Enemy mine - geliebter Feind von collie ================================================================================ Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- Es war nicht schwer die Geschwister am nächsten Morgen im Frühstücksraum zu entdecken. Zum einen war der Raum weit und hell, durch die hohen Fenster flutete Sonnenlicht. Zum anderen waren noch nicht allzu viele Gäste da und wenn tummelten sie sich nicht am reichen, frischen Buffet sondern saßen an einem Tisch und aßen in gemütlich. Zum weiteren trugen beide die gleiche Kleidung wie beim Treffen mit Eagle. Saber kam nicht umhin zu bedauern, dass Beth ihr hübsches Gesicht und ihr weiches, welliges Haar verbarg, auch wenn es sicherlich nicht unklug war bis die Dinge geklärt waren. Er und April beobachteten, wie die Geschwister die Auswahl am Buffet eher unbeachtet ließen, obwohl sie groß und reichlich war. Rührei mit Speck, Würstchen, Brownies, Wurst, Käse, Müsli, Brote und Brötchen so viel man wollte, doch das einzige was die beiden interessierte, war das Obst. Melone, Erdbeeren, Äpfel, Birnen, Bananen, Trauben, Ananas und Orangen gab es reichlich. Davon bedienten sie sich und stellten jeweils zwei gefüllte Schalen, die eigentlich dem Müsli zugedacht waren, auf ihre Tablett. Orangensaft und Wasser komplettierten ihr Frühstück. Anschließend suchten sie sich einen Tisch in einer abseits gelegenen kleinen Nische. Saber und April nickten sich zu und stellten sich ihr eigenes Frühstück zusammen. Müsli, Joghurt und einige Früchte, Rührei und Speck gesellten sich zu Kaffee und Saft. Dann steuerten die beiden den Tisch der Geschwister an und setzten sich freundlich grüßend ihnen gegenüber. Während die beiden entspannt ihren Tag begannen, hatten es die Geschwister offensichtlich eilig, oder vielmehr, waren darauf bedacht den Tag effektiv zu nutzen. Denn gleich nach dem sie den Gruß erwidert hatten, fragte Jean-Claude. „Was gibt’s für heute?“ Saber sah von seinem Kaffee auf. „Wir werden wie besprochen nach dem Frühstück nach Bay Back zurückfahren und alles vorbereiten“, antwortete er. April schaute zu Beth, die gierig ihr Obst vertilgte. Von Trauben, Birnen und Apfel war nicht mehr viel übrig. Eine kleine Pfütze Saft deutete darauf hin, dass dort zuvor Ananasstücke gelegen hatten und auch eine Schale verriet, dass die dazugehörige Banane Geschichte war. Beth machte sich gerade über die zweite Schale her, die ausschließlich mit Erdbeeren gefüllt war. „Die sehen lecker aus, Beth. Hast du Lust eine Erdbeere gegen ein Stück Melone zu tauschen?“, schlug April munter vor. „Nein, kein Bedarf“, gab diese knapp zurück und schob die nächste Frucht in den Mund. Erstaunt hob April die Brauen, widmete sich dann schulterzuckend ihre Frühstück. „Wir haben uns gestern Nacht noch unterhalten. Wir kamen zu dem Schluss, dass es effektiver wäre, wenn wir uns aufteilen und keine Zeit vertrödeln. Man könnte hier schon nach einer Wohnung suchen, während die anderen sich um den Rest kümmern. Es mag euch unhöflich erscheinen, oder übertrieben hektisch, doch es geht um die Sicherheit von Bio und Snow“ meinte Jean-Claude an Saber gewandt und schob sich eine Traube in den Mund. „Das klingt effektiv. Was schwebt dir vor? Soll April mit Beth zurückfahren und mit den anderen den Umzug vorbereiten? Ich helfe dir bei der Wohnungssuche und der Einschreibung, wenn nötig“, stieg der darauf ein. „Nein, Bio ist sich noch sicher welche Kurse sie belegen möchte. Sie sollte hier bleiben und“ Er hielt inne und sah, wie sich seine Schwester eine seiner Erdbeeren nahm. Ihre eigenen Schale hatte sie bereits gelehrt. Er nahm sich eine heraus und schob die Schale zu ihr rüber. „Obst gibt es bei uns nur gefroren oder als Konserve. Hält einfach länger“, erklärte er knapp, ehe er fortfuhr. „Wie dem auch sei: Sie möchte sich hier genau informieren. Wir dachten, wenn du sie hier begleitest und April und ich nach Bay Back gehen, wäre das sinnvoller.