadt Pe und Dep bringen sollte. Solche Kanäle, wenngleich nicht so große, wurden immer mehr im Land gebaut und die Anwohner angewiesen, sie frei von Unkraut zu halten, die Böschungen auszubessern. Gegen die beiden großen Gefahren, Flusspferde und Krokodile waren Dörfler machtlos, also schützte der Horus auf dem Thron der Lebenden sein Volk durch Magie. Chabauneith, der Lotse, sprang auch bereits aus dem Boot und eilte dem anderen entgegen. Das dürfte also Teti sein, sein Cousin und der Lotse der folgenden Tage – oder auch der Bürgermeister dieses Dorfes. Nun,das eine schloss ja das andere nicht aus. Die Lotsenfamilien hatten sicher einen guten Ruf im Dorf. Und die Bürgermeister dieser Dörfer waren in aller Regel im Gegensatz zu den Beamten der Domänen nicht schriftkundig. Früher oder später würde auch der Schreiber der nahebei liegenden Domäne kommen, wenn er erfuhr, dass der Stiefsohn des Besitzers eingetroffen war. Immerhin musste er damit rechnen, dass das der potentielle erbe wäre, denn, wenn sie Meruka recht entsann gehörte diese Domäne zum Privateigentum und wurde nicht mit einem entsprechenden Amt verliehen. Dieser Grundbesitz fiel dann bei Rückgabe des Amt4s wieder an den Staat, also den Herrn der beiden Länder zurück, und wurde neu vergeben. Wie hieß dieser Mann nur? Er war früher ein Schreiber in der Kanzlei des tjati gewesen Und war mit dem Verwaltungsposten hier auch zu dem Verwalter einer anderen Domäne geworden, die einst zu der königlichen Totenstiftung gehören sollte. Das war eine neue Sache, die der Lebende Gott befohlen hatte, aber es würde zukünftig natürlich die Verwaltung vereinfachen, wenn die Totenstiftungen der verstorbenen Könige und die Versorgung der Paläste des Lebenden Horus getrennt voneinander geführt wurden. Horus Quahedjet dachte an so vieles.   Das Stück zum Dorf musste der hohe Besuch zu Fuß gehen, Sänften gab es hier keine. Chabauneith führte sie und erwähnte nebenbei, dass sein Vater der Bürgermeister sei. Er trug den Namen Upautschepses, wurde aber Upi genannt. „Schöne Namen“, Kurznamen, waren in allen Teilen der Bevölkerung üblich, Merit hieß ja eigentlich Meresanch oder Nefer Nefertari. Nebenbei erkundigte sich Meruka auch nach dem Namen des Domänenvorstehers, er wollte sich nicht die Blöße geben, den vergessen zu haben. Hemusir, also. Dem Namen nach stammte er aus dem Delta und war wohl auch angetan gewesen wieder hierher zurück zu kehren. „Dein Vater wird ihn doch sicher benachrichtigen lassen,“ „Ja, natürlich. Wir im Dorf kümmern uns allerdings wenig um die Domäne, sie liegt abseits des Flusses und wir leben als Lotsen oder Fischer. Natürlich landen hier auch Waren an für die Domäne oder gehen welche weg, aber sie ist noch neu, und ich vermute, das kann dir Hemusir sicher erklären, dass es noch wenig Wein von hier gibt.“ „Ja, Trauben brauchen lang, bis sie wirklich ertragreich sind. Aber der Wein wird umso besser, je älter die Rebe. „Das weiß ich nicht,“ gab Chabauneith zu, der ins einem Leben noch keinen getrunken hatte. Sie hatten das Dorf fast erreicht und Nefer entdeckte etwas, das sie so noch nie an Häusern gesehen hatte. Über den Türen, sogar an einigen Fensterspalten hingen riesige Zwiebeln. Solche Größe hatte sie noch nie erblickt und so wandte sie sich an den Arzt. „Rahotep, man sagt ja, das Delta sei fruchtbar, aber so große Zwiebeln….“ Gut ein Kilo mochten sie wiegen „Das sind keine gewöhnlichen Zwiebeln, liebe Nefer,“ antwortete Rahotep prompt. „Man nennt sie Meerzwiebeln und sie wachsen hauptsächlich in den Sandböden des nördlichen Delta, an den Stränden des Großen Grünen. Sie werden manchmal auch ….ja, sieh, wie hier, seitlich vor die Häuser gepflanzt. Sie blühen weiß im Herbst und sollen Dämonen und alles Unheil von den Häuser und deren Bewohnern abhalten. Ärzte nutzen sie auch medizinisch, aber es ist kein Wunder, dass du sie nicht kennst. So tief im Süden wachsen sie nicht.“ „Auch beim Fest des Sokar werden Zwiebeln um den Hals geschlungen,“ sagte Merit neugierig. „Das kenne ich. Aber das sind auch gewöhnliche Zwiebeln, nicht solche riesigen. Darfst du sagen, wozu ein Arzt sie verwendet?“ „Nun ja, wenn ein Mensch zu viel Wasser im Bauch hat, oder bei Hustenkrämpfen, bei Hundebissen. Aber man muss sehr genau sein. Wie bei allen Pflanzen,“ ergänzte er hastig, denn wie so viele Gewächse bot auch die Meerzwiebel nicht nur Gutes. Aber es gab eben keine Wirkung ohne Nebenwirkung, keine Maat ohne isfet, keinen Tag ohne Nacht, kein kemet ohne die beiden Länder. Zu genau durfte er allerdings gegenüber Laien nicht werden, das verbot der ärztliche Kodex.   Den Gästen, die kaum neugierig betrachtet wurden, war man hier doch Besucher gewohnt,wurde ein leeres Haus zugewiesen. Eine Frau kam und bot sich als Köchin an, brachte dann Speisen, die sie offenkundig bereits für ihre Familie zubereitet hatte, Brot und Bier, dazu Gurken und Zwiebeln. Kurz danach tauchte Chabauneith wieder auf, mit einem Mann um die Dreißig, den er als seinen Cousin Teti vorstellte, den Lotsen für die nächsten Tage bis zu der Doppelstadt. Meruka winkte diesem sich zu ihnen zu setzen und stellte angenehm berührt fest, dass Teti seine Neugier ebenso zügelte wie Chabauneith und nur einen verstohlenen Blick auf Merit oder ihn warf. Ptahnacht hatte sich bereits in eine Ecke zurückgezogen und tat erfolgreich so, als wolle er schlafen. Sobald die Besucher weg waren, würde er das auch tun, um nachts sich quer vor die Tür zu legen und zu wachen. So erkundigte sich der Vorsteher der königlichen Schreiber nur: „Wir werden zwei oder drei Tage bis Pe und Dep benötigen, Teti?“ „Ja. Genau kann ich es dir nicht sagen. Das hängt davon ab, wie flach das Wasser auch drüben auf der anderen Seite, im anderen Arm des iteru ist. Wenn das Schiff fast auf Grund geht, müssten wir Männer zum Ziehen davor spannen.“ „Dann ist eine Übernachtung an Bord notwendig.“ „Ja, eine sicher. Aber wir erreichen gegen Abend, das kann ich versprechen, eine gute Stelle zum Landen. Dort gibt es eine Anhöhe, wo stets reisende übernachten. Es ist, zugegeben, ein wenig mühsam empor zu steigen, dafür ist man allerdings vor den wilden Tieren sicherer. Dennoch würde ich dem Kapitän vorschlagen, dass seine Männer abwechselnd wachen. Es gibt hier schon lange keine Löwen mehr, aber auch Flusspferde können sehr gefährlich sein und das möchte ich den Damen nicht zumuten. - Wünscht irh eigentlich nach pe oder Depo zu gelangen?“ Die Doppelstadt lag sich gegenüber – Pe war die heilige Stadt, seit Urzeiten Begräbnisstätte der alten Könige, lange vor der Vereinigung der beiden Länder, gewesen. Noch heute befanden sich dort heilige Bezirke für diese. Dep dagegen war die weltliche Stadt, mit Hafen, Verwaltungsgebäuden und Lagerhäusern. „Nach Dep,“ erwiderte Meruka sofort. „Von dort aus dann zum Palast des Harpunierenden Horus.“ „Das wären sicher noch einmal zwei Tage von Dep aus, nun, nicht ganz. Aber dort benötigt ihr wieder einen anderen Lotsen. Das ist wieder ein Arm des iteru, und mein Gebiet ist dieser Kanal bis Dep.“ „Ja, ich weiß.“ Es war schwer genug für die Lotsen sich ihre Strecke jedes Jahr nach der Überschwemmung neu zu merken. Sandbänke, Untiefen oder Strömungsveränderungen sonstiger Art boten Fallen genug für die Schiffe – schützten andererseits auch vor Wagemutigen, die vom Großen Grün aus den iteru hinauffahren wollten um kemet zu bedrohen. Auch die Handelsschiffe aus keftiu oder anderen Ländern benötigten erfahrene Lotsen. Auch so schützten die Götter dieses Land.   Am folgenden Morgen fuhr die „Wildstier“ in den schmalen Kanal, der ebenfalls rechts und links bewachsen war. Allerdings sah man hier nur zu deutlich den Fleiß der Papyrusssammler des Dorfes. Aus den Halmen wurde nicht nur der Schreibstoff hergestellt, sondern auch die Boote der Schiffer, zum Übersetzen von Mensch und Tier auf neue Weiden. Die gesamte Gegend war von Kanälen und natürlichen Wasserläufen durchzogen, die auch das höher gelegene Weideland und die felder entwässerten, nach der Flut, jetzt aber zur Bewässerung benutzt wurden. Der Kanal, dem Teti mit dem Vorausboot folgte, war eined mehr oder weniger direkte Verbindung zwischen zwei der großen Flussarme und verhinderte so einen Umweg zuerst nach Süden und wieder nach Norden. Es war sehr praktisch für den Warenverkehr und die Reisenden. Immer wieder lichteten sich die Papyrusstauden, der Kanal weitete sich etwas und man konnte an den Ufer Rinder, Kleinvieh, aber auch Plantagen entdecken. Dattelpalmen, Dum-Dum-Palmen und andere, die sorgfältig gehütet und befruchtet wurden, boten sie doch auch den ersehnten Schatten neben den essbaren Genüssen, Fasern und Holu, was dringend benötigt wurde.   Ein oder zwei Mal entdeckten die Passagiere auch im Dickicht der Papyrusstauden Flusspferde, die sich tief in das Wasser gelegt hatten und zu schlafen schienen. Erst nachts kamen sie an Land und zerstörten oft die Ernten. Jetzt waren freilich Korn und Früchte eingebracht und die mächtigen Tiere mussten mit dem Gras vorlieb nehmen. Niemand war freilich böse keine Krokodile zu entdecken, mit denen es immer wieder, wie allerdings auch mit den Flusspferden tödliche Unfälle gab. Das betraf allerdings weniger Menschen auf Booten als Schwimmer und Sammler von Papyrusknollen, Grasschneider oder auch Hirten, die die Tiere über einen Kanal treiben wollten. Meruka sah sich kurz nach Kapitän Paadiptah um, der wie immer auf dem Kabinendeck stand und sowohl das vorausfahrende Boot als auch seine Ruderer im Auge behielt – und möglichst unauffällig seinen Passagieren zuhören konnte. So blieb der Vorsteher der königlichen Schreiber behutsam. „Meresanch …“ Sicheres Zeichen, wenn er sie mit vollem Namen ansprach, dass es sich um ihre Rolle handelte. „Wir werden heute Nacht in einer Unterkunft rasten,d ie für Reisende geeignet ist. Du wirst ein wenig auf den Komfort des königlichen Palastes verzichten müssen. Es sind rasch aufgestellte Stangen, mit Stoffen darüber, die Sand und Wind etwas abhalten.“ „Oh, das ist mit bewusst. Aber am folgenden Tag erreichen wir Pe und Dep?“ „Ja. Der Stadtvorsteher von Dep ist ein schon recht alter Mann, vielleicht kennst du ihn. Sein Name ist Schepseska. Er trägt den Titel eines hatia, nicht eines adjmer, da er nur für die Doppelstadt zuständig ist. Allerdings trägt er auch den Titel des Sprechers der Seelen von Pe, die, soweit ich weiß, bei einem königlichen Begräbnis oder auch seinem sed-fest eine wichtige Rolle spielen.“ „Oh, ja. Ich erinnere mich,“ erklärte Merit. „Ist er nicht der Sohn eines Königssohnes? Ist er verheiratet?“ „Das weiß ich zugegeben nicht. Wichtiger ist das: er wird uns gewiss gastfreundlich empfangen, aber wir bleiben nur kurz in Dep. Bereits am folgenden Tag reisen wir weiter zum Palast des Harpunierenden Horus. Palastvorsteher dort ist Djehutihotep. Er ist auch für die Domänen um den Palast verantwortlich und trägt zusätzlich den Titel des Vorstehers der Fischer.“ Und er hoffte inständig, dass der Herr der beiden Länder noch nicht dort angekommen war. Dep und vor allem der Palast waren die letzten Möglichkeiten zumindest das Wie dieser ominösen Tode herauszufinden. Bislang wusste er nur immer, wie es nicht gewesen war. Und das konnte noch richtig Ärger bedeuten, für ihn. Fische, Pflanzen, Zufall, Versehen, Absicht….? Meruka ermahnte sich erneut zur Ruhe und Sachlichkeit. Es gab eine Lösung, klar,. Und vermutlich lag sie dermaßen offen vor aller Augen, dass eben aus diesem Grund sie keiner sah.     Kapitel 14: Nach Pe und Dep --------------------------- Am folgenden Morgen brachen die Passagiere mit der Wildstier wieder auf. Nur der Lotse im vorderen Boot hatte gewechselt und nun leitete Teti den kleinen Konvoi. Bald schon bogen sie aus dem eigentlichen Flussarm in einen Kanal, der von Menschenhand geschaffen worden war. Hier zeigten sich die Papyrusstauden weiter entfernt von dem Schiff, das sich in der Mitte halten musste. Es war die Zeit des niedrigsten Wasserstandes und rechts und links konnte man kahle, sandige Stellen entdecken, die schon in wenigen Wochen wieder überflutet wären. Einige Zeit später erreichte man eine Art See, dessen Ufer so noch deutlicher die Trockenheit zeigten. Merit bewunderte die Planer des Herrn der beiden Länder. Sie hatten den Kanal so anlegen lassen, dass natürliche kleine Seen verbunden wurden – schon, wenn sich Schiffe begegneten, so dass eines hier warten konnte. Heute waren ihnen nur kleinere Papyrusboote begegnet, mit Fischern oder Hirten, die über setzten. Kleinere Kanäle freilich wurden durchwatet, aber diese dienten der Bewässerung der Felder und waren hier im Delta kaum von Nöten. Erst seit kurzer Zeit wurden neue Domänen angelegt, beziehungsweise Land den hohen Beamten gegeben, das sie urbar machen sollten. Zuvor hatte es nur die großen Städte und in deren Umfeld Äcker gegeben. Und natürlich den altehrwürdigen Palast des Harpunierenden Horus. Dort gab es Wein und Öl aus eigenem Anbau, das den Hof in Ibenu-Hedj versorgte. Aber, zugegeben, über Stunden hinweg eigentlich nur Sand und vor allem Papyrus zu betrachten war langweilig. Freilich, es war besser nur die kleineren und harmloseren Tiere zu bemerken. An das Andere wollte sie lieber nicht denken, vor allem nicht um der Männer in den beiden Vorbooten aus Papyrus willen. Auf der „Wildstier“ war man doch einigermaßen gut geschützt.   Teti, der Lotse, ließ nicht in seiner Aufmerksamkeit nach. Er kannte den Kanal von seinem Heimatdorf bis zu der Doppelstadt seit er ein kleiner Junge war. Gewöhnlich hätte er auch seinen Ältesten mitgenommen um ihn wieder anzuleiten, aber er hatte in Anbetracht der ranghohen Gäste darauf verzichtet, Jedoch lernte man nur durch lange Jahre Erfahrung wie sich der so friedlich scheinende Kanal verändern konnte, Sandbänke nach jeder Flut anders verliefen. Sicher, das Schiff des Herrn der beiden Länder, das er hier leitete, war ebenso flach wie alle Schiffe und würde auch über eine überflutete Sandbank gleiten, im Notfall gezogen werden können, aber das würde ihm gewiss kein gutes Zeugnis ausstellen. Kapitän Paadiptah hatte ihm ja unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, dass die junge Dame eine Königstochter sei und der Mann, der offensichtlich ein Schreiber war, sogar der Vorsteher der persönlichen, königlichen, Schreiber. Ein Mann, der jeden Tag den Lebenden Gott sah, ja, ihm Bericht geben durfte. Das waren gewiss keine Personen, denen man mit einem Ruck des Schiffes und gar blauen Flecken kommen konnte. Und Sandbänke waren nur eines der Hindernisse, die diese Durchfahrt bot. Immer wieder machte Teti daher auch das Handzeichen gegen das Böse, griff danach hinter sich und warf in weitem Bogen Hähnchenteile in das dichte Papyrusdickicht, Opfer und Ablenkung zugleich. Sobald sich etwas regte winkte er mit erhobenem Arm hektisch und der Trommler im zweiten Boot schlug eifrig, die anderen Männer dort fassten die Lanzen fester und musterten das nur so einheitlich scheinende Grün.   Bemüht, ein wenig Unterhaltung aufkommen zu lassen, erkundigte sich Rahotep bei Meruka: „Weißt du, ehrenwerter Schreiber des Herrn der beiden Länder, wie der Vorsteher des Palastes heißt, zu dem wir reisen? Ich glaube, ich sollte ihn kennen…“ „Merimaat. Er ist, da hast du recht, der Halbbruder von Achtihotep, dem Vorsteher des ipet.“ Aber der Ermittler blickte seitwärts zu Merit, die beide Achthoteps, Vater und Sohn, kennen sollte. Sie nickte. „Ja, Er ist der ältere Bruder von Achtihotep, also, dem Vater. Seine Ehefrau ist in die Schilffelder des Westens gegangen, aber sein ältester Sohn ist der Vorsteher der Rinder im Delta. Er überwacht die Hirten und die Ländereien des Lebenden Gottes, er lebe, sei heil und gesund. Er wird seinem Vater gewiss in eine große Karriere nachfolgen. Er heißt, oder eher, hieß, als wir Kinder waren Merimaatscheri. Der kleine Merimaat, denn er heißt ebenso wie sein Vater.“ Und er hatte sie heiraten wollen, was sie freilich abgelehnt hatte. Eigentlich kannten sich alle Beamten und Schreiber, waren miteinander in der Schule gewesen oder durch Heiraten verbunden. „Ah ja,“ meinte Rahotep, um etwas zu sagen und das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. Der Kapitän schien zwar aufmerksam dem Lotsen zu folgen, stand jedoch ziemlich nahe über ihnen. „Dann ist Ashmes der Vorsteher der Stadt Dep.“ Dem Namen nach stammte er wohl aus dem westlichen Delta, denn der Gott Ash beschützte die westliche Wüste und die Oasen dort. „Nein, von Pe,“ erwiderte Meruka prompt. „Die heilige Stadt der Vorfahren untersteht ihm. Dep, der andere Teil, am Ostufer, hatte Paadigeb als Bürgermeister. Er war früher Vorsteher eines Gaus im Süden. Nachdem er einiges an Verletzungen aus Kämpfen mit den Hundeleuten aus Wawat und Kusch ertragen hatte, sandte ihn der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in die ruhigere Gegend. Überdies ist er zuverlässig und überwacht den Handel mit dem Großen Grün, der nicht nach Sau geht.“ „So ist er sicher schon ein alter Mann,“ warf Merit ein, da Nefer als ihre Dienerin und Ptahnacht als Wache nicht an solch einem Gespräch ungefragt teilnehmen durften. „Verheiratet?“ „Alt, nun ja. Um die vierzig, glaube ich, ein wenig älter. Aber er hat eine Gesichtsverletzung erhalten, die selbst die kundigen Ärzte kaum heilen konnten.“ Ptahnacht sah sein Chance auch etwas zu sagen. „Wenn ich dich fragen darf, werter Arzt, zu diesem Thema … Man sagt, selbst wenn in einem Kampf ein Ohr abgeschnitten wird, könnt ihr es wieder befestigen.“ Merit gruselte sich sichtlich – allerdings wussten ihre Kollegen, dass das nur für die Zuschauer war. Rahotep räusperte sich denn auch mit gewissem Tadel, antwortete jedoch: „Nicht, wenn es ganz weg ist, soweit ich weiß. Solange es nur hängt, wird es mit Leinen wie mit einem Beutel umfasst und der Kopf umwickelt. Ich darf natürlich nicht genau sagen, welches Mittel es ist, aber soviel sei gewiss gesagt: der Milchsaft der Sykomore ist dabei. Damit wird das Ohr wieder an seine Stelle geklebt. Natürlich kommen auch Schmerzmittel und Mittel gegen Fieber dazu.“ „Die Feigen der Sykomore sind göttliche Früchte,“ bestätigte Nefer, ehe sie wieder mit gewisser Langeweile in das Papyrusdickicht sah, auf der Suche nach Vögeln.     Die Fahrt zog sich hin und obwohl die Passagiere gegen Mittag Brot und Bier erhielten, war ihre Unterhaltung schon lange verstummt. Gegen Abend erreichten sie eine Stelle, die bewies, dass Teti ein erfahrener Lotse war. Eine Sandbank stieg aus dem schlammigen Untergrund hervor, schlecht zum emporsteigen, aber durch den weichen Sand waren die Passagiere dort oben vor Flusspferden sicher, die es vorzogen auf dem härteren Boden nach Gras und womöglich Getreide zu suchen. Auch Krokodile kletterten nicht gern. Dort oben lagen einige Stangen aus Akazienholz, die rasch zusammengesteckt wurden und mit einem engmaschigen Netz gegen Mücken versehen wurden. Dieser Komfort galt allerdings nur für die hochrangigen Gäste. Die Besatzung der Wildstier, der Lotse und die Wachen blieben unten an Bord des Holzschiffes. Ein großes Feuer wurde angezündet, an dem sich jede Stunde mehrere Männer zum Wachen abwechselten, wie auch die Schläfer in Netze gewickelt. Zwar war die Plage der Mücken um diese Jahreszeit geringer, aber lästig waren sie allemal. Für die Passagiere gab es Bier, während die Besatzungen sich Wasser aus dem Kanal holten. Auch erhielten nur die Gäste kaltes Fleisch und Feigen, sowie zweierlei Sorten Brot, während die Männer unten auf das süße Dattelbrot verzichten mussten. „Morgen kommen wir nach Pe und Dep?“ erkundigte sich Merit, während sie sich ihre Perücke abzog, um sich leichter auf den Kopfständer betten zu können. Die Schläfe auf dem genau ihrem Körper angepassten Holz war weitaus angenehmer – und sicherer – als direkt auf dem Sand zu schlafen. Sandflöhe und anderes verbarg sich gern dort. „Ich vermute, ja,“ antwortete Meruka. „Teti scheint diesen Kanal wirklich sehr gut zu kennen. Wir sind noch kein einziges Mal aufgesessen und die Männer mussten nicht ziehen. Wenn das so bleibt, werden wir morgen Abend in Dep anlegen. Wenn nicht, nun, so musst du, Bekannte des Königs, noch eine solch unbequeme Nacht in Kauf nehmen.“ „Nun, so ist das auf Reisen.“ Und ihr Vater war mit ihr und ihrer Mutter oft genug von Per-Bast, wo er seinen Amtssitz hatte, an dem Hof nach Ibenu-Hedj gefahren.   Am nächsten Morgen nach einer sehr kurzen Erfrischungspause, bei der Ptahnacht betont die beiden Frauen abschirmte, ging die Reise weiter. Es war schon nachmittags geworden, als Teti sich vom Lotsenboot umwandte und etwas rief. Kapitän Paadiptah der Wildstier verstand zwar nicht wörtlich, aber doch, und erklärte eilig den Passagieren: „Der Lotse spürt bereits die Strömung des anderen Armes des Flusses. So uns alle Götter hold sind, sind wir wahr und wahrhaftig heute Abend am Pier von Dep.“ „Warum am Pier?“ erkundigte sich Nefer, getreu ihrer Rolle als etwas dümmliche Frau aus dem Süden. Die Nordleute sahen immer gern auf die halben Nubier, wie sie oft genannt wurden, herab. „Sonst legten wir, auch in Sau, doch auf dem schrägen Strand an.“ „Das ist wahr. Aber der Hafen in Dep ist ähnlich dem in Ibenu-Hedj. Die Güter der Marschen und der neuen Domänen werden hier umgeschlagen und umgekehrt kommen auch Dinge aus dem tiefen Süden oder Reisende aus der Residenz, ja, demnächst ja der Lebende Horus selbst mit vielen Höflingen. Da ist schon alles gut vorbereitet.“ „Ja, natürlich.“ „Du, Kapitän, und die Lotsen, die du beschaffst, versteht euer Handwerk.“ Meruka wusste, dass das als Zusage für ein Lob verstanden wurde und damit auch für eine Belohnung in besonderem Öl, Amphoren Bier oder auch Leinenstoffen vom Königshof ausgeschickt werden würde. Paadiptah strahlte auch kurz auf. Dinge, die man neben Getreide und Leinen vom Königshof erhielt waren immer auch gut zum Umtauschen. Einmal hatte er sogar eine Kette, mit einem Amulett des Sobek erhalten, aus Gold, das nur dem König zustand! Das trug er stolz immer, wenn er die Wildstier fahren durfte, zu deren Kapitän er zu diesem Zeitpunkt auch ernannt worden war. Und das bekam nicht jeder Kapitän. Glücklich, dass diese war pflegeleichten, aber doch hochrangigen, Leute mit ihm derart zufrieden waren, erwiderte er: „Sobald wir am Pier anlegen, werde ich Teti aussenden, um den Herrn der Stadt im Kenntnis zu setzen, dass ihr zu übernachten wünscht und einen Lotsen zum Palast des Horus benötigt.“ „Tue das. Weißt du, wie weit es noch ist?“ „Nicht sehr weit, aber ich fuhr nie weiter als Dep. Ab hier werdet ihr in ein großes Papyrusboot mit zwanzig Mann umsteigen. Keine Sorge, edler Vorsteher der Schreiber, die Königsto.… Königsbekannte ist sicher.“ „Nun, das wollen wir hoffen,“ erklärte Meruka etwas kühl. Nun gut, es war zu erwarten gewesen und schließlich auch Zweck dieser Reise, dass Merit als potentielle Schwiegertochter des Horus Deckung bot und niemanden an Ermittlungen denken ließ. „Oh, wenn der Lebende Gott anreist, kommt der Hof mit. Es handelt sich also um die große Zeremonie?“ „Ja, ich denke, es sind schon wieder zwei Überschwemmungen ins Land gezogen.“   Aus dem Hauptarm des Nil, der hier breit und ruhig strömte, sah man fast nur ebenes Land, Ackerbau und Viehzucht, um die nahe Metropole zu versorgen. Linker Hand auf dem Westufer zeigt sich eine hohe, weißgekalkte Mauer, die eindeutig keiner Festung gehörte. Alle Menschen spürten einen gewisse Scheu, als sie die Pylone an dem Eingangstor sahen, die Fahnen wehten, Palmen sich über dem schwangen, was kein einfacher Mensch sehen durfte. Dort lag Pe, die Stadt der Toten, dort lagen die uralten Gräber der Könige der Vorzeit, lange, noch ehe die beiden Länder vereinigt wurden. Noch heute musste ein toter König zumindest symbolisch die Reise nach Pe antreten, um sich mit den Ahnen verbinden zu können. Auf der Westseite des Flusses dagegen war eine hohe Mauer, eindeutig eine Befestigung – und ein belebter Hafen mit Pier. Pe war der ruhige, heilige Ort, Dep wie Sau eine uralte Handelsstadt.   Teti rannte in die Stadt, kaum dass sein Boot angelegt worden war und noch ehe die Wildstier vertaut war. Es war zu wichtig, dem Bürgermeister unverzüglich über die Ankunft der hohen Gäste zu berichten, damit dieser Sänften schicken konnte und die Gästezimmer herrichten lassen konnte. Paadigeb saß in seinem Arbeitszimmer, rechts und links von ihm Schreiber, darunter allerdings sichtlich auch ein vornehmer Beamter, gleich an seiner rechten Seite. Teti hatte diesen noch nie hier gesehen, kannte jedoch den Hausherrn. Paadigeb war Mitte der Vierzig. Eine tiefe Narbe zog sich über seine gesamte rechte Gesichtshälfte, wo ihn vor Jahren die Lanze eines Kriegers aus Wawat getroffen hatte. Zu seinem Glück waren, wie stets auf solchen Zügen, auch erfahrene Ärzte dabei gewesen, die sich mit derartigen Verletzungen auskannten und sowohl Wundfieber als auch den Verlust des Auges vermeiden konnten. Um die Narbe ein wenig zu kaschieren trug er auch hier im Haus ein Kopftuch, das von einem Band um die Stirn gehalten wurde und nicht nur seine Perücke bedeckte, sondern auch seine Wangen beschattete. Jetzt hörte er die Neuigkeit mit Interesse, allerdings auch Überraschung. „Eine solche Reise …. Der Lebende Gott selbst kommt doch in wenigen Tagen? Nun, das geht mich nichts an. Danke, Teti.“ Er sah zu einem der Schreiber, seinem Hausvorsteher. „Hekaptah, benachrichtige doch Retenutanch, dass sie alles vorbereitet und schicke eilig zwei Sänften.“ Während der Schreiber eilig aufsprang, sah er nach rechts. „Merimaat, wusstest du etwas von dieser reise?“ Der Vorsteher des Palastes des Harpunierenden Horus war gekommen um die Ankunft des Herrn der beiden Länder mit Paadigeb abzusprechen. Jetzt war er froh darum. „Nein, aber natürlich ist die Macht im Spruch des Königs. Es ziemt uns nicht das zu hinterfragen. Ich denke jedoch, wir werden Auskunft erhalten. Meruka, ja? Ich kenne ihn. Er hat steile Karriere gemacht.“ „Ja, sein Stiefvater ist ja der Siegler und Halbbruder …. Nun, ich denke nicht, dass er nur deswegen zu den persönlichen Schreibern geholt wurde und gar einer der Vorsteher ist. Er ist noch unverheiratet.“ „Ja.“ Merimaat lächelte etwas. Der Bürgermeister von Dep war mit vier Töchtern gesegnet, von denen erst zwei einen Ehemann gefunden hatten. „Ich denke übrigens, du solltest Ashmes informieren.“ „Ja, du hast recht. Das wäre möglich, dass sie in die heilige Stadt gehen wollen. Ich hörte, das Meresanch bald heiraten wird.“ Die beiden hohen Beamten lächelten sich an. Ja, das konnte durchaus der Grund für eine solche Reise sein, zumal, wenn ihr potentieller Schwiegervater in wenigen Tagen ebenfalls eintreffen würde und sie gemeinsam mit dem Hof zurückreisen konnte.   