The Diary of Mrs Moriarty von Miceyla ================================================================================ Kapitel 25: Garten der Erinnerungen ----------------------------------- „Amelia! Was wollen all diese Menschen vor der Tür? Sind wir nun für immer hier eingesperrt und dürfen nie wieder draußen spielen?“ „Müssen wir etwa von hier weg? Wir haben kein anderes Zuhause mehr!“ „ Ich habe Angst, Amelia! Warum sind die Menschen so böse? Keiner von uns hat doch etwas falsch gemacht!“ Mit einer unerträglichen Ratlosigkeit, blickte Amelia mit ihren betrübten braunen Augen, in die verzweifelten Gesichter der unschuldigen Mädchen, welche sie verängstigt umringten. „Niemand von euch hat einen Fehler begangen. Die Menschenschar ist aus einem anderen Grund hier…“, sprach sie zögerlich und wusste das es hoffnungslos war, die Kinder mit kurzweiligen Lügengeschichten zu beruhigen. „Clayton wird doch niemals zulassen, dass man uns von hier vertreibt, oder…oder?“, fragte eines der Mädchen mit weinerlicher Stimme. „Ich…ich…“ Amelia blickte flehend hinauf zu dem Raum, in welchem Clayton sich seit vielen Stunden verschanzt hatte. In seinem abgelegenen Turm hätte er Zuflucht finden können, ohne so schnell gefunden zu werden. Dennoch beharrte er darauf, den wehrlosen Kindern ein Schutzschild zu sein und ihren Wohnsitz zu verteidigen… Wie versteinert verharrte Clayton auf der Stelle und starrte abwesend die aufständische Meute vor dem Eingangstor des Waisenhauses an. Sein unbekümmertes Grinsen verwischte jegliche Spur von Bedrängnis. `Herzlichen Dank, Herr Meisterdetektiv, dass du mich für die Rolle des Sündenbocks auserwählt hast. Eigentlich hätte ich einen solchen Ausgang kommen sehen müssen. Doch mein Guter, gerettet ist damit niemand. Das ein anderer Williams Sünden ausbaden muss, wird nun seinen durchtriebenen Enthusiasmus vollends entfachen. Wohlan, ich spiele vorübergehend mit, aber zu meinem eigenen Vorteil. Denn allmählich ist es an der Zeit ernst zu machen, ehe ganz London in den Flammen des Zwiespalts untergeht. Verzeih mir Amelia, doch langsam solltest du dich von mir loslösen. Du bist jetzt nicht mehr allein. Danke für deine langjährige Treue mir gegenüber und das du gemeinsam mit mir den Pfad der Dunkelheit beschritten hast… Noch ist es aber zu früh für eine Abschiedsrede. Das Stück `Verbrechen zwischen Gut und Böse` ist beinahe fertig um die Bühne einzuheizen. Dieses Glanzstück wird den Bürgern noch präsentiert, dafür geht Matador Muscari über Leichen…` Die Kinder hielten alle zeitgleich den Atem an und starrten mit erwartungsvollen Blicken hinauf, als oberhalb energisch die Tür aufgerissen wurde. „Nun aber Schluss mit dem Unfug! Wenn die barbarischen Herrschaften unbedingt Aufsehen, durch ihr unprofessionelles Theater erregen wollen, sollen sie sich doch bitte bei mir für die Bühne bewerben, wo sie anständigen Unterricht erhalten!“, sprach Clayton betonend und lief zielstrebig auf die Eingangstür zu. „Clay…“ Mit sanftem Lächeln faltete Amelia ihre Hände vor der Brust zusammen und war heilfroh für Claytons unzerstörbare Stärke, die ihn niemals aufgeben ließ und den Kindern Mut und Hoffnung spendete. Und auch für Amelia würde er immer ein strahlender Stern am finsteren Horizont bleiben. Er war ihr Vorbild und Retter, ein Mensch für den sie mehr Bewunderung empfand, als für jeden anderen. Doch allmählich akzeptierte sie, dass er ihre Liebe nie erwidern würde. Ihr Herz befreite sich langsam von dem erlittenen Schmerz und öffnete sich in einem gemächlichen Heilungsprozess, für die angenehmeren Gefühle im Leben. Energisch riss Clayton die Tür auf, wobei die aufgebrachte Menschenmenge abrupt verstummte und ehrfürchtig vor seiner Erscheinung zurückwich. „Da ist er, Ihr heißbegehrter Meisterverbrecher! Ich brauche mich nun nicht mehr zu verstecken und Sie haben die Ehre, mich aus nächster Nähe zu bewundern! Doch heute dürfen Sie leider keine atemberaubende Vorstellung meinerseits erwarten. Da müssen Sie sich bis zur Mitternachtsvorstellung gedulden. Jetzt gilt meine Aufmerksamkeit erst mal den eingeschüchterten Kindern. Dies haben Sie sich selbst zu Schulden kommen lassen…“, sprach Clayton voller Inbrunst, wobei seine Tonlage von einer heiteren Stimmung, zu einer abgeneigten Gehässigkeit wechselte. „Sie sind ein gnadenloser Mörder! Das Blut etlicher Menschen haftet an Ihren Händen! „Ihre Sünden können niemals beglichen werden! Erhängt den Teufel!