Unter den Schwingen des Horusfalken 2 von Hotepneith (Die Gefahren des Delta) ================================================================================ Kapitel 14: Nach Pe und Dep --------------------------- Am folgenden Morgen brachen die Passagiere mit der Wildstier wieder auf. Nur der Lotse im vorderen Boot hatte gewechselt und nun leitete Teti den kleinen Konvoi. Bald schon bogen sie aus dem eigentlichen Flussarm in einen Kanal, der von Menschenhand geschaffen worden war. Hier zeigten sich die Papyrusstauden weiter entfernt von dem Schiff, das sich in der Mitte halten musste. Es war die Zeit des niedrigsten Wasserstandes und rechts und links konnte man kahle, sandige Stellen entdecken, die schon in wenigen Wochen wieder überflutet wären. Einige Zeit später erreichte man eine Art See, dessen Ufer so noch deutlicher die Trockenheit zeigten. Merit bewunderte die Planer des Herrn der beiden Länder. Sie hatten den Kanal so anlegen lassen, dass natürliche kleine Seen verbunden wurden – schon, wenn sich Schiffe begegneten, so dass eines hier warten konnte. Heute waren ihnen nur kleinere Papyrusboote begegnet, mit Fischern oder Hirten, die über setzten. Kleinere Kanäle freilich wurden durchwatet, aber diese dienten der Bewässerung der Felder und waren hier im Delta kaum von Nöten. Erst seit kurzer Zeit wurden neue Domänen angelegt, beziehungsweise Land den hohen Beamten gegeben, das sie urbar machen sollten. Zuvor hatte es nur die großen Städte und in deren Umfeld Äcker gegeben. Und natürlich den altehrwürdigen Palast des Harpunierenden Horus. Dort gab es Wein und Öl aus eigenem Anbau, das den Hof in Ibenu-Hedj versorgte. Aber, zugegeben, über Stunden hinweg eigentlich nur Sand und vor allem Papyrus zu betrachten war langweilig. Freilich, es war besser nur die kleineren und harmloseren Tiere zu bemerken. An das Andere wollte sie lieber nicht denken, vor allem nicht um der Männer in den beiden Vorbooten aus Papyrus willen. Auf der „Wildstier“ war man doch einigermaßen gut geschützt.   Teti, der Lotse, ließ nicht in seiner Aufmerksamkeit nach. Er kannte den Kanal von seinem Heimatdorf bis zu der Doppelstadt seit er ein kleiner Junge war. Gewöhnlich hätte er auch seinen Ältesten mitgenommen um ihn wieder anzuleiten, aber er hatte in Anbetracht der ranghohen Gäste darauf verzichtet, Jedoch lernte man nur durch lange Jahre Erfahrung wie sich der so friedlich scheinende Kanal verändern konnte, Sandbänke nach jeder Flut anders verliefen. Sicher, das Schiff des Herrn der beiden Länder, das er hier leitete, war ebenso flach wie alle Schiffe und würde auch über eine überflutete Sandbank gleiten, im Notfall gezogen werden können, aber das würde ihm gewiss kein gutes Zeugnis ausstellen. Kapitän Paadiptah hatte ihm ja unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, dass die junge Dame eine Königstochter sei und der Mann, der offensichtlich ein Schreiber war, sogar der Vorsteher der persönlichen, königlichen, Schreiber. Ein Mann, der jeden Tag den Lebenden Gott sah, ja, ihm Bericht geben durfte. Das waren gewiss keine Personen, denen man mit einem Ruck des Schiffes und gar blauen Flecken kommen konnte. Und Sandbänke waren nur eines der Hindernisse, die diese Durchfahrt bot. Immer wieder machte Teti daher auch das Handzeichen gegen das Böse, griff danach hinter sich und warf in weitem Bogen Hähnchenteile in das dichte Papyrusdickicht, Opfer und Ablenkung zugleich. Sobald sich etwas regte winkte er mit erhobenem Arm hektisch und der Trommler im zweiten Boot schlug eifrig, die anderen Männer dort fassten die Lanzen fester und musterten das nur so einheitlich scheinende Grün.   