Man merkte, dass dies eine alte Provinzstadt war, dachte Merit. Hinter der hohen Mauer duckten sich eng die Häuser aneinander. Es fehlten die großen Villen der hohen Beamten und Prinzen mit ihren Gärten, wie sie in Ibenu-hedj sich um den Palast gruppierten. Es erinnerte sie an Per-Bast, ihre Heimatstadt, aber natürlich war dies hier älter und auch deutlich größer als die Stadt der Löwengöttin. Bastet war eine von mehreren Löwengöttinnen, die den Horus auf dem Thron der lebenden schützten, aber sie hatte auch ihre fürsorglichen Seiten, im Unterschied zu der kriegerischen Sachmet. Und sie kümmerte sich um Frauen und ihre Schönheit, was bei einer Göttin, in deren Name bast, Salbe, auftauchte auf kaum verwunderlich war. Vielleicht wäre es möglich, wenn sie eine Tochter bekam, diese zu Ehren der Bastet zu nennen. Bei einem Sohn würde gewiss der Lebende Gott ein Wort mitsprechen wollen, obgleich eigentlich die Namensgebung Sache der Mutter war. Meruka, der vor ihr getragen wurde, war schon des Öfteren hier gewesen, das letze Mal vor zwei Jahren, als die Zeremonie des Vogelfangs und die Tötung des Flusspferdes vollzogen wurden. Früher, nun, bis Horus Quahedjet das geändert hatte, waren die Könige jedes Jahr hier gewesen, wie sie auch den gesamten Fluss abgefahren hatten, um Steuern zu erheben und Recht zu sprechen. Nun war das kaum mehr nötig, es gab immer mehr Schreiber und Beamte, die ein wachsames Auge auf die Dörfer hatten. Nur noch für uralte Zeremonien war die Gegenwart des Herrn der beiden Länder persönlich notwendig und wichtig. Im Kult, bei der Gründung eines Tempels oder der Stiftung einer Statue, und im Krieg. Selbstverständlich hatte der lebende Horus recht – durch die Gründung neuer Domänen wurde das Delta kultiviert und die Versorgung des lebenden und des toten Königs sicher gestellt. Ob er Merit noch einmal warnen sollte? Wenn er sich richtig entsann sah Paadigeb nicht sonderlich hübsch aus, zumal für eine junge Frau. Aber sie hatte gelernt ihre Gedanken und Gefühle für sich zu behalten.   Der Sitz des Bürgermeisters wurde von einem großen Tor eröffnet, dessen bunt bemalte Säulen ebenso wie die hölzernen Flügel der Pforte anzeigten, dass sich hier auch der Lebende Hott des Öfteren aufhielt, auf dem Weg zu dem eigentlichen Palast weiter im Norden. Die Sänften der hohen Gästen wurden im Vorhof behutsam abgesetzt, die anderen drei Mitglieder der Gruppe kamen rashc heran um sich, gemäß ihren Rollen, hinter Meruka und Merit zu stellen, als sich der Hausvorsteher näherte und verneigte. „Mein Name ist Hekaptah, ich bin der Vorsteher des Hauses meines Herrn, des Bürgermeisters Paadigeb. Er ist erfreut euch empfangen zu dürfen. Wenn ich euch führen dürfte …“ Natürlich, dachten Meruka und Merit gleichzeitig. Paadigeb hatte jede Minute noch nutzen wollen um sein Haus und sich empfangsbereit zu machen. Er hatte gute Kontakte nach Ibenu-hedj, oder besser, war ebenso wie jeder andere hohe Beamte des Öfteren dort und kannte gewiss ihren Rang – und die bevorstehende Rangerhöhung Merits. Tatsächlich erwartete der Bürgermeister seine Gäste bereits vor seinem Arbeitszimmer, neben sich seine Ehefrau Retenutanch und den Palastvorsteher Merimaat. Die Dame des Hauses hatte gar nichts von ihrer Namenspatronin an sich. Retenut war eine Schlangengöttin, die die Ernten sicherte. Die vielleicht um die Vierzig zählende Frau war sorgfältig gekleidet und geschminkt und ihr Lächeln warm. Meruka war im Stillen erleichtert, das Merit nur höflich lächelte und kein sichtbares Zeichen von Erschrecken zeigte, als sie Paadigeb sah. Er wusste nicht, dass ihr Vater als Bürgermeister im Ostdelta auch mit den Sandleuten und Kanaanitern gekämpft hatte und sie durchaus schon in früher Kindheit schwere Verletzungen gesehen hatte. Merimaat kannten beide aus Ibenu-hedj, und nun, als sie sie erblickte, entsann sich Merit auch, dass sie Retenuntanch schon bei der maat-hor gesehen hatte. Viele Ehefrauen von Beamten stellten sich auch im ipet ein, ind er Hoffnung auf Ehrenämter oder auch Vermittlung von Heiraten, wenn die Männer Bericht erstatteten. Ach ja, dachte die junge Dame. Das war doch die Frau mit den vier Mädchen, die die riskante Kindheit überlebt hatten, und nur ein Sohn. Viel viele Kinder sie wohl geboren hatte? „Ich begrüße euch,“ sagte Paadigeb und stellte zur Sicherheit seine Begleitung vor. Natürlich kannte man sich, so groß war die Anzahl an Beamten und Schreibern nicht, aber es galt als höflich nichts vorauszusetzen. „Ich darf euch doch zu einem Abendessen einladen? Gehen wir.“ Er war allerdings entzückt, als sich Meresanch nach seinen Töchtern bei seiner Frau erkundigte. Sie kannten sich. Gut. Womöglich konnte er auch seine zwölf und vierzehn Jahre zählenden Töchter bald versorgen, sei es durch eine Heirat, sei es durch eine der seltenen aber gut dotierten, Anstellungen im ipet. Und da gab es wahrlich schlechtere Vermittlerinnen als die jetzige Schreiberin der maat-hor und möglicherweise selbst eine künftige Königsgemahlin, ja, gar – mutter. Im Gespräch bei Tisch würde er hoffentlich erfahren, was Meruka in dieser Begleitung so kurz vor dem Lebenden Gott nach Dep getrieben hatte. Ashmes würde bis dahin auch hier eingetroffen sein.   Kapitel 15: Neuigkeiten ----------------------- Nach dem Essen zogen sich die Damen in den Garten zurück. Meruka hatte sich derweil höflich bei Paadigeb erkundigt, was denn aus dessen Vorgänger Schepseska geworden sei, da er von diesem nichts mehr gehört habe. Der hati von Dep hatte die Schultern gezuckt, jedoch zu Rahotep als Arzt gesehen. „Er ging in den Westen. Viele Krankheiten, wie Schmerzen und Fieber. Immer, wenn der sunu kam, wurde es besser, aber irgendwann… Oh, Meruka, irre dich nicht, er wurde nicht abgesetzt. Der Horus auf dem Thron der Lebenden ernannte ihn zum Bürgermeister von Pe und zu einem der Organisatoren des sed-Festes. Ashmes ist sein Sohn.“ „Ah, dachte ich es mir. Seine Mutter stammt aus einer der Oasen der westlichen Wüste, nicht wahr?“ „Ja, aber sie war keine tehenu.“ „Natürlich nicht.“ Obwohl die tehenu eine durchaus ähnliche Sprache wie die Leute in kemet sprachen und in den Oasen oft genug Seite an Seite lebten, unterschied sich doch der Abkömmling der Nomaden von einem Untertan des Falkengottes. Der Ermittler sah sich unwillkürlich um. Außer ihm und Paadigeb saß nur noch Merimaat bei ihnen. Ashmes würde bald kommen, hatte sich jedoch von dem Essen aufgrund ritueller Pflichten entschuldigen lassen. Rahotep und Ptahnacht waren weg. Gut. Sie würden, jeder auf seine Weise, sich nach Todesfällen in Dep oder auch im Palast des Harpunierenden Horus erkundigen., ebenso Merit und Nefer bei den Frauen. Er musste doch einfach etwas zu finden sein. Keine Woche, keine zehn Tage mehr, und er müsste dem Lebenden Gott Rede und Antwort stehen. Und natürlich durfte er nicht versagen, Der Palast der Harpunierenden Horus … „Als Palastvorsteher, Merimaat, hast du ja gewiss schon alles für die Zeremonie vorbereitet. Wurde denn auch schon ein Flusspferd gefangen?“ „Ja. Es wurden einige Männer verletzt, aber niemand getötet.“ Das Flusspferd wurde auf einem Schlitten in einen Hof des Palastes transportiert und der Herr der beiden Länder tötete es mit einer Lanze , stellvertretend für alle diese schädlichen Bestien. Sie fraßen Getreide und anders mühsam angebautes auf den Feldern und waren für sehr viele Tote in kemet jedes Jahr verantwortlich. Magischer Schutz war da nur zu hilfreich. Die drei Beamten verloren sich in Erzählungen vergangener Festlichkeiten und nicht zuletzt Familienangelegenheiten.   Der von Wänden umrahmte Garten des Palastes war nicht allzu groß, wenn man ihn mit dem von Ibenu-Hedj verglich, aber er war sehr schön angelegt und Merit musste zugeben, dass hier Pflanzen wuchsen, die sie noch nie gesehen hatte. Retenutanch war entzückt und erzählte, dass sie manche dieser Pflanzen von den Gärtnern einpflanzen ließ, wenn welche aus retenu oder kanaan nach Dep gelangten. Auch ihr Arzt Nianchnisut sei von manchen begeistert – und der habe natürlich Vorrang, zumal er das Meiste davon weiterschickte an die Hofärzte des Horus. Die beiden Töchter Nofret und Hetepseschat blieben aufmerksam bei ihrer Mutter und dem hohen Gast. Beide wussten, dass Meresanch ihnen bei der maat-hor oder gar dem Lebenden Gott selbst Fürsprache leisten konnte. Natürlich war es dann immer noch die Sache eines Mannes und ihrer selbst einen Vorschlag anzunehmen, aber zumindest Nofret war alt genug um zu wissen, dass eine solche Empfehlung zumindest überdacht wurde – und ihr Leben umso angenehmer sein würde, je ranghöher ihr Ehemann. So wagte sie es dann auch von ihrer älteren Schwester zu erzählen, die ja Merimaat den Jüngeren geheiratet hatte, immerhin den Vorsteher der Rinder des Herrn der beiden Länder und vermutlich auch einen der kommenden hohen Beamten als Palastvorsteher im Erbe seines Vaters. Fast unmittelbar danach erkundigte sie sich, ob Meruka verheiratet sei. Merit hätte um ein Haar gelächelt. „Nein, aber ich glaube, nach allem, was ich hörte, sucht er auch keine.“ „Er hat schon viele Kinder?“ „Nofret!“ tadelte die Mutter prompt. Merit zuckte die schmalen Schultern. „Es schickt sich nicht einen Beamten danach zu fragen, nicht wahr?“ Nun ja. Paadigeb und Retenutanch hatten vier Mädchen, die alt genug für die Ehe geworden waren, zwei waren bereits fort, Nofret wäre wohl die nächste und sehnte sich offenkundig danach selbst die Herrin eines Hauses zu werden, auch, wenn sie oft genug dafür die ranghöhere Schwiegermutter in Kauf nehmen musste. Die jüngere Tochter, Hetepseschat, war nach der Göttin des Schreibens benannt und wohl noch zu jung für solche Pläne. Zwölf, wenn überhaupt. Gut. Mädchen heirateten früh, sie sollten auch rasch Kinder bekommen, falls die Götter sie segneten. Die Kindersterblichkeit war hoch, allerdings auch die der jungen Frauen. Sie sollte jedenfalls ablenken, um die entstandene Spannung zu dämpfen. „Was ist das dort, Retenutanch? Man sieht nur Blätter, aber sie sind an jeder Tür“ „Meerzwiebeln. Man sagt, dass sie verhindern, dass sich Dämonen in das Haus schleichen. Manche Leute hängen auch die Zwiebeln selbst auf. Aber sie blühen auch sehr hübsch, allerdings erst nach der Überschwemmung. Der Stängel wird höher als meine Hüfte ehe die Blüte in weiß kommt, auch wie ein Stängel, mit vielen Einzelblüten daran.“ „Eine Rispe?“ schlug Merit vor, ehe sie fortfuhr: „Ich sah sie unterwegs am den Fenstern, ja. Der Arzt, der mich … der uns begleitet, Rahotep, sagte, sie wachse nur im Delta, oder eigentlich nur im Sand an den Küsten zum Großen Grün.“ „Ja, das mag sein. Ich habe sie, wenn ich so nachdenke, selbst im Garten des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, in Ibenu-hedj nicht gesehen. Da nehmen alle gewöhnliche Zwiebeln, wenn ich an das Sokar-Fest denke.“ „Ja. Wobei die Meerzwiebeln, die ich sah, auch viel zu groß und schwer wären, um sie sich als Kette um den Hals zu hängen.“ Die Damen lachten, ehe Nofret wieder das Gespräch auf das Thema lenkte, das sie am Meisten interessierte. „Ashmes, der ja der Bürgermeister von Pe ist, sagte, er werde eine Meritneith aus dem Gazellengau heiraten. Weißt du etwas über sie, Meresanch?“ Merit begriff. Also nicht Nofret, obwohl ihr Vater sozusagen der gegenüber Pe auf der anderen Seite des Iteru liegende Bürgermeister war. Ja, sie selbst konnte unschwer erraten, wer das war und auch, warum Ashmes sie vorzog. „Ich kenne eine Meritneith als Beamtentochter. Sie ist die älteste Tochter von Padiselket, des Vorstehers des Gazellengaus und der Meresanch, damit die Enkeltochter von Hekaptah dem Siegler und Halbbruder des Herrn der beiden Länder.“ Nofret nickte betrübt. Mit dieser Familienbeziehung konnte sie nicht mithalten. Sicher, man schloss eine Verbindung auch aus Zuneigung, aber natürlich war auch der Rang der Eltern, in diesem Fall, des Großvaters, beachtenswert. Und da Ashmes Mutter aus der westlichen Wüste stammte, hatte sie angenommen … nun, es war gleich. Gegen Meritneith kam sie nicht an. Hoffentlich lernte sie einen neuen, netten, Beamten kennen, wenn der mächtige Horus in wenigen Tagen mit seinem Hofstaat anreisen würde und Vater und die ganze Familie ihn in den Palast des Harpunierenden Horus begleiten würde. Mutter hatte ja gemeint, das sei eine gute Chance sich zu präsentieren, wenn nicht, müssten sie eben nach Ibenu-hedj reisen. Meresanch hier bot freilich eine sehr gute Gelegenheit an eine Empfehlung zu gelangen.   Rahotep hatte sich unterdessen mit Nianchnisut, dem Arzt in Dep, getroffen. Sie kannten sich aus dem Haus des Lebens und Rahotep grüßte den Älteren höflich. Dieser war an die Fünfzig, trug offen das geschorene Haar. Um seinen Hals lag das Amulett der Selket, der Skorpiongöttin, das anzeigte, das er ein Arzt war, der sich auch mit Schlangenbissen auskannte, und das der Wadjet, der Schlangengöttin von Pe und Dep, eine der beiden Kronengöttinnen kemets. Sie bäumte sich an der Stirn des Horus auf, wenn er in vollem Ornat auf dem Thron saß. Nianchnisut winkte. „Setze dich nur auf den Hocker hier. Wie geht es meinem alten Freund Ramose? Er hat dich offenkundig gut ausgebildet, wenn du in so jungen Jahren schon Leibarzt der Königssöhne bist und semer. Oh ja, man spricht über dich in unseren Kreisen. Du bist auch kaum zufällig mit Meresanch hier.“ Das konnte Rahotep ehrlich bejahen. „Es ist eine direkte Anweisung des Horus auf dem Thron der Lebenden, er lebe, sei heil und gesund. - Meinem verehrten Lehrer und Vorsteher aller Ärzte ging es gut, als ich ihn verließ. Er sagte, du habest ihn angefragt wegen einer seltsamen Sache, tödlich, aber nur für eine Person.“ „Ja. Konnte er es erklären?“ „Nein.“ Rahotep zögerte, er bewegte sich auf schmalem Pfad zwischen Arztpflicht und Geheimhaltung. „Aber du warst offenkundig nicht allein. Ach in anderen Städten, wenngleich nicht vielen, gab es solche Zwischenfälle. Doch weder in der Erinnerung der ältesten Ärzte noch im Haus der Schriften fand sich eine Erklärung. Gab es weitere Zwischenfälle?“ „Nein, Wadjet sei dank. Sagte Ramose dir etwas über Dämonen der Sachmet?“ „Die Dämonen schlagen wahllos zu, ja. Aber sie treffen immer viele, nie einzelne. Es sieht nach Gift aus, aber warum so viele Menschen, es sind wohl insgesamt zehn oder gar mehr. Allerdings stets nur eine Person von vielen.“ „Das wird immer seltsamer. Ja, ich gebe zu, ich dachte an Gift, als Nihotep, der Sohn des Schepseska, starb. Aber er war nicht der einzige Gast Merimaats und ich glaubte auch nicht, dass ein Mörder im Palast des Harpunierenden Horus lauere. Andere Städte, immer nur eine Person. Das sieht eigentlich eher danach aus, als würden zufällig viele Zutaten etwas ergeben Und bei einer Person kommen alle zusammen, bei allen anderen fehlt irgendetwas.“ „Ja, so wurde mir auch gesagt,“ bestätigte Rahotep prompt. Das hatte zwar nicht sein Lehrer gemeint, sondern Meruka, aber wozu so kleinlich werden. „Es gibt so viele Dinge, die nur ein Arzt weiß – Unaufmerksamkeit oder Ahnungslosigkeit könnte diese Tode verursacht haben. Kennst du solche tödlichen Mischungen? Ich gebe z, es wurde bereits an Salböl gedacht oder ähnliches, eine Kräuterpfanne, wir hatten den Monat der Herdfeuer, aber ….“ „Nein, keine Kräuterpfanne. Nihoteps Tod war noch zur Saatzeit und es war ein Fest im Garten. Ich dachte womöglich daran, dass er zwar im Palast des Horus starb, aber sich dennoch zuvor etwas in Pe gezogen hätte. Aber wie sollten dann so viele andere Menschen ebenfalls den Weg in den Westen finden, die nie in Pe waren? Oh ja, ich verstehe nun, warum Ramose so aufmerksam wurde. Wenn ein Mann schuld daran trägt, aus Unwissen oder üblem Wollen – muss er gefunden werden. Ich hörte, Meruka leite den Ausflug. Er ist nicht nur der Schreiber des Herrn der beiden Länder in dessen privatesten Angelegenheiten, sondern auch Einziger Freund. Und, was gern übersehen wird sab-Beamter. Und ich wage zu bezweifeln, dass das in seinem Fall nur ein Ehrentitel ist. Da gäbe es andere.“ „Das mag stimmen. Allerdings frage ich lieber nicht.“ Nun ja, Rahotep wusste es wohl besser als sein Gegenüber, aber es schien ihm ratsam sich da raus zu halten. „Es wird Unwissen sein, denn anscheinend liegt die Ursache im Palast des Harpunierenden Horus. Zumindest erhielten alle betroffenen Familien von dort eine Lieferung. Kennst du außer Merimaat als Palastleiter noch andere Beamte?“ Nianchnisut nickte langsam. „Ja, natürlich. Sie wohnen ja meist in Dep und fahren nur in den Palast, wenn es dort etwas zu tun gibt, wie jetzt, wenn der Lebende Gott persönlich kommt. Er liegt doch recht abseits, inmitten von Domänen, und gerade die Frauen schätzen die Abwechslung. Du hast recht, unwissend ist niemand von ihnen, allerdings arbeiten auch eine Menge einfache Leute dort, Fischer, Sandalenmacher, Weberinnen, eben, was man braucht. Natürlich auch die Landarbeiter. Manche Familien arbeiten schon sehr lange dort, Großvater, Vater, Sohn … Ich könnte mir jedoch auch nicht vorstellen, dass jemand gerade der einfachen Leute das Wissen hätte um bewusst zu vergiften. Und, welches Motiv sollte jemand haben.“ „Tja, ich bin kein sab-Beamter,“ gab Rahotep zu. „Aber auch für einen Arzt ist es unangenehm ungeklärte Tote zu haben.“ „Da hast du Recht, mein junger Freund. Reden wir über etwas angenehmeres. Hast du schon eine junge Dame ins Auge gefasst?“ „Oh, nein. Ich fand erst einmal eine, aber sie starb und ich konnte sie nicht retten. Darum suche ich auch nicht.“ „Schade für die Damenwelt. Du siehst recht gut aus, bist Arzt in höherer Position am Hofe… Überlege es dir.“ „Äh, hast du eine Tochter?“ Jetzt lachte Nianchnisut. „Du bekommst das öfter von Vätern zu hören? Nein, ich habe zwei Söhne. Einer lebt im Süden, in Nubt, er ist auch Arzt geworden, und ich hoffe, dass unsere Bitte erhört wird, dass der Herr der beiden Länder ihn hierher schickt, damit er mir helfen kann. Der Jüngere ist Karawanenführer. Er führt Karawanen durch die großen Tore der Wüste nach Osten an das Meer. Er ging zuvor als Eselsführer, aber nun kennt er diese Strecke so gut.“ Und eine kleine Empfehlung an den zuständigen Vorsteher der königlichen Bauten hatte mitgeholfen, das war Nianchnisut klar. Aber eine Familie musste zusammenhalten. Immerhin lebten beide Söhne in einer Stadt.   Ptahnacht hatte sich zu den Wachen gesetzt und zunächst beiläufig erzählt, dass er gerade in Sau gewesen war, natürlich im Auftrag des Königs, und dort die Truppe gesehen hatte, die vom Kampf in der westlichen Wüste zurückgekehrt waren. Das meiste waren ja, wie immer, rasch ausgehobene Bauern gewesen, nur die Kommandeure waren ausgebildete Schreiber. Außer den Getreuen, die die Leibwache des Lebenden Horus bildeten und auch dessen Palast bewachten, gab es nur wenige kampferfahrene, ja, kompetente Männer, wenn man von denen absah, die in den Festungen rund um das Land postiert waren und in der freien Zeit auch üben konnten. Es war unmöglich, das von einem Bauern zu verlangen. Allerdings zeigten gerade die einfachen Leute beim Thema Schleudern, wie erfolgreich man durch die Übung auf Schakale und Hyänen seit Kindertagen werden konnte. Ptahnacht gab zu, dass er das nicht vermochte. Lanze, nun gut, das hatte er ebenso wie das Schildtragen geübt, als der Lebende Gott kemets ihn gnädig wieder aufgenommen hatte, aber in seiner Kindheit war er nur mit einem Messer bewaffnet gewesen. Rasch stellte er im Gespräch mit den Männern Paadigebs fest, dass diese wohl auch nur mehr hier herumsaßen und den Palast bewachten. Ein echter Feldzug war schon lange nicht mehr notwendig gewesen, leider, in ihren Augen, denn die Beute wurde auch immer unter die Teilnehmer verteilt. Wer dem Horus auf dem Thron der Lebenden besonders auffiel, erhielt vielleicht sogar ein Armband oder ein Stück Land zugewiesen, das ihm dann selbst gehörte. Kurzum das Leben hier im alten Palast von Dep mochte ehrenvoll sein, aber es war auch deutlich langweiliger als das, was er selbst als Wächter des Königs oder gar als dessen Agent gemeinsam mit Meruka so erlebte. Den Männern blieb ebenso nur viel Gerede, um Heiraten, Freundschaften, Intrigen unter den Beamten. Es war ihm allerdings nur zu recht, denn so konnte er sich unauffälliger nach den Kollegen erkundigen, die im Palast des lebenden Horus die Verantwortung trugen. Er war gewohnt sich Namen und Titel zu merken und hatte bis jetzt eigentlich auf sein gutes Gedächnis geschworen, aber bald schwirrte ihm der Kopf, denn viele der Männer des Horus hatten Posten in Dep oder in Pe oder beides und zusätzlich im Palast des Harpunierenden Horus. Die wenigsten Beamten waren stets dort und das war die unterste Schreiberebene, die direkt die Landarbeiter beaufsichtigenden, Männer, die die Ernten zählten oder auch weiterleiteten, sei es nach Ibenu-hedj an den Hof oder auf Befehl des Sieglers oder gar des Herrn der beiden Länder selbst. Also genau die Eben, die Meruka als verdächtig erwähnt hatte. Weit genug oben um etwas anstellen zu können, tief genug unten, um bei Gesprächen mit Fischern nicht aufzufallen oder mit wem auch immer. Wenn der Vorsteher der Kühlhäuser des Palastes mit dem Vorsteher der Schweinehirten oder einem von diesen sprach, gab es ein dutzend einleuchtende Erklärungen, der Vorsteher des Öls mit einer Arbeiterin, die Lotosblüten sammelte und auspresste … Nun, da sollte Meruka darüber nachdenken. Das war der Vorteil, wenn man nicht selbst der Anführer war. Er würde nur berichten. Und da sollte er langsam wirklich besser aufpassen, sich wenigstens von dem Palast, zu dem sie übermorgen weiterfahren würden, die Namen der Vorsteher und deren Aufgaben merken. Wie stets wurde die Sache dadurch nicht vereinfacht, dass jeder Vorsteher auch alle Titel seiner Untergebenen führte, um anzuzeigen, wo er überall das sagen hatte. Ein geradezu leuchtendes Beispiel war dieser Merimaat der Jüngere, dessen Vater der Palastvorsteher war. Der nannte sich zumeist Vorsteher der Rinder, aber er trug auch den Titel des Vorstehers der Weiden, weil er ja auch für das Weideland verantwortlich war und dem Vorgesetzten der Weiden und dem der Rinder eben vorstand. Dazu trug er aber auch den Titel eines Vorstehers der Wüsten, weil er auch die Jäger für die Fleischversorgung von Gazellen für die königliche Tafel beaufsichtigte. Und so weiter … Ptahnacht war kein Schreiber, aber er vermutete, dass diese Titelketten bei diesen Beamten bewiesen, wie fähig sie waren. Als er nach einigen Krügen Dattelbier die Wachen verließ, schwirrte ihm zwar der Kopf, aber er hatte einige Namen, Titel und vor allem Aufgaben im Palast des Harpunierenden Horus sich gemerkt.   Nefer hatte es sich in der Küche gemütlich gemacht und sich ebenfalls einen Krug Dattelbier zu Gemüte geführt. Nach diesem langen und langweiligen Tag war es angenehm einmal nicht schweigen zu müssen um der Rolle genüge zu tun, sondern angeblich Sachen vom Königshof ausplaudern zu können. Die meisten Frauen und Männer hörten ihr fasziniert zu, vor allem, als sie – da sie Merit zuvor gefragt hatte – ziemlich detailliert den ipet und die Webereien dort beschrieb. Allen hier war bewusst, dass der Lebende Gott mit einem Großteil des Hofstaates bereits in einigen Tagen hier wäre und es lag auch schon die Anweisungen von Retenutanch für den Empfang und das Essen vor. Das Meiste würde frisch geliefert, dafür würde der Hausherr samt Merimaat sorgen. Sie selbst würden sich natürlich alle Mühe geben, kam es doch nur alle zwei Jahre vor, dass der Herr der beiden Länder herkam. Nicht, dass sie ihn auch nur sehen durften. Das Servieren für den Lebenden Gott übernahmen hochrangige Höflinge, aber sie durften es kochen, und, mit ein bisschen Glück, irgendwie aus der Ferne den Einzug sehen.   Nefer nickte eifrig und erzählte wahrheitsgemäß vom Fest des Sokar in Ibenu-hedj, wo der Lebende Horus neben dem Apisstier um die Stadtmauer ging und von allen gesehen wurde, um die Fruchtbarkeit im Lande zu steigern. Das wussten die Menschen in Dep natürlich, arbeiteten sie doch für den Königshof, aber jemanden sprechen zu können, der ihnen den Horus beschreiben konnte, war selten. Die hohen Beamten hielten sich nie in der Küche auf – und waren meist auch zu beschäftigt um das Personal überhaupt zu sehen. Nefer bemühte sich darum, was sie kochten, wenn das gewöhnliche Leben hier ablief, aber das war nur für Paadigeb und seine Familie, manchmal auch Ashmes von Pe. Der Einzige, der ihr etwas Neues berichtete war der Vorsteher der Küche. In seiner Eigenschaft fuhr er morgen früh auch in den Palast des Harpunierenden Horus um dort die angeforderten Lieferungen an Wein, Öl, Getreide und Gemüse in Empfang zu nehmen. „Fisch,“ ergänzte er. „Alles wird zur Auswahl stehen. Der Lebende Gott, er lebe, sei heil und gesund, soll doch nicht denken, dass er nur im Süden, in Ibenu-hedj etwas Gutes bekommt.“ „Dann werdet ihr alle schon morgen früh Brot backen und Bier brauen?“ erkundigte sich Nefer, anscheinend mit großen Augen. „Nein, natürlich erst übermorgen, Ich fahre morgen früh mit dem Passlastvorsteher hoch und mit einem Lastschiff her, aber ein Schnellruderer brachte die Bestellungen bereits hoch. Das ist ja nicht Neues für unsereins.“ „Ja, das glaube ich dir. Du hast sicher eine große Verantwortung für alle Nahrungsmittel. So kennst du auch alle, die dort arbeiten, selbst den Palastvorsteher.“ „Ja, ich fahre ja mit ihm,“ erklärte der Koch, Hori, mit stolzgeschwellter Brust. „Das will ich meinen. Aber die anderen Vorsteher kenne ich natürlich auch, wenn auch keinen so gut wie Djedefchnum, den Vorsteher der Öle und Weine. Er ist selbst für Parfüm mein Ansprechpartner. Er ist ja auch Priester der Bastet, deswegen.“ „Oh, ja.“ Man wurde zu einem Diener der Gottheit, die den beruflichen Aufgabenbereich schützte. Bastet war eben auch für Salben und Kosmetik zuständig. Vielleicht wäre das auch ein Ansprechpartner für Meruka – ein viel beschäftigter Mann wie dieser mochte auch mal etwas übersehen oder einem Falschen Vertrauen schenken. Er war nur ein Mensch,     Kapitel 16: Anchka ------------------ Meruka kehrte in das ihm zugewiesene kleine Gastzimmer zurück und wartete. Bald schon sollten seine Mitarbeiter bei ihm eintreffen und ihm Bericht erstatten. Er setzte sich daher auf das hölzerne Bett, das wie immer, nach unten zur Fußlehne hin abgeschrägt, um mit der Kopfstütze ein bequemes Liegen zu ermöglichen. Vielleicht sollte er nachdenken, ehe die Anderen kamen? Nein, unsinnig, zu analysieren, wenn er nicht alle Neuigkeiten hatte. Was war nur mit ihm los? Der sich nähernde Zeitpunkt des Berichts an den Lebenden Hott beeinflusste ihn, das war klar. Immerhin riskierte er dessen Zorn. Er sah auf, da der Türvorhang etwas beiseite geschoben wurde und griff unwillkürlich nach etwas, das er nicht bei sich trug – ein Messer. Er atmete auf, als ein Mann, offenkundig ein Diener herein sah und höflich den Kopf neigte. „ich bitte um Verzeihung. Du bist doch Meruka, der Vorsteher der Schreiber?“ „Ja. Was willst du?“ „Anchka möchte dich sprechen.“ Anchka. Meruka fühlte wie sein Herz aussetzte. Anchka hatte Jahre für ihn gearbeitet, als Vorgänger Merits, und war durch einen Dolchstoß in den Rücken gelähmt worden. Nicht einmal die kundigen Ärzte am Hofe des Herrn der beiden Länder hatten ihm sein Gehvermögen wieder geben können. Da er Schreiber war, war er in das Delta versetzt worden, ja, natürlich. Dass er daran nicht gedacht hatte. „Natürlich, gern.“ Jetzt begann er offenkundig auch noch zu stümpern. Er sollte aufpassen, dass er nicht sich und alle seine Mitarbeiter durch derartige Leichtsinnsfehler in mehr als Schwierigkeiten brachte. Er wartete nur kurz, dann hob der Diener wieder den Vorhang beiseite. Die Ursache erschien prompt. Zwei starke Männer trugen eine hölzerne Sänfte herein, in der ein Mann von Mitte Zwanzig kauerte, dessen Amulette unter anderem der Seschat zeigten, dass er Schreiber war. „Anchka.“ Was wollte der nur von ihm? Ihn anklagen? Kaum, dann würde der nicht so breit grinsen. Nun gut, der war schon immer ein sehr frohsinniger Mensch gewesen, und hatte das anscheinend auch nicht im Leid verloren. „Meruka. - Danke, ihr könnt mich absetzen. Ich werde um euch schicken, wenn ich abgeholt werden will.“ Anchka wartete, bis sie allein waren. „Lange nicht gesehen,“ meinte er dann. „Und du hast dich auch nicht bei mir gemeldet, wenn du schon in Dep bist.“ „Um ehrlich zu sein, ich vermutete dich immer noch im Palast des Harpunierenden Horus.