“ Die beiden Star Sheriff schauten ihn einen momentlang an, als hätte er sie mit Eiswasser übergossen. Der Schotte hatte durchaus registriert, dass obwohl Jean-Claude ihn zunächst massiv in die Mangel genommen hatte, seitdem keine Einwände mehr erhob. Das war besonders gestern Abend deutlich geworden. Er hatte nicht erwartet, dass er ihm seine Schwester anvertrauen würde. Schließlich nickte er. April zögerte etwas länger. Auf die Erklärung zu den Erdbeeren hatte sie etwas sagen wollen, aber Jean-Claudes Vorschlag hatte ihr die Sprache verschlagen. Ein frostiger Schauer, wie immer wenn sie an ihre erste Begegnung dachte, durchfuhr sie. Der Gedanke mit ihm allein zurück zu fahren nahm unter diesem Zittern unangenehme Züge an. Sie schaute zu Saber, wollte ihn fragen, was er davon hielt, da nickte der schon. „Es ist okay für dich?“ Das klang verwunderter als sie beabsichtigte. Sie räusperte sich rasch. „Okay, dann begleite ich dich, Jean.“ „Wie gesagt, es ist sinnvoller. Es sind die Kurse, die Bio besuchen möchte. Was soll ich da bei der Einschreibung? Fehler machen?“ Jean-Claude hob die Schultern und sah sich um. „Verstehe. Ich werde das mit Beth erledigen“, nickte Saber. Jean-Claude fuhr fort. „Ich sage es offen und ehrlich, ich wundere mich, warum du nachfragst, April. Es erweckt den Eindruck, als wärst du mit dem Vorschlag nicht einverstanden. Falls“ Sich bei seiner Schwester versichernd, schaute er diese an. Sie nickte. „Falls unser Eindruck stimmt und du nicht einverstanden bist, stellt sich die Frage nach dem Warum? Die Gefragte schluckte ertappt. „Ich... es tut mir leid, Jean. Ich bin eben über meine eigenen Vorurteile gestolpert, sorry.“ Unbehaglich wich sie seinen Blick aus. „Mir tut es leid. Ich habe mich bei dem Gedanken daran nur etwas unwohl gefühlt. Ich fahre natürlich mit dir zurück, Jean.“ „Aha. Ich ging, nach deinem Einsatz für meine Schwestern und mich, davon aus unser früheres ... Intermezzo wäre kein Problem für dich.“ „Die Erinnerung daran ist nicht angenehm und hat mir gerade einen Streich gespielt. Ich sollte es mittlerweile besser wissen. Es dauert leider etwas, bis schlechte Erfahrungen mit neuen, positiven im Gehirn überschrieben und ersetzt werden. Die menschlichen Synapsen arbeiten da langsam. Entschuldige dafür.“ Jetzt gelang es ihr wieder ihn anzusehen und so ihren Worten die zu der Aufrichtigkeit zu verleihen, die sie haben sollten. Er nickte nur und sah sich noch einmal um. „Ich schlage vor, ihr kommt nach dem Frühstück auf unser Zimmer.“ „Ja, das wird besser sein“, stimmte Beth ihm zu und nahm einen Schluck von ihrem Wasser. „ In Ordnung.“ Saber wusste weder das Umsehen seines Gegenübers noch seinen Vorschlag zu deuten, sah aber keinen Grund diesen abzulehnen. Auch April nickte und hob ihre Kaffeetasse vor ihr Gesicht. Sie verfluchte sich gedanklich, dass es ihr nicht gelungen war den Schreck zu verbergen. So zimperlich war sie eigentlich nicht, wollte lieber souverän und objektiv sein, ähnlich wie Saber. Das war einfach nützlicher. Prüfend schaute Beth sie an. Interessiert fragte sie die Navigatorin: „Ist es dir unangenehm, dass das Problem offen angesprochen wurde, oder bist du unzufrieden, weil du meinst, du müsstest damit anders um gehen?“ „Bio.“ Ihr Bruder stieß sie mahnend an. „Nein, nein, ist okay Jean. Die Frage von Beth ist in Ordnung.