Bemüht, ein wenig Unterhaltung aufkommen zu lassen, erkundigte sich Rahotep bei Meruka: „Weißt du, ehrenwerter Schreiber des Herrn der beiden Länder, wie der Vorsteher des Palastes heißt, zu dem wir reisen? Ich glaube, ich sollte ihn kennen…“ „Merimaat. Er ist, da hast du recht, der Halbbruder von Achtihotep, dem Vorsteher des ipet.“ Aber der Ermittler blickte seitwärts zu Merit, die beide Achthoteps, Vater und Sohn, kennen sollte. Sie nickte. „Ja, Er ist der ältere Bruder von Achtihotep, also, dem Vater. Seine Ehefrau ist in die Schilffelder des Westens gegangen, aber sein ältester Sohn ist der Vorsteher der Rinder im Delta. Er überwacht die Hirten und die Ländereien des Lebenden Gottes, er lebe, sei heil und gesund. Er wird seinem Vater gewiss in eine große Karriere nachfolgen. Er heißt, oder eher, hieß, als wir Kinder waren Merimaatscheri. Der kleine Merimaat, denn er heißt ebenso wie sein Vater.“ Und er hatte sie heiraten wollen, was sie freilich abgelehnt hatte. Eigentlich kannten sich alle Beamten und Schreiber, waren miteinander in der Schule gewesen oder durch Heiraten verbunden. „Ah ja,“ meinte Rahotep, um etwas zu sagen und das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. Der Kapitän schien zwar aufmerksam dem Lotsen zu folgen, stand jedoch ziemlich nahe über ihnen. „Dann ist Ashmes der Vorsteher der Stadt Dep.“ Dem Namen nach stammte er wohl aus dem westlichen Delta, denn der Gott Ash beschützte die westliche Wüste und die Oasen dort. „Nein, von Pe,“ erwiderte Meruka prompt. „Die heilige Stadt der Vorfahren untersteht ihm. Dep, der andere Teil, am Ostufer, hatte Paadigeb als Bürgermeister. Er war früher Vorsteher eines Gaus im Süden. Nachdem er einiges an Verletzungen aus Kämpfen mit den Hundeleuten aus Wawat und Kusch ertragen hatte, sandte ihn der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in die ruhigere Gegend. Überdies ist er zuverlässig und überwacht den Handel mit dem Großen Grün, der nicht nach Sau geht.“ „So ist er sicher schon ein alter Mann,“ warf Merit ein, da Nefer als ihre Dienerin und Ptahnacht als Wache nicht an solch einem Gespräch ungefragt teilnehmen durften. „Verheiratet?“ „Alt, nun ja. Um die vierzig, glaube ich, ein wenig älter. Aber er hat eine Gesichtsverletzung erhalten, die selbst die kundigen Ärzte kaum heilen konnten.“ Ptahnacht sah sein Chance auch etwas zu sagen. „Wenn ich dich fragen darf, werter Arzt, zu diesem Thema … Man sagt, selbst wenn in einem Kampf ein Ohr abgeschnitten wird, könnt ihr es wieder befestigen.“ Merit gruselte sich sichtlich – allerdings wussten ihre Kollegen, dass das nur für die Zuschauer war. Rahotep räusperte sich denn auch mit gewissem Tadel, antwortete jedoch: „Nicht, wenn es ganz weg ist, soweit ich weiß. Solange es nur hängt, wird es mit Leinen wie mit einem Beutel umfasst und der Kopf umwickelt. Ich darf natürlich nicht genau sagen, welches Mittel es ist, aber soviel sei gewiss gesagt: der Milchsaft der Sykomore ist dabei. Damit wird das Ohr wieder an seine Stelle geklebt. Natürlich kommen auch Schmerzmittel und Mittel gegen Fieber dazu.“ „Die Feigen der Sykomore sind göttliche Früchte,“ bestätigte Nefer, ehe sie wieder mit gewisser Langeweile in das Papyrusdickicht sah, auf der Suche nach Vögeln.     