“ „Auch. Aber meist bin ich hier. Hier ist mit Nianchnisut ein sehr erfahrener Arzt, der meine Schmerzen lindert. Keine Sorge, Meruka. Du guckst schon wieder so. Es war und ist nicht deine Schuld. Und mir geht es gut. Setz dich nur. Du wartest auf die Anderen? Ich sah Nefer. Und, kein Nachfolger für mich?“ „Meresanch.“ Meruka wusste, dass dieser Mann trotz aller Redeseligkeit verschwiegen war. „Meresanch. Oha. Du weißt, dass ihr zukünftiger Ehemann mit … nun, seinem Vater… bald hier sein wird?“ Sehr vorsichtig formuliert. Sein ehemaliger Mitarbeiter hatte nichts verlernt. „Ja. Unser Auftrag stammt vom Herrn der beiden Länder selbst. Keine Sorge.“ „Das scheint ja etwas ganz Besonderes zu sein, wenn das solche Kreise zieht. Darfst du mir etwas sagen?“ „Nein. Aber ich werde es trotzdem tun.“ Anchka lächelte. „Immerhin vergisst du alte Freunde nicht. Ich würde vor Neugier sterben.“ „Übermäßige Neugier könnte allerdings zum gleichen Ergebnis führen.“ „Ja, natürlich. Also, Kurzfassung? Wenn die Anderen kommen, werde ich zuhören, wenn ich darf. Ich habe außer meiner Schreibertätigkeit wenig als Ablenkung. Und nie mehr so etwas Spannendes.“ „Das letzte Abenteuer war ein wenig zu spannend.“ Meruka wusste jedoch um das Wissen, das der so redselig und fröhlich scheinende Mann mit brachte, der im Kampf einst fast mit Ptahnacht mithalten konnte und sich auch wohl darum in diesen unseligen Zweikampf gestürzt hatte. Nun ja, nicht zuletzt, um ihn selbst davon abzuhalten ermordet zu werden. „Die Ärzte in kemet wurden verschiedentlich auf Tote aufmerksam …“ Er berichtete kurz, unterbrach nur, als einer nach dem anderen seiner Mitarbeiter hereinkam, den ehemaligen Kollegen freundschaftlich begrüßte und sich setzte. Als letztes kamen die beiden Frauen, der Grund lag schlicht darin, dass Nefer Merit rasch geholfen hatte sich Schmuck und Perücke abzuziehen, abzuschminken, und nur noch das einfache weiße Kleid zu tragen. Im Halbdunkel der Gänge wurden beide leicht für Dienerinnen gehalten. Merit sah neugierig auf den ihr Unbekannten, so dass Meruka rasch vorstellte. „Merit, Anchka. Er war dein Vorgänger hier.“ „Oh.“ Sie erkannte durchaus, dass der in dieser Sänfte sitzen musste. So gepolstert saß sonst nicht einmal der Lebende Gott selbst, oder eher, nur dieser. „Sei gegrüßt.“ „Sei gegrüßt, Königstochter.“ „Das steht mir nicht zu.“ „Gut, Merit, dann.“ Überdies war diese Anrede sicherer. „Setzt euch,“ befahl Meruka. „Eure Berichte?“   Einige Minuten später wussten alle Bescheid, was jeder Einzelne in Erfahrung hatte bringen können.   Meruka dachte kurz nach. „Anchka, du kennst Djedefchnum? Diesen Vorsteher?“ „Ja,“ erwiderte dieser. „Du doch auch.“ Da er gleich mehrere fragende Blicke auf sich sah: „Djedefchnum ist, da hat sie recht, der Vorsteher der Öle, des Weines und der Salben, Priester der Bastet und was weiß ich. Aber eigentlich ist er in der Kurzfassung der Domänenvorsteher des Palastes. Noch kürzer, er verwaltet alle Ernten und Vorräte und ist mindestens einmal im Monat in Ibenu-Hedj um mit dem Siegler zu sprechen. Dem Mann deiner Mutter, Meruka.“ Dieser hätte sich fast die Hand vor die Stirn geschlagen. „Djedi!“ Der Koch hatte wohl diesen „schönen Namen“ nicht verwenden wollen oder für respektlos gehalten. So gut wie niemand in den Scheunen des königlichen Hofes, oder auch im gesamten Palast in Ibenu-Hedj kannte ihn anders als Djedi. „Djedi, ja.“ Anchka grinste. Das passierte, wenn man Leute immer nur mit den Kürzeln ansprach, ihre wahren Namen nur in ihrem Grab standen. Das bedeutete, dass dieser alte Mann von fast sechzig Jahren, der durch Treue und Umsicht aus einfachen Verhältnissen stammend weit in der Hierarchie aufgestiegen war, kaum unbeobachtet war – wenn er denn überhaupt im Palast des Harpunierenden Horus weilte. Nein, der Dömänenvorsteher kam ebenso wie der Palastleiter selbst nicht in Betracht. „Wer ist in der Befehlsebene darunter?“ „Nun ja, zum Beispiel Merimaat, der Sohn des Palastverwalters, als Vorsteher der Rinder und der Wüsten, zuständig für das Fleisch.“ „Der Vorsteher des Öls?“ „Der sitzt hier vor dir.“ Anchka breitete etwas die Arme aus. „Ihr könnt mir zu meiner Beförderung ruhig gratulieren. Ich wurde vor etwas über einem Jahr ernannt.“ „Und dann bist du so oft in Dep?“ erkundigte sich der Gruppenleiter prompt. „Was hast du für eine Arbeit?“ Oder war das nur ehrenhalber, um Versorgung zu erhalten? „Nichts Tragisches, man muss jedoch sorgfältig sein. Jetzt werden die Leinsamen geerntet, gepresst und dann in den Palast gebracht. Ich muss dann einige Proben nehmen, ob es sich auch um Leinöl handelt, dann entscheiden, wie viel dieser Ernte nach Ibenu-Hedj geht, an den Hof, oder auch im Palast bleibt, weil der Herr der beiden Länder wie nun anreist,,,, Einiges geht auch in die Salbölherstellung als Basis, auch für Lampenöl. So geht das bei allen Ölen, sogar bei Hornöl oder dem seltenen Olivenöl. Dazu spreche ich mich zusätzlich mit Djedi ab. Natürlich auch mit dem Leiter der Salbölherstellung.“ „Kenne ich den etwa auch?“ „Kaum,“ gab Anchka zu. „Sein Name ist Seneb. Er stammt aus einem Dorf direkt am Großen Grün und fiel bei einer Hofjagd auf Vögel und Fische in den Papyrusmarschen wohl einem Beamten auf. Er lernte Schreiber in Ibenu-Hedj, an der Schule im Haus des Lebens. Er ist etwas älter als wir, so an die Mitte Dreißig, verheiratet, Kinder. Nach der Ausbildung war er zunächst in Ibenu-Hedj, als Schreiber in den Scheunen, aber so beginnt ja die Laufbahn, ehe er später in den Palast des Harpunierenden Horus geschickt wurde, erst als Vorsteher des Weins, dann auch der Salben.“ „Mitte Dreißig?“ Dann hatte Seneb wohl gerade die siebenjährige Ausbildung als Schreiber abgeschlossen, als er, Meruka, sie begann. „Und er macht das ebenso, Stichproben, ob der Wein gut ist?“ „Ja. Die Amphoren kommen von den einzelnen Gütern, wo sie gepresst wurden. An ihnen hängen Holztäfelchen mit der Güte, dem Jahrgang, dem Herstellungsort, der auch zu erkennen gibt, ob es eine Totenstiftung ist oder für den Horus der Lebenden bestimmt ist, Das prüft er, auch, ob sich in den Amphoren wirklich Traubenwein befindet. Natürlich, wie ich auch, nur Stichproben. Es sind hunderte von Amphoren.“ „Und dann entscheidet er auch in Absprache mit Djedi, welcher Wein nach Ibenu-Hedj gebracht wird, welcher im Palast bleibt, welcher verschenkt wird,“ meinte Ptahnacht, der zeigen wollte, dass er auch mitdachte. „Wein wird doch nicht in der Salbölherstellung verwendet, oder?“ Er ignorierte Nefers empörtes Aufschnaufen. Anchka war kühler. „Kaum.“ Meruka schloss kurz die Augen, als Rahotep bereits die nüchterne Schlussfolgerung zog: „Das weitet den Kreis der Verdächtigen auch auf die umliegenden Güter aus.“ „Wenn ich das richtig verstanden hatte,“ wandte Merit ein: „Sind alle Toten womöglich an einem Geschenk des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund, gestorben. Oder an einem vermeintlichen Geschenk.“ „Ja, das sagten wir.“ Der Arzt, aber auch alle anderen blickten auf Meruka. Der hätte gern geseufzt. „Noch eine Frage, Anchka. Dein Leinöl wird auch an Beamte weitergegeben oder nur als Salben?“ Der zuckte die Schultern. „Als Salben, aber auch als Lampenöl für Baustellen des Lebenden Gottes, für Küchen der Beamten zum Benutzen, ja. Je nachdem, wie der Befehl kommt.“ „Und der Wein?“ „Eigentlich nur für hohe Beamte oder die königliche Familie. Oh, ja, aus dem Wein kann auch noch dieser Nachtisch gemacht werden, eingelegte Datteln.“ „Aber das überprüft Seneb auch?“ „Ich glaube schon. Ich kümmere mich nicht so um seine Sachen. Ich würde auch nicht wollen, dass er mich beobachtet. Es gibt übrigens auch noch einen Vorsteher der Kleidung, der die Webereien und Sandalenmacher im Palast selbst, aber auch hier in Dep und in den Dörfern bewacht, sein Name ist Kanefer. Er gehört aber auch zum Stab des Sieglers in Ibenu-Hedj und ist entsprechend oft dort. Du wirst ihn kennen, Meruka. Und einen Vorsteher der Bäckereien, Chamaat. Er ist gelernter Bäcker, kein Schreiber, nun ja, einer der angelernten, stammt aus ...aus Djedu, dort leben auch seine Kinder. Seine Frau ging vor einiger Zeit in den Westen, aber er sagt, er wolle keine andere, zumal die Kinder bereits erwachsen sind und die Söhne eigene Familien haben. Sein Wohnsitz für die Ewigkeit wartet auch auf ihn in Djedu.“ „Gut. Ich werde nachdenken.“   Der Gruppenleiter hatte durchaus das Gefühl, das bislang nicht so recht getan zu haben, abgelenkt zu sein von irgendetwas. Er schob seine Kopfstütze beiseite und streckte sich auf seinem Bett aus, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er wusste, er konnte sich so besser konzentrieren – und die Anderen würden sich leise unterhalten, vermutlich mit Anchka, aber sicher nicht über den Fall. Sein Herz, der Sitz des Verstandes, sollte ruhig sein und entspannt. Was hatten sie in Chem erfahren, was in Sau, was hier in Dep?Was hatten die Opfer gegessen, was getrunken und welche königlichen Geschenke gab es? Oder anders herum gefragt, waren es zu viele Tatsachen, der Verstand wurde von ihnen verwirrt? Solche Fehler passierten ihm eigentlich nie, nur, wenn sein Herz ihm etwas eingab, das er noch nicht verstand. So überlegte er, Die Männer aus dem Palast des Harpunierenden Horus müsste man sich genauer ansehen. Anchka und Merimaat weniger, aber auch sie könnten unaufmerksam gewesen sein. Interessanter waren jedoch die beiden Männer, die Vorsteher waren, hochrangig genug, dass sie nicht auffallen würden, wenn sie Anweisungen gaben. Und die Familien mit Toten waren definitiv alle in aus diesem Palastdomänen beliefert worden. Der eine war Witwer mit erwachsenen Kindern in Djedu, er wurde also auch nicht von seiner Familie überwacht. Der zweite, Seneb, hatte Kinder und war verheiratet, Wo war dessen Familie? Wenn er abends nicht mit ihnen essen konnte, weil sie woanders lebten, war er abends, nachts, allein. Beide. Aber das erklärte nicht das Warum. Sie waren beide Beamte auf einer königlichen Domäne, ja, einem königlichen Palast, in dem selbst heutzutage noch wichtige Riten für die maat vollzogen wurden. Was also wollte sein Herz von ihm, der Sitz seines Verstandes? Ruhig bleiben.   Es gab kein Motiv. Chamaat und auch Seneb waren hoch aufgestiegen, der eine als Nicht-Schreiber, der andere als Bauernjunge, der eine Ausbildung zum Schreiber erhalten hatte, ein viel besseres eben. Beide durften für den Herrn der beiden Länder arbeiten, ja, in einem seiner Paläste. Sie sollten stolz und glücklich sein, zumal womöglich weitere Auszeichnungen winkten, Totenstiftungen oder gar eine Stiftung für ihr Haus der Ewigkeiten seitens des Lebenden Gottes. Aber er hatte schon erleben müssen, dass das nicht genügte, mache Menschen auf Abwege jenseits der maat gerieten, aus gründen, die nur sie wohl ganz begriffen. Dennoch: Merimaat der Jüngere war der Sohn des Palastvorstehers, mit der Tochter des Bürgermeisters von Dep verheiratet. Eine junge Familie, dazu eine glänzende Zukunft in der Nachfolge seines Vaters vor sich, solange er keinen Fehler machte ….Palastleiter gehörten zum engsten Umfeld um den Herrn der beiden Länder, oft genug auch dem Rat an. Anchka kannte er. Und in bei Aufgaben wie den ihren lernte man sich rasch kennen, vertraute man einander doch sein Leben an. Djedi und Kanefer – abgesehen davon, dass sie alte und erfahrene Männer waren, die ihren persönlichen Aufstieg bereits besiegelt hatten, sie waren mindestens einmal im Monat im Tage entfernten Ibenu-Hedj, kaum die Hälfte des Monats im Palast des Harpunierenden Horus. Nicht unmöglich, sicher, etwas zu planen, aber sie sollten doch sehr beschäftigt sein. Und er kannte sie ebenfalls schon lange. Wenn er seinen bisherigen Überlegungen der letzten Tage weiter folgte, musste der nachlässige oder mörderische Beamte in der Ebene der Vorsteher zu finden sein. Also sollte man sich die beiden Erwähnten genauer ansehen, Chamaat und Seneb. Vermutlich würde keiner der Zwei ihnen den Gefallen tun vor ihren Augen den Fehler erneut zu begehen, aber man konnte vielleicht etwas aus den Persönlichkeiten herauslesen. Er richtete sich etwas auf. Die Unterhaltung brach sofort ab und alle blickten auf ihn. Er nickte: „Anchka, wenn wir im Palast ankommen, bist du dabei?“ „Kann ich. Ich wollte eigentlich mit dem Hof reisen, weil auch Nianchnisut dabei ist, aber ich denke, auch Rahotep kann mir Schmerzmittel geben.“ „Natürlich,“ erwiderte der Arzt nur. „Gut,“ fuhr Meruka fort. „Dann zeige mir unauffällig, wer Seneb ist. Ich werde mich mit ihm über mein neues Gut mit Weinstöcken unterhalten und ihn ein wenig näher kennenlernen. Chamaat zeige Rahotep. Du gehst du dem Vorsteher der Bäckereien und erwähnst, dass du wissen willst, wie das Brot hergestellt wird oder welches, da du ein wenig besorgt um Merit bist, sie wirke die letzten Tage kränklich,.“ „Oh nein,“ protestierte die junge Dame aus dem ipet prompt. „Nicht kränklich, bitte Meruka! Das würde meinem Bild schaden, dass ich den Thronfolger heiraten soll!“ „es soll ja auch geheim sein, Chamaat wird nur ins Vertrauen gezogen… er soll sich, ebenso wie Seneb geschmeichelt fühlen. Menschen r4eden dann leichter. Es ist nur ein Gerücht, falls er plaudert, Merit. Wenn du den Horus auf dem Thron der Lebenden und Menhekat empfängst, wirst du sicher keine Spur von Schwäche zeigen.“ „Gut,“ seufzte sie. „Wann kommen sie wohl an, Anchka?“ Der gelähmte Schreiber zuckte die Schultern. „Sie sind übermorgen hier in Dep angekündigt, aber das kann sich bei diesem niedrigen Wasserstand auch verzögern. Dann jedenfalls wird der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, die Kronengöttinnen und die Gräber der Könige der Vorzeit in Pe drüben besuchen, ehe es weitergeht. Sicher also vier Tage bis zum Palast.“ Merit nickte. Sie hatte im Gefolge der verstorbenen Königinmutter diese Reise bereits vor zwei Jahren mitgemacht. „Gut.“ Meruka fuhr langsam fort: „Ptahnacht, du bist kein Schreiber, trägst das Amulett des Anubis. Bis die königliche Flotte ankommt, versuche möglichst viel mit den Wachen und Arbeiter zu sprechen, auch du, liebe Nefer, um zu erfahren, welchen Ruf alle Vorsteher bei den Untergebenen haben. Mit alle meine ich auch Anchka und Merimaat. Wir müssen versuchen den Täter einzukreisen und das geht im Augenblick nur über das Ausschließen aller anderen.“ Nefer nickte nur. „Küche auch?“ „Auch. Es gibt ein Gift, davon bin ich überzeugt, das den Tod bringt, vermutlich, da haben die Ärzte recht, nur in seltenen Kombinationen. Oder es ist etwas, das keiner kennt.“ Er sah, dass Rahotep die Hand hob. „Dies hatten wir schon. Ja, ich weiß, dass alle Ärzte kundig sind, aber man findet nur, wonach man sucht. Und, nur als Beispiel. Hier wächst in jedem Dorf, selbst vor den Türen des Palastes eine Meerzwiebel.“ „Nun, sie ist wirksam gegen die Dämonen der Sachmet,“ erwiderte Rahotep. „Aber ich verstehe, was du meinst. In Abu pflanzt sie niemand. Es könnte also eine Pflanze aus dem Süden sein, die jemand von dort benutzt, und, da sie hier im Delta keiner kennt, auch für ungefährlich gehalten wird.“ „Ja, das, oder sogar, dass sie existiert und doch nicht gesehen wird.“ Meruka dachte kurz nach. „Die Bauern sind keine ausgebildeten Ärzte und doch heilen die Frauen ihre verletzten oder kranken Familien. Womöglich weiß jemand etwas, das den Ärzten entgangen ist. Du selbst sagtest, dass vieles, was heilt, auch Gift sein kann.“ „Unwahrscheinlich, nicht wahr? Es liegt eine lange Ausbildung hinter uns und das gesammelte Wissen unserer Vogänger steht uns auf Papyri zur Verfügung.“ „Ich weiß. Es ist auch nur … mein Herz sagt mir, dass es etwas gewöhnliches ist, etwas, das so gewöhnlich ist, dass es alle übersehen. - Geht. Anchka, du lässt dich danach abholen.“ Kapitel 17: Im Dickicht ----------------------- So brach am folgenden Morgen eine Reihe von Papyrusbooten nach Norden auf. Nicht nur Meruka und seine Leute waren dabei, sondern auch Merimaat, der Palastvorsteher. Die Bürgermeister von Pe und Dep waren an ihren Amtssitzen geblieben, um alles perfekt für den in drei Tagen stattfindenden Besuch des Lebenden Horus und seines Gefolges vorzubereiten. Auch der Palastleiter wollte vorbereitet sein und hatte seine eigenen Vorräte ergänzt. Es war eine beachtliche Flottille an großen Papyrusbooten, die dem Arm des iteru nach Norden folgte. Jedes der großen Papyrusboote wurde von Ruderern angetrieben, die jeweils zu zwölft auf einer Seite der Bordwand saßen. Merimaat selbst befand sich, seinem rang entsprechend, im vordersten Boot, links neben Merit, auf deren rechter Seite sich Meruka niedergelassen hatte, der so demonstrativ bewies, dass er für die potentielle Schwiegertochter des Herrn der beiden Länder verantwortlich zeichnete. Merit war schon in solchen Booten gefahren und wusste, dass angeblich selbst die Krokodile sie mieden, warum auch immer. Die Boote waren aus frischem Papyrus zusammengefügt worden, das erkannte sie an dem noch saftigen Grün. Wurde es gelb, saugte es sich mit Wasser voll – und damit fuhr niemand mehr. „Du interessierst dich für das Boot?“ erkundigte sich Merimaat etwas väterlich, schließlich hatte er Meresanchs Vater gekannt. „Keine Sorge, es ist frisch. Sie werden damit auch noch einmal nach Dep fahren können. Vier Tage halten diese Boote gut durch. Und es ist einfacher sie zu bauen als das Risiko einzugehen zu sinken.“ „Ja, ich weiß. Ich fuhr ja öfter mit meinen Eltern von Per-Bast nach Ibenu-hedj. Ich sah auch, wie diese Boote hergestellt wurden. Bündel frischen Papyrus werden eng zusammengelegt und geschnitten, dann gebunden, nicht wahr?“ „Ja, und diese Bündel dann wiederum zu festen, diese zu den Booten. Man braucht viele Seile, aber das geht schnell. Die Bootsbauer verstehen sich darauf.“ Damit schien dieses Thema erschöpft. Merit wusste nicht so ganz, über was sie sich mit hohen Beamten unterhalten sollte. Bei der maat-hor oder gar der Königinmutter hatte das immer so leicht ausgesehen. Oh, Merimaats Halbbruder kannte sie. „Ich sah Achtihotep erst vor zwei Wochen das letzte Mal. Er ist ja dein Bruder?“ „Ja, mein kleiner Halbbruder. Und mein Neffe wird ihm gewiss nachfolgen, hoffe ich.“ Es ziemte sich schließlich nicht der Anweisung des Lebenden Gottes vorzugreifen. Aber Achtihotep der Jüngere folgte jetzt schon seinem Vater bei jeder Tätigkeit und wurde von ihm ausgebildet. Solange der Junge keinen Fehler beging, würde er auch die Verwaltung des ipet übernehmen, die Güter, die der maat-hor und den königlichen Kindern zustanden. Achtihotep arbeitete eng mit den wenigen weiblichen Schreibern zusammen – wie Merit. Vielleicht sollte er Achtihotep mal ausfragen, wie die junge Dame so sei. Wobei – sie wäre nicht Schreiberin geworden, geschweige denn der Königinmutter oder der maat-hor, wäre sie dumm. Sie war recht schweigsam, aber das mochte auch an der gewissen Anspannung liegen hier mehr oder weniger allein zu reisen, nun ja, mit einer Dienerin auf dem anderen Boot und einem Schreiber des Horus neben sich. „Ja, das glaube ich auch. - Ich hatte die Fahrt in den Palast gar nicht als so eintönig in Erinnerung.“ Sie sah auf die förmlichen Papyruswälder, die sich nun rechts und links des Flusses erstreckten. Nur vereinzelt sah man Kanäle abzweigen, offenkundig von Menschenhand geschaffen, manchmal blitzte ein weißes Dorf auf einem Sandhügel auf und man erkannte hell darum – Platz für Weiden und Ackerbau. Dattelpalmen und Sykomoren wiegten sich im stetigen Wind. Natürlich war auch hier im Delta bereits der Flachs eingebracht worden und wurde zu Leinen oder auch Öl weiterverarbeitet. Der Tag der Flut näherte sich und dann würde diese ganze Landschaft bis auf die Inseln der Dörfer und Domänen im Wasser verschwinden. Das erklärte auch, warum die Halme des Papyrus derart hoch erschienen. Kehrte die Flut zurück würden auch nur deren Spitzen noch aus ihr ragen. „Wie lange dauert es noch, Merimaat?“ „Ich hoffe, dass wir heute Abend dort sind. Ihr werdet gewiss Zimmer beziehen können, während ich das Abendessen anbefehle. Die Boote werden allerdings vermutlich, je nach Ankunft, erst morgen entladen, falls du also etwas spezielles aus deinem Gepäck wünschst…?“ „Oh, nein, danke.“ Merit fiel ein, dass sie kränklich wirken sollte, zumindest gegenüber dem obersten Bäcker. Besser das zu verstärken. „Ich werde mich lieber zurückziehen. Die Reise hat mich doch ermüdet und ich möchte, wenn der feierliche Einzug stattfindet doch in Schönheit und Wohlbefinden den Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, empfangen.“ „Das ist nur zu verständlich. Schicke deine Dienerin dann zu meiner Schwiegertochter. Sie erledigt das für mich. Sie ist die Tochter von Paadigeb, dem Bürgermeister …“ „Ja, und Retenutanch. Ich denke, ihre Mutter stellte sie einmal im ipet vor,“ erwiderte Merit eilig, um sich nicht der Ignoranz zeihen zu lassen. „Ihr Name, nein , Nofret war jünger …“ „Sie heißt Djefadhor, denn sie wurde in der Gegenwart des Lebenden Horus geboren.“ Aber Merimaat war zufrieden, dass seine Schwiegertochter immerhin schon einmal der maat-hor vorgestellt worden war. Nun, er hätte Paadigeb auch nicht der Nachlässigkeit geziehen, aber so war es besser, denn mit dem Lebenden Gott würde gewiss auch dessen Gemahlin anreisen. Eine gute Gelegenheit für Paadigeb und Retenutanch auch ihre letzten beiden Töchter den jungen Beamtensöhnen vorzustellen, weitaus informeller als es am Hofe von Ibenu-Hedj geschehen konnte. Liebe konnte so leichter entstehen. Meruka erkannte durchaus das Bemühen seiner Mitarbeiterin an sich an die Absprachen zu halten hone direkt zu lügen. So übernahm er: „Ich werde mich ein wenig umsehen, wenn du nichts dagegen hast, Merimaat. Nicht, dass ich dir Nachlässigkeit unterstellen möchte, es geht um etwas Privates. Natürlich gibt es doch da einen Vorsteher des Weines?“ „Ja, Seneb. Darf ich fragen warum? Ich könnte dich natürlich sofort ihm vorstellen.“ „Das wäre nett. Ich habe, Befehl des Herrn der beiden Länder, eine neue Domäne im Ostdelta erhalten, auf der ich Wein aus Trauben anbauen lassen soll. Einige Ratschläge wären da nur passend.“ Merimaat unterdrückte seine Frage, warum der hochgeborene Beamte nicht einfach seinen Stiefvater fragte. Mochte der auch der königliche Siegler sein – für direkte Fragen war es sicher besser, vernünftiger, einen Praktiker zu fragen. Ja, eigentlich eine sehr gute Idee. So meinte er mit gewisser Anerkennung: „Ja, da kann er dir gewiss eine Hilfe sein. Wobei er natürlich, ebenso wie wir alle, sehr tätig sein muss.“ Das war klar. Keiner der Zuständigen wollte sich blamieren, wenn der Lebende Gott in wenigen Tagen hier eintraf, in diesem Fall, zu wenig oder gar zu Essig gewordenen Wein servieren. Da wurde gewiss alles überprüft und vorbereitet. Der gesamte alte Palast würde wie ein Rohr voller Bienen summen. Oh ja, Honig musste ja auch herbeigeschafft werden. „Mir geht es auch um die Würze des Weines mit Harz.“ „Ja, da gibt es sicher Rezepte. Ich kümmere mich da nicht drum, aber der Wein soll natürlich haltbarer gemacht werden, damit er auch die Sommerhitze gut übersteht. Wichtig ist auch der Luftabschluss, soweit ich weiß. Aber, das kann dir Seneb sicher erklären. Er lernte zwar in Ibenu-Hedj, ist aber schon seit Jahren hier der Vorsteher. Zumindest wird er dir sagen können, an wen du dich sonst wenden kannst.“ „Ja, das wäre nett.“   Es war bereits am späten Nachmittag und die Sonne erreichte langsam den westlichen Horizont, als sich endlich das Papyrusdickicht rechter Hand lüftete. Felder dehnten sich und Viehweiden, dazwischen kleine, weiße Häuser, die sich meist eng um ein größeres drängten, Vorratshallen – die Domänen des Palastes des Harpunierenden Horus. Eine Viertelstunde später und eine Krümmung weiter, entdeckte Merit auch diesen vor sich. Obwohl er wie alle menschlichen Gebäude aus Lehmziegeln bestand, die nach Starkregen oder Fluten wieder neu aufgebaut werden mussten, erweckte allein die Außenmauer mit den hohen Pylonen am Kai als Eingang das Gefühl uralter Pracht. Bunte Malereien auf hellem Kalk zierten die Außenwände, die immer wieder ein wenig zurück und vorgesetzt worden waren, uraltes Zeichen des Herrscherpalastes. Das Nahen der Flottille war nicht unbemerkt geblieben und eine Menge Männer in weißen Schurzen eilten auf den Kai um beim Abladen zu helfen. Einige kamen langsamer, bedacht auf ihre Würde. Merimaat nickte nach vorne. „Sieh, Meruka, dort ganz links, das ist Senebib. Er ist die rechte Hand und der Hausvorsteher Senebs. Ihn kannst du sicher auch alles fragen, was du möchtest.“ „Seneb- ib. Das Herz von Seneb. Hat er sich für seinen Vorgesetzten umbenannt?“ Das kam durchaus vor, allerdings nannte sich dann ein geehrter Beamter meist nach dem Lebenden Horus, wie „Der treue Diener des Herrn der beiden Länder“ oder auch nur „Sein Herz ist zufrieden“, was sich natürlich ebenso auf den mächtigen Horus bezog. Ungewöhnlicher war, dass sich ein kleiner Beamter nach seinem Vorgesetzten nannte. Nun gut, gab Meruka sich dann selbstkritisch zu: vielleicht hatte er es nur nicht mitbekommen. In seiner Position sprach er eben meist nur mit den höheren Beamten. So musterte er den Angegebenen, als die Boote durch die Strömung gelenkt wurden. Senebib war ein Mann um die vierzig, sicher nicht älter, auch, wenn das durch die Schminke im Gesicht und das chat-Tuch über der Perücke wie immer schlecht einzuschätzen war. Der hochgewachsene Mann, der gerade zu ihm trat, war sicher Seneb, der Weinvorsteher. Ungefähr gleich alt, vielleicht hatten sie zusammen an der Schreiberschule gelernt? Jedenfalls trug der Ranghöhere auch andere Amulette und einen breiteren Schmuck um den Hals. Der Standesunterschied wurde gewahrt. Unwillkürlich blickte Meruka an sich selbst herab. Das Zeichen der Seschat, als Schreibergöttin, sein Amtsstab, und nicht zuletzt das Zeichen des schakalförmigen Upauut, das ihn als Sab-Beamten auswies, zumindest als Sonderbeauftragten des Herrn der beiden Länder. Gut. Er würde in jedem Fall bei einer harmlosen Frage Auskunft erhalten, sicher auch Rahotep als Arzt bei dem Obersten Bäcker. Vielleicht wäre es sogar besser Senebib zu befragen. Der war seinem Vorsteher gegenüber gewiss treu ergeben, das verriet schon der Name, aber manchmal erfuhr man so eher Dinge aus dem Hintergrund. Merit würde gewiss mit Djefadhor al augenblicklicher Hausherrin sprechen und Nefer und Ptahnacht sich unter den einfachen Leuten umhören. Das war im Augenblick alles und er sollte und musste seine Rolle spielen.   So begleitete er Merit zu ihrem Gästezimmer, sah sich von Nefer in Distanz begleitet, damit auch die beiden Frauen wussten, wo sein Zimmer läge. Nefer selbst sollte ihrer Rolle gemäß in Merits Zimmer schlafen, Ptahnacht gemeinsam mit acht anderen Männern. Man musste zusammenrücken, wenn der Hof nahte, damit alle unterkommen würden. Nicht ohne Grund hatte Meruka daher vorgeschlagen, dass Rahotep seine Kammer teilen sollte, zwei Meter lang und ebenso breit. Mehr Platz gab es nie in den königlichen Palästen, ausgenommen natürlich für den Herrn der beiden Länder selbst und die königliche Familie. Aber auch Merit würde bestimmt noch zusätzlich eine Frau aus dem ipet dazu erhalten, wenn die maat-hor in drei Tagen hier eintraf. Als er sicher war, dass alle seine Mitarbeiter wussten, wo er schlafen sollte – und damit, wo sie ihm abends Bericht erstatten sollten – ging er auf die Suche nach Senebib. Rahotep war ihm ein wenig gefolgt, meinte dann jedoch: „Ich gehe zum Kai. Ich bin sicher, dass ich dort jemanden finden werde, der weiß, wo Chaamaat gerade sich befindet.“ „Gut. Bis später.