“ Sie biss sich auf die Unterlippe ehe sie wahrheitsgemäß antwortete. „Ich bin unzufrieden, da hast du recht. Aber mit keinem von euch, sondern ich bin mit mir unzufrieden, weil ich es besser wissen müsste. Das ärgert mich.“ Die nickte und leerte ihr Wasser. „Darf ich noch etwas fragen? Verbessert dein Ärger die Situation gerade?“ Saber und Jean-Claude schoben ihre Teller zurück, hatten ihr Frühstück beendet. Einmal mehr begeistert von ihrem Wissenshunger beobachtete der Schotte das Gespräch der beiden Frauen. „Nein, er macht es nicht besser, Beth. Er macht es nur noch schlimmer, aber diese Reaktion ist bei vielen normal. Gerade ärgere ich mich einfach, weil ich es wirklich besser wissen sollte und auch, weil ich euch beiden so das Gefühl gebe, ich würde euch nicht vertrauen. Aber das tue ich“, antwortet die Navigatorin gerade. „Aber Gefühl ist subjektiv. Du glaubst, dass wir glauben, dass du uns nicht vertraust. Sicher kannst du dir nicht sein, denn du hast uns nicht danach gefragt, ob es so ist. Das bedeutet, du drehst dich im Kreis. Das bedeutet, du kommst nicht vorwärts. Das bedeutet, du solltest aussteigen“, überlegte die junge Outriderin laut. Ihr Bruder schnippte ihr leicht gegen die Schläfe. „Schreib dich in Psychologiekurse ein. Also. Gehen wir hoch? Wir sind so weit“, meinte er trocken. April versank beinahe auf dem Stuhl gegenüber Beth. Da hatte Jean-Claude sie aus einer unangenehmen Situation gerettet. Saber half ihm dabei. „Ja, lasst uns gehen.“ Sie erhoben sich und wandten sich zum gehen. Der grünhaarige bot der Blondine seinen Arm an, den sie dankbar akzeptierte. Es hatte etwas tröstliches, beruhigendes. Die beiden gingen zum Fahrstuhl voraus. Beth hakte sich bei ihrem Freund ein und flüsterte irritiert. „Hab ich was falsch gemacht?“ „Nein, du hast nichts falsch gemacht.“ „Aber sie sieht ... Ich weiß nicht ... nicht gut aus?“ „Sie ärgert sich einfach. Das bringt ihre Gefühle durcheinander. Das Gelernte und das neu Erlebte passen nicht zusammen, das verwirrt.“ Saber schmunzelte leicht. „Du weißt schon, die Sache mit den Hormonen.“ Beth nickte und ließ seine Worte nachwirken. Sie fuhren zur Etage hinauf. April kam nicht einen Moment lang in den Sinn, sich von Jean-Claude zu lösen. Seine Geste half ihr, ihre Gedanken wieder zu ordnen und ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Dass er etwas kühl wirkte und nicht nachbohrte, war ihr gerade mehr als Recht. Er löste ihre Hand aus seinem Arm, als sie das Zimmer betraten. Beth schloss die Tür hinter ihnen und schob sich an ihnen vorbei. Die Art wie sie das tat, machte deutlich, dass sie wusste, was nun passieren würde. Sie trat zu ihrem Bett und öffnete die obere Schublade ihres Nachttisches. Jean-Claude trat einen Schritt von Saber und April zurück, dann noch einen. Er öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, dann seufzte er unterdrückt. Was immer er vorhatte, es schien ihm nicht leicht zu fallen. Dann griff er plötzlich hinter sich und griff in seinen Hosenbund. Unwillkürlich strafften beide Star Sheriffs die Schultern. Der Outrider förderte zwei Blaster zu tage und richtete sie auf sie. Dann ließ er sie um seine Finger rotieren und umschloss sie fest, als die Griffe der Waffen auf die beiden Blondschöpfe gerichtet waren. Jetzt amten die beiden aus, bemerkten erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatten. Beth trat zu ihrem Bruder und reichte ihnen eine geöffnete Dose. Sie enthielt die passende Munition. „Ich werte das als Vertrauensbeweis“, stellte Saber fest und nahm einen der Blaster an sich. Schweigend, weil eine Welle von Scham sie ergriff, kassierte April die zweite Waffe. Jean-Claude würde ihr also nicht in den Rücken fallen. „Wir haben lange darüber gesprochen“, räumte der Outrider ein. „Es schien uns ein passender Beweis für unsere Absicht, auch wenn euer Commander das abgelehnt hat.