Unter den Schwingen des Horusfalken 2 von Hotepneith (Die Gefahren des Delta) ================================================================================ Kapitel 4: Zur Festung "Der Schrecken vor den beiden Ländern" ------------------------------------------------------------- Am folgenden Tag, an Bord der „Wildstier“, zog sich Meruka in die Kabine zurück und legte sich, gegen die Regeln, mit unter dem Kopf verschränkten Armen hin und schloss die Augen. Es war Zeit nachzudenken und für morgen Abend einen Plan zu haben. Heute Nacht würden sie auf einer Sandinsel irgendwo am Ufer des Iteru übernachten, oder in einem kleinen Dorf, die hier, im Überschwemmungsgebiet, nun in der Trockenzeit wieder besiedelt waren. Diese waren alle auf Sandhügeln angelegt, wurden aber bei höheren Fluten überschwemmt. Erst morgen, oder gar übermorgen, würden sie in Sau eintreffen, der Stadt der Neith. Nach allen Aussagen, auch, was Anchsachmet ihm selbst erzählt hatte, war bei dem Abendessen, an dem Merithor offenbar erkrankte, nichts Ungewöhnliches geschehen. Das Haus selbst war bewacht, abgeschlossen, alles verlief in geordneten Bahnen, wie es sich gehörte. War etwa das Essen gar nicht Schuld an dem Tod der Dame gewesen? Aber die Ärzte waren sich einig, dass die Symptome auf eine besondere Vergiftung durch Lebensmittel hindeuteten. Vor allem das Ersticken am Schluss. Aber, wenn alle Personen, gerade auch die Kinder, das Gleiche gegessen und getrunken hatten – wo hätte da das Gift liegen sollen? Niemand anderer zeigte auch nur eine Krankheit oder starb. Überdies, was sollte das für ein Lebensmittel sein, dass nur eine Person aß? Noch dazu immer nur ein Opfer in sieben verschiedenen Fällen und Orten? Hätte es nur Kinder getroffen, hätte man schließen können, dass sie eben zu schwach waren. Aber Merithor war eine gesunde Frau gewesen, die ihre sechs oder sieben Schwangerschaften gut überstanden hatte, alle ihre Kinder waren lebendig zur Welt gekommen, wenngleich die beiden Ältesten in den schweren Jahren zwischen drei und fünf verstorben. Aber hohe Kindersterblichkeit war leider nur zu üblich. Auch seine Mutter hatte mehr Kinder geboren als ihn – und nur er lebte. In Sau hatte es den Stadtvorsteher getroffen, Rahoteps Onkel, ein Mann in den besten Jahren. Was nur hatten diese Personen gemeinsam? Nichts, im Prinzip, außer, dass sie alle etwas gegessen hatten, das aus dem Palast des Harpunierenden Horus und dessen Domänen stammte. Oder war genau das der Denkfehler? Das war das Offensichtliche. Gab es noch eine andere Gemeinsamkeit, an die niemand dachte, weil die Orte zwar alle im Delta lagen, aber doch recht weit auseinander? Tagesreisen? In Chem konnte er niemand mehr fragen, aber in Sau sollte es mit Rahotep als Familienmitglied möglich sein, herauszufinden, was außer Lebensmitteln noch geliefert wurde. Manchmal wurden auch Salböle oder ähnliches als Geschenke des Herrn der beiden Länder verteilt. Da sollte er Nefer fragen, die gewiss von der Herstellung von ihnen allen die meiste Ahnung hatte. Nicht das Essen, vielleicht brachte ein unscheinbares Fläschchen den Tod. Männer, Frauen, Kinder schminkten sich, zumal in den höher gestellten Familien, wie lieber umso mehr mit einem Ehrengeschenk des Lebenden Gottes. Ja, sicher, solch eine wertvolle Gabe geriet nur in die Hände der Familien der hohen