“   Kurz darauf traf der Ermittler den Vorsteher des Öls und der Weine, der, begleitet von Senebib, gerade die Aufbewahrung der mitgebrachten, leeren, Amphoren überprüfte – sicheres Zeichen, dass Seneb angegeben hatte, Merimaat sollte ihm nichts mitbringen. Die Ernten um den Palast schienen genügend gebracht zu haben – oder der Vorsteher war bereits vorsichtig genug gewesen, sich im Vorfeld bereits Wein liefern zu lassen. Dieser hielt in den tönernen Krügen und versiegelt trotz der Sommerhitze über ein Jahr, was man manchmal von Bier wirklich nicht behaupten konnte. Hohe Beamte verzichteten daher, so es möglich war, auf das durchaus erfrischende Getränk zumindest bei Feierlichkeiten und genossen den Traubenwein. Der syrische war zu selten und der königlichen Familie vorbehalten. Der Vorsteher wandte den Kopf.Er hatte Meruka bereits bei der Ankunft gesehen und war zugegeben etwas neugierig, warum ein privater Schreiber des Lebenden Gottes hier ein Mädchen begleitete. Nun gut, wenn das Gerücht stimmte, war sie eine künftige Prinzengemahlin, was nichts weiter besagte und ihr keinen Titel einbringen würde – das sähe allerdings anders aus, wenn der Falke zum Himmel flog und sie an der Seite des neuen Herrn der beiden Länder die maat-hor sein würde, gar später eine Königinmutter. Und da Meruka in ihrer Begleitung war, war es gewiss eine Anweisung. So neigte er grüßend den Kopf. „Meruka ….möchtest du sehen, ob der Wein genügt?“ „Oh, nein, ich bin doch kein Aufseher der Aufseher.“ Der Ermittler beeilte sich das zu betonen. „Ich hätte nur eine private Frage zur Weinherstellung, falls du etwas Zeit für mich erübrigen könntest. Ich soll, Befehl des Lebenden Horus, im Ostdelta eine Domäne mit Trauben aufbauen. Und ich glaubte, du würdest dich gut auskennen….“ „Oh, ja, das schon.“ Seneb warf einen Blick auf seinen Begleiter, der allerdings nur schweigend Meruka ansah. „Senebib wird dir sicher alle Auskunft geben, die du benötigst. Er ist der Vorsteher meines Hauses, meine rechte Hand, und weiß alles ebenso gut wie ich.“ „Vielen Dank. - Wenn es nicht zu viel Umstände macht. Ich weiß, dass ihr momentan viel zu tun habt.“ Seneb sah wieder seinen Hausvorsteher an, der diesmal zu ihm blickte, ehe er lächelte. „Oh, Senebib redet sehr gern. Ich fürchte eher, du wirst keine Fragen stellen müssen.“ „Dann gehen wir in dein Arbeitszimmer, Seneb?“ erkundigte sich der Rangniedere. „Ja, gute Idee. Ich kann ja später dazu kommen.“ „Sofern meine Neugier nicht schon längst gestillt ist,“ lächelte Meruka. Da war leichter Spott gewesen, aber nicht sonderlich bösartig. Schön, das ziemte niemandem, aber es mochte gut sein, dass die beiden Männer privat befreundet waren. Was natürlich erneut den Verdacht bestärkte, dass sie zusammen an der Schule gewesen waren.   In dem kühlen Arbeitszimmer griff Senebib, nachdem er auf einen Hocker gedeutet hatte, einen Krug und einen Becher. „Ich vermute, Schreiber des Lebenden Gottes, dass du etwas von dem Wein versuchen möchtest?“ „Sage nur Meruka. Ich bin nicht in offiziellem Auftrag hier. Und ja, es wäre freundlich.“ Der Ermittler sah, wie der Beamte sich ebenfalls eingoss, offenbar sicher, dass Seneb nichts dagegen hatte. Wieder ein Indiz für Freundschaft. „Ich bin sicher, wenn Seneb sagt, du kennst dich ebenso gut aus wie er selbst, dass du mir vollständige Auskunft geben kannst. Ich weiß, dass die Trauben gepresst werden und dann haltbar gemacht… mit Baumharz?“ „Ja, Koniferenharz. Hier wird es aus retenu oder kanaan geliefert, das sollte dir gerade im Ostdelta auch möglich sein.“ „Ich werde diese Aufgabe also einem Vorsteher überlassen müssen, der dort stets wohnt. Wo hast du das denn gelernt?“ „Oh, Seneb hat mir alles beigebracht.“ Zum ersten Mal klang Stolz in der Stimme. „Er kam aus der Schule zurück, nun, er hatte einige Jahre in Ibenu-Hedj verbracht, und erinnerte sich noch an mich, holte mich her.“ „Ach, du bist kein Schreiber.“ Nun ja, angelernter Schreiber, Schreiber zweiter Klasse, oder wie auch immer man diese Männer nennen wollte, die nicht die sieben Jahre Ausbildung hinter sich gebracht hatten, sondern nur in der Praxis die wenigen Zeichen und Zahlen lernten, die in ihr Aufgabengebiet fielen. Meruka erkannte das Aufblitzen und hob eilig die Hand. „Nicht jeder kann in eine Schule gehen. Mir scheint jedoch, dass du klug genug dafür gewesen wärst …“ „Keine Förderung.“ Senebib klang nur sachlich. „So stammst du wohl, wie auch Seneb, wenn ich mich recht entsinne, hier aus der Gegend?“ „Ja, aus einem Dorf an der Meeresküste. Unsere Väter waren beide Fischer.“ Damit war klar, warum Senebib so an seinem Vorgesetzten hing. Der hatte, als er die Stelle hier erhalten hatte, sich an seinen Freund aus Kindertagen erinnert und den zu sich geholt. Meruka hob den Becher. „Auf dein Ka.“ „Und auf das deine,“ ergänzte Senebib den alten Trinkspruch, eher er nippte. „Was hast du noch für Fragen?“ „Nun ja, ich versuche ein wenig herauszufinden, woran ich einen guten Vorsteher erkennen kann. Wer kennt sich mit Wein aus?“ „Das kann man lernen. Seneb oder ich, wir hatten keine Ahnung davon, aber die Arbeiter hier kannten sich aus. Oh. In einer neuen Domäne, womöglich Arbeiter aus dem Süden…. Ja, ich verstehe das Problem. Aber da müsstest du wirklich Seneb fragen, er holte mich ja auch her.“ Meruka wollte eigentlich nur plaudern, etwas für Entspannung sorgen, ehe er nach Namen fragte. „So hat er keinen Sohn?“ Der Beamte schien zu zaudern. „Doch, aber der lebt bei seiner Mutter, wie auch die Töchter, in dem Dorf, aus dem wir stammen.“ „So erschienst du ihm wohl geeigneter.“ Eigenartig. Jeder Vater versuchte doch seinen Sohn, seine Söhne in seine Postion nachfolgen zu lassen, jeder Bauer, jeder Beamte, ja, selbst der Herr der beiden Länder. War der Junge so unfähig? Krank? Aber das müsste er wohl Seneb wirklich selbst fragen. Senebib lächelte etwas. „Ja, wohl.“ „Wie ist denn insgesamt die Hierarchie der Weinabteilung gegliedert? Gibt es außer dir noch jemanden, der direkt mit Seneb zusammenarbeitet, oder der gesondert die Lieferungen nach Ibenu-hedj betreut?““ Da war etwas, da war sich Meruka sicher. Aber er sollte erst einmal harmlos tun, um weitere Fragen beantwortet zu bekommen. Zwei Freunde, also, von denen einer in die Palastschule berufen worden war, der andere nicht. Da der Sohn ungeeignet erschien, warum auch immer, holte der neue Beamte seinen Freund zu sich, als er wieder in das Delta versetzt wurde. Gut. Klang plausibel und war nicht verboten. Dennoch, da stimmte etwas nicht. Warum ließ Seneb seine Familie in dem Dorf am Strand leben, anstatt sie in den Palast des lebenden Horus, oder zumindest in eines der kleinen Dörfer darum zu holen? Oder, wie Anchka die meiste Zeit in Dep leben? Schön, auch Chaamaat ließ seine Familie offenkundig in seiner Heimatstadt, auch der war kein ausgebildeter Schreiber. War es etwa so, dass diese nicht so lange geschulten Leute davon zurückscheuten, sich, wie sonst die Beamten aus ihrer Heimat fortzubewegen, zu den verschiedensten Aufgabenbereichen in ganz kemet zu reisen? Wollten die Ehefrauen nicht wechseln, ihre angestammte Familie für länger oder kürzer verlassen? Sah er selbst schon Schatten, wo gar keine waren? Aber jetzt sollte er sich erst einmal geduldig die Namensliste anhören. Vielleicht konnte er noch eine Zwischenfrage stellen.   Chaamaat, der Vorsteher der Bäcker, war ein Mann um die Fünfzig. Sein keuchender Atem weckte den Arzt in Rahotep, der nur sagte: „Ich würde nur gern mit dir ganz kurz reden, ich sehe ja, wie beschäftigt du bist …“ Hatte der Fieber? „Ja, ja, das bin ich. Wenn der Lebende Gott kemets eintrifft muss ja alles stimmen.“ „So hast du keine Söhne, die dich unterstützen?“ „Oh, doch, komm nur, wir gehen dort hinein, da ist es kühler. - Meine Söhne sind in Djedu, sie sind beide Vorsteher der großen Bäckerei.“ Also der Bäckerei, die die Stadtbevölkerung versorgte, in deren kleinen Häusern es seltener möglich war zu backen, schon um der Feuergefahr willen. „Du stammst aus Djedu?“ Chamaat richtete sich unwillkürlich etwas auf. „Ja, der heiligen Stadt des Usir. Meine Familie lebt auch dort, also, meine Söhne mit ihren Familien und meine Tochter. Meine Ehefrau ging schon in den Westen. - Ja, ehrenwerter Arzt, was möchtest du wissen?“ „Oh, ich ...nun, ich müsste dich bitten, diesen Teil unseres Gespräches zu vergessen. Es handelt sich um Meresanch.“ „Ah ja.“ Chaamaat nickte verstehend. „ich hörte schon,dass sie ….wichtig werden könnte.“ „Nun, die junge Dame ist ein wenig .. .kränklich in den vergangenen Tagen gewesen. Ich möchte ungern, dass sie wirklich unpässlich wird, wenn der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, hier eintrifft.“ „Ja, natürlich.“ Der Vorsteher konnte sich vorstellen, dass das für einen Arzt immer, aber speziell für einen Hofarzt, unangenehm werden würde. „Ich soll dir helfen.“ „Es wäre einfach nett, wenn du mir sagst, welche Speisefolge geplant wird für den Empfang. Sie sollte nur leichte Küche erhalten.“ „Ja, aber … nun, das Essen bestellt Merimaat als Palastvorsteher. Und, ehrlich gesagt, da wird aufgetischt. Es sind doch am folgenden Morgen Feierlichkeiten, ja, Riten angesagt, ein langer Tag.“ „Das verstehe ich. Aber, was gibt es denn gewöhnlich? Du bist doch bereits länger hier?“ „Ja, seit der tjati mich von Djedu hierher berief. Zehn Jahre,“ „Eine Ehre.“ Auf die der Bäcker offensichtlich gern verzichtet hätte. „Zehn Jahre getrennt von Frau und Kind. Aber ich bin noch immer Priester des Usir.“ „Das ist also Djedus Stadtgott. Hatte der nicht einmal einen anderen Namen?“ „Ja, vor vielen Jahren. Inzwischen ist er Usir. Ein Gott der Fruchtbarkeit schenkt, ja, manchen sogar das ewige Leben!“ Schön, das war vermutlich ein guter Grund dessen Diener sein und bleiben zu wollen. Hier sollte er mal länger nachfragen. Meruka würde möglichst viel wissen wollen.       Kapitel 18: Palastgerede ------------------------ Merit hatte unterdessen die Schwiegertochter des Palastleiters Merimaat und Ehefrau dessen gleichnamigen ältesten Sohnes kennengelernt. Ihr Name war Djefadhor und sie mochte um die sechzehn, siebzehn, Jahre alt sein, gerade alt genug, um ihr erstes Kind mit sich zu tragen. Sie übergab das vielleicht drei Monate alte Mädchen einer Dienerin, ehe sie fragte, ob alles zur Zufriedenheit der Königsbekannten sei. „Ja, danke. Eine hübsche kleine Tochter.“ Wie alle kleinen Kinder war sie unbekleidet. „Ja, ihr Name ist Satib.“ „Tochter des Herzens. Was für ein netter Name, den du da ausgesucht hast. Ich würde mich gern noch ein wenig erfrischen.“ „Natürlich, komm nur. Es ist doch ein Königspalast und noch können wir auch über das Bad verfügen, ehe der Göttliche Falke mit dem Hof kommt.“ „Ein großes Bad? Ich war schon einige Male hier, das letzte Mal vor zwei Jahren ….“ Merit musste wirklich nachdenken. Bilder verblassen rasch, stellte sie fest, vor allem, weil sie zwischendrin auch mit der Königinmutter nach Süden gereist wa rund den Palast in Nechen gesehen hatte und andere. „Oh, nein, aber für die maat-hor und die anderen königlichen Damen gibt es eine Badewanne aus Sandstein. Er wurde aus der östlichen Wüste hergeschafft. - Mein Schwiegervater hat gesagt, dass ihr nur eine Kleinigkeit zu Essen wünscht.“ „Ja, das genügt sicher. Ich kenne ja die Speisetafeln, wenn der Herr der beiden Länder anwesend ist.“ Djefadhor lachte etwas. „Ich habe es so noch nie gesehen, aber ich weiß, dass mein Ehemann und auch der Schwiegervater schon seit Tagen, ja, Wochen, alles im Voraus planen. Es soll ja kein Fehler passieren. Wie geht es meinen Eltern? Bringen sie dann auch meine beiden Schwestern mit?“ „Ja, soweit ich weiß. Hetepseschat und Nofret, nicht wahr? Es schien ihnen allen Vieren gut zu gehen. Seht ihr euch selten?“ „Ja, sei meiner Heirat bin ich hauptsächlich hier im Palast, da meine Schwiegermutter ja bereits in den Westen ging und ich solcherart meinen Schwiegervater auch mit unterstütze. Die Frauen der Bauern, die nun hierher befohlen sind, aber auch das andere weibliche Personal wendet sich an mich.“ „So hast du sicher viel zu tun.“ Und eine große Verantwortung. Aber natürlich wurde von jeder Ehefrau erwartet, dass sie die „Herrin des Hauses“ war, wozu auch die Ländereien der Familie zählten, das Familienvermögen. Hohe Beamte reisten viel und waren oft genug weg von zu Hause. Jemand musste in ihrem Sinn auf alles achten. „Oh, ich frage dich, weil ich doch keinen Fehler begehen möchte. Auf wen muss ich achten unter den hohen Beamten, wen kann ich ignorieren?“ Sie kannte die Namen aus Anchkas Bericht, wollte aber hören, ob es zu jemandem was Besonderes zu erfahren gab. „Nun, meinen Schwiegervater kennst du ja, den Palastleiter. Meinen Mann wirst du später auch sehen, er war heute den ganzen Tag unterwegs, die Gehege für die gefangenen Gazellen überprüfen, auch und vor allem, natürlich, das Flusspferd, das geopfert werden soll. Er ist ja der Vorsteher der königlichen Rinder und der Wüsten, also, der Jagd. Dann gibt es noch Chamaat, den Leiter der Bäckereien, und Seneb, den Vorsteher der Salben und des Weines. Und natürlich Anchka, das ist der gelähmte Mann, er war bei euch auf den Schiffen. Er ist der Vorsteher der Öle, also vor allem des Leinöls aber auch anderer, die nicht für Kosmetik oder so verwendet werden. Kanefer, der Vorsteher der Kleidung, war in Ibenu-hedj bei dem Siegler und kommt jetzt erst wieder mit dem Hof. Er ist sehr oft nicht hier. Ebenso wie Djedi, also, eigentlich Djedefchnum. Er ist der Domänenvorstehr und ihm unterstehen alle Bauern dort draußen. Diese Männer arbeiten immer zusammen, aber Djedi und Kanefer sind eben noch öfter in Ibenu-hedj als mein Schwiegervater. Tja, das waren eigentlich alle wichtigen. Ihre Frauen werden erst morgen kommen, sie leben in Dep, das ist bequemer. Nun ja, bis auf die Ehefrauen von Chamaat und Seneb. Die habe ich noch nie gesehen, sie leben in deren Heimatorten. Oder, nein, warte, Chamaats Ehefrau ist schon in den Westen gegangen, genau. Er ist allein.“ „Oh, hältst du für deine Schwestern Ausschau?“ Djefadhor seufzte etwas. „Du hast ihn noch nicht gesehen? Ich meine, man kann natürlich einen älteren Mann heiraten, wenn er in guter Position ist, aber ….Er scheint mir nicht gesund zu sein. Und außerdem redet er entweder über seine Bäckereien oder über den Stadtgott von Djedu. Ich würde meinen Schwestern ihn nicht antun wollen. Und ich hoffe schwer, auch meine Eltern nicht.“ Das war ungewöhnlich offenherzig für jemand im Palast, aber Merit vermutete zu Recht, dass sich die junge Frau in dem alten Palast doch oft unsicher und allein fühlte und sich aber auch nicht mit Bäuerinnen aussprechen wollte. So lächelte sie etwas. „Dann haben wir zwei Glück gehabt.“ „Oh ja.“ Djefadhor hatte den Königssohn schon gesehen, wenngleich das Jahre her war, aber sie wusste, dass er noch unter zwanzig Jahre zählte. Und er war wohl der nächste Horus auf dem Thron der Lebenden. Das war schon etwas Besonderes. Genau wusste sie nicht, wie der Thronfolger innerhalb der Königsfamilie ausgewählt wurde, aber es gab ja nur noch zwei lebende Königssöhne, nicht zuletzt durch die Seuche vor fast zehn Jahren, die auch ihre Brüder fortgerissen hatte. „Hier ist das Bad.“ Es war ein kleiner Raum, dunkel und schmal, aber sein wichtigster Inhalt bestand aus einer Wanne aus Sandstein. „Ich lasse dir eine Kohlenpfanne bringen und Wasser.“ „Danke. Falls du irgendwo Nefer siehst, das ist meine Dienerin, schicke sie doch auch her. Sie weiß dann schon, was ich benötige.“ „Ja. Ich glaube, euer Gepäck wurde schon ausgeladen, wenngleich noch nicht alles von den Schiffen geholt wurde. Es wird dunkel.“ Merit beschloss erleichtert, dass sie sich nicht so zurecht machen musste wie zu dem großen Empfang in Sau. So konnte sie hier mit dem prunkvollsten Schmuck warten bis der Herr der beiden Länder und damit auch die maat-hor eingetroffen war.   Entsprechend instruiert half ihr Nefer aus dem Bad und gab ihr das Handtuch, ehe sie vorsichtig aus dem Bad blickte. Da niemand zu entdecken war, meinte sie leise: „Merukas Zimmer ist auch im Gästetrakt, aber weiter vorn, wo viele leerstehen. Dort sollen die hohen Beamten unterkommen. Rahotep ist bei ihm, Ptahnacht muss zusehen, wie er unauffällig dorthin kommt, er ist ja bei den Wachen und soll die aushorchen. Gab es sonst noch etwas?“ „Nein, nur, wie Anchka schon meinte, sind Kanefer und Djedi im Moment auch in Ibenu-Hedj gewesen, reisen also wohl mit dem Siegler , natürlich mit dem Lebenden Gott, an. Merimaat, beide Vater und Sohn, sind etwas aufgeregt, ob alles ohne Fehler abläuft.“ „Nicht verwunderlich, oder? Auch Meruka, obwohl er es weniger zeigt, will seinen Gott nicht enttäuschen. Ich habe schon mit einigen Frauen geredet, aber die meisten werden nur zu solchen Anlässen in den Palast geholt, zum Putzen und Blüten sammeln, um damit die Böden zu betreuen, für die Küche. Sie kennen die hohen Beamten kaum oder nur so eben im Vorbeigehen. Eine arbeitet hier dauernd in der Küche, sie meinte, dass Merimaat ein guter Vorgesetzter sei, was auch immer sie darunter verstehen mag. Und, dass der Oberste Bäcker Gottesdiener des Usir in seiner Heimatstadt ist und eifrig versucht die Menschen von ihm zu überzeugen.“ „Jeder Ort bevorzugt einen anderen Gott, aber selten genug wird erwartet, dass sich andere um diesen kümmern.“ Merit nahm ihr Kleid. „Danke. Er scheint aufzufallen, denn auch Dhefadhor erwähnte ihn. Oder er wäre lieber in Djedu, kann aber nicht zurück.“ „Nun ja, wer auch immer für den Lebenden Gott kemets arbeiten darf, im Schatten seiner Flügel … wer sollte etwas dagegen haben?“ „Es ist auffällig. Ja, wir sollten es Meruka unbedingt erzählen.“ „Falls es Rahotep nicht mitbekommen hat. Der sollte doch mit ihm reden, dass du .. äh, krank bist.“ „Oh, ja.“ Merit seufzte. „Ich werde mich also bald zurück ziehen, so gut es geht ohne gegenüber Merimaat, Vater und Sohn, und Djefadhor unhöflich zu erscheinen. Morgen kann es mir ja wieder besser gehen.“   Es war im kleinen Saal gedeckt worden, in dem die Beamten, und so sie hier lebten, auch ihre Familienangehörigen stets die Mahlzeiten zu sich nahmen. Die Küche und Bäckereien des Palastes standen ihnen in gewissem Umfang zur Verfügung. Sobald der Hof und damit auch der Herr der beiden Länder anwesend war, würde drüben im großen Saal aufgetragen werden, einer Halle mit bunt bemalten Säulen, deren Mitte den Himmel zeigte. Allerdings boten umlaufende Dächer genügend Schatten und im Hochsommer konnten auch Matten über lange Baumstämme geworfen werden, falls Ra es zu gut meinte. Sie war groß genug, dass der Leiter der Sitze, nun, eigentlich der Sitzordnung - alle wichtigen Leute unterbringen konnte. Wer nicht hoch genug in der Rangordnung stand musste eben mit einem Platz hier oder im Vorhof zufrieden sein.   Merit saß neben Djefadhor und verstand die junge Mutter, dass diese mit ihrem Ehemann zufrieden war. Merimaat der Jüngere mochte höchstens Mitte Zwanzig sein, sah recht gut aus, und war eindeutig in seine Ehefrau verliebt. Immer wieder huschte sein Blick zu ihr und wenn sie ihn ansah lächelte er. Auch der Schwiegervater Merimaat behandelte sie höflich, ja, als Hausherrin. Vielleicht war eine solche Konstellation besser als mit iener doch ranghöheren Schwiegermutter unter einem Dach zu leben, zumal, wenn sie so an die sehr von sich eingenommene Baunefer in Sau dachte. Nun ja, sie selbst bekäme es als Schwiegermutter mit der maat-hor zu tun – aber diese kannte sie schon gut zehn Jahre. Und natürlich war die Gemahlin des Lebenden Horus eine vollkommen andere Sache. Merit bemerkte, dass sie zu sehr nachgedacht hatte, da Djefathor leise fragte, ob es ihr zu viel würde und sie sich zurück ziehen wolle. „Oh, nein, danke. Ich werde schon noch ein wenig hier bleiben. - Ich verstehe allerdings jetzt, warum du meintest, der Vorsteher der Bäckerei sei nichts für deine Schwestern.“ Ob der Mann Fieber hatte? Selbst hier in der Halle wirkte er verschwitzt. Oder glänzte das Öl, das jeder trug? Dann hatte er wohl zu viel genommen. Und er unterhielt sich mit seinem Nachbarn, es handelte sich um Anchka, so, wie es ihr bereits gesagt worden war, über Usir. Hatte nicht dieser Fischer in Sau zu Ptahnacht gemeint und der das der Gruppe berichtet, dass in Djedu keine Fische gefangen wurden, weil sie diesem Gott heilig waren? Spielte das eine Rolle? Anchka jedenfalls antwortete, sichtlich auf gewisser Gewohnheit nur mit: „Ahja, das ist interessant, das wusste ich nicht….“ Und in ähnlichen Floskeln. Als der Bäcker einmal aufstand, blickte der Vorsteher der Öle erheitert zu seinem früheren Gruppenleiter und Meruka gab das Lächeln zurück, sicher, dass das hier jeden Abend so ablief. Eine Geduldsprobe für den armen Anchka, die allerdings wohl niemand außer diesem mit doch heiterer Gelassenheit ertragen hätte. Meruka selbst saß, wie es seiner Postition als Vorsteher der privaten Schreiber zukam, zwischen dem Palastleiter und Seneb, Er war sicher, dass Merimaat dies so angewiesen hatte, damit er mit ihm noch über den Weinanbau reden konnte. Sehr aufmerksam und gastfreundlich gedacht. So fand er sich in einem Gespräch über den Import von Harzen wieder. Bei dieser Gelegeneheit erkudigte er sich beiläufig-höflich nach der Familie seines Nachbarn. Seneb erstarrte unmerklich, ehe er erwiderte: „Sie leben in meinem Heimatdorf. Das ist nicht sehr weit von hier, direkt an der Sandküste des Großen Grün.“ „So sind sie gewiss bei ihren Bekannten und Verwendeten zufrieden.“ Es schien in der Tat so zu sein, dass die einfacheren Leute ungern ihre Dörfer oder auch Städte verließen. Auch Rahotep hatte so etwas über Chamaat und Djedu berichtet. Seneb zuckte ein wenig die Schultern. „Ich glaubte, das sei allgemein bekannt.“ „Ich verstehe nicht.“ Dem Vorsteher des Weines fiel wieder ein, wer der Mann war, mir dem er plauderte. Natürlich, der Stiefsohn des Königsbruders und Sieglers unterhielt sich selten mit solch einfachen Schreibern wie ihm. Unter Palastleiter machte der das kaum. Der hielt sich mutmaßlich für höflich und hatte wirklich noch nie etwas davon gehört, dass...nun, ja. Er sollte zusehen, dass der nicht Merimaat oder auch dem Siegler davon in Kenntnis setzte, wie eigenartig er sich benommen hatte. Tadellose Höflichkeit wurde von einem Beamten verlangt, der die Schreiberausbildung abgeschlossen hatte. „Verzeih. Ich habe meine Frau geheiratet, als ich noch in der Ausbildung war und es mir doch … unwahrscheinlich erschien, dass ich über die sieben Jahre im Haus des Lebens bleiben könnte. Ich hatte zugegeben, stets die Sorge, als unfähig zu gelten.“ „Das kann ich mir kaum vorstellen.“ Was war los? „Meine Frau ist eben aus dem Dorf, eine sehr einfache Frau, die sehr zufrieden ist, dass sie genug zu essen erhält und ab und an neue Kleider. Sie würde sich an einem solchen Platz sehr unwohl fühlen.“ „So ist es sehr freundlich, dass du darauf Rücksicht nimmst.“ Ja, eine einfache Fischertochter ohne Ausbildung mochte sich hier unwohl fühlen. Die anderen Ehefrauen stammten aus Beamtenfamilien, da musste er nur zu Djefadhor blicken oder an Baunefer in Sau denken, die es so einer ungebildeten Frau gewiss mehr als subtil unter die Nase reiben würde, hatte sie das doch sogar mit Merit versucht, die jedoch die Spielregeln kannte. „Ich bin ja nicht verheiratet. Irgendwie fand sich noch nicht eine passende Herrin meines Hauses.“ Er klang ein wenig entschuldigend, war es doch nicht seine Absicht gewesen Seneb zu blamieren. Vielleicht bevorzugte er darum auch Senebib vor seinen eigenen Söhnen, der freilich an diesem Essen nicht teilnahm. Waren die Fischer geworden, während ihr Vater die gewöhnliche Beamtenlaufbahn in Ibenu-Hedj absolvierte, ehe er hierher berufen wurde? Hatte Seneb es nicht vermocht eine Empfehlung für sie zu erhalten, so dass sie nicht Schreiber geworden waren? Chamaat war andersherum, ein einfacher Mann, der gerade seine Buchstaben schrieben konnte, sehr stolz auf seine Söhne und seine Heimatstadt und fast schon begeistert von dem Ortsgott Usir, genauer, von dessen Fähigkeit jeden einzelnen seiner Anhänger das ewige Leben zu geben. Als ob nicht jeder wusste, dass allein der lebende Horus, der Herr der beiden Länder dazu in der Lage war, für sich und sein Umfeld zu sorgen, wenn er aus seiner Pyramiden zu den Sternen aufstieg. Aber womöglich war das eben auch eine Stadtsage. In Ibenu-Hedj wurde Ptah verehrt, in Iunu Ra, in Nechen ebenso wie in Chem eine Form des Horus … es gab so viele von ihnen. Einfachere Leute hielten sich meist an das, was sie persönlich betraf, Schutz vor Krankheit, Seuchen oder bei Geburten bot. Tausret, eine Nildpferdgöttin, trug wohl ebenso jede Schwangere als Amulett wie den ungestalten Bes. Er sollte das Thema lieber wieder auf den Wein lenken, ehe der Mann aus dem Delta hier noch beleidigt war. „Ich hörte, es dauere einige Jahre bis man von den Weinstöcken Reben ernten kann?“ Seneb gab seine gewisse Erleichterung kaum zu erkennen. „Zwei, drei Jahre, gewiss. Aber je älter sie werden, desto besser tragen sie. Du musst nur darauf achten lassen, dass die Gestelle stabil genug gebaut werden. Hast du schon in einem Garten, natürlich, verzeih. Du kennst die Pergolen mit Wein? Blätter und Trauben wiegen schwer.“ „Ja, ich sah sie. Ah, das ist eine gute Idee, Seneb. Ich werde den Siegler des Königs um seinen Gärtner bitten, der ihm diese Weinlaube angelegt hat. So hat sich meine Unterhaltung mit dir wahrlich ausgezahlt. - Wenn zuerst so wenig Wein gepresst werden kann, was kann man mit ihm anfangen? Ich wage es kaum nur eine Amphore, nun gut, wenige, nach Ibenu-Hedj zu senden.“ „Du kannst auch nur Saft aus den Trauben pressen, unvergoren und mit Wasser verdünnen. Das schmeckt auch recht gut. Oder süße, getrockenete Datteln in die Ampore geben, das ergibt einen herrlichen Nachtisch. Oder aber, auch Ärzte suchen immer nach Wein, da sie viele Mittel, die sonst nicht gerade gut schmecken, darin verbergen. Ich bin sicher, der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, weiß, dass du Zeit für die Anzucht der Reben benötigst und er erst in Jahren davon kosten kann.“ Meruka stutzte. Genau, das war ihm zuvor aufgefallen, als e mit einem halben Ohr der Unterhaltung zwischen Anchka und Chamaat gefolgt war. Es war üblich nach dem Nennen des Königs die Formel er lebe, sei heil und gesund, zu ergänzen, aus Ehrfurcht vor dem Göttlichen Falken. Chamaat hatte das nicht getan. „Ich sehe, ich profitiere von deinem Wissen,“ erklärte er höflich. Ah, Merit und damit auch Nefer zogen sich zurück, sicher, um die Idee mit der Krankheit gegenüber Chamaat aufrecht zu erhalten. Er selbst sollte sich nun wieder an Merimaat wenden, der als Palastleiter ihm auch sicher einiges über die gegend oder auch den Garten erzählen konnte. Danch sollten seine Leute ihm berichten können. Anchka nicht, das konnte zu auffällig werden, da dieser ja immer getragen werden musste. Allerdings war es für Rahotep als Arzt einfach mit ihm zu reden und das dann weiter zu geben. Das würden sie beide wissen und er den Bericht bekommen, was hier beim essen geredet worden war und der Bäcker auch zu Rahotep genau gesagt hätte, Er musste eine Lösung finden, ehe der Herr der beiden Länder von ihm eine Antwort verlangte. Kapitel 19: Besprechung ----------------------- Es war schon dunkel, als sich Meruka und seine Mitarbeiter in dem engen Raum trafen, der ihm und Rahotep zugewiesen worden war. Es saß auf den Decken, die ihm hier zur Verfügung standen, Rahotep auf den seinen, Merit hatte sich nach Einladung neben den Vorsteher gesetzt, Nefer neben den Arzt. Ptahnacht hockte sich auf den Fliesenboden, nahe genug an der Tür, damit er wirklich wachen konnte. Zuerst berichtete die junge Dame aus dem ipet, was sie gehört hatte – eigentlich nichts, was die problematischen Morde betraf, aber ihr war klar, dass sie Meruka genau deswegen als erste aufgefordert hatte. Danach berichteten dieser und Rahotep, was sie in Erfahrung hatten bringen können – oder auch nicht, über Seneb, Senebib und Chaamaat. Nefer hatte an einer Stelle seines Vortrages gelächelt und so meinte Meruka danach: „Nefer? Was weißt du über Seneb? Oder Senebib?