Unter den Schwingen des Horusfalken 2 von Hotepneith (Die Gefahren des Delta) ================================================================================ Kapitel 7: Ankunft in Sau ------------------------- Die folgende Nacht verbrachte die „Wildstier“ mit ihrer Besatzung und den Gästen auf einer Sandbank im Fluss. Einige Matrosen und der Steuermann Paadiptah der Jüngere hielten bei einem Feuer Wache. Kapitän Paadiptah der Ältere wollte keinerlei Risiko eingehen. Natürlich war kemet unter dem Schutz des göttlichen Falken ein sehr sicheres Land und kein Mensch würde es hier auch nur wagen auf Beute aus zu sein. Selbst Sobeks Tiere, die Krokodile, würden nicht an Bord des Holzschiffes gelangen können. Der erfahrene Kapitän befürchtete jedoch, dass einer von Seths Freunden, ein Flusspferd, sich an dem Schiff stören würde. Wütend waren sie stark genug, selbst das hölzerne Schiff zu beschädigen. Die Reise war bislang gut verlaufen und, wenn es nach ihm ging, sollte es auch dabei bleiben. Holz, selbst das der Akazien und Tamarisken, war mehr wert als Gold oder gar Silber, und ihm war klar, dass er sich bei einer Beschädigung des königlichen Schiffes auf sehr großen Ärger einstellen musste. Zu seiner gewissen Erleichterung blieb es eine ruhige Nacht und mit Beginn des Nachmittags konnte man die landwirtschaftlichen Domänen und Dörfer hinter dem Schilf immer näher an den Fluss heranrücken sehen. „Bald sind wir in Sau,“ erklärte Meruka Merit, ums einer Rolle als Reiseleiter Genüge zu tun. Der Kapitän stand auf dem Dach knapp über ihnen, um die „Wildstier“ quer durch die Strömung steuern zu lassen. Beide Steuermänner mussten sich mit den Rudern anstrengen, ebenso die Matrosen, die geradezu hektisch paddelten. Das Wasser des Iteru strömte hier breit und massig dahin. „Ich fürchte, oh Königsbekannte, du wirst von dem ehrwürdigen Tempel der Neith ein wenig enttäuscht sein. Er ist alt und heilig, kleiner jedoch als der des Ptah in Ibenu-hedj.“ „Ja, das hörte ich,“ erwiderte die junge Dame unverzüglich. „Aber er soll ja schon zu Zeiten der Ahnen gestanden haben, ehe die beiden Länder vereinigt wurden, ewig her. - Oh, was ist das?“ Sie hatte eine Arbeitsstätte am Ufer entdeckt, in der fleißig gehämmert wurde. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie andere Männer, die die grünen Stängel der Papyrusstauden heranschleppten und sorgfältig auf Haufen stapelten. „Ach, ich erinnere mich. Eine Papyruswerkstatt!“ Gewöhnlich sah sie nur das fertige Endprodukt, die Rollen, die bei Hofe von den Schreibern und auch ihr selbst benutzt wurden. „Ja, genau. Die abgeschnittenen Stauden werden gesammelt, dann gewässert, und sie werden geschält. Das Mark, also, das Innere, wird dann abgezogen und in Streifen geschnitten. Diese werden leicht überlappend gelegt und festgeklopft. Darauf kommt eine zweite Lage, die quer dazu gelegt wird. Beides wird dann zusammengepresst und immer wieder geklopft. Ein Leim bindet es zusätzlich. So entsteht ein weiches Blatt, das zusammengerollt werden kann. Mehrere dieser Blätter werden dann aneinander gelegt und so entstehen die eigentlichen Buchrollen, die ja meist drei oder vier Mal so lang wie ein Mann sind. Es ist sehr aufwendig und steht darum auch nur dem Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, zu.“ „Dort vorne kommt Sau, Vorsteher der privaten Schreiber,“ warf Rahotep ein, der seine Heimatstadt mit einem leichten, frohen Stich an einer Kurve des Iteru erscheinen sah. Eine hohe, weißgekalkte Mauer verbarg die eigentliche Stadt. Davor allerdings konnte man schon von hier aus das Hafenbecken erkennen, wo einige Lastschiffe aus Papyrus lagen, aber auch ein größeres aus Holz. „Ach, seht nur, das ist eines von diesen Schiffen, die über das Große Grün kommen. Sicher brachten sie wertvolle Ware. Sie haben auch andere Kleidung als wir, diese Leute auf keftiu.