Beamten. Ein Gift, das womöglich die gleichen Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung aufwies. Trotz allem, wie lange die Ausbildung dauerte und wie erfahren und fähig die Ärzte in kemet auch waren – damit würde niemand rechnen. Und Meruka war seinerseits erfahren genug, um zu wissen, dass man nur finden konnte wonach man suchte. Gleichzeitig bat er Ptah und Sachmet, die Schutzgötter von Ibenu-hedj, dass es doch alles nur Zufall wäre und kein Mörder herumlief, der in diesem Fall überaus wahllos mordete. Andererseits - auch ein Fehler bei der alltäglichen Routine der Salbölherstellung mochte solche fatale Folgen haben. Nun, genau das war sein Auftrag. Und er würde seinen Gott nicht enttäuschen. Oben an Deck unter dem Sonnendach beobachtete Merit die fruchtbaren Felder und Wiesen, die sich allerdings zumeist hinter den Papyrusstauden verbargen. Sie entdeckte allerlei Vögel im Schilf. „Sieh nur, ein Wiedehopf!“ Nefer, die annahm, dass ihre neue Kollegin versuchte solcherart ihre Rolle zu spielen, meinte höflich: „Du kennst dich gut mit den Tieren am Nil aus. Lernt man das in der Palastschule?“ „Ein bisschen, aber meine Eltern stammten ja aus Per-Bastet im Delta, wenngleich weiter im Osten. Mein Vater war der Stadtvorsteher, aber auch ein wichtiger Beamter am Hofe des Herrn der beiden Länder. So reisten wir oft hin und her. - Nun ja, jetzt am Vormittag wird man keine Ginsterkatze sehen. Sie schleicht sich immer durch den Papyrus und stiehlt Vogeleier. Das habe ich als Kind einmal gesehen.“ Merit redete etwas lauter als nötig, da sie bemerkte, dass der Kapitän Paadiptah auf dem Dach der Kabine über ihnen stand. Nefertari kannte aus Erfahrung die Bedeutung einer solchen betonten Rede. „So hattest du eine sehr lebhafte Kindheit, Herrin. Ich war ja stets nur in meinem Dorf, bis mich der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, zu sich befahl. Und dort gibt es am Iteru keine Schilfpflanzen.“ „Ach, ja, du kommst ja aus der Gegend von Abu, auch, wenn man deinen Dialekt fast nicht hört. Woher bekommt ihr dann den Papyrus?“ „Das weiß ich nicht. Ich denke, er wird eben eingetauscht, gegen andere Waren, wie es üblich ist.“ Nefer war erst wenige Male im Delta gewesen und noch nie zu dieser Zeit, wenn die Flachsernten eingebracht wurden, die Rinder Kälber warfen, alles grünte und blühte. Verglichen mit dem schmalen Fruchtland, das in ihrer Heimat nur direkt am Fluss lag, während dahinter gleich die steinigen Berge der Wüsten aufstiegen, ein Paradies. Kein Wunder, dass die Hirten die Herden bis hierher trieben, um hier das Kalben und Aufwachsen der Jungtiere zu fördern. „Ja, es wird getauscht,“ mischte sich Ptahnacht ein, dem langweilig war. „Gegen Ziegen oder Papyrus bekommt man schon einen feinen Schurz aus Leinen oder auch die doppelte Menge an Brot, jedenfalls im Süden. Ich war zwar schon in Nechen und so, aber stets im Gefolge des Herrn der beiden Länder, da hat man keine Zeit zu handeln. Und man ist wohlversorgt. Aber, Herrin, du musst bedenken, dass Papyrus ja nur die Schreiber benötigen. Und wie viele gibt es schon. Außer am Hofe des Horus, er lebe, sei heil und gesund. - Oh, wenn ich fragen darf, ich hörte, dass die Königstöchter bei den Jungen ausgebildet werden, ebenso in die Schreiberschule gehen.