“ Die Frau aus dem Süden sah auf. „Ich habe, während Merit sich allein zurecht machte, viel Zeit in der Küche verbracht, mich umgehört, wie du es wolltest. Mir wurde gesagt, Chaamaat sei nicht gern hier, er wäre lieber, was er auch laufend betont, in seiner Heimatstadt Djedu, wo er offenbar Gottesdiener bei Usir ist. Er glaubt felsenfest daran, dass ihn dieser nach seinem Tod wieder aufleben lässt, also, ich meine, ohne den göttlichen Falken. Ansonsten kümmert er sich nicht um das restliche Personal. Bei jeder Gelegenheit, zu Feiertagen des Usir vor allem, reist er nach Djedu. Seine Aufgaben übernimmt dann hier sein Stellvertreter, ebenfalls gelernter Bäcker, kein Schreiber, aus Nechen. - Seneb, ja, er gilt als netter Vorgesetzter, er achtet auch auf die Vorräte der Küche und organisiert wohl auch kurzfristige Wünsche, wenn der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, anwesend ist. Kurz, er macht ihnen keine Probleme. Aber, da du seine Familie erwähntest, Meruka: er ist nicht mit einer Fischertochter verheiratet, sondern mit der eines Schweinehirten. Sie machen sich natürlich deswegen lustig.“ Das konnte sich Meruka vorstellen, sah jedoch, dass Merit irritiert wirkte. Natürlich, das Mädchen aus dem ipet, am Hofe erzogen. „Merit, Schweinehirten heiraten normalerweise untereinander. Sie gelten für … nun, sehr einfache Leute. Natürlich, ein Fischer und ein Schweinehirte… das mag angehen, aber für einen gelernten Schreiber ist diese Ehe eher unpassend. Eigenartig. Nefer, weißt du, warum er sie geheiratet hat? Er müsste da doch schon Schreiber gewesen sein.“ „Es war wohl … Nun, mir sagte eine kichernd, dass der älteste Sohn nur eine Jahreszeit nach der Heirat geboren wurde. Und da Seneb noch sehr jung gewesen sei, zwölf oder so. Wohl eine Pause in der Lehre und …“ Er hatte sich nichts dabei gedacht, sich wohl auch noch für zu jung gehalten. „So ist es kaum verwunderlich, dass er die Kinder aus dieser Ehe nicht fördert.“ Merit legte den Kopf schief. „Er könnte sich doch scheiden lassen.“ Sie sah, dass sie alle verwundert anblickten. „Oder, geht das nur in der königlichen Familie? Ich dachte …“ „Nein, eine Scheidung geht immer in gegenseitigem Einvernehmen,“ erklärte Rahotep eilig, bemüht sie zu schützen, da sie wirklich betroffen drein sah. „Aber ich wage zu bezweifeln, dass eine Frau, die mit einem Schreiber in königlichen Diensten verheiratet ist, so leicht zustimmt und lieber in ihr Elternhaus zurückkehrt.“ „Überdies,“ ergänzte Meruka sachlich. „Eine Scheidung ist eine teure Angelegenheit. Für den Mann. Die Ehefrau darf nicht nur die Frauensachen mitnehmen, also das, was sie in die Ehe gebracht hat, sondern erhält auch die Hälfte des Vermögens. Seneb wird als Schreiber in königlichen Diensten doch einiges angesammelt haben, das er nicht ohne weiteres teilen möchte. Ein Arrangement in gegenseitigem Interesse. Kein Wunder allerdings, dass er seinen alten Freund Senebib so fördert. Hast du noch etwas über ihn herausgefunden, Nefer?“ Diese zuckte die Schultern. „Keiner redet über ihn, obwohl sie ihn kennen, Ich hörte nur, er sei unverheiratet, keine Kinder. Er kommt anscheinend selten in die Küche.“ Meruka nickte. „Ptahnacht, was hast du erfahren?“ Der Wächter des Horus legte die Hände auf die Knie. „Zu Chaamaat – ich kann bestätigen, das er allen mit seiner Faszination für Usir auf die Nerven geht. Manchmal, sagte mir einer der Wächter, aber bedauerte das sofort, scheine es ihm, als wolle der unbedingt unsterblich werden, ohne an den Lebenden Horus zu denken….“ Ptahnacht schluckte unwillkürlich, was er da aussprach gehörte zu den Dingen, die einen in das isfed, die ewige Unordnung, das Nichts, schicken konnten. Meruka wusste dies, wusste auch, dass sein Mitarbeiter um sein Grab im Heiligen Bezirk fürchtet, sein Leben für die Ewigkeit im Schutz des Falken. „Weiter. Du sagst nur, was du hörtest.“ „Er scheint jedenfalls eigentlich nur mit den Arbeitern der Bäckerei und den anderen Vorstehern zu reden. Also müsste dir Anchka noch eher etwas mitteilen können. Zu Seneb, er ist ein angenehmer Vorgesetzter, wurde mir gesagt, immer ruhig und nicht hochnäsig. Was man von Senebib wohl weniger behaupten kann. Einer der Männer berichtete, dass er gern, wenn Seneb nicht dabei ist, den Vorsteher spielt und Befehle erteilt. Aber er ist nun mal Senebs rechte Hand und Freund und so sagt niemand etwas laut. Der Mann war auch nur so zornig, weil Senebib ihn zwei Mal persönlich angesprochen hat, weil er von dem Lehm, mit dem die Amphoren verschlossen werden nicht genug mitgebracht habe. Der Mann sagte, er mache das seit Jahren und sei sicher, das wäre genug gewesen. Solche Kleinigkeiten eben.“ Meruka nickte etwas und streifte unbewusst seine Kette mit dem sab-Amulett, Zeichen des Ermittlers. Ja, Kleinigkeiten. Aber er wusste aus langjähriger Erfahrung wie mühsam sie zusammengetragen wurden, wie viele Worte gewechselt werden mussten, um unauffällig zu bleiben. Zaubern konnte keiner seiner Mitarbeiter. „Sagte er zufällig, was das für Amphoren gewesen waren?“ „Aus der Weinherstellung, denke ich. Du weißt schon, diese eingelegten Datteln. Da kommt der Lehmverschluss drüber und dann das Siegel des diensthabenden Beamten.“ „Richtig. Und genau das ist Senebib doch nicht. Dann lässt ihn Seneb sein Siegel führen? Das wäre ein Verstoß gegen die Dienstvorschriften.“ „Das könnte ein Zeichen des Vertrauens sein,“ gab Rahotep zu bedenken. „Wenn er aus irgendeinem Grund ausfällt, übernimmt sein Freund. Und er vertraut ihm genug, dass der ordnungsgemäß überprüft, was und wie viel sich in den Amphoren befindet.“ „Ziemlich viel Vertrauen,“ erwiderte Meruka. „Der, der das Siegel in den Lehm drückt, haftet auch, wenn es sein muss, mit dem Leben.“ „Sie kennen sich vermutlich ihr Leben lang.“ Merit seufzte etwas. „Es wäre auch zu schön, wenn jemand sagen würde, da, er hat die Datteln vergiftet.“ „Nein.“ Nefer lächelte. „So einfach wird es uns nicht gemacht. Überdies: soweit ich weiß, werden die Datteln getrocknet und dann in den Wein gefüllt, sorgfältig abgezählt. Wie sollte man da welche vergiften.“ Meruka nickte. „Das stimmt. Ich werde einen Moment nachdenken, ihr könnt euch unterhalten.“ Ohne weiteres Wort legte er sich auf die Bettstatt, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und schloss die Augen.   Drei Verdächtige, zwei Vorsteher mit dunklen Schatten, ein Helfer, ja, Stellvertreter ohne Schreiberausbildung, dem das anscheinend zu Kopf stieg. Aber wer? Und warum? Chaamaat? Der Vorsteher der Bäcker glaubte offenkundig inbrünstig an den neuen Stadtgott von Djedu und verehrte ihn sehr, ja, war Priester. Hatte das etwas zu besagen? Er würde gern in seine Heimatstadt zurück, wollte aber offenkundig auch nicht diese wohl bestallte Aufgabe in einem königlichen Palast aufgeben. Hatte er darum Gift in Speisen getan, die dann als Ehrengeschenk des Horus weitergeleitet wurden? Um zu beweisen, dass sein Gott mächtiger als der himmlische Falke war, dessen Geschenke den Tod brachten? Aber wie? Getreide wurde immer in Körnerform ausgeliefert – und wie sollte man damit einzelne Personen vergiften können? Und, mit welchem Gift? Die Ärzte waren ratlos und selbst die tscheref-Krankheit, die aus dem Genuss von verdorbenem Getreide herrührte, war es nicht gewesen. Seneb? Auch hier – Salböle und Wein. Eigentlich unmöglich nur einen Teil zu vergiften. Überdies hatte Seneb die Schreiberausbildung genossen, war also durch Förderung und Talent vom einfachen Fischerjungen bis zu einem Vorsteher in einem königlichen Palast aufgestiegen. Welches Interesse sollte er daran haben irgendwelche einzelnen Leute irgendwo im Delta zu töten? Überdies, gab Meruka sich selbst zu, glaubte er nicht, dass ein ausgebildeter Schreiber so wahllos töten würde. Man lernte in der Ausbildung ja eben nicht nur Schreiben, lesen, Mathematik, sondern erhielt auch eine Ausbildung in Benehmen und Kultur. Vielleicht auch nur ein Vorurteil. Dennoch: es war unmöglich, eine Amphore Wein stückweise zu vergiften. Doch ein Versehen in der Herstellung? Aber, warum nur eine Person? Ja, Kinder, denen nun wirklich kein Wein gegeben wurde? Senebib? Der gute, treue, Freund? Er war wie Chaamaat nicht ausgebildet, aber besaß sicher gewisse Fähigkeiten. Ganz ohne Grund hatte Seneb ihn kaum hergebracht und gefördert. Überdies konnte er gewiss mit Siegeln umgehen und einige Zeichen, die zur Markierung notwendig waren. Dass dem das ein wenig zu Kopf gestiegen war und er nun auf einfache Arbeiter hinabblickte – nun, das war möglich, um nicht zu sagen, üblich. Was war es nur, was ihm entfallen war? Irgendetwas lauerte unter der Oberfläche seines Bewusstseins, wie Sobeks Freunde im Wasser.   Die zwei betroffenen Kinder aus einer Familie. Die Kinder waren ein Schlüssel zu dem Rätsel. Und? Datteln. Datteln in Wein? Sie waren bei jedem Todesfall dabei gewesen, oder? Er richtete sich abrupt auf. Seine Mitarbeiter, die Merit inzwischen nach dem Ablauf der Festivitäten der nächsten Tage ausgeforscht hatten, schwiegen sofort und blickten ihn an. „Merit,“ meinte er nachdenklich. „Wenn Kinder mitessen und es Datteln in Wein eingelegt gibt, bekommen sie sie?“ „Nicht den Wein, soweit ich weiß,“ antwortete das Mädchen aus dem ipet prompt. „Aber natürlich die süßen Datteln.“ Zumal, wenn es sich um ein Ehrengeschenk des Horus handelte. Hm. „Rahotep, was könnte man in den Wein geben, das so ähnlich aussieht wie getrocknete Datteln, aber giftig ist? Und nur im Delta wächst?“ Der Arzt schien überrascht, schließlich hatten sie das Thema die letzten Tage öfter besprochen, aber diesmal war die Frage klarer. „Nichts, soweit ich weiß. Die Datteln werden getrocknet und eingelegt, sie bleiben die ganze Zeit in der Amphore, bis sie geöffnet wird ….Oh.“ „Senebib?“ fragte Ptahnacht prompt. Meruka zuckte ein wenig die Schultern. „Er versiegelt Amphoren mit dem Siegel SEINES Vorgesetzten, was er eigentlich streng genommen nicht darf. Und er schickte den Arbeiter hinaus.“ „Und, das ärgerte den Mann am Meisten, auch noch den Hilfsschreiber, der ihn überwachen sollte,“ fügte der Wächter des Horus hinzu. „Er war allein. Bei einigen offenen Amphoren.“ Meruka holte tief Atem. „Um Neiths Willen.“ Rahotep schloss die Augen. „Du hast recht gehabt, Meruka. Bauern heilen sich selbst, gerade die Frauen wissen viele Heilpflanzen, die auch Ärzte verwenden. Hier im Deltawachsen überall Meerzwiebeln, sie schützen magisch, Ärzte und wohl auch Bauern verwenden sie gegen Schlangen- und Hundebisse .. und so. Aber Seneb und Senebib stammen doch direkt von der Meeresküste. Dort wachsen auch so genannte rote Meerzwiebeln. Sie unterscheiden sich in der medizinischen Anwendung nicht, auch nicht im oberirdischen Wuchs, nur in zwei Sachen. Einmal ist die Schale der unterirdischen Zwiebel weiß, das sind sicher die meisten, einmal rot. Ihre Schalen, also, die roten, äußeren, Hüllen, werden von den … Bauern als Gift ausgelegt gegen Mäuse und Ratten in den Vorräten.“ „Im Wein fällt das kaum auf,“ meinte Nefer langsam. „Und gut, wenn ich davon ausgehe, dass eine Meerzwiebelschale ähnlich einer Gemüsezwiebelschale ist, nur größer, glaube ich kaum, dass man vollgesogen einen Unterschied zu einer getrockneten und dann mit Wein vollgesogenen Datteln bemerkt. Zumal, wenn das der Abschluss eines Festessens ist.“ Und alle schon satt, müde und abgespannt waren. „Aber…“ Merit sah erschrocken aus. „Das würde ja bedeuten, dass es ihm vollkommen gleichgültig war, wer zufällig diese Zwiebelschale isst … Oder wird das Gift nicht im Wein gelöst und verdünnt, oder wie man das nennt?“ „Ich hätte es bis eben auch gedacht,“ erwiderte Rahotep. „Aber es kann auch sein, dass es nur tiefer eingeschlossen wird. Ich weiß es nicht, dazu gibt es kein Papyrus.“ „Senebib hätte Gelegenheit dazu,“ erklärte Meruka. „Und ehrlich gesagt, die beste Gelegenheit aller Drei. Das Motiv ist rätselhaft, denn ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass er zugunsten Senebs morden will – die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass dieser zu einem Stadtvorsteher befördert wird, selbst, falls jemand stirbt. Und, da er ja offenkundig auch in Kauf nahm, dass Unbeteiligte starben … Das Motiv ist mir rätselhaft, Aber, denkt an unseren letzten Fall – irregeleitete Vaterliebe trieb einen Haushofmeister und Beamten zu Morden. Dennoch wage ich zu bezweifeln, dass solche Motive sonderlich häufig sind. Es müsste schon etwas pragmatischeres sein, wie, dass er selbst befördert wird. Aber er müsste inzwischen gelernt haben, dass er als ungelernter Schreiber kaum höher steigen kann.“ „Außer im Gefolge seines Freundes, denn der würde ihn doch mitnehmen,“ warf Merit augenblicklich ein. „Ja, aber Seneb wiederum sollte klar sein, dass er als Vorsteher in einem königlichen Palast wahrlich schon viel erreicht hat.“ „Wen alle Leute so denken würden wie du, gäbe es keine Mörder.“ Ptahnacht lächelte. „Fangen wir doch mal anders an. Nicht, was ist sein Ziel, sondern warum will er einfach so Menschen töten? Weil es ihm Spaß macht?“ „Du hast recht. Vage Vermutungen bringen nichts. Nehmen wir das, was wir haben. Mehrere Todesfälle an Frauen, Männern und Kindern quer durch das Delta, jedoch immer in der Familie des Stadtvorstehers. Das ließ die Annahme zu, dass es sich um Gaben aus diesem Palast handelt, da das die einzige Ursache ist, die es möglich macht, dass stets nach Essen die Krankheiten und schließlich Todesfälle passieren. Überdies glaube ich kaum, dass alle Vorfälle gemeldet wurden. Wurde jemand gesund, hat der zuständige Arzt das kaum nach Ibenu-Hedj in das Lebenshaus gemeldet. Was hat jemand davon – außer das unbestimmte Gefühl der Macht über Leben und Tod?“ Der Arzt sah zu Boden. „Meruka, ich sage es ungern, aber könnte das eine Probe gewesen sein?“ Alle starrten ihn an, nur der Vorsteher fragte: „Kannst du das genauer erklären?“ „Nun, jemand tötet eine Reihe von Menschen, um zu sehen, ob das Gift wirkt. Unauffällig wirkt. Auch hier im nördlichen Palast kann man sicher über Dep oder Djedu in Erfahrung bringen, ob einige Stadtvorsteher selbst starben oder ihre Verwandtschaft. Bedenke, dass auch die Beamten von hier öfter in Dep sind, gerade die Frauen auch viel reden. Nun, nicht nur. So erfährt er, dass es funktioniert hat, ja, niemand an Mord denkt. Und er kann den eigentlichen Plan umsetzen.“ „Noch mehr Menschen zu töten?“ fragte Meruka ungläubig. „Dann bliebe immer noch die Frage, was er von einem Massenmord hat, unabhängig davon ob Senebib oder wer anders.“ „Ich dachte nicht an Massenmord,“ murmelte Rahotep unglücklich. „Eher an eine Einzelperson, die auffällt, oder er gar ein Motiv hat.“ „Merimaat, zum Beispiel,“ schlug Merit vor. „Er hat einen Sohn,“ antwortete Nefer prompt. „Der jetzt schon hier arbeitet und gewiss zum Palastleiter ernannt wird.“ „Das meinte ich nicht.“ Das Mädchen aus dem ipet zuckte ein wenig die schmalen Schultern. „Angenommen, Palastleiter Merimaat stirbt nach einem Essen mit der Familie seines Sohnes. Wenn Merimaat der Jüngere auch nur im Verdacht steht seine Hände im Spiel gehabt zu haben, seinen Aufstieg zu beschleunigen, wird er im besten Fall nicht befördert, sondern degradiert.“ „Und einer der anderen Vorsteher übernimmt vorübergehend den Posten, womöglich, wenn er sich bewährt, auf Dauer.“ Meruka dachte an die Regeln in der Beamtenschaft. „Dann kämen von den jetzigen Vorstehern alle außer Chaamaat in Betracht, der ja kein Schreiber ist.“ „Aber Seneb. Und Anchka. Und die alten Herren, die momentan in Ibenu-Hedj waren und jetzt mit der königlichen Flotte anreisen,“ ergänzte Nefer. „Nun, Anchka ...ich kann ihn mir wirklich nicht als Mörder vorstellen.“ „Außerdem muss ein Palastleiter reisen und viel unterwegs sein,“ erklärte der Ermittler sofort. „Nein, Anchka kann man sicher ausschließen, aber die von dir so genannten alten Herren auch, eben weil sie schon ein fortgeschrittenes Lebensalter haben und das Ende ihrer Laufbahn. Es wäre eine Ehre für sie zum Palastleiter ernannt zu werden, aber sicher kaum praktikale, zumal in diesem Palast, im Unterschied zu den neuen in Abu und anderswo, auch altehrwürdige Riten stattfinden, der Herr der beiden Länder häufig hier ist und viel organisiert werden muss. Seneb wäre durchaus in der Position zumindest vorübergehend die Stelle zu übernehmen, sich zu bewähren. Hm. Senebib würde vermutlich alles tun, sowohl, um was der ihn bittet, als auch für den. Moment.“ Er wirkte jäh angespannt und seine Mitarbeiter starrten ihn an. Endlich meinte Ptahnacht: „Würde es dir viel ausmachen, uns an deiner Erkenntnis teil haben zu lassen?“ „Unter der Voraussetzung, dass diese Morde wirklich nur ein Probelauf waren und der eigentliche Schlag noch bevor steht – solche Mühe und solche, wahrlich vielen, Opfer, deuten darauf hin, dass bei der eigentlichen Tat nichts schief gehen soll und darf, dass niemand auch nur an Mord denken soll. Großer Aufwand spricht immer für Wichtigkeit des Zieles.“ Merit schlug instinktiv die Hände vor den Mund, brachte jedoch hervor: „Der Lebende Horus kommt mit Gefolge.“ „Das ist doch verrückt!“ Ptahnacht war der erste, der sich fing. „Ich meine, selbst wenn Seneb oder Senebib das Undenkbare planen würden – was sollten sie denn davon haben? Du, Merit weißt doch am Besten, dass es einen Thronfolger gibt und noch einen zweiten Sohn. Überdies – sie könnten doch nie davon ausgehen, dass jemand von ihnen Herr der beiden Länder, Horus auf dem Thron der Lebenden wird!“ „Das ist wahr.“ Die Stimme des Arztes klang ruhig wie immer. „Aber vielleicht sehen wir auch den Halm im Schilf nicht. Senebib darf das Siegel des Vorstehers führen, also wäre nie gesagt, ob er das aus eigenem Antrieb oder weil Seneb es ihm sagte, tat. Bedenke, sein Name bedeutet nicht nur Senebs Herz, sondern auch Senebs Wille. Er würde vermutlich alles für seinen Freund tun. Übrigens scheint er sich ja für fast so etwas wie einen Vorsteher zu halten und wird von den Arbeitern auch wie ein solcher behandelt. Er müsste in der Tat verrückt sein, das ohne guten Grund aufs Spiel zu setzen. Aber, falls diese Morde keine Probe waren … was waren sie dann?“ Meruka nickte. „Gehen wir einmal davon aus, dass wir nicht wissen, was der Mörder erreichen wollte, ja, schon die ganze Zeit herumraten. Fangen wir also einmal an von den Zielen auszugehen, die der Mörder erreicht HAT.“ „Eine Reihe von Menschen sind tot, alle aus den Familien der Stadtvorsteher.“ Aber Nefer klang verständnislos. „Ja. Und alle starben nach dem essen oder trinken von einem Geschenk des Horus. Falls das so bekannt würde, wäre der Name des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, beschädigt, ja, geschändet. Gehen wir einmal davon aus, das sei das eigentliche Ziel gewesen und der Täter unterschätzte die Ärzteschaft. Das würde auf Rache als Motiv deuten. Nur, wofür sollte sich Seneb rächen wollen? Für die Schreiberausbildung? Für seinen Aufstieg zum Vorsteher eines Palastes, ja, des ältesten königlichen Palastes? Von Senebib ganz zu schwiegen, der nur im Gefolge seines Freundes als ungelernter Schreiber so weit aufsteigen konnte. Gar Chaamaat, der so treu seinem Gott dient? Wünscht der einen Gott durch einen anderen zu ersetzen? So undenkbar es uns auch scheinen mag?“ „Nun ja,“ sagte Nefer. „Vor allem, weil die Zwei aus dieser Gegend stammen und nicht so weit nach Hause haben. Ich persönlich wäre lieber mindestens in Ibenu-Hedj, oder noch lieber weit im Süden, da, wo ich herkomme.“ „Ein Schreiber geht dorthin, wo ihn sein Gott braucht,“ tadelte Meruka sofort. „Das lernen wir alle, und wir werden unterschiedlich eingesetzt. Ich war schon bei Feldzügen dabei, andere bauen, organisieren Expeditionen in die Wüsten, was auch immer notwendig ist. Und, diese einfachen Beamten, wie Seneb, werden eben in der zweiten Verwaltungsebene eingesetzt.“ „Ja,“ sagte Rahotep. „Aber, er war doch in der Ausbildung in Ibenu-Hedj. Wie wäre es, wenn er dort viel lieber wäre, als hier, in den Papyrusmarschen, sei es auch einem königlichen Palast, weil er hoffen darf, dort in der Verwaltung höher, anders, aufzusteigen? Gefördert zu werden? Zumal dann seine, ich nenne es einmal, ungeliebte Familie, die er wohl am liebsten vergessen würde, weiter ist? Bedenke, Chaamaat besucht regelmäßig seine Familie in Djedu, sicher auch um seinen Pflichten als Gottesdiener nachzukommen, aber er erwähnt seine Söhne, seine Tochter im Gespräch. Seneb tut das nie.“ „Wir brauchen Beweise,“ beschloss Meruka. „Ptachnacht, leg dich etwas hin, Nefer, Seneb und Senebib schlafen bereits in einem Raum, in dem Haus hinter der Küche. Ich zeige es dir. Bleib bis zum Morgen unauffällig bei ihnen vor der Tür, dann löst dich Ptahnacht ab. Merit, du kommt allein klar?“ „Ja, danke,“ sagte das Mädchen aus dem ipet, erfreut, dass er an sie dachte. „Du redest bei der Mundwaschung…“ Beim Frühstück: „Mit Merimaat dem Jüngeren und seiner Familie, wie die zu Seneb und Senebib stehen. Rahotep, mit der königlichen Flotte wird in wenigen Tagen auch Nianchnisut, der Arzt aus Dep hier ankommen. Rede mit ihm, versuche aber auch vorher schon herauszufinden, an welcher Krankheit Chaamaat leidet. Er muss krank sein.“ Er war amüsiert, ja, fast geschmeichelt, dass niemand fragte, was er tun wolle. „Wir treffen uns morgen nach dem Mittagessen wieder hier. Und seid unauffällig.“ Kapitel 20: Herumschleichen --------------------------- Nach dem Frühstück ging Meruka nicht, wie er eigentlich geplant hatte, zu Anchka, um mit seinem ehemaligen Mitarbeiter zu reden. Er hatte eine ziemlich durchwachte Nacht hinter sich. Wenn er doch einmal einschlummerte, träumte er von Lattich. Das verstand er nicht. Zwar hatte es gestern zum Abendessen auch Lattichsalat gegeben, aber er hatte, wie es sich einem hohen Beamten ziemte, nicht allzu viel davon gegessen. Warum nur war ihm so flau im Magen? Immerhin schien es auch Chaamaat nicht besser zu gehen, denn der oberste Bäcker hatte heute noch elender ausgesehen und leise mit Rahotep gesprochen. Vermutlich wollte er einen Termin bei dem königlichen Arzt. Nun, dann würde er mehr oder weniger erfahren, was der hatte. Er schritt aus dem alten Palast, ohne die kunstvoll bemalten Säulen oder Decken auch nur wahrzunehmen,, Im vorderen Hof herrschte rege Betriebsamkeit, Ladungen kamen an und wurden eilig verteilt, die Pflanzen und Bäume gegossen. Er wandte sich aus dem Tor zu einem Pfad, den er von früheren Besuchen kannte und spazierte entlang des Flusses. Hier war ein Damm aufgeschüttet worden, zwischen dem eigentlichen iteru und einem künstlichen See, der für Rituale wie eben die Flusspferdejagd benötigt wurde. Weiter vorne, wenn man den Damm weiter entlang ging, lagen noch Felder, die ersten Domänen, die den Palast belieferten. Dahinter folgten die vogel- und fischreichen Marschen, Papyrusdschungel, in denen sich auch allerlei andere Tiere verbargen. Hier, so nahe am belebten Ufer, wo Fischer- und Lastboote fuhren, wagte sich kaum eines der gefährlichen Tiere her, aber er behielt dennoch die Gegend im Auge. Immerhin spazierte er hier zu dieser Morgenstunde allein, aber er hoffte den Kopf ein wenig frei zu bekommen. Warum nur hatte er dauernd an Lattich denken müssen? War der ihm nicht bekommen und sollte er sich besser von Rahotep noch einen Trank zubereiten lassen? Aber niemand anderer schien sich schlecht zu fühlen und alle hatten doch von den gemeinsamen Platten genommen. War es etwa das, dem bereits so viele Menschen zum Opfer gefallen waren? In dem künstlichen Teich zog einsam ein Boot seine Kreise. Vermutlich wurde überprüft ob es passend war, wenn der Herr der beiden Länder in wenigen Tagen hier eintraf – oder gar einer von Sobeks Freunden sich hier eingeschlichen hatte. Es gab die Sage, dass ein früherer Horus einem der Krokodile bei diesem Ritus zum Opfer gefallen war, das sollte natürlich nicht mehr passieren. Er blieb stehen. Sobeks Freunde. Ja. Und der Lattich war dem Min, dem Gott der Fruchtbarkeit, heilig. Min. Der Gott hatte ihm eine Nachricht geschickt und er war zu töricht gewesen sie zu verstehen. In Sau war die Besatzung der Mins Stolz der Unterschlagung bezichtigt und verhaftet worden, nachdem Ptahnacht mehr als unschöne Bekanntschaft gemacht hatte. Er selbst und der adjmer von Sau, Merigeb, waren überein gekommen, dass die Mannschaft von einem Beamten hier im Palast bestochen worden war, der freilich nicht zu den obersten Riegen gehören sollte. Nun, Kanefer und Djedi würden erst mit dem Hof hier wieder anreisen. Anchka konnte er auch ausnehmen. In einem Aufgabenbereich wie dem seinen lernte man Mitarbeiter schon durch das enge Zusammenleben sehr gut kennen. Gleich. Den Namen dieses Anstifters würde Merigeb und damit der tjati sicher schon kennen, denn die Schiffer würden kaum schweigen. War dieser Mann auch mit dem Mörder identisch? Eigentlich wären zwei Verbrecher in einem königlichen Palast fast zu viel, andererseits – bei der Unterschlagung war es um Wohlstand gegangen, Waren, die man auf dem Markt leicht eintauschen konnte. Was der Mörder wollte, stand ja immer noch nicht fest – aber kaum Wohlstand. Hingen diese beiden Fälle irgendwie zusammen? Wenn ja, wie sollte man das beweisen? Den Anstifter fragen, wenn der tjati im Auftrag des Herrn der beiden Länder ihn festnehmen ließ? Möglich. Aber für Unterschlagung erhielt man Schläge, musste drei oder vierfachen Schadensersatz zahlen, endete womöglich in den Granitminen im Süden, aber man lebte. Bei mehrfachem Mord war nicht nur das jetzige Leben beendet, sondern auch das ewige. Jeder Denkende sollte das vermeiden wollen und da schweigen. Nun gut, wenn der Kerl daran denken würde, hätte er keine Vergiftungen geplant. Und er hatte da immer noch Senebib im Blick, denn von dem wussten sie sicher, dass er allein mit den Amphoren gewesen war, unter einem mehr als durchsichtigen Vorwand. Angenommen, Senebib als Vertreter des Leiters der Salböle und des Weines, war tatsächlich der Mörder – warum sollte er eine Schiffsbesatzung dazu bringen Güter des Horus zu unterschlagen? Der Ranghöhe nach würde er passen, aber … Irgendetwas stimmte da doch nicht. Diese Beamten und ihre Stellvertreter kannten einander, arbeiteten, wenn man von den Zweien absah, die immer wieder in die Residenzstadt reisten, jeden Tag miteinander … Sie kannten sich. Und doch war niemandem aufgefallen, dass sich einer gemein mit Schiffern machte. Weil es zu seiner Arbeit gehörte? Das war möglich bei den Auslieferungen des Weines, der Öle, ja, aber auch des Getreides. Hm. Wie hieß eigentlich der Vertreter von Chaamaat? Er stammte aus Nechen, hatte jemand erwähnt, aber er konnte sich nicht entsinnen, dass der Name gefallen wäre. Das sollte er erst einmal herausfinden, mit ihm reden. Meruka drehte auf dem Damm um.   Im Hof ließ ihn sein Name sich umsehen. Rahotep kam eilig heran, die Arzttasche bei sich. „Ein königlicher Schnellruderer kam und rief mich nach Dep. Die maat-hor ist erkrankt, offenbar so ernst, dass der Oberste der Ärzte mich dazu ziehen will, wohl alle Ärzte, die sich hier befinden. Chaamaat bat mich zuvor um Medizin, ich habe sie ihm gegeben, er wird Durchfall bekommen, sollte aber morgen wieder gesund sein und arbeiten können. Er bat mich, das seinem Stellvertreter, einem gewissen Menkauchnum zu sagen, auf dem Weg traf ich den Boten. Ich muss zum Schiff, aber ich denke, du wirst es dem Mann mitteilen können.