Die Fahrt zog sich hin und obwohl die Passagiere gegen Mittag Brot und Bier erhielten, war ihre Unterhaltung schon lange verstummt. Gegen Abend erreichten sie eine Stelle, die bewies, dass Teti ein erfahrener Lotse war. Eine Sandbank stieg aus dem schlammigen Untergrund hervor, schlecht zum emporsteigen, aber durch den weichen Sand waren die Passagiere dort oben vor Flusspferden sicher, die es vorzogen auf dem härteren Boden nach Gras und womöglich Getreide zu suchen. Auch Krokodile kletterten nicht gern. Dort oben lagen einige Stangen aus Akazienholz, die rasch zusammengesteckt wurden und mit einem engmaschigen Netz gegen Mücken versehen wurden. Dieser Komfort galt allerdings nur für die hochrangigen Gäste. Die Besatzung der Wildstier, der Lotse und die Wachen blieben unten an Bord des Holzschiffes. Ein großes Feuer wurde angezündet, an dem sich jede Stunde mehrere Männer zum Wachen abwechselten, wie auch die Schläfer in Netze gewickelt. Zwar war die Plage der Mücken um diese Jahreszeit geringer, aber lästig waren sie allemal. Für die Passagiere gab es Bier, während die Besatzungen sich Wasser aus dem Kanal holten. Auch erhielten nur die Gäste kaltes Fleisch und Feigen, sowie zweierlei Sorten Brot, während die Männer unten auf das süße Dattelbrot verzichten mussten. „Morgen kommen wir nach Pe und Dep?“ erkundigte sich Merit, während sie sich ihre Perücke abzog, um sich leichter auf den Kopfständer betten zu können. Die Schläfe auf dem genau ihrem Körper angepassten Holz war weitaus angenehmer – und sicherer – als direkt auf dem Sand zu schlafen. Sandflöhe und anderes verbarg sich gern dort. „Ich vermute, ja,“ antwortete Meruka. „Teti scheint diesen Kanal wirklich sehr gut zu kennen. Wir sind noch kein einziges Mal aufgesessen und die Männer mussten nicht ziehen. Wenn das so bleibt, werden wir morgen Abend in Dep anlegen. Wenn nicht, nun, so musst du, Bekannte des Königs, noch eine solch unbequeme Nacht in Kauf nehmen.“ „Nun, so ist das auf Reisen.“ Und ihr Vater war mit ihr und ihrer Mutter oft genug von Per-Bast, wo er seinen Amtssitz hatte, an dem Hof nach Ibenu-Hedj gefahren.   Am nächsten Morgen nach einer sehr kurzen Erfrischungspause, bei der Ptahnacht betont die beiden Frauen abschirmte, ging die Reise weiter. Es war schon nachmittags geworden, als Teti sich vom Lotsenboot umwandte und etwas rief. Kapitän Paadiptah der Wildstier verstand zwar nicht wörtlich, aber doch, und erklärte eilig den Passagieren: „Der Lotse spürt bereits die Strömung des anderen Armes des Flusses. So uns alle Götter hold sind, sind wir wahr und wahrhaftig heute Abend am Pier von Dep.“ „Warum am Pier?“ erkundigte sich Nefer, getreu ihrer Rolle als etwas dümmliche Frau aus dem Süden. Die Nordleute sahen immer gern auf die halben Nubier, wie sie oft genannt wurden, herab. „Sonst legten wir, auch in Sau, doch auf dem schrägen Strand an.“ „Das ist wahr. Aber der Hafen in Dep ist ähnlich dem in Ibenu-Hedj. Die Güter der Marschen und der neuen Domänen werden hier umgeschlagen und umgekehrt kommen auch Dinge aus dem tiefen Süden oder Reisende aus der Residenz, ja, demnächst ja der Lebende Horus selbst mit vielen Höflingen. Da ist schon alles gut vorbereitet.“ „Ja, natürlich.“ „Du, Kapitän, und die Lotsen, die du beschaffst, versteht euer Handwerk.