Unter den Schwingen des Horusfalken 2 von Hotepneith (Die Gefahren des Delta) ================================================================================ Prolog: -------- Die Atmosphäre in dem langen, schmalen Raum war angenehm. Das lag nicht nur an den Ziegelwänden, die die Hitze des Tages von den gelagerten Gütern abhielten, sondern auch an den grob gewebten Matten, die über die in Abständen auf die Wände gelagerten Akazien- und Sykomorenstämme gelegt worden waren und so die Sonnenhitze des Sommers abhielten. Aus diesem Grund war auch der Vorratsraum so schmal und lang. Obwohl das Holzrecht in ganz kemet allein dem Horus auf dem Thron der Lebenden zustand, gab es einfach zu wenig lange Hölzer. Stämme, die in den Grabmälern, vor allem natürlich den Pyramiden verwendet wurden, bestanden aus Zedernholz, das aus dem weit entfernten Gebirge der Stufen eingeführt wurde, als Tribut an den Herrn allen Lebens. Linker Hand ruhten eine Menge Tonflaschen sorgfältig aufgereiht in einem tiefen Sandbett, so dass sie nicht umstürzen konnten, jedoch eng gelagert werden konnten. Ein Mann mit einem einfachen, weißen, Lendenschurz griff sich aus einem Weidenkorb feuchten Nilschlamm und verschloss damit sorgfältig Amphore um Amphore. Der Blick des zweiten Mannes folgte ihm. Mit einer Binse rührte er immer wieder in einem hölzernen Schüsselchen, das er vor sich trug und vermerkte sorgfältig Strich um Strich die erfolgte Arbeit. Auf einer Keramikscherbe. Diese Palette war an einem Riemen über seiner Schulter befestigt. Dies, aber auch die fleckigen Finger und das Zeichen der Herrin der Schriftkunst, Seschat, an seiner Halskette, bewies, dass er ein Schreiber war. Immer, wenn fünf hintereinander stehende Amphoren verschlossen worden waren und er das dokumentiert hatte, nahm er ein Rollsiegel, das er in einer Tasche in der Palette trug und rollte quer über den Lehmpfropf, siegelte so mit dem Zeichen des Palastes. Erst dann trat der Vornehmste des Trios hinzu und siegelte noch einmal quer, mit seinem eigenen Siegel und dem des Herrn der beiden Länder, als Beweis, dass diese Lieferung ordnungsgemäß abgeschlossen wäre. Als er dies in der vorletzten Reihe getan hatte, musterte er missbilligend den Korb. „Dieser Lehm reicht nicht für die letzten Verschlüsse. Geh. Und hole neuen.“ Der Arbeiter nahm eilig den Korb. Erstens ziemte es sich nicht dem Vorsteher zu widersprechen, zweitens fürchtete er durchaus, mehrere Fehler könnten dazu führen, dass er nicht mehr die doch ruhigere Tätigkeit hier ausführen durfte, sondern auf die Felder der Domäne geschickt werden würde, natürlich nach einer Tracht Prügel. Der Vorsteher sah zu dem Schreiber. „Geh ihm nach,“ befahl er leise. „Er soll nicht noch einmal nachlässig sein.“ Der Schreiber schob eilig die Palette zusammen, um sie so unter der Schulter zu tragen und legte die Tonscherbe, auf der er seine Notizen machte, zu Boden, ehe er ebenfalls den Vorratsraum verließ,     Der Vorsteher blickte kurz zu der zufallenden Tür aus festem Mattengeflecht, ehe er sich eilig in die andere Richtung wandte. Dort hing ebenfalls eine Mattentür. Neben dieser stand eine mit einem Tuch bedeckte Kiste auf dem Boden. Er hob den Stoff weg. Dort befand sich ein kleines Kästchen aus Ton, mit Deckel, ebenso eine Pinzette, die er einst einem Arzt abgeschwatzt hatte. Er hob den Deckel ab und nahm das Kästchen samt Pinzette, ehe er zu den noch geöffneten Amphoren zurück kehrte. Mit einem gewissen ingrimmigen Lächeln nahm er ein Stück aus der roten Flüssigkeit und ließ es in die erste Amphore fallen, ebenso in die nächsten, ehe er zurück huschte und alles wieder scheinbar harmlos verschloss. Schon morgen würde diese Lieferung als Geschenk des Horus auf dem Thron der Lebenden an Beamte und Menschen in kemet gehen. Und in wenigen Amphoren lauerte der Tod. Starben die Menschen, so war der Beweis erbracht, dass eben Horus Quahedjet nicht die wahre Inkarnation des Himmelsgottes sei, allwissend und unfehlbar. Er selbst zweifelte ja schon daran, seit ihn dieser nicht weiter befördert hatte, ja, ihn nicht einmal in die Residenz nach Ibenu-hedj befohlen hatte, sondern ihn hier als, zugegeben, Vorsteher, aber doch im Sumpf des Deltas, verrotten ließ. Er war sicher, dass er mit solch einem wahrlich tödlichen Beweis dem neuen und wahren Herrscher dienen konnte. Er würde in die Hauptstadt gelangen, würde aufsteigen, womöglich sogar zu tjati ernannt werden. Immerhin hätte er dann seine Klugheit bewiesen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)