“ „Bunter?“ fragte Nefer. „Nein, andere Muster. Sie weben anders. Hast du schon einmal im Inneren eines Grabes die Deckenmuster gesehen, die das ja imitieren sollen? Oder im Palast des Lebenden Horus die Stoffe an den Wänden? So etwas. Sie weben, ja, eckiger.“ Und das war selten, also modern in der höheren Schicht des Hofes. „Wir haben Glück, dass gerade ein Schiff hier ist.“ Er blickte unwillkürlich zu Ptahnacht, der ja im Hafen Nachforschungen anstellen sollte. „Es wird anscheinend erst ausgeladen, bleibt also gewiss bis morgen, eher länger.“ „Du weißt viel,“ meinte Merit. „Auch, seit wann keftiu kemet beliefert?“ „Sicher schon länger als hundert Jahre. Ich hörte, aber das ist nicht sicher, dass es unter Horus Netjerichet und seinem tjati Imhotep geschah, oder gar schon dessen Vater.“ „So ein Schiff ist bestimmt sehr interessant und die Fremden gleich dazu,“ sagte Ptahnacht, schon, um dem doch mithörenden Kapitän einen Vorwand zu liefern, falls der ihn beim Herumschlendern im Hafen entdeckte. Derartige Vorsicht war ein Grund, warum ihn Meruka so schätzte. „Natürlich.“ Der Leiter der Gruppe klang bewusst herablassend, um den Standesunterschied für die Zuhörer zu betonen. „Ich glaube übrigens, dass der Feldzug gegen die tehenu gerade abgeschlossen wurde, wenn ich das Lager dort vor der Stadt betrachte. Morgen können die Männer dann gewiss nach Hause.“ Es handelte sich um ein einfaches Feldlager, die Zelte wie stets aus drei gleichlangen Stangen gebaut, eine Matte als Schattenspender darüber geworfen – genug Platz für vier einfache Soldaten, zwei Unteroffiziere oder einen Offizier. Die Latrinen wurden täglich frisch abseits ausgehoben. So wurde jeder Tag bei einem Feldzug mit dem Aufschlagen des Lagers beendet, wobei Meruka zugab, dass er weder Latrinen hatte ausheben müssen noch ein Zelt aufschlagen, hatte er doch mit seinem Vater zu der direkten Umgebung des Lebenden Horus gehört und war entsprechend bevorzugt behandelt worden, als er mit dreizehn auf seinem ersten Zug war. Mit fünfzehn hatte er ein eigenes Kommando aus fünfundzwanzig Männern befehligt. „Gut. So ist der Gauvorsteher und Wächter der westlichen Grenze auch wieder in der Stadt.“ Er sah empor. „Kapitän?“ Paadiptah der Ältere bewies unbeabsichtigt, dass er zugehört hatte. „Soll ich einen Eilboten zu dem Gauvorsteher mit der Mitteilung eurer Ankunft schicken, oh ehrenwerter Vorsteher der privaten Schreiber?“ „Ja. Bis das Gepäck von Bord ist, werden wir gewiss Antwort haben.“ „Sicher. Ich werde mich dann auch, so es dir gefällt, nach einem erfahrenen Lotsen für die Weiterfahrt nach Pe und Dep umsehen. Nach jeder Überschwemmung liegen doch die Sandbänke anders und ab hier fahre ich zu selten.“ „Ja, tue das.“ Meruka war sicher, der Kapitän kannte den passenden Lotsen.   Merigeb, der „Wächter der westlichen Grenze“, war ein Mann um die vierzig. Er saß in seinem Empfangszimmer, rechts und links je drei Schreiber und arbeitete sich durch die Angelegenheiten, die während seiner Abwesenheit und nach dem Tod seines Bruders aufgelaufen waren. Sein jüngerer Sohn Cheprihotep hatte keinerlei Vollmachten besessen sich um alles zu kümmern und nur das Notwendigste entschieden. Jetzt seufzte er, wenngleich nur innerlich. So ein hoher Besuch, gleich, nachdem er angekommen war? Hoffentlich war alles in Ordnung, hoffentlich sah der Vorsteher der privaten Schreiber im Feldlager keine Unordnung. Meruka, ja? Ja, dessen Vater hatte er gekannt und er wusste auch, dass der Junge eine geradezu atemberaubende Karriere hingelegt hatte. Natürlich stand zu vermuten, dass die Fürsprache seines Stiefvaters als Siegler da mitgeholfen hatte, aber er kannte Horus Quahedjet seit der gemeinsamen Schulzeit. Ohne Können beförderte der niemanden so hoch. Meruka musste fähig und diskret sein, sonst wäre er nie so nahe an den Herrn der beiden Länder herangekommen. Und er wusste, dass dieser, wie er selbst auch, den höchsten Hofrangtitel als „Einziger Freund“ verliehen bekommen hatte. Nun, es half nichts, er musste diesen Besuch hinter sich bringen, wollte er sich nicht blamieren. Und eine junge Dame dabei, hm. Schreiberin der maat-hor? Ah, das musste das Mädchen sein, das bald eine Heirat mit dem Ältesten Königssohn eingehen wollte. Da sollte auch das Gästezimmer bei den Frauen wohl vorbereitet sein. So ließ er seine Frau rufen. Baunefer nickte nur. „Meresanch, ja. Ich erinnere mich an die Kleine.