“ „Ja, natürlich.“ Die maat-hor schwer erkrankt? Das würde den Herrn der beiden Länder in seinem menschlichen Anteil treffen, denn bis auf seine beiden Halbbrüder hatte Horus Quahedjet nur sie, die auch den Menschen im Gott sehen konnten und durften. Andererseits – sie war schon über vierzig und hatte zehn oder sogar mehr Geburten überlebt ... Irgendwann musste man die Reise gen Westen antreten. Zugleich dachte er in gewisser Hoffnung daran, dass womöglich die Reise des Hofes in Dep innehielt, um sie zu pflegen – er also etwas mehr Zeit bekam das Rätsel zu lösen. Aber dann schalt er sich einen Narren. Natürlich würde niemand den uralten Ritus verschieben nur wegen der Krankheit eines Menschen, handele es sich auch um eine königliche Gemahlin. Überdies hatte sie hier im Palast gewiss mehr Komfort als in dem des Statthalters in Dep. „Wo kann ich ihn finden?“ „Ich vermute in der Bäckerei, dort drüben. Wir sehen uns, wenn der Lebende Horus hier eintrifft, denke ich.“ „Viel Erfolg, Rahotep.“ Meruka wandte sich um. Er musste zwei Mal fragen, ehe er in einem Raum nahe der Bäckerei den Gesuchten fand, der auf dem Boden saß und offenkundig Abrechnungen tätigte, denn er pinselte Zahlenzeichen auf einen Papyrus. War Menkauchnum etwa ein Schreiber? Kaum, denn Chaamaat war keiner und niemand würde einen ausgebildeten Schreiber unter einen angelernten setzen. Vermutlich war der Vertreter nur sehr gut angelernt worden. „Ich bringe dir Grüße von Chaamaat. Der Arzt gab ihm Medizin, er sollte morgen wieder gesund sein.“ „Ah, gut.“ Der um die Dreißig zählenden Mann schob etwas die Perücke zurück, um den vor ihm Stehenden betrachten zu können. „Danke, aber ….du bist doch Meruka, oder? Der Vorsteher der königlichen Schreiber?“ „Ja.“ Natürlich war solch ein Botengang nicht seine Aufgabe und so erklärte er rasch: „Ich traf den Arzt auf dem Hof und er bat mich es dir mitzuteilen, da er auf königlichen Befehl nach Dep gerufen wurde.“ „Gut. Ich danke dir. So kann ich jetzt in Ruhe die Runde machen und überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Bislang habe ich ja auf Chaamaat gewartet.“ Er stand auf. „Die Brote, die heute auf den Tisch kamen, waren frisch, keine Sorge. Aber natürlich ist viel zu tun, wenn der Lebende Gott kemets mit dem Hof anreist.“ „Oh ja. Und ich bin wirklich froh, wenn Chaamaat morgen wieder arbeiten kann. Er ist gelernter Bäcker und sieht doch jeden Fehler, sogar in den Formen.“ „So bist du kein Bäcker?“ Meruka bemühte sich nur höflich zu klingen, als er mit dem Vertreter aus der Hütte trat. „Nein. Ich wäre gern Schreiber geworden, aber als ich einen Förderer fand, war ich bereits zu alt. Dennoch gelangte ich in den königlichen Haushalt. Nun, mein Sohn wird es besser haben.“ „Ohne Zweifel, zumal ja auch Plätze an der neuen Schule in Iunu frei sind.“ Meruka bemerkte, dass der Mann nur nickte, sich jedoch in seiner Gegenwart sichtlich unwohl fühlte. Wollte er nur arbeiten gehen, das war möglich, oder gab es einen anderen Grund? Er musterte Menkauchnum noch einmal rasch, aber intensiv. „So überlasse ich dich deiner Pflicht.“ „Danke. Und danke für die Mühe, die du dir gabst.“   Kurz darauf saß er neben Anchka. Der Leiter der Öle hatte seinen Helfer hinausgeschickt und sah jetzt neugierig zu seinem ehemaligen Vorgesetzten. „Was willst du?“ „Anchka, will ich immer etwas von dir?“ „Ja, wenn du zu mir kommst und an einem Fall arbeitest. Um wen geht es?“ „Menkauchnum. Was weißt du über ihn?“ „Er ist Chaamaats Vertreter in der Bäckerei, stammt aus Nechen und wurde vom dortigen Statthalter zunächst in Ibenu-hedj, dann hier untergebracht. Er ist verheiratet, hat drei Söhne. Die Familie lebt in Dep. Er ist kein Schreiber, also, hat nicht die Schreiberschule durchlaufen, aber Chaamaat ja auch nicht. Sonst recht unauffällig, bemüht. Ich vermute mal, er will, nachdem sein Vorgesetzter sich zur Ruhe gesetzt hat, den Posten übernehmen, zumal dessen Söhne ja in Djedu sind und dort die städtische Bäckerei leiten. Und Chaamaat wird bald dorthin zurück kehren, das sagt er immer wieder. Er ist gesundheitlich nicht auf der Höhe. War Rahotep bei ihm? Dann wird es ihm wieder besser gehen, aber der nächste, ja, Anfall kommt gewiss. Er hat immer irgendeine Krankheit, immer wieder auch Fieber. Die Ärzte heilen ihn, aber dann kommt wieder etwas.“ „Ja, solche anfälligen Menschen gibt es. Ich habe Menkauchnum zufällig getroffen. Mir fiel auf, dass er recht reichen Schmuck trägt, selbst jetzt bei der Arbeit drei Reihen um den Hals. Hofmode, aber nicht für den Tag.“ Anchka dachte nach. „Stimmt, aber das trägt er immer, also sicher, seit ich hier bin. Ich dachte eigentlich an ein Ehrengeschenk, sei es des Herrn von Nechen oder gar des Sieglers oder so.“ Ja, das war natürlich möglich, auch, wenn man, zumindest als versierter Höfling oder hoher Beamter, solche Ehrengeschenke eben nur zu besonderen Gelegenheiten trug. Aber musste das ein Mann wissen, der keine Ausbildung durchlaufen hatte? Er war sicher stolz auf eine solche Auszeichnung und wollte sie allen zeigen. „Wie kommt er mit Chaamaat zurecht? Für den, gerade falls er öfter krank ist, mag es schwierig sein jemanden an der Seite zu haben, der nur auf seinen Rückzug wartet.“ „Und der schon des Öfteren auch vor aller Ohren gesagt hat dass er diese Reden über Usir von Djedu nicht mehr hören kann. Sogar Senenib, der ihm ja gleichrangig ist, fand das unpassend. Aber ich glaube, der mag diese Geschichten von Djedu gern, ich hörte einmal, wie ihm Chaamaat erzählte, dass der Gott Usir starb, ja, ermordet wurde von seinem Bruder und von seiner Gemahlin wieder belebt wurde und das nun bei allen Menschen machen könnte. Was natürlich unsinnig ist, denn nur der Lebende Horus kann mittels seiner Pyramide zu den unvergänglichen Sternen aufsteigen und sein Gefolge mitnehmen.“ „Nicht zu vergessen all jene, die am Bau der Pyramide mitgewirkt haben,“ ergänzte Meruka unbewusst, da bereits in Gedanken. „Senenib und Chaamaat? Sind sie befreundet?“ „Nein, das nicht, das ist Senebib nur mit Seneb. Also, sie sind fast unzertrennlich. Aber Senebib hört sich wohl gern Geschichten an und da ist Chaamaat eine unerschöpfliche Quelle, zumal ihm sonst ja praktisch niemand zuhört und sein eigener Stellvertreter schon gar nicht.“ „Menkauchnum stammt aus Nechen, er sollte also an den Schutz des Horusfalken glauben.“ „Ja. Wobei, Meruka, du hast recht.“ Um den Mund des königlichen Schreibers zuckte nach einer langen Pause ein amüsiertes Lächeln. „Ich weiß, Anchka. Warum nur diesmal.“ Der gelähmte Mann grinste. „Entschuldige. Irgendwie glaube ich immer, dass du alles sowieso schon weißt. Der Schmuck … Menkauchnum trägt die drei Reihen jeden Tag, ja. Aber, wenn ich mich recht entsinne, als vor einigen Monaten der tjati hier war um nach dem Rechten zu sehen und Djedi und Kanefer mit sich nahm, gab es natürlich ein Festessen. Und da trug er auch einen Armreif, der ...nun, sagen wir, der teurer war als der, den mir der Siegler aufgrund meiner Verletzung als Dank überreichte. Er bestand aus Silber. Stimmt. Woher hat ein Mann, der nicht einmal Schreiber ist, geschweige denn eine auffällige Tat getan hat, solchen wertvollen Schmuck?“ „Zumal Silber nur dem Lebenden Gott zur Verfügung steht. Ich denke, ich weiß, wer die Mannschaft der Mins Stolz angestiftet hat. Er möchte mit euch ausgebildeten Schreibern mithalten, aber natürlich nicht auffallen. Jeder von euch hielt es für ein Ehrengeschenk, das er eben voller Stolz trägt. Aber er war recht nervös als ich mit ihm sprach, viel nervöser als Senebib, übrigens. - Danke, Anchka. Ich will dich nicht länger aufhalten. Morgen oder übermorgen trifft der Lebende Gott ein.“ „Ja. Und jeder möchte dann Öllampen gefüllt vorfinden und die Küche benötigt Öl. Ich muss noch ein wenig kontrollieren.“   In seinem Zimmer fand er seine restlichen drei Mitarbeiter vor. Er ließ sich nieder. „Rahotep wurde nach Dep gerufen, da die maat-hor erkrankt ist.“ Merit erschrak. „Ernst, dann?“ „Mehr weiß ich nicht. Nefer, Ptahnacht, was war mir Seneb und Senebib?“ „Sie haben den Raum nachts nicht verlassen,“ sagten beide unisono, ehe der Wächter des Horus fortfuhr: „Heute morgen erst, ins Badezimmer, dann zum Frühstück, wo du sie sicher gesehen hast. Anschließend gingen beide an ihre Arbeit, kontrollierten die Vorräte, wiesen Sachen der Küche zu und so weiter. Nichts auffälliges. Außer, dass sie immer beisammen waren, höchstens ein oder zwei Mal, bis ich sie verließ, dass Seneb seinen Freund etwas holen oder anweisen schickte.“ „Konntest du sehen, wer von beiden stempelte?“ „Nein. Wenn, dann taten sie es in einem Raum, wohin ich ihnen nicht folgen konnte und wollte, ich sollte ja unauffällig bleiben.“ „Merit, was halten Merimaat und seine Familie von den beiden Freunden?“ „Ich habe mit Djefadhor und Merimaat dem Jüngeren geredet, der Palastleiter hat ja mit dir gesprochen,“ erwiderte das Mädchen aus dem ipet. „Merimaat meint, dass Seneb sich gut benimmt, man eigentlich nicht merkt, dass er keine Schreiberausbildung hat, wie übrigens auch bei Chaamaat. Senebib erschient ihm wohl ein wenig merkwürdig, aber es ist eben auch üblich alte Freunde zu fördern. Es war wohl die Namensänderung, die ihn amüsierte. Djefadhor wollte erst nichts sagen, weil sie noch nicht solange hier ist, aber dann meinte sie doch, dass sie Seneb für zuverlässig hält und ihm wünschen würde, dass sich sein Wunsch erfüllt, er von hier in den Palast nach Ibenu-hedj berufen würde. Er hat dort bereits in den Häusern der Scheunen gearbeitet und wäre wohl gern dort ein Vorsteher. Senebib hat nicht gerade ihr Herz gewonnen, er ist ihr zu nahe mit Seneb befreundet, auch, wenn sie nicht sagen kann was sie stört, und es nun wohl auch bei Chaamaaat versucht, jedenfalls hat sie die Zwei abends schon beieinander sitzen sehen. Sie meidet ihn, wenn es geht und redet lieber mit Seneb selbst.“ „Gut. Dann erzähle ich euch etwas über Chaamaats Stellvertreter, der immer im Schatten sitzt. Menkauchnum.“ Er berichtete von seinem Gespräch mit diesem und dem mit Anchka. „Jetzt müssen wir es nur noch beweisen,“ schloss er.     Kapitel 21: In der Falle ------------------------ Nefertari erfuhr ohne weiteres von anderen Dienstboten, dass Chamaat, der Vorsteher der Bäcker, noch nicht wieder bei der Arbeit war und so Menkauchnum das übernommen hatte. So gelangte sie in die Bäckerei und sah sich nach dem Stellvertreter um. Es wäre sicher besser mit ihm unauffällig zu reden, allein, da er ja von dem Schmuck hören sollte und sicher kein Narr war. In aller Öffentlichkeit ausgeplaudert würde er kaum anspringen. Aber sie betrachtete ihn, als sie sich im Schatten der Tür an die rechte Seite der Wand drückte. Offenkundig verstand er etwas von dem Handwerk, dirigierte die Leute, fragte nach Holz, nach Mehlvorräten. Es wurde sichtlich alles für den Einzug des Lebenden Horus und dessen Gefolge morgen vorbereitet. Da musste und sollte alles wie unauffällig funktionieren. Nein. Töricht war der nicht. Aber, da Meruka sie darauf hingewiesen hatte, musterte sie aus der Deckung seine Kleidung. Nun gut, der schneeweiße Schurz ziemte einem Beamten, der Schmuck war ebenso. Nein, genau das tat er nicht. Sie kannte Beamte, Schreiber, die mit Kupferarmreifen herumliefen, aber das waren eben Schreiber, seit ihrem fünften oder sechsten Lebensjahr ausgebildet. Das war ein Bäcker. Kupferne Armreifen in seiner Position standen ihm zu, es wäre kaum verwunderlich, würde er sie morgen bei dem festlichen Einzug oder auch später beim Empfang tragen. Aber so hier, bei der Arbeit? Das also hatte Meruka gemeint. Der Schmuck, das Auftreten war an sich unauffällig – wenn man selbst ein Schreiber war und es gewohnt war so herumzulaufen. Für einen Mann, der sicher aufgrund seiner Verdienste emporgestiegen war, war es ungut, um kein härteres Wort zu verwenden. Falls sie selbst vor dem mächtigen Apis-Stier tanzte, für ihn sang, trug sie ebenfalls weitaus teureren Schmuck als privat. Oder gar jetzt, wenn sie eine einfache Dienerin spielen sollte. Menkauchnum war fast unauffällig. Aber eben nur fast. Offenkundig wollte er mehr scheinen als sein, war jedoch schlau genug es nicht zu übertreiben. Drei Ketten, wie es Mode war, um den Hals. Ja. Auch hier – das war Hofmode, er arbeitete in einem königlichen Palast. Aber drei Reihen trug nicht einmal der Hohepriester des Ptah wenn er in der Schreibstube saß, sondern wirklich nur die königliche Familie.   Ah, jetzt war er gerade allein und drehte sich um. So ging sie auf ihn zu, scheinbar verlegen sich die Hände etwas reibend, dann jedoch sich aufrichtend. „Entschuldige, du bist der Vorsteher der Bäckerei?“ „Das ist Chamaat. Aber er ist krank, so dass ich ihn vertrete. Willst du zu ihm?“ „Äh, nein. Meine Herrin, Meresanch, fand gestern großen Gefallen an den kleinen Küchlein mit den Datteln, die so spitz geformt waren. Sie lässt fragen, ob es möglich wäre, dass diese heute Abend beim Essen wieder serviert werden.“ „Meresanch. Ah, ja, natürlich.“ Menkauchnum musterte die junge Frau, deren schwerer Dialekt nur zu deutlich verriet, dass sie aus dem tiefsten Süden stammte. Nun ja. Es hieß, dass die Leute dort viel langsamer sprachen und dachten als im Norden. „Nun, ich hörte, ihre Heirat stehe bald bevor.“ „Ja.“ Nefer beschloss heftig zu nicken und ein wenig vertraulich zu sagen: „Sie wird dann in den Rang einer Königstochter aufsteigen, vielleicht später auch mehr! Und womöglich darf ich bei ihr bleiben.“ „Ja, das wäre sicher gut für dich. Darum bist du auch so interessiert daran ihre Wünsche zu erfüllen.“ „Äh, ja. Weißt du, die Kleidung, und vor allem ihr Schmuck. Allein das zu berühren, in den Händen zu halten… So etwas wertvolles.“ „Natürlich hat sie Schmuck dabei, morgen zieht der Lebende Horus hier ein.“ Aber Nefer hörte aus jahrelanger Erfahrung ein wenig zu viel Interesse in dem beiläufigen Satz. So erwiderte sie: „Oh ja, wenngleich natürlich nicht alles, was sie im ipet besitzt. Es sind wundervolle Stücke dabei, teilweise sogar aus Silber! Ich kann gar nicht absehen oder mir merken wie viele. Sie sucht es immer jeden Morgen selbst aus, aber selbst sie muss suchen.“ „Natürlich, bei einem Mitglied der königlichen Familie. Diese kleinen Kuchen, sagtest du? Ja, ich erinnere mich. Nun, es sollte nicht schwer sein, sie heute Abend aufzutischen. Geh nur und sage das deiner Herrin.“ „Später.“ Nefer erlaubte sich ein aufdringliches Zwinkern. „Jetzt ist sie im Garten mit der jungen Ehefrau von Merimaaat. Ich habe frei. Und ich werde mich ein wenig zum iteru begeben oder sonst spazieren gehen. Man muss es nutzen.“ „Ja, natürlich.“   Als Nefer aus der Bäckerei trat, hielt sie sich rechts, wieder in Richtung des eigentlichen Palastes, ehe sie doch zum Haupteingang abbog. Dort befand sich das Haus der Wachen und sie erkannte ihren Partner Ptahnacht, der gerade nur scheinbar zufällig mit einem Kollegen das Schlangenspiel spielte und soeben würfelte, dann jedoch aufblickte und sie entdeckte. Sein Nicken beruhigte sie. Wie es Meruka wollte, würde er mit einem oder mehreren Wachen in den Gästetrakt gehen. Sollte Menkauchnum tatsächlich es wagen in Merits Zimmer zu gehen und dort stehlen zu wollen, würden sie ihn mit der Hand in dem Kästchen erwischen. Dann gab es keine Ausrede mehr.   Merit hatte unterdessen fast verzweifelt nachgedacht. Meruka vertraute ihr, aber wie um aller Götter willen sollte sie unauffällig mit Senebib sprechen? Sie spazierte scheinbar gedankenverloren über den Hof, aber stets, wenn sie ihn erblickte, war er neben oder hinter Seneb, eilte vom Lager in den Palast, in die Küchen und zurück. Es war wirklich nicht die einfachste Lage. Immerhin würde morgen der Herr der beiden Länder hier einziehen, samt großem Gefolge, da wollte sich doch keiner der Beamten irgendeiner noch so kleinen Nachlässigkeit zeihen lassen.   Auch Meruka war dies inzwischen bewusst geworden und so war er schlicht zu Anchka gegangen, der als Vorsteher der Öle am ehesten Seneb wegen irgendetwas zu sich holen lassen konnte. Schließlich war er gelähmt. Und Meruka vertraute seinem ehemaligen Kollegen. So sah Merit etwas erleichtert kurz darauf, wie Seneb von einem Diener geholt wurde und Senebib wohl noch kurze Anweisungen erhielt, ehe er allein stehen blieb. Sie warf einen prüfenden Blick herum, ehe sie zu ihm trat. „Äh, entschuldige, kann ich kurz mit dir sprechen?“ Senebib bewies prompt, warum er die rechte Hand eines Vorstehers war. „Natürlich, Königstochter.“ Sie wollte ihn nicht korrigieren, stand ihr dieser Rang doch nicht zu. „Ich wollte eigentlich mit Chamaat reden, aber der ist noch krank. Ich ...nun, es ist etwas privates.“ Senebib richtete sich ein wenig auf. „Ich kann schweigen,“ versprach er. Immerhin bedeutete das Vertrauen eines Mitglieds der königlichen Familie doch einiges – und bot gute Möglichkeiten gefördert zu werden. „Ich muss allerdings erwähnen, dass ich nicht Chamaats Stellvertreter bin.“ „Ja, das weiß ich. Aber, wie gesagt, es ist etwas privates.“ Merit warf nervös einen Blick herum. Es ziemte sich nicht allein mit einem Vorsteher zu reden, aber sie dachte, dass der Lebende Horus selbst Meruka und damit sie deckte. Überdies, beruhigte sie sich dann, außer den Leuten, die bei den Essen dabei gewesen waren, kannte kaum jemand ihren zukünftigen Rang. Die meisten Arbeiter und Dienstboten kamen aus den umliegenden Dörfern, sie hatten zu tun und kaum einer würde wissen wer sie war, zumal sie sich betont einfach gekleidet hatte, natürlich nicht zu sehr. Sie war unruhig. Senebib entspannte sich unwillkürlich. Das war sicher für sie sehr wichtig, zumal, wenn sie mit ihm hier so sprach. Er spürte, wie seine Neugier wuchs. „Ich höre, Königstochter.“ „Chamaat stammt ja aus Djedu und ist dort Priester des Usir, so hörte ich. Und ich erfuhr von Djefadhor, dass du dich mit ihm schon darüber unterhalten hast. Nun ja. Es ist ….mein künftiger Ehemann sprach auch schon von Usir …“ Was nicht ganz gelogen war, sie hatten sich schon in der Schulzeit über alle möglichen Götter in kemet unterhalten. „Und ich wollte wissen, was an diesem so besonders ist.“ „Nun, er ist der Gott der Fruchtbarkeit und der Unterwelt. Jeder, der stirbt, gelangt in sein Reich.“ „Jeder?“ Merit sah ihn mit großen Augen an, hoffte allerdings nicht zu übertreiben. „Ja, jeder.“ Der Fischersohn überlegte, wie er das einer Fast-Schwiegertochter des Lebenden Horus erklären sollte, entschloss sich aber für die Wahrheit. Sie war nervös, es fiel ihr offenkundig nicht leicht hier mit ihm zu reden. Und, wenn der Älteste Königssohn, damit der Thronerbe selbst schon auf Usir aufmerksam geworden war … „Das ist ja das Schöne. Man muss nur eine Prüfung bestehen, nachweisen, dass man stets die Maat eingehalten hat.“ „Ja, aber nur der Horus geht ein in die ewigen Sterne, und die, die ihm folgten.“ „Ich verrate dir etwas, Königstochter. Usir wurde ermordet und sein Sohn wird der Rächer des Vaters und der Erbe des Thrones, ja. Aber, weißt du auch, wie dieser Sohn heißt? Horus.“ Merit stutzte und das deutlich sichtbar. Sie musste aufpassen, ehe sie sich doch noch gegen die maat versündigte. „Das ist dann aber ein anderer gleichen Namens?“ „Nein, das glaube ich nicht. Daraus kann man eigentlich nur schließen, dass der Sohn dem Vater nachfolgt und der Vater eigentlich auf dem Thron sitzt, oder? Gleich. Jedenfalls wäre ein Lebender Usir ebenfalls ein Mittler zwischen den Menschen und den Göttern. Das beweist ja schon der Name.“ „Ja.“ Merit überlegte noch, was sie sagen sollte, um einen Köder zu schaffen, jedoch sich nicht selbst um das ewige Leben zu bringen. „Das klingt wirklich sehr nachvollziehbar. Das also meinte mein zukünftiger Ehemann…“ Sie brach ab, als habe sie zu viel gesagt. Tatsächlich hätte sie keine Ahnung gehabt, wie sie diesen Satz sinnvoll beenden sollte. Hoffentlich genügte das, hoffentlich war Meruka mit ihr zufrieden. Es hätte sie getröstet, hätte sie gewusst, dass sich ihr Vorgesetzter auf ihre Unruhe und Nervosität verließ. Sie log nicht, ihre Körpersprache verriet Unsicherheit und Unruhe – und genau darum würde jemand wie Senebib ihr glauben. Nun, eigentlich jeder. Sie war glaubwürdig, gerade weil sie so unsicher war.   Sie zuckte daher unwillkürlich zusammen, als er sie im Palast von dem Gang in ihr Zimmer abhielt, schlicht, in dem er sich vor sie stellte. „Meresanch,“ grüßte er, damit anzeigend, dass das nicht privat war. „Ja, ehrenwerter Vorsteher?“ „Gehen wir noch ein wenig in den Garten. Ich muss dir noch erzählen, wie der Einzug morgen von statten gehen soll und was deine Aufgabe sein wird.“ Merit hätte fast gesagt, dass sie das wisse, immerhin war sie nicht zum ersten Mal dabei, aber wohl zum ersten Mal ohne die Königinmutter und die erkrankte maat-hor. Überdies wollte er sicher wissen was sie bei Senebib herausgefunden hatte.   Beides entsprach den Tatsachen und so gab ihr Meruka nur rasch die Informationen weiter, dass sie stets bei Merimaat dem Älteren als Palastvorsteher bleiben sollte, während er sich auf seinen Platz weiter nach rechts begab. Nun, sie alle würden sich flach zu Boden werfen, wenn der Lebende Gott kemets von hohen Beamten und dem Ältesten Königssohn von der Barke in den Palast getragen wurde. Er saß bereits in der Sänfte auf dem Schiff. Niemand würde der Gegenwart eines Gottes so lange und so nah widerstehen können, nicht einmal die engste Familie. Nun, niemand außer der maat-hor, aber diese blieb ja offenkundig zurück. Hoffentlich wurde sie wieder gesund. Dann fragte er: „Was sagte Senebib? Oh, nicht zögern, Merit. Erzähle es. Das ist wichtig. Und ein sachlicher Bericht bringt dich sicher nicht um das ewige Leben, eher entspricht er der maat. War es so arg was er sagte.“ „Ja, so logisch, so folgerichtig. Ich kann begreifen, wie er ins Zweifeln kam.“ Sie erzählte so ausführlich wie möglich. Meruka atmete tief durch. „Ja, aber das ist nichts, womit man ihn dazu bekommen könnte erneut die giftigen Schalen in Wein zu legen. Nun gut. Ich lasse ihn unauffällig überwachen und werde auf jeden Fall Hekaptah, dem königlichen Siegler …“ Und Halbbruder des Horus. „Bericht erstatten. Senebib untersteht ihm als Siegler. Er wird dann entscheiden, ob er es Sobeknacht als tjati oder gar dem Lebenden Horus mitteilt.“ Senebib eine Falle zu stellen in die der auch hereinfiel, war bis Morgen schlicht nicht möglich. Der würde jetzt wieder dauernd mit Seneb zusammen sein, alles für den Einzug vorbereiten, beide bemüht keinen Tadel oder Ärgeres zu verursachen. Erst danach konnte man weiter sehen. Hoffentlich hatte zumindest die Falle für Menkauchnum zugeschnappt, sonst stünde er mit leeren Händen da. Theorien waren eben keine Beweise. Er spürte, wie eine eiskalte Furcht seine Wirbelsäule empor kroch und sich langsam durch den gesamten Körper fraß. Er hatte möglicherweise einen Dieb gefunden, einen Anstifter von Dieben. Aber nicht den Verantwortlichen für die Toten. Er hatte versagt, außer, ihm fiel bis morgen noch etwas sehr Gutes ein, was er dem Lebenden Gott berichten konnte. Im Hier und im Jenseits wurde Versagen schrecklich bestraft. Ptah, Sachmet, beschwor er die beiden Götter seiner Heimatstadt. Eine Idee, bitte, ich werde schlafen. Und, ich werde euch in meinem Grab in alle Ewigkeit mit Opfergaben beschenken, schickt ihr mir nur einen Traum. Und schützt Merit, denn ich fürchte, sie ist die Einzige, die noch den Falken im Nest vor einem Angriff schützen kann. Falls Senebib so verrückt sein sollte. Damit bewies Meruka nur, dass er einen Wahnsinnigen nicht nachvollziehen konnte.     Kapitel 22: Erste Lösungen -------------------------- Ptahnacht hatte seine Partnerin über den Hof gehen sehen. Nefer würde sicher jetzt den Köder auslegen, was bedeutete, dass er sich dezent aus dem Spiel zurück ziehen sollte. Es war wichtig, dass Merits Zimmer nun überwacht wurde. Deswegen hatte er schon vorher, vor der kleinen Spielrunde, sich mit Hekahor unterhalten, dem augenblicklichen Vorsteher der Wachen hier im Palast des Harpunierenden Horus. Morgen würden natürlich die Leibwachen des Horus, vermutlich Nebhotep als Wedelträger, die Verantwortung übernehmen. Er hatte einfach nett gefragt, ob er bei einer abendlichen Runde mitgehen dürfe, er seit doch schon vier Jahre nicht hier gewesen und habe andere Paläste besser im Kopf. Dies traf zu, war er bei dem Ritus vor zwei Jahren doch weit im Süden gewesen – zwar im Auftrag des Horus, aber das musste ja niemand wissen. So beendete er das Schlangenspiel, nicht gerade als Sieger, aber das war gleich. Er blickte zu Hekahor. „Darf ich dann mit?“ „Oh, ja, natürlich, unsere Abendrunde wartet,“ sagte der fast vierzig Jahre zählende Krieger. Er war recht froh gewesen, als er diesen Posten hier übernehmen durfte – gut bezahlt, sicher und außer alle zwei Jahre, wenn der Herr der beiden Länder mit seinem Gefolge anreiste, wirklich ruhig. Er trug die Narben so einiger Kämpfe gegen die Sandleute im Osten, Libyer im Westen oder auch die Hundeleute im Süden. Der Wohlstand der beiden Länder lockte auch immer Viehleute an, Nomaden, die auf diese Art sich billig mit Getreide versorgen wollte, wenn die üblichen Hungersnöte im Winter über sie einbrachen. Er schätzte Ptahnacht, wie die meisten Wachen, die ihn je hatten kämpfen sehen. Er war nicht nur im Umgang mit dem Dolch geschickt, sondern auch im direkten Nahkampf, mit dem Stock, in einer Art, die niemand sonst konnte. Aber er war eben auch nett und gab nicht an – und, nicht zu vergessen, der Lebende Horus höchstselbst hatte ihn ausgezeichnet, ihm vor allen eine Goldkette geschenkt, da er in einem Kampf ihn unter Einsatz seines Lebens beschützt hatte. Nun gut, das war die Anforderung an Leibwachen, aber das musste wohl schon eine heikle Sache gewesen sein, wenn der Herr der beiden Länder das so würdigte. „Komm nur, dann sind wir zu viert. Die Damen sind sicher noch im Garten und plaudern, es ist ja mild und Djedefhor wird es genießen einmal eine andere junge Dame bei sich zu haben.“ „Und morgen werden die jungen Damen genug zu beachten und zu tun haben, ja.“ Ptahnacht stand mit auf. Er konnte nur hoffen, dass Nefer den Köder gut gelegt hatte und der stellvertretende Leiter der Bäckerei dumm genug war ihn zu schlucken. Nur dann, mit der Hand in Merits Schmuckkassette, war er auch überführt. Nun war sein Vertrauen in Meruka und dessen Pläne groß – der besaß die Gabe sich sehr selten zu irren. Allerdings würdigte Ptahnacht auch immer, dass Meruka ihm vertraute, der hochgeborene Beamtensohn dem Fischerjungen. Als er am Weg des Horus im Sand gelegen hatte, mit nichts, außer der Versicherung, er stamme aus kemet, wenngleich er kaum die Sprache kannte, hatte Meruka ihm geglaubt, ja, ihn vor den tjati und den Lebenden Gott gebracht. Erst viel später hatte er das volle Ausmaß der Entscheidung des damaligen Befehlshaber einer Gruppe von zwanzig Männern begreifen können. Sie hatten ihn für einen Spion der Sandleute gehalten, der sich einschleichen sollte, die Ernten des Delta überprüfen sollte. Seine eigene Aussage, er sei ein kleiner Fischerjunge gewesen, als ein Sturm Vaters Boot mit allen Männern darauf in ein unbekanntes Land getrieben hatte, er selbst als Sklave verkauft worden sei, klang daneben wirklich unwahrscheinlich. Und manchmal fragte sich der Getreue des Königs noch immer, warum ihm Meruka damals das Unwahrscheinliche abgenommen hatte, ja, dafür gesorgt hatte, dass er nicht nur in kemet leben durfte, sondern direkt unter den Flügeln des Horusfalken. Der Gipfel seiner Träume war neulich erst wahr geworden. Nicht nur ein Grab in kemet, mit allen Riten und Beigaben, sondern das auch noch im Heiligen Land, dem Gebiet um die Pyramide des Herrn der beiden Länder. Dessen Opfer und Rituale würden auch ihm zukommen, sein ewiges Leben mit den verstorbenen Königen im Reich der nimmermüden Sterne sichern. Mehr konnte wahrlich niemand erwarten.   