“ „Ja,“ sagte Merit ehrlich. „Allerdings gab es einen kleinen Vorteil. Wir wurden nicht geschlagen wie die Beamtensöhne, wenn sie Fehler machten. Aber es war das gleiche Arbeitspensum. Man sitzt stundenlang da und schreibt, was der Lehrer aus den alten Schriften vorliest, dann wird mit Rot korrigiert. Jungen, die zu faul waren, wurden geschlagen oder auch gefesselt, um sie an den Sinn dieser Übungen zu erinnern. Später kamen dann auch Rechenaufgaben dazu. Und natürlich war ich mir, eigentlich wir alle, uns des Privilegs bewusst. Mädchen können doch nur wenige Lesen und Schreiben lernen, noch weniger als Jungen. Aber die Damen der königlichen Familie müssen das natürlich beherrschen – und auch die, die für sie arbeiten.“ „Aber ich dachte, keine Frau darf einem Mann befehlen?“ erkundigte sich Ptahnacht. „Also, Verzeihung, Herrin ….“ Er bedachte den Kapitän. „Du bist neugierig, Wächter,“ tadelte Merit auch prompt. „Nun, das wäre schlimm, wenn es so wäre. Eine Regentin, wenn der Horus noch ein Kind ist, muss allen befehlen. Und auch die Königinmutter, die maat-hor, alles, was sie sagen, wird ihnen getan. Und eine private Schreiberin der Königinmutter, die deren Befehle an deren Domänen weitergibt ….Wo ist das Problem? Jede Herrin eines Hauses befiehlt ihren Kindern, ihren Knechten.“ „Ich bitte um Entschuldigung. Höre, oh Bekannte des Königs … ich wollte dich nicht verärgern.“ Ptahnacht warf einen Blick empor, aber Paadineith hatte sich wieder zu seinen Ruderern zurückgezogen. So lächelte er flüchtig, ehe er leise ergänzte, um auch von den Ruderern nicht mehr verstanden zu werden: „Du hast es drauf, Merit, muss ich sagen. Diesen vermutlich unbewussten Kommandoton.“ „Ich habe nun einmal den Rang der jeweils jüngsten Königstochter.“ Aber sie lächelte ebenfalls, um lauter zu erwähnen: „Ich werde mich jetzt zurückziehen und in der Kabine ein wenig Schutz suchen. Nicht, dass die Sonne noch meine Haut bräunt und ich wie eine Bauersfrau aussehe.“ „Der Ocker und die Kreide schützen,“ erwiderte Nefer, um sich zu verneigen und leise zu sagen: „Aber ja, komm nur, hier sind mir zu viele Zuhörer.“ Natürlich würden sie sich in ihre eigene Kabine zurückziehen, nicht in die, in der Meruka angeblich schlief.   Ptahnacht setzte sich etwas aufrechter hin. Er stammte aus einem Fischerdorf an der Meeresküste und musterte noch immer fasziniert die Boote und Reusen, die schwer beladen mit allerlei Fischen nun an Land geschafft wurden. Vor allem natürlich Barsche, die angeblich so groß wie ein Mann werden konnten, aber auch andere kleine Fische, vor allem Äschen, aber auch Hechte und Aale. Er hatte gehört, dass es Waller gäbe, deren Fleisch alles andere als wohlschmeckend sei, aber dafür auch noch giftige Dornen in der Rückenflosse besaßen. Aus seiner Kindheit erinnerte er sich natürlich nur an Meeresfische, wie Rochen, Schwertfische, Drückerfische, aber auch Langusten, Muscheln und vieles andere. Aber Meeresfische waren schwerer zu fangen als hier am Nil. Gerade in den nun ruhigen Kanälen und Armen drängten sich geradezu die Fische um diese Jahreszeit. Zur Zeit der Überschwemmung, im achet, war es fast unmöglich zu fischen, wenn das Hochwasser strudelnd die Dörfer versenkte und das weite Land des Deltas in eine gigantische Wasseroberfläche verwandelte. Selbst von manchen Tempeln ragten nur noch die steinernen Pylonen der Eingänge aus den Fluten des Iteru, der dann natürlich der Gott Hapi war. Umso wichtiger war es nun, möglichst viel Fisch zu fangen, natürlich auch frisch zuzubereiten, aber auch in der Sonne an langen Leinen zu trocknen, um Vorrat für die drei Monate des Wassers zu haben. „Schlafen unsere Gäste?