“ „Vorsicht,“ mahnte Merigeb prompt. Das vor den Ohren seiner Schreiber! „Du wirst mich nicht für taktlos halten. Aber sie ist eine Schreiberin der maat-hor, keine Königstochter oder gar die maat-hor selbst. Ich bin eine „Königsbekannte“.“ „Dennoch, sei behutsam.“ Sie war als Tochter und Schwester des „Wächters von Nechen“ von hoher Geburt und hielt ihm immer noch vor, dass er aus einfacheren Verhältnissen stammte. Allerdings war sie soweit mit seiner Karriere zufrieden, bis auf die Tatsache, dass sie in Sau war und lieber in der Residenz leben würde. Aber das schickte sich nun wirklich nicht. „Informiere auch Sescheschet und Meritneith.“ „Ich werde alles bereit machen lassen. Hat sie eine Dienerin dabei?“ Sie erwartete sichtlich ein „Nein“. „Ja. - Und noch etwas. Rahotep ist dabei.“ Dessen Wunsch Arzt werden zu wollen hatte zu erbittertem Streit zwischen ihm und seinem Sohn geführt, aber der Oberste der Ärzte hatte sich für den Jungen eingesetzt. Nun war Merigeb durchaus zufrieden, hatte Rahotep ihm doch vor einigen Wochen mitteilen können, dass er vom „semer des Hauses“ zum „semer“ befördert worden war, was beileibe nicht alle Ärzte wurden, und zudem zum Leibarzt der königlichen Familie ernannt wurde. Das war schon recht weit hoch in der Hierarchie. So bestand doch die Aussicht, dass er sogar zum Leibarzt des Horus selbst oder zum Obersten der Ärzte wurde. So sollte sein jüngerer Sohn jetzt der Stab seines Alters werden, sein Nachfolger. Cheprihotep zeigte sich auch geneigter, oder gehorsamer, als sein Bruder. Baunefer lächelte unwillkürlich. Von den sechs Kindern, die sie geboren hatte, lebten nur noch zwei Söhne und so sehr sie auch zunächst geschimpft hatte, Rahotep werfe sein Leben weg, so sah sie nun, dass man auch auf diesem Weg hoch angesehen bei Hofe sein konnte. „Das ist schön. Hoffentlich findet er Zeit für seine Eltern. Ist Meresanch etwa krank?“ „Das weiß ich nicht, es ist aber wohl eine Vorsichtsmaßnahme. - Ich werde Sänften und Träger zum Hafen schicken.“ „Natürlich. Wer ist der Leiter der Reise? Meruka?“ „Vorsteher der privaten königlichen Schreiber. Und Einziger Freund.“ „Und angeheirateter Sohn des Sieglers, ja. Unverheiratet.“ „Rahotep ist das auch.“ „Rahotep trauert noch immer. Sinnloserweise. Er könnte durchaus eine gute Partie machen.“ Aber Baunefer strich sich nur kurz über die modische dreireihige Schmuckkette um den Hals, ehe sie sich abwandte. Sie hatte zu tun, immerhin sollten sich die Gäste, vor allem Meruka, nicht beschweren können. Und für ihren Sohn sollte das Zimmer auch hergerichtet sein. Überdies wollte sie sich nicht vor Meresanch blamieren, das Mädchen war ja immerhin trotz des fortgeschrittenen Alters noch zu einer Gemahlin des Thronfolgers auserwählt worden, warum auch immer. Mit ihren neunzehn Jahren war sie doch eine alte Jungfer, die niemand gewollt hatte. Vermutlich nur, weil sie eben die Ausbildung der Königskinder geteilt hatte und die Riten und Vorgehensweisen kannte. Menhekat würde gewiss eine Andere zur maat-hor ernennen, wenn diese ihm einen Erben geboren hatte. Mit neunzehn war Meresanch doch schon zu alt für das erste Kind. Obwohl, Wunder gab es ja. Sie sollte vorsichtig bleiben. Jedenfalls würde sie selbst bei dem Empfang heute Abend glänzen. Sie besaß Schmuck, den die Hofjuweliere hergestellt hatten, Geschenke ihres Mannes, die dieser vom Horus selbst zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Ja, Merigeb hatte alles gehalten, was sie sich einst von ihm versprochen hatte. Leider musste er als „Wächter des Westens“ hier in der Provinz leben und konnte nur alle drei Monate zu seinen Berichten an den tjati oder den Herrn der beiden Länder selbst in die Residenz reisen, aber immerhin nahm er sie mit und sie traf dort oft genug ihren Bruder Chunmmose.   