“ Meruka wusste, dass das als Zusage für ein Lob verstanden wurde und damit auch für eine Belohnung in besonderem Öl, Amphoren Bier oder auch Leinenstoffen vom Königshof ausgeschickt werden würde. Paadiptah strahlte auch kurz auf. Dinge, die man neben Getreide und Leinen vom Königshof erhielt waren immer auch gut zum Umtauschen. Einmal hatte er sogar eine Kette, mit einem Amulett des Sobek erhalten, aus Gold, das nur dem König zustand! Das trug er stolz immer, wenn er die Wildstier fahren durfte, zu deren Kapitän er zu diesem Zeitpunkt auch ernannt worden war. Und das bekam nicht jeder Kapitän. Glücklich, dass diese war pflegeleichten, aber doch hochrangigen, Leute mit ihm derart zufrieden waren, erwiderte er: „Sobald wir am Pier anlegen, werde ich Teti aussenden, um den Herrn der Stadt im Kenntnis zu setzen, dass ihr zu übernachten wünscht und einen Lotsen zum Palast des Horus benötigt.“ „Tue das. Weißt du, wie weit es noch ist?“ „Nicht sehr weit, aber ich fuhr nie weiter als Dep. Ab hier werdet ihr in ein großes Papyrusboot mit zwanzig Mann umsteigen. Keine Sorge, edler Vorsteher der Schreiber, die Königsto.… Königsbekannte ist sicher.“ „Nun, das wollen wir hoffen,“ erklärte Meruka etwas kühl. Nun gut, es war zu erwarten gewesen und schließlich auch Zweck dieser Reise, dass Merit als potentielle Schwiegertochter des Horus Deckung bot und niemanden an Ermittlungen denken ließ. „Oh, wenn der Lebende Gott anreist, kommt der Hof mit. Es handelt sich also um die große Zeremonie?“ „Ja, ich denke, es sind schon wieder zwei Überschwemmungen ins Land gezogen.“   Aus dem Hauptarm des Nil, der hier breit und ruhig strömte, sah man fast nur ebenes Land, Ackerbau und Viehzucht, um die nahe Metropole zu versorgen. Linker Hand auf dem Westufer zeigt sich eine hohe, weißgekalkte Mauer, die eindeutig keiner Festung gehörte. Alle Menschen spürten einen gewisse Scheu, als sie die Pylone an dem Eingangstor sahen, die Fahnen wehten, Palmen sich über dem schwangen, was kein einfacher Mensch sehen durfte. Dort lag Pe, die Stadt der Toten, dort lagen die uralten Gräber der Könige der Vorzeit, lange, noch ehe die beiden Länder vereinigt wurden. Noch heute musste ein toter König zumindest symbolisch die Reise nach Pe antreten, um sich mit den Ahnen verbinden zu können. Auf der Westseite des Flusses dagegen war eine hohe Mauer, eindeutig eine Befestigung – und ein belebter Hafen mit Pier. Pe war der ruhige, heilige Ort, Dep wie Sau eine uralte Handelsstadt.   Teti rannte in die Stadt, kaum dass sein Boot angelegt worden war und noch ehe die Wildstier vertaut war. Es war zu wichtig, dem Bürgermeister unverzüglich über die Ankunft der hohen Gäste zu berichten, damit dieser Sänften schicken konnte und die Gästezimmer herrichten lassen konnte. Paadigeb saß in seinem Arbeitszimmer, rechts und links von ihm Schreiber, darunter allerdings sichtlich auch ein vornehmer Beamter, gleich an seiner rechten Seite. Teti hatte diesen noch nie hier gesehen, kannte jedoch den Hausherrn. Paadigeb war Mitte der Vierzig. Eine tiefe Narbe zog sich über seine gesamte rechte Gesichtshälfte, wo ihn vor Jahren die Lanze eines Kriegers aus Wawat getroffen hatte. Zu seinem Glück waren, wie stets auf solchen Zügen, auch erfahrene Ärzte dabei gewesen, die sich mit derartigen Verletzungen auskannten und sowohl Wundfieber als auch den Verlust des Auges vermeiden konnten. Um die Narbe ein wenig zu kaschieren trug er auch hier im Haus ein Kopftuch, das von einem Band um die Stirn gehalten wurde und nicht nur seine Perücke bedeckte, sondern auch seine Wangen beschattete. Jetzt hörte er die Neuigkeit mit Interesse, allerdings auch Überraschung. „Eine solche Reise …. Der Lebende Gott selbst kommt doch in wenigen Tagen? Nun, das geht mich nichts an. Danke, Teti.