“ Ptahnacht sah auf und lächelte den Arzt an. Rahotep nahm Platz. Er hatte einen Ruderer behandelt, der sich einen tiefen Riss am Arm zugezogen hatte, um eine Hitze des Körpers und eine Entzündung zu vermeiden. Der Kapitän nutzte es, dass er einen königlichen Leibarzt an Bord hatte. Rahotep hatte, wie jeder Arzt, stets wichtige Zutaten in seiner Tasche, für solch einen Fall Küchenzwiebeln und Honig, sowie Blätter der Nilakazie. Allerdings waren diese Dinge für die Kollegen gedacht, da sie sich so manches Mal im Auftrag des Herrn der beiden Länder Verletzungen zugezogen hatten. So erwiderte der königliche Wächter: „Du kennst doch vornehme Damen. Meresanch fürchtet die Sonne. - Den Vorsteher der Schreiber habe ich lange nicht gesehen.“ Das bedeutete für Rahotep, dass sich ihr Vorgesetzter und die Damen vermutlich unterhielten – und hier zugehört werden konnte. „Nun ja, mir soll es recht sein wenn sie nichts von mir wollen.“ Er lehnte sich gegen die Kabine. „Weißt du, wie lange es noch bis Sau ist?“ Ptahnacht war ein wenig überrascht, stammte sein Kollege doch von dort, meinte jedoch: „Der Kapitän meinte heute Abend übernachten wir auf einer Insel. Nun, keine richtige Insel, ich vermute doch, dass er uns die Nilpferde und Krokodile vom Hals halten will. Dort liegt eine Festung, um den Weg hinüber in das Tal des Natron zu schützen. Sie heißt der Schrecken vor den beiden Ländern.“ „Ah, ich erinnere mich. Von dort aus sind wir einmal zu einer Strafexpedition gegen die Libyer, die tehenu, aufgebrochen. Der Lebende Gott selbst nahm daran teil, er lebe, sei heil und gesund. - Dann werden wir übermorgen in Sau sein.“ „Ja. Warst du schon einmal dort?“ „Ja. Du?“ Harmlos bleiben, Gespräche führen, die die Ruderer oder auch den Kapitän nicht misstrauisch machen würden, das war wichtig. Meruka und die Damen würden ihren Part übernehmen. Und wer wusste schon, was noch alles auf sie wartete.   Meruka hörte, dass die Damen sich zurückzogen und richtete sich auf, ordnete etwas den verrutschten Schmuck, seine Perücke. Er musste mit Nefer reden. So wartete er kaum, bis die beiden Frauen ihre Kabine betreten hatten, sondern huschte gleich hinüber und fing das Rollo ab. Nefer fuhr prompt herum, erkannte ihn jedoch sofort. Er bedeutete hastig leise zu sein. „Ich habe eine Frage,“ gab er gedämpft an. Beide Frauen nahmen Platz und sahen ihn an, bis er sich neben der Kiste niedergelassen hatte. „Zeig mir deine Schminkartikel, Nefer. Was davon würde der Herr der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund, als Geschenk oder Ehre geben?“ Nefertari öffnete den Deckel. „Ich muss nur deine Waffen beiseite legen,“ murmelte sie und legte diese auf den Teppich. „Nun ja, sicher diese Juwelenfarben für die Augen. Sie werden schon gemahlen, meist, und dann als feste Paste vergeben. Man nimmt dann nur einen Pinsel aus Binse mit Wasser und streicht sich die Lider an. Aber natürlich vor allem auch Salböle aller Arten. Je kostbarer, umso höher die Ehre.