“ Saber betrachtete den Blaster in seine Hand. Eagle hatte es abgelehnt, ihm die Waffe abzunehmen. Er würde seiner Entscheidung nicht widersprechen. Er reichte ihm die Waffe zurück. „Behaltet sie. Ihr solltet euch verteidigen können, wenn eure Verfolger unerwartet auftauchen.“ „Im Ernstfall hilft uns jeder Schütze. Es wird leichter sein, euch zu beschützen, wenn ihr euch verteidigen könnt“, stimmte April ihm zu. Jean-Claude hob die Brauen. Musste man sich mit Menschen darum streiten ihnen entgegen kommen zu dürfen? Oder signalisierten sie gerade ihrerseits Vertrauen in ihn? „Bio schießt nicht wirklich gut“, erklärte er und wandte sich zu seinem Bett um, auf dem seine Tasche schon bereit stand. „Behalt sie, bis wir in Bay Back zurück sind, April.“ „In Ordnung“, sie klang erstaunt, verstaute aber den Blaster. Sie nahm auch den, den Saber ihr reichte. „Nehmt den auch mit. Im Fall der Fälle könnt ihr beide euch verteidigen“, meinte er. „Dann ist alles geklärt“, stellte der Outrider fest und nahm die Munitionsdose an, die seine Schwester ihm reichte. „Dann sollten wir uns fertig machen“, schlug Saber vor. „Nimm dir Zeit bei der Entscheidung des Studiums. Saber berät dich gerne“, meinte April und zwinkerte ihr zu „Ja, das wird er.“ Daran hatte sie keinen Zweifel. Dann schaute sie zu ihrem Bruder. „Tja, dann. Gehen wir.“ Er warf die Tasche auf seine Schulter und wandte sich zur Tür. Einige Schritte machte er darauf zu, doch dann kehrte er um, ließ die Tasche zu Boden fallen und umarmte seine Schwester fest. „Kommt gut nach Bay Back“, verabschiedete sich Saber von ihnen. April umarmte ihn leicht. „Viel Glück bei der Wohnungssuche, Saber. Bei der Einschreibung für die Uni hab ich keine Bedenken.“ Jean-Claude drückte seine Schwester noch einmal abschließend an sich, dann löste er sich von ihr und klopfte ihr kurz auf die Schulter. „Pass auf dich auf, Bio.“ „Mach ich.“ Er hob die Tasche wieder auf und lief zur Tür hinaus ohne sich noch einmal umzusehen. Seine Schwester reichte noch der Navigatorin die Hand. Beide Frauen verabschiedeten sich. Saber und Beth sahen ihnen nach, sahen April über den Flur eilen und zu Jean-Claude aufschließen. Gemeinsam bogen sie auf den Gang, auf dem das Zimmer der Blondine lag. „Frauen umarmen ihre Vorgesetzten?“, fragte Beth. Saber schaute auf ihre Kapuze. Wieder hinterfragte sie etwas, das ihm vollkommen normal war. „Ich bin nicht nur ihr Vorgesetzter. Wir sind auch gute Freunde und verabschieden uns auch mit Umarmungen.“ „Aha.“ Sie schaute noch immer auf die Tür. Jetzt schwang sie langsam zu und schloss sich mit einem Plopp. Sie fragte nicht mehr, das verwunderte ihn. Reichte ihr diese Antwort schon aus? Empfand sie etwas wie Eifersucht? Oder beschäftigte sie etwas anderes? „Stimmt was nicht?“, erkundigte er sich behutsam. „Hm?“ Sie klang entfernt. Langsam schaute sie ihn an. „Was soll nicht stimmen?“ „Ich weiß nicht. Machst du dir Sorgen um deine Geschwister? Oder möchtest du nicht allein mit mir hier in Yuma bleiben?“ Ihre großen Augen überschatteten sich leicht. „Ich mache mir Sorgen. Es ist das erste mal, seit wir hier sind, dass wir räumlich so weit getrennt sind. Es fühlt“ Sie legte eine Hand auf ihr Dekolleté, wo sich ein leichtes Ziehen bemerkbar machte. „sich seltsam an. Verstehst du mich?“ „Das kann ich nachvollziehen“, erwiderte er und trat zu ihr. „Aber du bist nicht allein. Jean und Snow sind es auch nicht.