“ Er sah zu einem der Schreiber, seinem Hausvorsteher. „Hekaptah, benachrichtige doch Retenutanch, dass sie alles vorbereitet und schicke eilig zwei Sänften.“ Während der Schreiber eilig aufsprang, sah er nach rechts. „Merimaat, wusstest du etwas von dieser reise?“ Der Vorsteher des Palastes des Harpunierenden Horus war gekommen um die Ankunft des Herrn der beiden Länder mit Paadigeb abzusprechen. Jetzt war er froh darum. „Nein, aber natürlich ist die Macht im Spruch des Königs. Es ziemt uns nicht das zu hinterfragen. Ich denke jedoch, wir werden Auskunft erhalten. Meruka, ja? Ich kenne ihn. Er hat steile Karriere gemacht.“ „Ja, sein Stiefvater ist ja der Siegler und Halbbruder …. Nun, ich denke nicht, dass er nur deswegen zu den persönlichen Schreibern geholt wurde und gar einer der Vorsteher ist. Er ist noch unverheiratet.“ „Ja.“ Merimaat lächelte etwas. Der Bürgermeister von Dep war mit vier Töchtern gesegnet, von denen erst zwei einen Ehemann gefunden hatten. „Ich denke übrigens, du solltest Ashmes informieren.“ „Ja, du hast recht. Das wäre möglich, dass sie in die heilige Stadt gehen wollen. Ich hörte, das Meresanch bald heiraten wird.“ Die beiden hohen Beamten lächelten sich an. Ja, das konnte durchaus der Grund für eine solche Reise sein, zumal, wenn ihr potentieller Schwiegervater in wenigen Tagen ebenfalls eintreffen würde und sie gemeinsam mit dem Hof zurückreisen konnte.   Man merkte, dass dies eine alte Provinzstadt war, dachte Merit. Hinter der hohen Mauer duckten sich eng die Häuser aneinander. Es fehlten die großen Villen der hohen Beamten und Prinzen mit ihren Gärten, wie sie in Ibenu-hedj sich um den Palast gruppierten. Es erinnerte sie an Per-Bast, ihre Heimatstadt, aber natürlich war dies hier älter und auch deutlich größer als die Stadt der Löwengöttin. Bastet war eine von mehreren Löwengöttinnen, die den Horus auf dem Thron der lebenden schützten, aber sie hatte auch ihre fürsorglichen Seiten, im Unterschied zu der kriegerischen Sachmet. Und sie kümmerte sich um Frauen und ihre Schönheit, was bei einer Göttin, in deren Name bast, Salbe, auftauchte auf kaum verwunderlich war. Vielleicht wäre es möglich, wenn sie eine Tochter bekam, diese zu Ehren der Bastet zu nennen. Bei einem Sohn würde gewiss der Lebende Gott ein Wort mitsprechen wollen, obgleich eigentlich die Namensgebung Sache der Mutter war. Meruka, der vor ihr getragen wurde, war schon des Öfteren hier gewesen, das letze Mal vor zwei Jahren, als die Zeremonie des Vogelfangs und die Tötung des Flusspferdes vollzogen wurden. Früher, nun, bis Horus Quahedjet das geändert hatte, waren die Könige jedes Jahr hier gewesen, wie sie auch den gesamten Fluss abgefahren hatten, um Steuern zu erheben und Recht zu sprechen. Nun war das kaum mehr nötig, es gab immer mehr Schreiber und Beamte, die ein wachsames Auge auf die Dörfer hatten. Nur noch für uralte Zeremonien war die Gegenwart des Herrn der beiden Länder persönlich notwendig und wichtig. Im Kult, bei der Gründung eines Tempels oder der Stiftung einer Statue, und im Krieg. Selbstverständlich hatte der lebende Horus recht – durch die Gründung neuer Domänen wurde das Delta kultiviert und die Versorgung des lebenden und des toten Königs sicher gestellt. Ob er Merit noch einmal warnen sollte? Wenn er sich richtig entsann sah Paadigeb nicht sonderlich hübsch aus, zumal für eine junge Frau. Aber sie hatte gelernt ihre Gedanken und Gefühle für sich zu behalten.   