Zu viert gingen die Wachen den gesamten Palast ab. Hekahor betrachtete aufmerksam jede Ecke, merkte sich vor, wo morgen Wachen des Horus selbst stehen würden, was seine eigenen Leute absichern sollten. Natürlich war das alles eigentlich mehr Zeremonie. Wer wäre schon so verrückt den lebenden Gott anzugreifen? Undenkbar, derart nicht nur mit dem jetzigen, sondern auch dem zukünftigen Leben zu spielen. Aber auch Zeremonien war wichtig, führten aus Wunsch in Realität, das wusste jeder.   Ptahnacht schloss kurz die Augen, als er Menkauchnum in der zweiten Vorhalle erblickte, der etwas zu betont unbetont weiterging – in Richtung auf den Frauentrakt. Und da hatte der Stellvertretende Leiter der Bäcker nun wirklich nichts verloren. Die Anderen hatten ihn nicht bemerkt, oder, eher, er war ihnen zu vertraut, als dass sie darauf achteten. Menschen, so sagte Meruka immer, achteten nie auf Gewöhnliches. „Hekahor,“ flüsterte er daher nur. „Da ging gerade ein Mann in den Frauentrakt. Und da sind keine Wachen!“ „Ja, jetzt ist ja die Wachablösung… Moment mal.“ Er winkte seine Männer zu sich. „Ein Mann im Frauentrakt, leise. Wir sehen nur nach. Wenn es ein Diener ist, der Waren an die Damen liefern soll, Gebäck oder Getränke, brauchen wir niemanden aufscheuchen. Aber …“ Ja, aber, dachte auch Ptahnacht. Es gäbe harmlose Gründe, aber warum genau zur Zeit des Wachwechsels, der sich wie in jedem durchorganisierten Palast herausfinden ließ? Und Merit war bei der Hausherrin, das war klar, und Nefer würde sicher auch sonst wo sein, um die Falle aufzustellen. So sollte er dafür sorgen, dass sie zuschnappte, sich jedoch zurückhalten. Die eigentliche Festnahme sollte durch die hiesigen Wachen erfolgen, er würde sich raus halten. Außer natürlich, Menkauchnum würde zu fliehen versuchen.   Meruka hatte sich in sein Zimmer begeben. Es brachte nichts, würde er im Hof herumstehen, gar durch die Gänge wandern. Er würde den Wachen auffallen – und einer der wesentlichen Punkte seiner verborgenen Tätigkeit war es eben im Geheimen zu operieren. So erledigte er seine abendlichen Rituale, ehe er sich, wie immer unbekleidet, ins Bett legte. Freilich fand er keinen Schlaf. War Menkauchnum in die Falle getappt? Wenn ja, warum hatte er noch nichts gehört? Wenn nein, was hatte er dann überhaupt morgen Hekaptah oder gar dem Herrn der beiden Länder vorzuweisen? Nichts, außer Hinweisen und Vermutungen. Ganz sicher war das zu wenig. Er richtete sich unwillkürlich auf, als der Vorhang seines Zimmers beiseite geschoben wurde, erkannte dann den Palastleiter. „Merimaat?“ „Ich muss dir Bericht erstatten, Meruka. Du bist doch für die Sicherheit Meresanch verantwortlich.“ „Ja, bis morgen noch. Was ist ihr zugestoßen?“ Er schlug eilig die Decke zurück. „Nichts, den Göttern sei dank. Ich will gar nicht wissen, was geschehen wäre, wäre sie in ihrem Zimmer gewesen, aber sie saß noch bei meiner Schwiegertochter, sie plauderten wohl über den Einzug, was zu beachten ist ….“ Also hatte Merit den Verstand besessen ihr Zimmer deutlich leer zu lassen. „Ja, aber was war dann in ihrem Zimmer? Gar eine Schlange? Das wäre ein schlechtes Omen!“ „Oh, nein, die Schlangenpriester haben alle Rituale beachtet, sicher. - Wenngleich in übertragenem Sinn. Ein Dieb schlich sich in ihr Zimmer und durchwühlte ihre Schmuckkassette. Es war reiner Zufall, dass einige Männer der Wachen ihn in den Frauentrakt gehen sahen und sich darüber wunderten und ihm folgten, ihn noch mit der Hand im Schmuck erwischten!“ Merimaat schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wie ich das dem tjati erklären soll. Ein Dieb im Palast des Harpunierenden Horus!“ Im schlimmsten Fall würde er abgesetzt. „Man hat keinen Laut gehört,“ gab Meruka zu und setzte sich langsam auf. Seine Leute hatten gut gearbeitet. „Deine Männer waren wohl nicht nur aufmerksam, sondern dachten auch mit. Wie überaus peinlich. Diese Bauern vom Land ….“ „Leider nicht einmal das. Es handelt sich um Menkauchnum. Du hast ihn kennengelernt?“ Meruka verbarg seine Erleichterung gut. „Ja, ich denke, der Bäcker, nein, der Stellvertreter.“ „Ja, genau. Ein ranghoher Beamter!“ Merimaat rang nach Atem. „Leider bin ich für ihn verantwortlich. Ich ließ ihn fesseln und knebeln und streng bewachen, damit er weder entkommen noch sich umbringen kann. Was er ruhig könnte, denn das ewige Nichts ist ihm sicher.“ „Ich bin sicher, Meresanch, ….“ Ja, genau das war das Problem. Diebstahl wurde nur auf Antrag des Bestohlenen verfolgt. Und mit Herausgabe des Diebesgutes mal drei oder vier bestraft. Das Geld mochte Menkauchnum nicht besitzen, aber vielleicht doch. „Sie wird sicher den Antrag stellen.“ „Nun, zumindest wird sie es, Sachmet sei es geklagt, ihrem zukünftigen Ehemann berichten und der ebenso sicher erzürnt sein und es … nun, mit viel Glück nur dem tjati erzählen. Aber, ich fürchte ….Nun, Meruka, du weißt, was ich fürchte.“ „Abgesetzt zu werden, aufgrund der Unfähigkeit deine Leute richtig auszusuchen, ja. Aber, warte einmal, Merimaat. Ich muss kurz nachdenken.“ Der Palastvorsteher atmete auf. Er kannte Meruka schon länger und hielt ihn für einen perfekten Schreiber – neutral, gewissenhaft und königstreu. Aber er hatte noch nie den Eindruck gewonnen dieser sei boshaft. Und so war er hergekommen, in der Hoffnung, der könne sich als Vorsteher der privaten Schreiber des Herrn der beiden Länder für ihn verwenden. „Jeder Diebstahl wird nur auf Antrag des Bestohlenen verfolgt,“ meinte der sab-Beamte langsam. „Aber es gibt eine Ausnahme: wenn Eigentum des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, entwendet wird. Das gilt als Hochverrat mit den entsprechenden Folgen. Wenn sich Menkauchnum so wenig unter Kontrolle hatte die Gästezimmer zu durchsuchen, nur, weil Meresanch jetzt zwei Tage hier ist – durchsuche doch einmal mit zuverlässigen Männern sein Zimmer. Womöglich findest du da anderes, das er unterschlagen hat. Dann hast du etwas Gutes vorzuweisen …..“ Und er gleich mit. „Und du hast deine Fähigkeit bewiesen. Ich werde gehen und nach Meresanch sehen, sie wird sicher aufgeregt sein.“ „Sie hielt sich gut, man merkt doch die königliche Erziehung.“ Aber der Palastleiter wusste, dass der Vorsteher der Schreiber die Verantwortung für das Mädchen trug bis der Herr der beiden Länder selbst hier eingetroffen war. Überdies hatte er zu tun, denn der Ratschlag mit der Durchsuchung des Zimmers war durchdacht gewesen. Es würde ihn schützen, dass er daran gedacht hatte und wenn er gar etwas fand … Er war froh hergekommen zu sein. „Natürlich, gehe nur. Ich danke dir, Meruka.“   Kaum, dass er allein war, stand dieser auf und griff sich den Strick, band ihn um die Taille, ehe er mit lang geübtem Schwung das schendittuch darum zog, zwischen den Beinen durchzog und den Rest elegant nach vorn überhängen ließ. Ungeschminkt zu erscheinen war zwar eigentlich nicht statthaft, aber er hätte den sehen wollen, der nach Einbruch der Dunkelheit Notwendiges noch perfekt im Aussehen abwickelte. So stand er nur Minuten später vor dem Frauentrakt, wo wieder Wachen postiert waren, darunter Ptahnacht. Er nickte unmerklich seinem Mitarbeiter zu. Dieser hatte wohl dafür gesorgt, dass die Getreuen zur rechten Zeit am richtigen Ort waren. Dieser lächelte auch nur kurz, ehe er sagte: „Meruka, du willst sicher nach Meresanch sehen? Sie befindet sich in ihrem Zimmer, gemeinsam mit ihrer Dienerin und Djedefhor, der Hausherrin.“ „Danke.“ Meruka schritt weiter. Der andere Posten sah irritiert zu Ptahnacht. „Du lässt ihn durch?“ „Ich kam mit ihm her, direkter Befehl des Lebenden Horus. Er soll Meresanch hüten, bis dieser selbst hier eintrifft. Wenn du dich ihm in den Weg stellst, auch dem Herrn der beiden Länder. Bedenke, er ist der Vorsteher der privaten Schreiber! Er sieht IHN jeden Tag, darf gar mit ihm sprechen.“ Ja, dachte der andere Getreue nur, das war dann bestimmt kein Mann, dem man ungestraft an der Erfüllung seiner Pflicht hindern durfte. Und es war sicher seine Pflicht sich um das Mädchen zu kümmern.   Meruka fand seine beiden Mitarbeiterinnen samt der Schwiegertochter des Palastleiters bei einer relativ amüsanten Beschäftigung. Sie hatten Merits gesamten Schmuck auf dem Bett ausgebreitet und suchten anscheinend ob etwas fehlte. Es waren prachtvolle Stücke dabei, gab er zu, alles sicher von Hofjuwelieren gearbeitet und natürlich ihr Prunkstück – das Armband mit dem geduckten Falken und dem Namenszug des Herrn der beiden Länder. Merit sah auf und erhob sich zuvorkommend. „Meruka.“ „Ich grüße dich, Meresanch“ erwiderte er höflich, damit anzeigend, dass er vor Djedefhor nicht offen reden konnte und wollte. „Ich hörte gerade von dem Zwischenfall. Ist dir nichts geschehen?“ „Nein, ich befand mich ja bei Djedefhor, zuerst im Garten, dann in ihrem Zimmer. Es scheint auch nichts zu fehlen. Danke, Vorsteher der Schreiber.“ Ja, die Erziehung im ipet. Irgendwie amüsierte es ihn, wie vollkommen anders seine beiden Mitarbeiterinnen ausgebildet worden waren. „Du warst auch nicht hier, Nefertari.“ Den Namen der Dienerin durfte er kennen, waren sie doch tagelang zusammen gereist. Nefer schlug eilig die Augen nieder. „Nein, mir wurde frei gegeben, und so spazierte ich ein wenig am Ufer des iteru. Niemand konnte doch ahnen….“ Gut. Sie hatten die Falle tatsächlich perfekt aufgestellt und der etwas zu gierige Menkauchnum war hineingefallen. Die momentane Hausherrin sah ein wenig besorgt aus. Ihr war klar, was das für ihren Schwiegervater und damit auch seine gesamte Familie bedeuten mochte. „Ich hoffe, es erregt kein zu großes Aufsehen,“ meinte sie vorsichtig. „Das kann ich kaum sagen,“ erklärte Meruka behutsam, um sich nicht zu verraten. „Soweit ich mitbekam ist der Palastleiter noch am ermitteln, wer sich noch auf solchen Irrwegen befand. Aber natürlich wird er Bericht erstatten. - Gut. Ich darf vorschlagen, die Damen begeben sich jetzt zur Ruhe. Morgen wird ein langer und anstrengender Tag, wenn der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, mit seinem Hofstaat hier eintrifft.“ Das galt vor allem Djedefhor, die auch eilig zu dem Mädchen aus dem ipet blickte. „Ich kann dir ja momentan wirklich nicht mehr helfen.“ „Nein, danke,“ erwiderte Merit höflich. „Das hast du schon getan, wirklich. Danke. Wir sehen uns morgen bei der Mundwaschung.“ Dem Frühstück. Die Schwiegertochter des Palastleiters ging, beileibe froh, dass die baldige Schwiegertochter des Herrn der beiden Länder so umgänglich war. Natürlich in gewissen Grenzen, die sie als einfache Beamtentochter und Ehefrau nicht zu überschreiten wagte. Meruka wartete, bis er annehmen durfte, dass sie außer Hörweite war. „Gut gemacht.“ „Danke,“ meinte Nefer. „Und zu Senebib?“ Ja, da musste er noch gut überlegen. „Morgen Abend, denke ich.“ Erst musste er mit Hekaptah, dem Siegler des Königs, und seinem direkten Vorgesetzten bei derartigen Aufträgen reden. „Jedenfalls, Merit, es wird kaum auffallen, wenn du nahe bei Menhekat bleibst, natürlich nach dem feierlichen Einzug.“ Bei dem der älteste Königssohn auch mit die Sänfte seines Vaters tragen würde. „Bei dem anschließenden Empfang … oh, ja. Das hängt davon ab, ob die maat-hor so gesund ist, dass sie daran teilnehmen kann, wenn ja, stehe ich in ihrem Gefolge.“ „Ich habe meine Zweifel,“ sagte Meruka ehrlich. „Sie hätten sonst nicht Rahotep gerufen, anscheinend alle Hofärzte. Sollte sie überleben wird sie der Schonung bedürfen.“ Merit presste unwillkürlich die Lippen zusammen. Seit ihrem achten Lebensjahr, als ihre Eltern und Brüder gestorben waren, hatte sie im ipet unter der Aufsicht der maat-hor, und zuvor der Königinmutter, gelebt. Aber sie war alt genug geworden um zu wissen, wie rasch man die Reise in das Jenseits antreten konnte. So sagte sie nur: „Ich werde ein Auge auf Menhekat haben.“ Er war ein guter Freund seit ihrer Kindheit, dass sie ihn nun heiraten sollte, versetzte sie nicht in Schrecken. Meruka nickte auch nur Abschied nehmend. Es wäre unziemlich gewesen, würde er sich nach dem Weggang von Djedefhor noch zu lange bei Merit aufhalten, selbst, wenn Nefer dabei war. Und er sollte ebenfalls wirklich schlafen. Gegen Mittag würde die Flottille des Herrn der beiden Länder hier eintreffen, ab da gab es kaum Pausen mehr für die Höflinge. Immerhin würde bereits übermorgen die zeremonielle Flusspferdejagd stattfinden, Zeichen, dass der Lebende Horus über alles Böse triumphiert und alle Feinde kemets vernichtet. Das uralte Ritual war strikt und durfte nicht unterbrochen werden. Auch dieser Tag würde bereits im Morgengrauen beginnen und erst Abends nach dem gemeinsamen Essen enden. Danach noch ein oder zwei Tage hier, Rückfahrt nach Ibenu-hedj. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass die halbe Lösung der Probleme vom Siegler, dem tjati oder gar dem Herrn der beiden Länder abgesegnet wurde und er nicht als Versager eingestuft wurde. Es wäre nur zu leicht möglich, dass er sich in einer kleinen Wachstation am Horusweg wiederfinden würde, als Kommandeur der fünf dort stationierten Männer.   Kapitel 23: Einzug des Horus ---------------------------- Meruka war nicht überrascht als er nur eine Schüssel mit Obst und Brot samt dem Dattelbier in seinem Zimmer hingestellt bekam. Es würde kein offizielles, gemeinsames Frühstück geben. Zum einen war die Küche sicher schon mit dem Festbankett am Abend beschäftigt, zum Anderen würde auch kaum jemand üppig zugreifen wollen, wenn es später ein wahrhaft königliches Mahl gab. Es wäre, zumal für die hohen Beamten, äußerst unschicklich gewesen bei einer Einladung des Herrn der beiden Länder nicht herzhaft zuzugreifen. Und, zum Dritten, waren wohl auch alle beschäftigt sich für den Empfang des Lebenden Horus zurecht zu machen. Auch Meruka saß noch völlig unbekleidet auf dem Bett und rieb in seiner Schminkpalette. Heute würde er nicht wie gewöhnlich vermischtes Malachit in grün auf die Augen auftragen, sondern das deutlich wertvollere Lapislazuli in blau. Diese Steine wurden über retenu von weit her eingetauscht und man erhielt sie nur als Geschenk des Herrn der beiden Länder. Schon aus diesem Grund war es höflich das zu zeigen. Zunächst jedoch trug er die Schicht aus fein geriebenem Ocker auf das Gesicht auf, wie es jede Frau und jeder Mann in ganz kemet tat. Es schützte die Haut vor der erbarmungslosen Sonne und sorgte zugleich dafür, dass man interessant und blass aussah. Mit geübten Pinselstrichen umrahmte er die Augen mit angefeuchteter Holzkohle. Auch das diente dem magischen Schutz. Nur zu viele Menschen wurden fast oder ganz blind und selbst die fähigen und hochspezialisierten Augenärzte vermochten wenig dagegen zu unternehmen. Als Brustschmuck wählte er neben der Kette mit der ma´at als Zeichen des Schreibers nur den zweiten Anhänger, der ihn als sab-Beamten auswies. Die höfische Mode mit den drei Ketten empfand er heute, im Unterschied zu Sau, als unpassend für sich – zumal, wenn er immer noch nicht wusste ob und was Merimaat in der Nacht herausgefunden hatte. Überdies würde jeder Gast heute Abend auch Blumenketten umgehängt bekommen. Auch auf die, noch vor wenigen Jahren bei Hofe üblichen, Fußreifen verzichtete er. Heutzutage galt es nur noch für Frauen als modisch und er wollte ja nicht wie ein Landtölpel wirken. So streifte er sich breite Oberarmringe über, die er ebenfalls als Geschenk für geleistete Dienste vom Lebenden Gott erhalten hatte. Sie bestanden aus Goldblech mit Karneol und Türkisen besetzt, hergestellt von den Hofjuwelieren. Sollte er Merimaat suchen? Aber der Palastleiter war gewiss schon mit den Vorbereitungen für den Empfang des Herrn der beiden Länder und des Hofstaates beschäftigt. Er musste sich wohl gedulden, bis er ihn kurz vor dem Eintreffen der Flottille sah. Neugierig war er in jedem Falle, was der Palastleiter bei dem stellvertretenden Bäcker noch im Zimmer gefunden hatte. Hinweise auf die Unterschlagung von königlichen Gütern? Seine Verbindung zu den Männern der „Mins Stolz“? Aber da Menkauchnum bestimmt nicht lesen und schreiben gelernt hatte, gab es wohl keine schriftlichen Nachweise, zumal sicher auch die Schiffer das nicht beherrschten. Gleich, beschloss er energisch. Sobald die höfischen Pflichten erledigt waren, vermutlich nach dem Abendessen, würde er sich zu Hekaptah begeben und diesem seinen Bericht abliefern, samt allen Vermutungen. Dann musste der Siegler entscheiden ob er weiter ermitteln sollte oder abgezogen wurde – letzteres mit sicher unschönem Ergebnis für ihn. Es half nichts, er musste agieren. So nahm er seine Hofperücke und streifte sie sich über das eigene kurz geschnittene Haar. Der Hof war sicher schon unterwegs, nach der „Mundwaschung“ in Dep abgefahren, und würde gegen Mittag hier eintreffen. Danach, er kannte den Ablauf nur zu gut, würde der lebende Gott das Kronenheiligtum des Palastes besuchen, seinen und kemets Schutzgöttinen opfern, ehe er sich zurückzog, umzog, und dann bei dem abendlichen Bankett erscheinen würde – nicht als Lebender Gott mit Kronen und allen Insignien, sondern als Herr der beiden Länder, sicher mit dem nemes-Kopftuch, blau-weiß gestreift. So konnte er als Mensch essen ohne den Gott in sich zu beschämen. Allerdings würde ihm einer der Geheimräte des Morgenzimmers die Speisen vorlegen, kein gewöhnlicher Diener. „Der mit den reinen Händen“, wie der Titel dieses Beamten lautete, war ein überaus enger vertrauter Horus Quahedts, nun, verständlicherweise. Dieser Mann war dafür verantwortlich, dass keine Speise, kein Getränk verunreinigt war oder gar dem örtlichen Gott missfallen würde. Es gab gewisse Tabus, und gerade der Lebende Gott kemets war daran gebunden, wollte er seiner Vermittlerrolle zwischen den Menschen und den Göttern gerecht werden.   Meruka stand auf und knotete sich den Strick um die Taille, ehe er ein neues Leinentuch nahm. Das, was er heute morgen bereits getragen hatte, war sicher nicht zum Empfang geeignet. Schneeweiß, glatt, kein Fleck, so sollte es sein. Den Geräuschen im Palast nach begaben sich zumindest die Diener schon hinaus. Sie durften selbstverständlich den Hof nicht direkt empfangen, aber sie würden abseits der Landestellen stehen und doch den einen oder anderen Blick riskieren. Er ging hinaus auf den Flur, dann durch die Empfangshalle, die noch leer war, aber deren Boden bereits mit duftenden Blüten bestreut worden war. Djedefhor verstand offenbar ihre Sache als Herrin des Hauses. Vor dem Palast blieb er im Schatten der Türen stehen, die Getreue vor ihm öffneten. Ptahnacht war nicht zu sehen, aber der sollte ja auch unauffällig sein und musste sich fügen, wo auch immer er eingeteilt wurde. Den Göttern sei dank war es gutes Wetter, leicht bedeckt, so dass die Sonne nicht so erbarmungslos auf die Köpfe scheinen würde, wenn sie vor dem Palast warteten. Vielleicht würde es sogar ein wenig regnen, auch, wenn mit jedem Tag die Hitze selbst hier im Norden immer deutlicher zu spüren war. „Oh, Meruka.“ Er wandte sich höflich um. „Meresanch….“ Sie trug das übliche weiße Kleid, darüber allerdings heute ein netzartiges Teil, das an seinen Knoten in roten Karneolstückchen glitzerte. Um ihren Hals und ihren Armen lag der gleiche, wertvolle Schmuck, den sie auch schon bei dem Empfang in Sau getragen hatte – sichtbare Zeichen ihrer Stellung als Königsbekannte. Auch der silberne Reif mit den Lapislazuli um ihre Stirn bewies dies. Kurz hinter ihr stand Nefer, ganz in ihrer Stellung als persönliche Dienerin. Allerdings hätte eine gewöhnliche Frau in dieser Stellung nicht ein rotes Band um den Kopf getragen, dazu ein Amulett des Apis-Stieres. Sie war Priesterin dieses Stiers und zeigte es auch. „Ihr seht bezaubernd aus,“ sagte er, allerdings nicht mehr, schließlich gab es Zuhörer. „Gehen wir vor den Palast.“ „Ja, ich denke, Dejdefhor und ihr Mann und auch der Palastleiter befinden sich bereits draußen.“ Merit lächelte ein wenig. Es würde anstrengend werden zu stehen und zu warten, aber das war sie gewohnt. Das Hofzeremoniell war auch in Ibenu-Hedj stets zu beachten.   So gingen sie zu dritt über den nun leeren Hof. Die beiden riesigen Flügel des hölzernen Portals in der Außenmauer waren geöffnet und man konnte die Hauptmole sehen mit den Landepflöcken, wo das Königsschiff anlegen sollte. Etwas abseits lag die zweite Mole, die heute für die Begleitschiffe reserviert war und wo auch sie angelegt hatten. Der schräge Aufweg zum Palast war aus Lehmziegeln gefertigt und seit der letzten Überschwemmung auch wieder repariert worden. Er mündete in einer Plattform vor den Toren, wo sich die Familie des Palastleiters bereits befand.   Djedefhor begrüßte Merit mit einem Lächeln, Merimaat nickte Meruka zu, der zu ihm trat. Leise meinte der Palastleiter: „Ich habe das Zimmer durchsucht. Natürlich keine schriftlichen Nachweise, aber Schmuck, deutlich mehr und teurer als er sich das leisten könnte. Dazu reines Silber, wie ein Block. Das kann er nicht mit rechten Dingen erworben haben.“ Silber war stets königlicher Besitz und nur der Lebende Gott verschenkte es. Ganz sicher nicht barrenweise an subalterne Beamte. „Kaum,“ gab Meruka erleichtert zu. Immerhin war ein Fall erfolgreich abgeschlossen. „So wirst du ihn dem tjati melden.“ „Natürlich. Chamaat ist deswegen auch noch nicht hier. Er war ziemlich erschüttert, aber er muss ja nun die Aufgaben von Menkauchnum mit übernehmen, bis ein neuer Stellvertreter für die Bäckereien gefunden ist.“ „Natürlich. - Ach, Anchka.“ Der sab-Beamte grüßte seinen ehemaligen Mitarbeiter, der in seiner hölzernen Sänfte herangetragen wurde. Die beiden Träger blieben abseits stehen. „Merimaat, Meruka ...Seneb wird auch gleich kommen, ich sah ihn mit Senebib schon über den Hof kommen. Chamaat ist noch nicht hier?“ „Er kommt sicher noch,“ sagte der Palastleiter eilig, der nichts von seinen Unannehmlichkeiten verlauten lassen wollte. Nun, die anderen Beamten würden es mitbekommen, das ließ sich nicht verhüten, aber zumindest nicht vor dem Empfang des Herrn der beiden Länder.   Tatsächlich fanden sich alle Beamten und – fast - alle Stellvertreter in den nächsten Minuten ein. Kanefer, der Vorsteher der Kleidung, und Djedi, der Domänenvorsteher, würden mit dem Hof erst aus Ibenu-Hedj anreisen, da sie fast die Hälfte ihrer Zeit im Stab des Sieglers verbrachten. Das Gespräch drehte sich denn auch um die Wasserwege, Fahrten nach Ibenu-hedj, Aufgaben und gemeinsame Bekannte.   Es dauerte, aber Merimaat der Jüngere sagte plötzlich: „Sie kommen.“ Alle Gespräche brachen ab und alle sahen nach Süden. Zuerst erschien ein kleines, schmales Boot, angetrieben von Ruderern. Darin saß ein Priester, der nun nur mehr die Hände auf dem Schoss hielt. Unterwegs, vor allem, wenn das Papyrusdickicht nahe an die Schiffslinie herankam, hatte er Teile eines geopferten Rindes in die uneinsehbaren Halmdschungel geworfen, Ablenkung und Opfer zugleich für die Flusspferde und Krokodile. Es folgten mehrere Ruderboote ähnlicher Größe, die das eigentliche Königsschiff zogen, das grün angestrichen und mit einem goldenen Band geschmückt war. Der Herr der beiden Länder saß auf einem Sitz mit Rückenlehne, dem man so nicht ansehen konnte, dass es sich um eine Sänfte handelte, unter einem schattenspendenden Baldachin. Er war allein und Merit spürte ihre Sorge um die maat-hor wachsen. Niemand außer der Frau, die den Horus sehen konnte, würde es unbeschadet über Stunden in der Nähe der Macht eines Gottes aushalten. Dies war der Grund, warum sich keine Ruderer an Bord dieses Schiffes befanden, sondern es gezogen wurde. Allerdings auch der Grund, warum der Lebende Gott wie eine Staue saß. Jede Handbewegung konnte Segen oder Fluch für die Äcker und Menschen an den Flussrändern bedeuten, gar eine unabsichtliche Bewegung. Und es handelte sich um die göttliche Erscheinungsform. Er trug die beiden Kronen, die seine Herrschaft über ganz kemet bedeuteten, die uralten Machtzeichen aus Krumstab und Geißel in den Händen. Und jeder wusste, dass, sollte er sich erheben, auch ein Tierschwanz, genauer, der Schwanz eines Stiers, von seinem Gürtel hinter ihm hinabfallen würde – Zeichen, dass er allein das Ka der Lebenden war, die Zeugungskraft des ganzen Landes. Viele Namen, die Kinder erhielten, beinhalteten das Ka, Sinnbild der Fruchtbarkeit. Über seinem Schurz würden Medaillons mit dem Symbol der Himmelsgöttin Hathor hängen, ihn schützend. Dahinter folgte ein größeres,ebenfalls hölzernes, Schiff, größer als die „Wildstier“, mit der Meruka und seine Leute von Ibenu-Hedj bis hier gereist waren. Dort standen dicht an dicht Menschen, Höflinge und Beamte. Es war sehr ehrenvoll auf diesem Schiff zu sein, dachte Meruka, aber auch sehr unbequem und eng. Nun, das war eben so, und auch, wenn er froh war, nicht dort an Bord zu sein – wer es dorthin geschafft hatte, konnte sich auf die Nähe des Horus berufen. Nicht zu unterschätzen in Rang und Ehre, in dieser wie in der anderen Welt. Das Schiff dahinter war ebenfalls dicht bevölkert, aber eben mit rangniederen Beamten und Wachen. Die folgenden zwei Schiffe enthielten mehr Gepäck und Vorräte.   Das Boot mit dem Priester legte an der hinteren Seite der Mole an, hastig gehalten von Knechten die das Boot auch aus dem Wasser zogen, nachdem alle Personen darin ausgestiegen waren und es abseits trugen. Die Ruderboote, die das Königsschiff gezogen hatten, hielten in geübtem Manöver kurz vor der flussaufwärts gelegenen Mole und ließen das Boot mit dem noch immer still sitzenden Herrn der beiden Länder weitergleiten. Merimaat und sein Sohn eilten hinzu und fassten an, banden es fest an die Landepflöcke, ehe sie sich wieder zurückzogen. Das Hauptschiff des Hofes wurde etwas uneleganter an die zweite Mole gebracht, wo Knechte es an die Landepflöcke befestigten. Dann stiegen die ranghöchsten Beamten aus – Sobeknacht, der tjati und damit der Mann unter dem Kopf des Königs, der zweite Mann in kemet, Hekaptah, der Siegler, beides Halbbrüder des Königs, danach Menhekat, der Königssohn, dessen Blick wie absichtslos die wartende Gruppe am Tor streifte. Merit lächelte. Sie freute sich wirklich auf ihn. Sie waren seit Kindertagen befreundet und eine Heirat mit ihm bot ihr die Aussicht auf die höchsten Ehren, die eine Frau nur erreichen konnte. Nur eine Frau mit äußerst verstiegenen Ansichten wäre gegen eine derartige Ehe.   Die sechs ranghöchsten Beamten traten zu dem Königsboot, während aus dem Schiff nun sechs Männer mit Holzstangen traten, auf deren Querstangen oben uralte Symbole der Königsmacht befestigt waren – die Herren, Horus und Seth, die beiden Herrinnen, die Schlangengöttin Uto und Nechbet, die Geiergöttin, Schützerinnen des Königtums, Upauut, der schakalartige Schutzpatron der Getreuen des Horus, der jeden Weg für diesen öffnen würde. Und ein Symbol, das so alt war, dass niemand mehr wusste, was es eigentlich bedeuten sollte, aber man wusste, es war wichtig. Die sechs Standartenträger traten zu der Mole und wandten sich um, gleichartig, in lang eingeübtem Ritus. Wie auch der Beamte, der die Kronen hütete, waren sie Priester, denn nur solche konnten mit den machtgeladenen Symbolen umgehen ohne Schaden zu erleiden. Zumindest entfernt verwandt mit der Königsfamilie sollten sie sein. Nun kamen auch die anderen Beamten und Höflinge von Bord, sortierten sich nach Rang auf der Nebenmole. Unterdessen hatten die ranghöchsten Beamten den Baldachin über dem Herrn der beiden Länder abgebaut und auf die Mole gelegt. Vier stiegen nun behutsam in das schwankende Boot und fassten die Stangen der Sänfte, hoben sie mit dem sitzenden Horus darin auf. Jetzt fassten die beiden auf festem Grund Stehenden zu, so dass nacheinander die Träger aus dem Boot steigen konnten und sie zu sechst sicher den lebenden Gott trugen. Der tjati, der einer der beiden vorderen Sänftenträger war, rief in der tiefen Stille die uralte Warnung: „Hüte dich, Erde, es naht der Gott!