“ Er nahm sie in seine Arme und strich ihr sacht die Kapuze vom Kopf. „Hmhm“, machte sie und lehnte sich an ihn. Seine Nähe beruhigte sie. Er hielt sie noch ein wenig. Sie würde sich lösen, wenn sie soweit war. Inzwischen stellte er gedanklich eine Lister mit Dingen auf, die heute noch zu tun waren. Sicher hatte Eagle inzwischen die Vereinbarung in eine schriftliche Form gebracht und Rahmen und Bedingungen aufgestellt. Am Nachmittag würde er mit ihr zum Commander gehen. Bis dahin war es sinnvoll, auszuchecken und sie in seine Wohnung zu bringen. Wenn sie nur eine Nacht in Yuma blieben, checkten sie meist in einem Hotel ein. War ihr Aufenthalt länger, bezogen sie ihre Wohnungen hier vor Ort. Eagles Befehl bedeutete einen längeren Aufenthalt. Eine Wohnung für Beth und ihre Geschwister musste erst noch gefunden werden. Bis dahin war es das beste, wenn sie vorübergehend zu ihm zog. Sie konnte in seinem Schlafzimmer übernachten. Er würde auf die Couch ziehen. Sachlich betrachtet konnte er so besser für ihre Sicherheit sorgen und er verschleuderte nicht das Budget, von dem er noch nicht mal wusste, wie hoch es war. Ein Hotel wäre kostenintensiver und schwerer zu sichern, besonders wegen der Vielzahl Gäste, die ein und auszogen. Das war eben die sachliche Seite. Die andere war schlichtweg, dass ihm der Gedanke gefiel, sie bei sich zu haben. Ein paar Einkäufe setzte er noch gedanklich auf die Liste. Beth entglitt seinen Armen und begann ihre Tasche zu packen. Dann verließen das Zimmer, holten seine Sachen und checkten aus. Er weihte sie in seine Pläne ein. Sie nickte darauf. Wie er es sich gedacht hatte, hielt sie sie für sachlich und effektiv. Sie brachen auf. Fireball saß mit düsterer Miene vor seinem Kaffee. Nicht mal auf den hatte er recht Appetit. April und Saber waren also über Nacht in Yuma-City geblieben, sonst hätte er gehört, wie sie Ramrod betreten hätten. Er fragte sich, wie das Gespräch wohl verlaufen war und was das für sie nun bedeutete. Aber, so wie er Eagle kannte, war der sicher sofort bereit, im Interesse aller Beteiligten Jean-Claude und seine Schwestern unter Zeugenschutz zu stellen. Seine Ambitionen Frieden für beide Seiten zu schaffen, waren groß und er würde nicht die kleinste Chance darauf verstreichen lassen. Damit verabschiedete sich der Rennfahrer gedanklich von seinem Urlaub. Denn da sie Jean-Claude und seine Schwestern zum Commander gebracht hatten, würde er sie als erste Kontaktpersonen zu ihrer Sicherheit ab beordern. Da hatten ihnen also einmal mehr die Outrider den Urlaub vermasselt. Wenigstens gab es bis jetzt noch keine Opfer oder Schäden zu beklagen. Colt war auch nicht zurück gekehrt. Er hatte sich reichlich fröhlich gemeldet und verkündet, dass der Rennfahrer nicht auf ihn warten brauchte. Der Teufel, und wirklich nur der, wusste, was der Cowboy mal wieder trieb. Schürzenjäger wie er war, amüsierte er sich sicher ausgiebig und intensiv mit Snow, ähnlich wie damals mit Annabell. Fireball fragte sich missgelaunt, ob der Scharfschütze aus diese Begegnung nichts gelernt hatte, ob er sich an seine eigenen Worte an Saber nicht mehr erinnerte. Er war es schließlich selbst gewesen, der den Schotten an die beiden unschönen Erfahrungen mit Annabell und Lilly erinnert hatte. Es hatte beide damals schwer getroffen. Seit sie Snow in dem Keller des Gewächshauses gefunden hatten, war Colt wie ausgewechselt, ganz so eben, als hätte er vergessen, was er selbst gesagt hatte. Ein Gespräch zu dem Thema hatte er abgeblockt und sehr deutlich gemacht, dass er nicht vorhatte, darüber zu