“ Sie unterdrückte ihre Frage, was er damit wollte. Das sollte er als doch Vertrauter des Lebenden Gottes eigentlich wissen. „Wenn wir in Sau sind, wird sich Rahotep vor allem mit seiner Familie unterhalten. Aber fragt ihr die Damen des Hauses, denn seine Mutter und Schwägerin leben dort, auch seine Tante, die durch den Zwischenfall Witwe wurde. War unter den Geschenken nicht nur Essen, sondern auch Leinen oder Salböl oder anderes. Es ist nicht gesagt, dass nicht in der Salbenherstellung ein, durchaus tödlicher, Fehler passiert ist.“ „Ja, das klingt logischer,“ meinte Merit leise. „Es starb ja immer nur einer. Und selbst Kinder werden eingeölt.“ Es schützte die Haut vor dem stetigen Sand und der stechenden Sonne. „Schon,“ wandte Nefer ein. „Aber, soweit ich weiß, werden große Krüge von Öl aller Arten hergestellt. Dann werden die Pflanzen gesucht, wie Lotos, und in Tücher gewickelt und darüber ausgepresst. Das tropft in das Öl und das erhält dadurch den Duft. Das macht niemand allein. Und die Krüge sind doch recht groß. - Oh.“ Sie hatte ihren Gedankenfehler erkannt und nahm ein Fläschchen aus blaugrüner Fayence aus der Kiste. „Das hier ist Horusöl, das wertvollste. Ich sah noch nie, dass es größer abgepackt war. Aber ich weiß auch nicht, was darin ist.“ „Es riecht mild,“ meinte Merit. „Und, um ehrlich zu sein, es ist immer so klein, eben, weil es kostbar ist. Außer dem Herrn der beiden Länder selbst erhalten es nur hohe Günstlinge und die königliche Familie. Es muss sehr schwer zum Herstellen sein. Aber ich hörte, dass einige Leute in ihren Gräbern sich das Öl für die Schilffelder des Westens auf ihren Opfertafeln bestellen. Zusammen mit anderen Ölen. Es sind, denke ich, immer mehrere. Für den Körper, die Lampen, zum Kochen.“ Nefer nickte und blickte zu ihrem Vorgesetzten. „Das meinst du. Öl, so kostbar, dass es eine hohe Ehre ist. So etwas Feines lässt doch kein Stadtvorsteher oder hoher Beamter stehen. Er schenkt es seiner Frau oder nimmt es selbst her, nicht wahr?“ „Ja, daran dachte ich,“ gab Meruka zu. „Denn wir müssen herausfinden, ob es einen Fehler in der Herstellung gibt – oder es jemand absichtlich tut. Gleich, was es ist, jeder Tote ab nun geht auf uns.“ Beide Frauen nickten.   Die Festung „Schrecken vor den beiden Ländern“ lag auf der Westseite des großen Flusses und überragte das kleine Dorf, das sich dort gebildet hatte. Die Festung selbst war aus Lehmziegeln erbaut, von einer hohen Mauer umgeben. Fast hundert Krieger waren hier stetig stationiert, im Augenblick allerdings nur eine kleinere Einheit, wie die Besucher rasch erfuhren. Der Gauvorsteher und Wächter der westlichen Grenze, Rahoteps Vater Merigeb, hatte alles an Männern, was zu dieser Zeit zu entbehren war, zu einem Zug gegen die Libyer aufgefordert. Daher war der derzeitige Kommandant der Festung kaum vierzehn Jahre alt und begrüßte den hohen Besuch bemüht höflich – und erfreut, denn er erkannte seinen Cousin. Merira war der Sohn des verstorbenen Merinut, und erst vor drei Tagen nach der Beerdigung seines Vaters in Sau hierher zurückgekehrt. Da sich die Damen höflich zurückzogen, in ein winziges Gästezimmer im Dorf, wo ihnen die Frauen behilflich sein sollten, und Ptahnacht ihnen als Wächter folgte, sah der junge Mann von dem ranghohen Vorsteher der privaten Schreiber des Horus zu seinem Cousin. Meruka ahnte, dass Merira erzählen wollte, nun, das wäre in ihrer aller Sinn. So meinte er nur: „Es scheinen die tehenu nie Ruhe geben zu wollen. Ich selbst nahm schon an einer Strafexpedition teil, die der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in höchsteigener Person anführte. Daher kenne ich diese Festung. Es mag schon acht Jahre her sein.