Merigeb zog sich derweil eilig in sein eigenes Schlafzimmer zurück, um einen neuen Schurz anzulegen. Es ziemte sich nicht so hochrangige Gäste, nun überhaupt Gäste, zerknittert zu empfangen. Auch ein paar neue Sandalen, ein Armband für den linken Arm, das genügte, schließlich war es kein Fest. Hoffentlich kam er dazu mit Rahotep auch einmal unter vier Augen zu sprechen, es interessierte ihn doch sehr, wie die weitere Karriere seines Ältesten aussehen könnte. Ehre hatte ihm dieser sowieso bereits gemacht. Der Junge war klug und seine Leidenschaft für den Arztberuf war eindeutig echt gewesen, kein Vorwand, sich vor den militärischen Aufgaben zu drücken. Als er in die Empfangshalle zurückkehrte, sah er zufrieden, dass sich auch seine Schreiber rasch gewaschen hatten. Ja, Mitdenken erwartete er von seinen Leuten. „Bastschepses, gehe doch in die Säulenhalle und melde mir unverzüglich, wenn die Sänften kommen.“ Während der Schreiber aufstand und verschwand, setzte sich der Gauvorsteher wieder auf seinen Platz. Es konnte nicht mehr lange dauern, schließlich befand sich die Residenz der Statthalter direkt gegenüber des Neith-Tempels, im Herzen der Stadt.   Merit, die in der Sänfte hinter Meruka getragen wurde, war die gewisse Unbequemlichkeit des Hockens in Holz gewohnt. Allerdings wurde ihr, wenn sie im Gefolge der Königinmutter oder der maat-hor so gereist war, stets ein Kissen hineingelegt. So war es härter, aber das war eben so. Für jemanden ihres Standes war das die gängige Art des Reisens, zumindest auf kurze Distanzen. Zu Fuß zu gehen war nur bei Prozessionen und anderen religiösen Tätigkeiten erwünscht. Sie entdeckte vor sich einen größeren Platz, an dem sich rechter Hand zwei steinerne Pylone erhoben, die den Eingang zu dem ummauerten heiligen Bezirk der Göttin Neith bildeten. In der Tat, dieser Tempel war kleiner als der des Ptah in Ibenu-hedj oder selbst der der Löwengöttin Bastet in ihrer Heimatstadt. Links lag ein ebenfalls mit einer hohen Mauer umgebenes Gebäude, sicher die Residenz des adjmer und Wohnsitz seiner Familie. Das große, hölzerne, Tor war geöffnet und die Wachen dort erwarteten sichtlich die Gäste. Sie warf keinen Blick auf das Holz, wusste jedoch, dass dies nur auf ausdrücklichen Befehl des Lebenden Gottes so angefertigt worden war. Holz gehörte, ebenso wie Gold und Silber, zum Eigentum des Herrn der beiden Länder. Hinter dem Tor öffnete sich ein Hof, umrahmt mit Säulengängen, die Schatten boten. In der Mitte lag ein großes Wasserbecken, wo Sykomoren ebenfalls Schatten warfen. Der eigentliche Garten befand sich sicher hinter der imposanten Fassade des Anwesens verborgen, war privat. Sie kannte solche Häuser, ihr Vater hatte schließlich selbst eines besessen als Stadtvorsteher. Sie beachtete daher weniger die schmalen, langen Fensteröffnungen, die nur Luft aber keine Hitze einlassen sollten, die Treppen, die auf das Dach führten, wo sich die Familie hinter Windschirmen unter Matten sicher im Sommer oft aufhielt, sondern warf einen raschen Blick hinter sich nach unten, wo neben Nefer Rahotep ging. Er kam nach Hause, dachte sie, als sie ein kleines Lächeln um den Mund des Arztes huschen sah. Wie schön musste das sein noch Eltern zu haben, die nicht in den Westen gegangen waren.   