reden. Jedenfalls nicht mit Fireball. Das sollte verstehen wer wollte. Er tat es nicht. Der Scharfschütze warf ihm mehr oder weniger vor, ihn nicht ernst zu nehmen, das hatte ihn schon getroffen. Außerdem hielt er ihn wohl als Ratgeber für ungeeignet. Das war aber wahrscheinlich eher etwas wie Neid. Immerhin führte der Wuschelkopf seit Jahren eine gute Beziehung mit der Navigatorin. April. Oh, wie sehr hatte er sich auf diese entspannten Tage mit seiner Freundin gefreut. Aber seit ihnen Beth über den Weg gelaufen war, hatte sich etwas geändert. Sie war sehr interessiert an dem, was die Geschwister so sagten, versucht, Diplomatin wie sie eben war, zu vermitteln und zu verstehen. Sie vertiefte sich regelrecht darin. Es kam ihm beinahe so vor, als würde sie ihn darüber vergessen. Das war schlicht nicht angenehm. Er hoffte nur, dass das bald abebbte. Er seufzte. Sie und Saber würden sicher bald zurück sein. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Ramrod war beinahe bedrückend still, so ohne die anderen hier. Colt spritzte sich noch eine Hand voll Wasser ins Gesicht. Dann griff er nach einem Handtuch und trocknete sich ab. Er richtete sich auf und betrachtete sich im Spiegel. An den Kanten war er angeschlagen, etwas zerkratzt und allmählich erblindend. In ihm reflektiert sich das winzige Badezimmer hinter dem Scharfschützen. Es bestand aus einer kleinen Duschkabine, der Toilette daneben und stumpfen Kacheln, die wohl vor zwanzig, dreißig Jahren mal in irgendeiner Wohnzeitschrift als chic gepriesen worden waren. Alles war alt, aber sauber. Duschgel und Shampoo standen auf einem kleinen Regal in der Kabine, je eine Flasche für jede Person die hier lebte. Genau das, was man gerade brauchte, keine Auswahl, kein Vorrat. Das gleiche galt für die Zahnbürsten und Zahnpastatuben, die unter dem Spiegel auf dem Waschbecken standen. Einmal mehr seit dem gestrigen Tag wurde deutlich, dass Snow und ihre Geschwister am Minimum der Existenz lebten. Ein Leben, das er kannte. In seiner Zeit als Kopfgeldjäger hatte er nicht unbedingt anders gelebt. Genauso wenig wie er sich damals bei irgendwem beklagt hatte, beklagte sich auch Snow nicht. Sie schien damit zufrieden zu sein. Sie … Sie hatte ihn gestern ganz schön überrascht. Zuerst war da die Sache mit dem Abholen zum Reiten. Er war seit dem Vormittag an der Bar gewesen, in der sie arbeitete, da sie ihm nicht gesagt hatte, welche Schicht sie hatte. Sie hatte zur Mittagszeit begonnen und war am Nachmittag fertig. Er hatte sie die Zeit über beobachten können. Dann hatte der Spaß angefangen. Gerade hatte er bei ihr bezahlt und wollte sie zum Reithof begleiten, da entschuldigte sie sich auf Toilette zu müssen. Kaum eine Minute später sah er sie zum Ausgang flitzen. Er folgte ihr sofort. Wie ein Jäger seine Beute jagte er sie über den Parkplatz zwischen den Fahrzeugen hindurch und wirbelte sie an dessen Ende von den Füßen. Sein „Hab ich dich“ hatte sie mit einem leichten Lachen quittiert, dass lauter wurde, als er sie auf seine Schulter warf und los marschierte. Das war das erste, das ihn erstaunt hatte. Ihm fiel kein Mädchen ein, das nachdem es beinahe entführt worden war, noch „Hasch mich" spielte. Sie war nicht ängstlich. Außerdem war ihr Lachen unglaublich und ansteckend. Beim Reiten dann hatte sie ihn noch mehr von den Socken gehauen. War er schon beeindruckt, wie gut sich Beth dabei angestellt hatte, toppte Snow das gewaltig. In dem Moment, in dem sie aufgesessen hatte, hatte sie etwas wie eine natürliche Einheit mit dem Tier gebildet und war damit davon galoppiert, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie hatte keine Probleme mit ihm mit zu halten und er hatte sein Pferd zu Höchstleistungen getrieben. Ihre Augen hatten gefunkelt. Sie hatte gelacht, so sehr gelacht. Es hatte ihr so gut gefallen, dass er sie nach dem Ritt noch eingeladen hatte, mit ihm im Bronco zu fliegen. Es gab nicht viele Mädchen, die sich dafür begeistern konnte und sie hatte ihn erneut perplex an die Wand gedroschen, als sie sofort zugestimmt hatte. Sie teilte die gleiche Begeisterung für sowohl für Geschwindigkeit als auch fürs Fliegen. Es war erstaunlich. Die Frau hatte Pfeffer im Hintern und war ein Adrenalinjunkie. Snow hatte, so würde Saber es beschreiben, den Hang dazu loszustürmen und sie zusehen wo sie ankam. Ihre Unerschrockenheit und der Wagemut, der darin steckte, hatte sie mit ihrem Bruder gemeinsam und auch mit der älteren der Schwestern, Annabell. Je mehr Zeit sie mit ihnen verbrachten, desto deutlicher erlebte jeder die Unterschiede zwischen den Schwestern. Sie teilten einige Charakterzüge, dennoch war tendenziell Annabell eine berechnende Verführerin, Snow eine fröhliche Abenteurerin und Beth eine sanfte Beobachterin. So oder ähnlich würde Saber sie beschreiben, wenn er ihr Wissen nach dieser Zeit zusammenfassen und grob kategorisieren würde. Aber wen interessiert Saber gerade? Colt erinnerte sich lieber daran, dass er sie nach dem Flug nach Hause gebracht hatte, wo sie zusammen eher einen Mitternachtssnack, als ein Abendbrot verdrückt hatten. Dabei waren sie ins Gespräch gekommen. Er hatte erfahren, wie sie in der Phantomzone gelebt hatten. Sie waren auch auf das Thema Symbiose gekommen. Sie hatte ihm erzählt, dass Annabell als einzige von ihnen einen Partner gefunden hatte, kurz bevor sie zu ihrer Mission aufgebrochen war. Sie sprach sehr sachlich davon, als wäre es keine große Sache und von ihrem Standpunkt aus war es das auch nicht. Annabell, Agentin die sie war, hatte klar zwischen der Mission und ihrem Partner unterschieden und keinerlei Gewissensbisse oder ähnliches gehabt. In Colt war ein Gefühl von Kälte aufgekommen. Er war nur ein Job gewesen, während er sein Herz in ihre Treffen gelegt hatte. Dann hatte sich eine Ernüchterung in ihm gefestigt, die ihn befreite und davon entfernte. Er hatte Snow gefragt, ob sie auch eine Agentin wie ihre Schwester werden sollte, doch sie hatte ihm erklärt, dass sie dafür nie in Betracht gekommen sei, sei sie nicht neutral genug für solche Aufgaben. Er hatte keine Schwierigkeiten gehabt, ihr das zu glauben. Dann hatte er sie angesehen. Sie hatte noch davon gesprochen, was ihre Aufgabe geworden wäre, doch er hatte nicht mehr zugehört. Er hatte sie nur noch anstarren können, ihr weißes Haar, ihre fast auberginefarbenen Augen und ihre prallen Lippen betrachten können. Sie hatten ihn schlussendlich angezogen und er hatte der Versuchung erlegen und sie erobert. Für einen Moment hatte sie sich gegen ihn gestemmt, doch er hatte sich nicht zurückdrängen lassen und beharrlich den Kuss intensiviert. Dann war sie ihm entgegen gekommen. Unter stürmischen Küssen waren sie zur Couch getaumelt und darauf gesunken. Dieser leidenschaftliche Austausch hatte sie beide berauscht, so bemerkten sie kaum den Schlaf, der sie befallen hatte. Es wurde ihnen erst bewusst, als sie heute morgen erwachten, auf der Couch, als ein halb auf einander, halb neben einander liegendes Knäul aus Gliedern und Körpern. Sie hatten beide lachen müssen. Nun stand Colt hier, hier im Bad und fuhr sich noch einmal übers Gesicht. Snow rief nach ihm. „He, Blechstern. Frühstück ist fertig.“ Er grinste und verließ das Bad. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)