“ Der junge Festungskommandant nickte. Natürlich konnte man solch einem hochrangigen Beamten, der sicher jeden Tag den Lebenden Gott erblickte, gar ihn reden hörte, auch alles sagen. „Ja, die Libyer haben eine Karawane in die Oasen abgefangen und eine Reihe Waren erbeutet, dazu auch einige Herden, die auf dem Weg zu den Weiden hier in den Norden kamen. Onkel… ich meine, der Gauvorsteher Merigeb ist dafür verantwortlich und wird sicher einige der Dörfer dort zerstören und Rache nehmen.“ Meruka sah beiseite, um sicherzugehen. „Merigeb, der Herr des Gaus, ist dein Vater, Rahotep, und dein verstorbener Vater, Merira, hieß Merinut. Aber, wenn du nun hier bist, wer ist in Vertretung der Herr der Stadt Sau?“ Merira nickte etwas: „Da Rahotep ja die ärztliche Laufbahn vorgezogen hat, natürlich mein anderer Cousin, Cheprihotep. - Oh, Rahotep, Sesheshet ist schwanger. Dein Bruder wird sicher bald Vater.“ Eine große Familie, dachte der Ermittler. Und, da Rahotep persönlich betroffen war, würden sie hier hoffentlich auch mehr Informationen bekommen. Hier, und in Sau selbst. Denn, soweit er sich entsann, war Merigeb verheiratet, Merinut war es gewesen und auch Cheprihotep, der jüngere Sohn war anscheinend verheiratet. Rahotep hatte nach dem Tod seiner Verlobten nach keiner anderen Frau mehr gesucht, obwohl sicher viele bereit gewesen wären, einen Leibarzt des Königs zu ehelichen. Nun ja, dachte er selbstkritisch. Er hätte auch die Auswahl – aber er liebte nur seine Ermittlungen. Eine Ehefrau und mögliche Kinder würde er nur in Gefahr bringen. Der Arzt des Königs blieb familienorientiert. „So ist Vater mit vielen Männern ausgezogen, wenn er auch hier den Kommandanten mitnahm?“ Merira sah auch prompt zu ihm.„Oh ja, fast fünfzehntausend. Mehr wollte er nicht, er sagte, er könne auch sein, dass weiter nördlich ein zweiter Schlag erfolgen solle. Immerhin ist es doch ungewöhnlich, dass sich mehrere Stämme zusammentun.“ Etwas leiser fügte er hinzu: „Er konnte ja nicht wissen, dass mein Vater ….“ Sein älterer Cousin beruhigte sofort. „Nein, natürlich nicht. Dann habt ihr nur Boten zu ihm schicken können, ich meine, du und Cheprihotep?“ „Um ehrlich zu sein, hat das hauptsächlich deine Mutter, Tante Baunefer, in die Hände genommen. Meine arme Mutter befand sich in einem schrecklichen Zustand. Vater so leiden zu sehen machte sie selbst krank.“ Und ihn fast auch. Er hatte nicht gewusst, wie grässlich es sei, einen Menschen qualvoll sterben zu sehen. „Natürlich,“ sagte Meruka hastig. „Es ist immer schlimm, einen Familienangehörigen sterben zu sehen, noch dazu den eigenen Ehemann. - Darf ich nur um etwas zu trinken bitten?“ Der junge Kommandant erkannte entsetzt, dass er seinen Gästen weder zu Trinken noch zu Essen angeboten hatte. Was wohl Onkel oder gar der mächtige Horus davon halten mochten? „Verzeih. Ich war so überrascht von der Meldung ….“ Nun, das machte es vermutlich nicht besser. Ein Festungskommandant sollte nie überrascht werden können. Aber er bestellte eilig bei den Dienern das Mahl. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)