“ Für die wartende Grippe oben am Tor war dies das Zeichen niederzuknien und sich auf die warmen Ziegel zu legen. Sie alle wussten, dass nun erst die Standartenträger den Aufweg empor kommen würden, dann die Sänfte mit dem Horus darin, dann würden sie aufstehen und sich anschließen, danach der Rest des Hofes.   Die hohen Beamten trugen die göttliche Sänfte bis zu einer Tür im Empfangsraum, ehe sie sie behutsam ansetzten. Merimaat und sein Sohn eilten hastig voraus und stellten sich an die hölzernen Türen. Von hier aus würde der Lebende Gott zu Fuß weitergehen, zunächst in das Kronenheiligtum, um den Schutzgöttinnen der beiden Länder zu opfern, dann in den Schrein des Harpunierenden Horus, dessen Verkörperung er für die Zeit seines Hierseins wäre. Die eigentlichen Hofbeamten hatten nun frei, denn zu solchen kultischen Handlungen folgte nur das „Gefolge des Horus“ und das war durchaus nicht immer deckungsgleich mit den engsten Vertrauten der beiden Länder. Meruka sah sich, wie er hoffte, unauffällig um, als Horus Quahedjet aus der Sänfte stieg, damit buchstäblich die Feinde kemets mit seinen Füßen trat, denn die Neun-Bogen-Völker, also, alle Nachbarn, waren auf den Sohlen der Sandalen eingezeichnet. Jeder Schritt, jede Bewegung des Garanten der Weltordnung war vorgegeben, musste überwacht sein, damit die unglaubliche göttliche Macht nicht aus Versehen den eigenen Hofstaat schädigte. Wenn er in seiner Rolle als Herr der beiden Länder als Mensch auftrat, wurde ebenso Vorsicht walten gelassen, aber bei weitem nicht dermaßen. Leider, wie Meruka erwartet hatte, reihten sich auch der tjati und vor allem Hekaptah in das Horusgefolge ein. Natürlich hatte er es gewusst, aber … Nun ja. So könnte er wirklich erst nach dem Abendessen mit seinem Vorgesetzten sprechen. Immerhin würde das dann auch Merimaat mit dem tjati tun. Tja. Ein Fall bereinigt, aber, wie sollte er nur Senebib überführen? Natürlich gab es jedes Mal die Möglichkeit einen Verdächtigen durch Schläge zu einem Geständnis zu bringen, aber das erschien ihm immer keine klare Lösung. So allerdings konnte er nur Vermutungen bieten. Zum Glück war Hekaptah ein gerechter und lebenserfahrener Mann.   Als sich die Türen hinter dem Lebenden Gott und dem Horusgefolge geschlossen hatten, beeilten sich Merimaat, dessen engste Vertraute und sein Sohn, den Hofstaat in die einzelnen Zimmer und Trakte des Hauses zu weisen. Wie immer bei solchen Besuchen würde es eng zugehen und kaum jemand bekam ein Einzelzimmer. Die Beamten des Palastes waren draußen bereits dabei die mitgebrachten Vorräte und Möbel aufzulisten und zu verteilen. Meruka suchte Rahotep, der ihm diesbezüglich ja zugeteilt war, in der Menge, aber er konnte den Arzt nicht finden, ebenso wie einige andere Hofärzte, die er kannte. So war die maat-hor wohl noch immer schwer krank. Als er den Obersten der königlichen Ärzte erkannte, trat er zu ihm. „Ramose, ich grüße dich. Soweit ich sehe hat dein Schüler noch eine andere Aufgabe …?“ „Er wird morgen mit den anderen eintreffen,“ sagte der alte Arzt schlicht. Meruka nickte. Dann hatte die maat-hor im Sterben gelegen, als der Hof abreiste. Diese Zeremonien, die Befriedigung der Mächte des Chaos, was allein der Lebende Gott vermochte, durften nicht verzögert werden, nur um eines Menschen willen. „Das werde ich Meresanch verschweigen. Nun, da auch Menhekat und gar der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, hier sind, bin ich dieser Verantwortung ledig.“ „Ja, das wird ihr wohl Menhekat sagen. Wir sehen uns ja beim Abendessen, Meruka.“ Ramose ging, durch nichts zeigend, dass er eine gewisse Ahnung hatte, dass der Vorsteher der königlichen Schreiber nicht ganz zufällig mit dem Mädchen aus dem ipet nach Norden gereist war.   Meruka seufzte fast ein wenig, sah sich aber gezwungen in sein Zimmer zurück zu kehren. Er konnte nichts unternehmen, ehe er nicht mit Hekaptah gesprochen hatte. Merit und Nefer waren auch bereits verschwunden, Pathnacht würde irgendwo Wache stehen. Nein, es gab nichts zu tun bis zum Abendessen.   Kapitel 24: Horus und Seth -------------------------- Meruka saß etwas nervös beim Abendessen. Er hatte, wie er hoffte unauffällig, mit Hekaptah gesprochen, um eine Unterredung nach dem Essen gebeten. Der Siegler hatte ihm das zugebilligt – dessen kurze Nacht würde noch kürzer werden, aber er glaubte wohl, dass er, Meruka, die Todesfälle geklärt hatte. Wie immer saßen Männer und Frauen getrennt und er erkannte durchaus, dass Merit, durch den Tod der maat-hor und der Abwesenheit der Königsschwestern, als ranghöchste Frau behandelt wurde. Nicht, weil sie es tatsächlich bereits war, aber dem allzeit aufmerksamen Hof war die direkte, sehr liebevolle, Begrüßung durch Menhekat nicht entgangen. Auch jetzt trafen sich immer wieder die Blicke des Mädchens aus dem ipet und des Königssohnes. Nun gut. Sobald diese Ehe geschlossen war, wenn sich Meruka richtig entsann sollte das gleich nach den Feierlichkeiten des neuen Jahres geschehen, musste er erneut einen Mitarbeiter suchen. Immerhin hatte er mit Merit noch immer jemanden im ipet, der ihm Kontakte verschaffen konnte. Falls er dann für derartige Aufgaben noch überhaupt eingesetzt wurde. Sein Blick glitt links neben sich zu den Beamten des Palastes. Merimaat der Ältere hatte gewiss dem tjati Bericht erstattet, Chamaat als Leiter der Bäcker saß etwas unglücklich und einsam da. Sicher wusste er, dass sein bisheriger Stellvertreter Betrug, ja, Verrat am königlichen Eigentum begangen hatte – und, dass er nur zu leicht darin verwickelt werden konnte. Anch-ka, sein eigener, ehemaliger Mitarbeiter, ließ den auch nicht aus den Augen. Er sah nach links. Nebhotep, der zweite Mann der Leibwachen, stand neben dem Herrn der beiden Länder, einen Fächer aus Palmwedeln in der Hand. Als Wedelträger des Königs, wie der offizielle Titel lautete, würde er alle Gespräche mitbekommen, aber auch in einem undenkbaren Notfall bereit sein den Lebenden Gott zu schützen. Im Augenblick freilich war dieser in seiner Menschenform hier. Er trug keine Kronen, nicht die Symbole, die ihn zu einem Gott machten, sondern ein nemes-Kopftuch, blau-weiß gestreift, statt der Zepter griff er zu, wenn ihm Essen serviert wurde. Natürlich nicht von einfachen Dienern, sondern von den Geheimräten, wie diese engsten Vertrauten tituliert wurden, die eben den Menschen im Gott sehen durften, ihm nahe kommen durften. Nahe bei dem Podest des Herrn der beiden Länder saßen dessen Halbbrüder, Sobeknacht, der tjati, und Hekaptah, der Siegler. Immerhin, stellte Meruka mit gewisser Beruhigung fest, war er auch vom „Leiter der Sitzordnung“ so platziert worden, wie es ihm mit dem Titel „Einziger Freund“ zukam – keine zehn Männer befanden sich zwischen ihm und dem Herrn der beiden Länder. Sein Blick glitt wieder nach rechts. Direkt neben ihm saß Merimaat, der Palastleiter, daneben dessen gleichnamiger Sohn. Und dann auch die beiden Männer, die Grund für seine Sorge waren – Seneb und Senebib. Das letzterer so ranghoch sitzen durfte war ein wenig erstaunlich, denn er war kein gelernter Schreiber, aber es waren auch einige hochrangige Beamte nicht mitgekommen. Sie hatten gewiss in Ibenu-hedj genug zu tun, wenn der Herr der beiden Länder mit seinen engsten Vertrauten im Delta weilte. Und, so sehr Meruka auch Senebib beobachtete, der wirkte absolut frei von Sorge. Irrte er sich doch? Oder war der so sicher, dass ihm niemand auf die Spur kommen könnte? Hatte der gar mitbekommen, dass da jemand verhaftet worden war, und wähnte sich schon darum in Sicherheit? Er beachtete die vorgelegten Speisen kaum, obwohl sie das Beste boten, was das Delta zu bieten hatte. Nein. Erst, wenn er selbst sicher war seinen Auftrag erfüllt zu haben, seinen Gott nicht enttäuscht zu haben, würde er wieder Lust auf Gazelle oder gemästete Hyäne verspüren.   Sobald es angängig war, und das bedeutete, nachdem sich der Herr der beiden Länder zurück gezogen hatte, verschwand auch Meruka aus dem Saal. Höflich wartete er noch einige Zeit, ehe er sich auf den Weg zum Quartier des Sieglers machte. Die Wachen auf dem Weg ließen ihn passieren. Vor dem Rollvorhang sagte er diplomatisch: „Darf ich eintreten, Hekaptah?“ „Komm nur, Meruka. Ich hoffe, du bringst ebenso gute Kunde wie Merimaat zuvor.“ Der Vorsteher der Schreiber trat ein. Der Königsbruder war in einem kleinen schmalen Raum untergebracht. Zeichen seines hohen Ranges war nur die Tatsache, dass er hier allein schlafen durfte und eine schmale, durch einen Rollvorhang aus Schilfrohr gefertigte, Tür, die in ein eigenes Bad ging. Jetzt war er herabgelassen. Hekaptah saß auf seinem Bett. Meruka hätte es als unhöflich empfunden sich auf den leeren Hocker zu setzen und ließ sich im Schreibersitz auf den Boden nieder, die Beine verschränkt. „Merimaat sagte, er habe einen Betrüger gefunden, ich vermute, du warst daran nicht unbeteiligt.“ „Nein.“ Meruka berichtete sachlich über die "Mins Stolz" und die Ermittlungen, ehe er schloss: „Das überließ ich dem Palastleiter. Mein Auftrag lautete die Ursachen für die ominösen Todesfälle zu suchen.“ „Du hast keinen Namen?“ „Ich habe einen. Allerdings keine sachlichen Beweise,“ gab Meruka zu. „Nur Vermutungen, Aussagen.“ Sein Kopf fuhr herum. Irrte er sich, oder hatte er aus dem kleinen Bad einen Laut vernommen? Der Siegler folgte seinem Blick, meinte jedoch nur nüchtern: „Dein Bericht?“ Meruka tat, was er auch stets von seinen Mitarbeitern verlangte. Er lieferte sachlich, möglichst ausführlich und wörtlich Bericht ab. Er schloss: „Ich bin sicher, dass alles auf Senebib verweist, nicht sicher jedoch, ob und in wie weit auch Seneb davon weiß. Ich denke, nein. Allein Senebib hatte mit Chamaat und dem Kult des Usir zu tun, auch nur von ihm weiß man, dass er einen Arbeiter samt Schreiber hinausschickte, als die Krüge noch offen waren. Bloß – das sind Indizien, keine Beweise.“ „Es ehrt dich, dass du stets logisch denkst. Nur, du weißt es selbst, eine gute Tracht Prügel bringt die Leute zum gestehen.“ „Sie gestehen, was man hören will. Nicht unbedingt die Wahrheit,“ gab Meruka zurück. „Es wäre durchaus möglich, dass Senebib seinen Freund schützen will, es schon die ganze Zeit tut. Er hat ihm zuliebe seinen Namen geändert – das Herz Senebs. Vielleicht ist Seneb der Schuldige – Senebib nur der treue Freund. Ich grübele über eine Falle, in die der Eine oder Andere fallen mag – doch ich sehe nicht wie. Die Krüge samt den Datteln stehen seit Wochen fertig, es wäre geradezu Wahnsinn, würde Senebib oder Seneb daran gehen. Allerdings habe ich zur Vorsorge Merit gebeten viel um Menhekat zu sein.“ „Du fürchtest um den Königssohn.“ „Es scheint um Usir und seinen Sohn Horus zu gehen. Horus als der Thronfolger. Was wäre sinnvoller?“ Hekaptah schloss kurz die Augen. Noch ehe er allerdings reden konnte, kam ein Einwand von hinten. „Es geht um einen geistig verwirrten Mann, der vergessen hat, was die ma´at ist. Und du suchst nach einem Sinn?“ Meruka riss förmlich den Kopf empor, nur um ihn hastig wieder zu senken und sich soweit vor zu neigen, wie es ging. Er hatte recht gehabt. Im kleinen Bad war jemand gewesen. Allerdings verriet der praktisch kahlgeschorene Kopf ebenso wie der schmucklose Körper, dass der Herr der beiden Länder auf einen rein privaten Besuch zu seinem Halbbruder gekommen war. Dennoch – das war momentan zwar der Mensch, aber immer noch die Erscheinungsform eines Gottes. „Hekaptah,“ fuhr der mächtigste Mann kemets fort: „Nannte dich und deine Mitarbeiter die Augen und Ohren des Falken. Das wart ihr in der Tat. - Geh nun, Meruka. Nach der Mundwaschung, noch ehe man das Flusspferd jagt, wirst du gerufen. Hekaptah, lass Sobeknacht kommen. Wer auch immer schuld ist an den Toten hat vergessen, dass ich nicht nur der Liebling der beiden Herrinnen bin, sondern auch die Verkörperung der beiden Herren.“ Horus und Seth. Meruka verneigte sich eilig. Ja, das vergaß man gern, denn zumeist zeigte sich der schützende Himmelsfalke. Zum Glück, denn der Zorn des Herrn der Stürme und Wüsten galt als unübertroffen. Es hieß, dass einst ein Herr der beiden Länder in seinem Zorn mit einem Erdbeben das Land entzwei gerissen hatte. Der Titel lautete nur „Horus“ Quahedjet, und man vergaß leicht, dass es eben beide Herren, zwei entgegengesetzte Mächte, waren, die vereint wurden. Ebenso wie der Titel der maat-hor, die den Horus sieht, eigentlich immer um das: und den Seth trägt, ergänzt werden müsste. Zwei Mächte in einem vereint, eine Macht, der niemand widerstehen konnte. So folgte er lieber eilig der Anweisung, sicher, dass er morgen erfahren würde, was beschlossen worden war.   Kapitel 25: Ma´at ----------------- Meruka war nach einer fast schlaflosen Nacht bereits im Morgengrauen fertig mit seiner Morgentoilette. Er trug ein blütenweißes Tuch um die Hüften, die Reifen um die Oberarme, die ihm der Lebende Gott kemets geschenkt hatte, den Amtsstab griffbereit. Wie stets bei derart hohen Festen war er sorgfältig geschminkt. Seine Lider zierte wieder geriebener Lapislazuli, kostbar und nur über die königlichen Speicher zu erlangen. Er legte sich noch die Amtskette um, mit der Schutzgöttin Selket der Schreiber, dazu eine, die ihn als sab-Beamten auswies. Nur noch die Perücke über die kurzgeschorenen Haare streifen und er war bereit für alles, was der Herr der beiden Länder von ihm verlangen würde. Ein Geräusch vor der Türmatte ließ ihn zusammenzucken, aber dann erkannte er den Eintretenden als einen der Geheimräte des Morgenzimmers, eines privaten Vertrauten des Lebenden Horus, der neben dem damit verbundenen Priestertitel kein öffentliches Amt in der Verwaltung führte, sondern sein Leben mit der Sorge um den Herrn der beiden Länder verbrachte. Dieser nickte zufrieden, als er sah, dass sein Auftrag bereits erfüllt war. „Komm.“ Meruka brauchte nicht zu fragen wohin. Der Herr der beiden Länder hatte am Abend nur zu deutlich gemacht, dass er noch vor den Zeremonien die beiden Herren, Horus und Seth, in sich vereinen würde. Er irrte sich auch nicht, denn es ging in das private Audienzzimmer, wo gewöhnlich nur die engsten Mitarbeiter und höchsten Beamten kemets empfangen wurden. Er kannte den kleinen Raum, dessen Wände prachtvoll mit Blumenornamenten bemalt waren. An der Decke prangte das Gesicht der Hathor, Schutzgöttin des Königs. Nur vier Kohlebecken erhellten das Zimmer, daneben jeweils zwei der Getreuen, der Wachen des Herrn der beiden Länder. Dieser saß bereits in vollem Ornat auf einem Stuhl mit Rückenlehne auf einem Podest. Neben ihm kniete sein Halbbruder, der tjati, hinter ihm sein anderer, als Siegelbewahrer. Da der Geheimrat des Morgenzimmers bereits wieder lautlos verschwand, begriff Meruka: nur die Wachen und die ranghöchsten Beamten, neben dem Lebenden Gott natürlich, würden hiervon Kenntnis erhalten. Horus Quahedjet trug die Doppelkrone, zusammengesetzt aus der roten Krone und der weißen Krone, die die Vereinigung der beiden Länder anzeigten und ihn als Herrn. In den vor der Brust gekreuzten Händen hielt er Krummstab und Geißel – uralte Symbole für Macht und Rechtsprechung. Der weiße Schurz war mit Lederbändern verziert, auf denen sich ebenfalls Hathorgesichter befanden. Er saß vollkommen regungslos, sicheres Zeichen, dass er nun die Verkörperung des Horus war, nein, beider Herren, nur noch die menschliche Hülle die Göttermacht bedeckte. Meruka erkannte, noch während er in die Knie glitt und sich zu Boden warf, wie immer in dem unwillkürlichen Schauder einem, zwei, Göttern gegenüberliegen zu dürfen, dass an neben der Tür nochmals zwei Mitglieder der Leibwache standen, darunter Hekahor, der Vorsteher der Wachen dieses Palastes. Ja, hier wurde Gericht gehalten. „Geh dort hinüber, Meruka,“ sagte der tjati schlicht. Dieser erhob sich, nur um wenige Meter später erneut zu Boden zu gleiten, direkt vor Neb-hotep, dem zweiten Mann der Getreuen, dem Wedelträger des Königs, mit dem Rücken zu diesem. Seine Aufgabe hier war es wohl weniger Luft zuzufächeln, der Morgen war kühl und durch den Palast strömte die frische Luft, als seiner eigentlichen Aufgabe als zweithöchster Leibwächter nachzukommen, falls etwas vollkommen Undenkbares geschehen sollte. Aber natürlich hatte der Lebende Horus gestern Abend recht gehabt - er, Meruka, versuche einen Sinn zu erkennen, in einem Mann der etwas derart Unsinniges getan hatte, das gegen die ma´at verstieß?   Seneb und Senebib wurden hereingeführt und sahen sich kurz um, ehe sie hastig zu Boden glitten. Ja, das hier war überaus ungewöhnlich, aber selbst der nicht ausgebildete Senebib wusste, wie er sich zu verhalten hatte. Der tjati, Sobeknacht, begann ruhig. „Ja, es ist einiges geschehen, das dieser besonderen Sitzung bedarf. Schlimm, wenn ein Beamter Unterschlagung, ja, Diebstahl begeht. Menchauchnum, der stellvertretende Vorsteher der Bäcker, wurde festgenommen. Beweise liegen vor, so dass er in Ibenu-Hedj vor Gericht gestellt wird. Dort kann auch vollständig festgestellt werden, wie hoch die Beträge sind, die er an Waren und wohl auch Schmuck an sich genommen hat.“ Meruka und auch allen anderen Männern entging nicht der Blick,den die beiden Freunde tauschten, wohlweislich ohne sich zu bewegen. Hofften sie etwa, dass Senebib nun diesen Platz einnehmen sollte? Chamaat, der oberste Bäcker, machte ja keinen Hehl daraus, dass er krank war und am liebsten in seine Heimatstadt Djedu zurückkehren würde – der Weg für seinen Stellvertreter war dann frei. Die doch gewisse Peinlichkeit eines Diebstahl in einem königlichen Palast erklärte ihnen wohl auch die Geheimhaltung. Sobeknacht fuhr noch immer sehr ruhig fort: „Wie stets muss er den Schaden, den er angerichtet hat, drei oder vier Mal ersetzen. Sollte sein Vermögen dazu nicht reichen, werden er und seine Familie zur Zwangsarbeit herangezogen. Da er allerdings ein Beamter ist, der seinen Dienst vollkommen missachtete, wird da wohl das Urteil lauten, dass er, nachdem ihm Ohren und Nase abgeschnitten wurden, und er sich einigermaßen erholt hat, in die Steinbrüche zur Arbeit geschickt wird. Niemand bestiehlt oder betrügt den Herrn der beiden Länder. Nicht, ohne, dass er entdeckt wird.“ Meruka war zu erfahren in Verhören, dass er nicht bemerkt hätte, wie Senebib unwillkürlich zu seinem Freund blickte, der allerdings nur mit gesenktem Kopf zu dem zweiten Mann in kemet schielte. Suchte der Untergebene Schutz, weil er befürchtete auch aufgeflogen zu sein oder Rat, weil er nichts verstand? Nun er selbst musste abwarten, so lautete sein eigener Befehl.   Der Herr der beiden Länder bewegte sich zum ersten Mal und legte den Krummstab ein wenig nach vorne, deutete auf die beiden Männer direkt vor ihm. Als er sprach war seine Stimme nicht mehr die, die Meruka gestern im Schlafzimmer Hekaptahs gehört hatte oder so oft bei dem Diktat eines Briefes. Sie hatte sich verändert, klang weicher und mächtiger zugleich, fast wie in einem Traum. So redete der Lebende Horus auch, wenn er die Kronengöttinen ehrte, Bauwerke einweihte, kurz in seiner Göttlichkeit erschien. Es war nicht zu bezweifeln, dass auch nun Horus selbst in die menschliche Hülle gefahren war. Langsam sprach er. „Ich spreizte meine Flügel und flog über den blauen Himel kemets, damit das Volk im Schatten meifler Schwingen Ruhe fand. Dabei zog ich auch über diesen Palast. Die Lagerhallen waren gut gefüllt. Ein Mann, aber kein Vorsteher, sandte einen anderen und einen Arbeiter hinaus um Lehm zu holen, ehe er beiseite griff. In Wein eingelegte Schalen der roten Meereszwiebel landeten in den Amphoren, noch ehe die anderen beiden zurück waren.“ Senebib riss den Kopf empor und starrte gegen jede Regel und Höflichkeit den Mann auf dem Thron an. Sein aschfahl gewordenes Gesicht war ein schreckliches Geständnis, ebenso wie der aufgerissene Mund. „Dann siegeltest du mit dem Siegel des Vorstehers. Falls etwas auffiel, wäre Seneb schuldig,“ ergänzte Sobeknacht, der gesehen hatte, dass sich der Herr der beiden Länder wieder regungslos setzte. „Hast du wirklich geglaubt den Augen des Himmelsfalken entkommen zu können? Selbst dein Schwur künftig keine Verbrechen mehr zu begehen, wäre nutzlos.“ Ein solcher Schwur konnte selbst bei schweren Verbrechen noch eine mildere Strafe bedeuten. „Usir,“ flüsterte der blasse Mann. „Rette deinen treuen Diener! Ich habe alles für dich getan, schütze mich!“ Da bewegte sich der Herr der beiden Länder erneut. Die Geißel wurde geschwungen, es gab fast einen pfeifenden Laut. Jetzt klang seine Stimme leise, drohend und verriet doch einen unbändigen Zorn, wie der Sturm in der Wüste. Seth. „Narr, der du bist! Gott gegen Gott ausspielen zu wollen als Mensch! Ohne Ahnung, ohne Ausbildung, ohne Denken! Das isfed wird dich verschlingen. Bringt ihn zum Königsschiff. Mafdet wird sich seiner annehmen. Danach verbrennt alles, was von ihm übrig ist. Kein Nachleben!“ „Nein!“ Senebib wollte auf, hatte aber gegen sechs Mann der Wachen nicht den Hauch einer Möglichkeit. Er wurde weggezerrt, ohne dass Seneb es auch nur gewagt hätte sich zu bewegen. Prompt meinte der tjati: „Zu deinen Gunsten geht man davon aus, dass du an dem Mordkomplott, dass mehr als zehn Menschen das Leben kostete, nicht beteiligt warst. Allerdings warst du leichtfertig genug, das dir anvertraute Siegel an deinen Freund weiterzugeben. Ein Amtssiegel, das nur zu deinem Amt gehört. Du bist eines Schreiberpostens unwürdig und wirst aus deinem Amt entfernt.“ „Nicht zu meiner Familie!“ Seneb quietschte es förmlich. Das war eine sehr ungewöhnliche Bitte in einem Land, in dem die Bande innerhalb einer Familie fest waren und so würgte er weiter hervor: „Nicht als Fischer zurück in das Dorf, ich flehe dich an, tjati ...“ „Wusstest du, was der Namenlose vor hatte?“ Ein solcher Täter wurde selbst in den noch abzuschließenden Gerichtsakten nie mit Namen erwähnt. Sein Leben und sein Ka sollten in Vergessenheit geraten, ewig im Nichts versinken. Und jeder lebte, solange sein Name ausgesprochen wurde. Seneb schüttelte hastig den Kopf. „Ich hätte doch nie... ich vertraute ihm doch, sonst hätte ich ihm doch niemals das Siegel … er war mein Freund! Ich verstehe nicht … Usir? Das hat er von Chamaat, ja, genau. Dass der Stadtgott von Djedu alle Toten wieder auferstehen lassen würde. Und er meinte, das sei doch dann der … der mächtigere Gott als … als....“ Nun das sprach er lieber nicht aus. Er wusste, was auf dem Königsschiff mit seinem Nicht-mehr-Freund geschehen würde. Für Reisen auf dem Fluss war am Bug das Hinrichtungsgerät dort angebracht, dessen Schutzherrin Mafdet mit den scharfen Krallen war. Es war der Hinweis an alle, dass der Herr der beiden Länder auch die Macht über Leben und Tod hatte. Und es wäre gewiss ein absolut unpassender Zeitpunkt den Lebenden Horus ebenfalls so zornig auf sich zu machen, dass er Seth aufsteigen ließ. „Ich wollte es ihm ausreden, aber da er nicht nachließ, vermutete ich doch, dass er das wieder vergessen würde, sich daran erinnern würde, wie viel Dank er für seinen Aufstieg doch … Ja, Chamaat. Der hat ihn verführt!“ Der Herr der beiden Länder bemerkte an der Tür einen seiner Geheimräte. Es wurde Zeit, denn die Zeremonie durfte nicht warten. „Er soll der Stellvertreter eines Verwalters einer Oase in der Westlichen Wüste werden, wo die tehenu keine Ruhe geben. Dort kann er Sorgfalt lernen. Und sorge dafür, Sobeknacht, dass er keinerlei Siegel mehr in die Hand bekommt.“ „Das Wort ist auf den Lippen des Königs.“ Mit diesem höfisch-formellen Satz verneigte sich der tjati, ehe seine Handbewegung die Getreuen samt Meruka und Seneb, der nicht wusste, ob er erleichtert mit dem Leben davon gekommen zu sein und nicht als Fischer demütigend in sein Heimatdorf geschickt zu werden sein sollte oder aber besorgt mit der mehr als unruhigen Stelle in der Wüste kein langes Leben vor sich zu haben.   Erst am Ende des langen Tages, weit nach dem festlichen Essen, fanden Meruka und seine Gruppe in seinem Zimmer zu einander. Auch Rahotep war wieder dabei und da der Arzt am wenigsten wusste, holte der Vorsteher der Schreiber weiter aus, ehe er den Abschluss berichtete. „Verbrennen? Ah, ich sah weiter entfernt ein großes Feuer, dachte mir jedoch nichts dabei. Es war wirklich weit weg,“ meinte Ptahnacht, der zu den eigentlichen Zeremonien das einfacher Wächter nicht zugelassen worden war. „Schrecklich,“ flüsterte Merit. „Trotz allem, was er tat... in Ewige Nichts zu verschwinden....“ „Und der Fluch des Lebenden Gottes wird ihn verfolgen,“ ergänzte Meruka nüchtern. „Es gibt keinen Rückweg mehr. Seneb kommt dagegen mit dem Leben davon.“ „Die Oasen in der Wüste sind auch nicht sonderlich komfortabel. Es leben dort viele tehenu und Leute kemets Seite an Seite, so dass es immer wieder auch zu militärischen Auseinandersetzungen kommt.“ Rahotep blickte allerdings seitwärts und suchte abzulenken. „Merit es laufen Gerüchte, dass du bald die Gemahlin eines Königssohnes bist. Ziehst du schon nach der Rückkehr nach Ibenu-hedj zu ihm?“ „Nein, das ist innerhalb der königlichen Familie nicht so. Ich bekomme andere Räume im ipet, wo er mich besuchen kann, ähnlich wie der Herr der beiden Länder die maat-hor ...oder eben seine Familie. Es müssen nur Erlasse unterzeichnet werden, die mein Heiratsgut bestimmen und meine Frauensachen, die ich mit in die Ehe bringe, dazu bekomme ich Güter, die meine Altersversorgung sichern sollen. Wohl aus dem Erbe meiner Eltern, das ja der Lebende Horus, er lebe, sei heil und gesund, für mich seit ihrem Tod verwaltete.“ „Bekommst du dann auch einen Titel?“ fragte Nefer neugierig, die das fast am Meisten interessierte. Merit schüttelte lächelnd den Kopf. „Welchen denn? Ich bin keine Tochter eines Königs, also, keine Königstochter. Ich bin keine Königsgemahlin, denn mein Ehemann ist nicht der Herr der beiden Länder.“ „Du behältst dann den Titel einer chekeret-nesut?“ Königsschmuck. „Nein, das geht auch nicht, denn das steht nur den Frauen von hohen Beamten zu. Und, ehe du fragst, nein, auch den Titel der weret-hetes kann ich nicht bekommen, den trägt immer die älteste und ranghöchste Dame im ipet. Jetzt also wohl eine Königsschwester. Einen Titel wie du ihn meinst, werde, würde ich erst bekommen, wenn.....nun, wenn ich Königsgemahlin wäre.“ „Oder Königinmutter, das wäre noch ranghöher.“ Nefer wusste nur zu gut, dass das der höchste Titel war, den eine Frau in kemet überhaupt erreichen konnte. Schließlich konnte ein König über mehrere Frauen und Konkubinen verfügen – aber er würde immer nur eine Mutter haben. Meruka war praktischer. „Dann reist du schon mit der königlichen Eskorte ab?“ „Ja, so wie du. Nefer kann noch bei mir bleiben, aber euch andere werde ich höchstens in ibenu-hedj noch mal sehen.“ „Du musst uns verlassen.“ Aber das war nicht nur Ptahnacht klar gewesen, seit das erste Mal die Rede auf die Beziehung zum Königssohn gekommen war. Merit nickte. „Ja. Irgendwie schade. Aber das geht eben nicht. Andererseits, wenn ihr Informationen aus dem ipet braucht, ihr wisst ja, wen ihr fragen könnt.“ „Danke,“ sagte Meruka ehrlich. „Für alles, Meresanch.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)