Der Sitz des Bürgermeisters wurde von einem großen Tor eröffnet, dessen bunt bemalte Säulen ebenso wie die hölzernen Flügel der Pforte anzeigten, dass sich hier auch der Lebende Hott des Öfteren aufhielt, auf dem Weg zu dem eigentlichen Palast weiter im Norden. Die Sänften der hohen Gästen wurden im Vorhof behutsam abgesetzt, die anderen drei Mitglieder der Gruppe kamen rashc heran um sich, gemäß ihren Rollen, hinter Meruka und Merit zu stellen, als sich der Hausvorsteher näherte und verneigte. „Mein Name ist Hekaptah, ich bin der Vorsteher des Hauses meines Herrn, des Bürgermeisters Paadigeb. Er ist erfreut euch empfangen zu dürfen. Wenn ich euch führen dürfte …“ Natürlich, dachten Meruka und Merit gleichzeitig. Paadigeb hatte jede Minute noch nutzen wollen um sein Haus und sich empfangsbereit zu machen. Er hatte gute Kontakte nach Ibenu-hedj, oder besser, war ebenso wie jeder andere hohe Beamte des Öfteren dort und kannte gewiss ihren Rang – und die bevorstehende Rangerhöhung Merits. Tatsächlich erwartete der Bürgermeister seine Gäste bereits vor seinem Arbeitszimmer, neben sich seine Ehefrau Retenutanch und den Palastvorsteher Merimaat. Die Dame des Hauses hatte gar nichts von ihrer Namenspatronin an sich. Retenut war eine Schlangengöttin, die die Ernten sicherte. Die vielleicht um die Vierzig zählende Frau war sorgfältig gekleidet und geschminkt und ihr Lächeln warm. Meruka war im Stillen erleichtert, das Merit nur höflich lächelte und kein sichtbares Zeichen von Erschrecken zeigte, als sie Paadigeb sah. Er wusste nicht, dass ihr Vater als Bürgermeister im Ostdelta auch mit den Sandleuten und Kanaanitern gekämpft hatte und sie durchaus schon in früher Kindheit schwere Verletzungen gesehen hatte. Merimaat kannten beide aus Ibenu-hedj, und nun, als sie sie erblickte, entsann sich Merit auch, dass sie Retenuntanch schon bei der maat-hor gesehen hatte. Viele Ehefrauen von Beamten stellten sich auch im ipet ein, ind er Hoffnung auf Ehrenämter oder auch Vermittlung von Heiraten, wenn die Männer Bericht erstatteten. Ach ja, dachte die junge Dame. Das war doch die Frau mit den vier Mädchen, die die riskante Kindheit überlebt hatten, und nur ein Sohn. Viel viele Kinder sie wohl geboren hatte? „Ich begrüße euch,“ sagte Paadigeb und stellte zur Sicherheit seine Begleitung vor. Natürlich kannte man sich, so groß war die Anzahl an Beamten und Schreibern nicht, aber es galt als höflich nichts vorauszusetzen. „Ich darf euch doch zu einem Abendessen einladen? Gehen wir.“ Er war allerdings entzückt, als sich Meresanch nach seinen Töchtern bei seiner Frau erkundigte. Sie kannten sich. Gut. Womöglich konnte er auch seine zwölf und vierzehn Jahre zählenden Töchter bald versorgen, sei es durch eine Heirat, sei es durch eine der seltenen aber gut dotierten, Anstellungen im ipet. Und da gab es wahrlich schlechtere Vermittlerinnen als die jetzige Schreiberin der maat-hor und möglicherweise selbst eine künftige Königsgemahlin, ja, gar – mutter. Im Gespräch bei Tisch würde er hoffentlich erfahren, was Meruka in dieser Begleitung so kurz vor dem Lebenden Gott nach Dep getrieben hatte. Ashmes würde bis dahin auch hier eingetroffen sein.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)