Die Sänften wurden mit den üblichen Rucken abgesetzt, die beiden Insassen steigen aus. Merit trat unverzüglich zu Meruka, als sei sie sich unsicher. Der Leiter der Gruppe bemerkte es zufrieden. Er hatte ihr zuvor nur gesagt, sie solle schüchtern tun, damit sie unterschätzt würde, ihr aber keine weiteren Verhaltensmaßregeln gegeben. Sie würde allein zusehen müssen, was sie von den Damen der Familie zu dem unseligen Abend herausbringen konnte. Merigeb würden er und auch Rahotep übernehmen, das Dienstpersonal und den Hafen Ptahnacht und Nefer. Mehr war einstweilen nicht klar gewesen. Sie mussten hier etwas herausbringen, das war allerdings klar, aber wie und was … Nun, das mochten die unvergänglichen Sterne am Nordhimmel wissen. Er nahm seinen Amtsstab zur Hand und rückte unwillkürlich seinen Halsschmuck gerade. Über dem Leibchen verrutschte dieser doch eher als auf der bloßen Brust. Aber wohl schon in mehreren Tagen oder zwei Wochen würde der zusätzliche Stoff überflüssig sein.   Merigeb musterte fast ein wenig zu neugierig die Neuankömmlinge, die die Empfangshalle betraten, in der Feuerpfannen das Licht und etwas Wärme brachten. Meruka kannte er, aber er sah sich kurz Meresanch an, die er kaum bewusst zu Gesicht bekommen hatte, ehe er zu dem jungen Mann hinter ihr blickte. Rahotep lächelte ihm flüchtig zu. Ihm schien es gut zu gehen, auch, wenn er natürlich nicht Privates und Offizielles vermischte. So atmete der adjmer durch. „Ich grüße euch und heiße euch hier willkommen. Leider herrscht noch ein wenig Unruhe, da ich gestern erst von einem erfolgreichen Rachefeldzug gegen die tehenu zurückgekehrt bin.“ „Wir hörten davon,“ erwiderte Meruka höflich. „Du wirst einiges an Vieh mitgebracht haben.“ „Ja. Mein jüngerer Sohn Cherprihotep kümmert sich noch soeben um die Männer. - Oh, Baunefer. - Meruka, ich möchte dir die Königsbekannte Baunefer, die Herrin meines Hauses, vorstellen.“ Diese lächelte und kam näher, musterte aber Meresanch. Merit bemerkte doch, dass ihre Kleidung, ihr Schmuck taxiert wurde – und auch, dass sich die Hausherrin durchaus wertvolle Ketten umgehängt hatte. Nun, heute Abend bei dem Empfang würde es noch teurer werden. Glaubte diese etwa, sie hätte nichts anderes dabei oder besäße nichts anderes? Das war eine dezente Herausforderung, wenn man die Zeichen lesen konnte. Meruka meinte unterdessen: „Danke. - Ihr kennt euch vermutlich? Die Königsbekannte und private Schreiberin der maat-hor, Meresanch.“ „Ja, natürlich,“ erwiderte Baunefer. „Wenn ich dich, Meresanch, bitten dürfte, mit mir zu kommen? Ich zeige dir das Gästezimmer. Die Reise wird ermüdend gewesen sein.“ Formell korrekt, dachten Meruka und Merit in Eintracht. Der Leiter der Gruppe war jedoch durchaus angetan, dass seine jüngste Mitarbeiterin nicht auf die Provokation einging – immerhin war erst Mittag - , sondern nur den Kopf neigte. So sagte er: „Da ich doch vermute, Merigeb, dass dich einiges mehr interessiert …“ Seine Handbewegung deutete auf Rahotep. „Danke, ja, das ist sehr freundlich. Mein Haushaltsvorsteher wird dir dein Zimmer zeigen und dafür sorgen, dass euer Gepäck geliefert wird. Für heute Abend habe ich mir erlaubt einen Empfang vorbereiten zu lassen. Selten genug zeigen sich Leute aus der Residenz in Sau.“ „Natürlich. Nur von hohen Beamten wird erwartet, dass sie reisen.“ Er sah, dass Merit und damit auch Nefer der Hausherrin folgten, und wandte sich etwas um. „Es wäre zu freundlich, Merigeb, würdest du auch Sorge um den königlichen Wächter tragen, der uns zur Verfügung gestellt wurde.“ „Natürlich.“ Jemand winkte Ptahnacht und der folgte ihm, sicher, dass er zu den Unterkünften der hiesigen Wachen gebracht werden würde – und hoffentlich dort etwas in Erfahrung bringen konnte. Bislang hielten sie ja nichts in der Hand. Umso wichtiger war es sich unauffällig nach dem Speiseplan jedes verhängnisvollen Tages zu erkundigen – und ob es in Rahoteps so friedlicher Familie doch Spannungen gab.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)