“ „Die entführten Kinder werden wir aus Ihrer Gewalt befreien!“ „Wo ist Sherlock Holmes? Wollte er nicht dafür sorgen, dass dieser Abschaum für den Rest seines Lebens hinter Gittern landet?!“ „Und warum hält Scotland Yard ebenfalls die Füße still? Was hält die ach so gewissenhaften Gesetzeshüter davon ab, den meistgesuchtesten Verbrecher einzubuchten?! Da sind ausnahmsweise einmal alle derselben Meinung, ob nun Adel oder gewöhnlicher Arbeiter!“ Clayton biss verbittert die Zähne zusammen und schluckte seine angestaute Wut, bei all den hasserfüllten Beschimpfungen hinunter. „Das reicht! Hört auf damit, alle! Clayton hat die Kinder gerettet und ihnen ein neues Zuhause geschenkt, eine Zukunft… Die meisten der Mädchen…wären wahrscheinlich sonst längst, aufgrund der qualvollen Lebensbedingungen umgekommen…“ Amelia kam entrüstet herbeigerannt und verteidigte voller Empörung die Taten ihres Retters. „Amelia Liebes, bei diesen werten Herren, stößt du mit deiner gutgemeinten Wahrheit, lediglich auf taube Ohren. Ich verkörpere nun die Rolle des Bösewichten, auch daran ist sehr viel Wahres. Wir wollen doch endlich eine gerechte Welt, oder nicht? Es wäre schon sehr ungerecht, wenn ich ungestraft davonkommen würde…“, besänftigte Clayton sie lächelnd und hielt sie mit einer raschen Handgeste davon ab, lautstark Protest zu erheben, da er für zusätzliche Morde beschuldigt wurde, welche er nie begangen hatte. „Sie haben Ihr durchtriebenes Schauspiel, sowohl auf der Bühne als auch auf den Straßen Londons, wahrlich makellos zur Schau gestellt. Dafür werden Sie noch von den zukünftigen Generationen gleichzeitig geachtet und gefürchtet…“ Ein etwas jüngerer Mann ergriff das Wort, welcher ein wenig zögerlich wirkte. Clayton blickte den Jüngling, bei dem es sich um einen Studenten handeln musste, mit einem gerissenen Grinsen an. „Das ich meine Schauspielkunst perfektionieren durfte, habe ich meinem Lehrmeister zu verdanken. Aber nicht nur die Kunst des Schauspiels lehrte er mich, sondern auch die Kunst des Tötens… Vortrefflich für die Rolle eines Meisterverbrechers, nicht wahr? Ich hätte ihn nur zu gern mit Ihnen vertraut gemacht, doch leider ist er bereits von uns gegangen… Genug der Förmlichkeiten. Um euer unersättliches Verlangen nach Rache zu stillen, dürft ihr meinetwegen wie besessene Barbaren über mich herfallen. Aber wenn einer von euch Grobianen den Kindern auch nur ein Haar krümmt, spürt ihr wie die Klinge meines Zornes, sich durch das Herz eines jeden einzelnen von euch bohrt…“, sprach Clayton einschüchternd an die auflauernde Meute eine Warnung aus. Ein beratendes Murmeln ging durch die Menge, um sich darüber auszutauschen, wie sie gegen den unzähmbaren Meister der Verbrechen weiter vorgehen sollten. Mit stockendem Atem kamen die versammelten Bürger zum Schweigen, als ein unvorhergesehener lauter Schuss ertönte. „Dieser Mann darf für seine schweren Verbrechen verurteilt werden, nicht aber für seine wohltätige Arbeit. Ohne Adelstitel hat er mehr für London getan, als so manch ein Adeliger. Wer durch grobe Gewalt im Waisenhaus oder Theater auffällt, wird ohne lange Debatte, aufgrund des Verstoßes gegen das Öffentlichkeitsgesetz, für unbestimmte Zeit inhaftiert. Dies gilt solange bis der Gerichtsbeschluss, die Strafe für Clayton Fairburn festgelegt hat. Sie dürfen diese Entscheidung in Frage stellen, doch das letzte Wort hat nun mal die Regierung. Zwar bin ich ein nicht zu verachtender Teil davon, doch weder ich noch Mr Holmes haben die alleinige Bestimmungsgewalt…“ `Harley… Du nutzt auch wirklich jede erdenkliche Gelegenheit geschickt aus, um dich in den Vordergrund zu drängen. Aber gib’s auf, von dir lass ich mir kein Honig ums Maul schmieren…` Clayton blickte Harley unbeirrt an und blieb weiterhin tiefenentspannt stehen. Denn ihm war bewusst, dass ein plötzlicher Wutanfall seinerseits, Harleys entgegenkommendes Urteil zunichtemachen würde. Das unzufriedene Gemurmel der Bürger, war bereits Grund zur Sorge genug. Doch der Auftritt des Premierministers hemmte die Angriffslaune der Menschen, welche sich allmählich einer nach dem anderen vom Tor des Waisenhauses entfernten. Nachdem endlich wieder vorübergehend Ruhe eingekehrt war, schritt Harley ein Stück auf Clayton zu, wobei Amelia ihn teuflisch anfunkelte. Jedoch hielt sie ihre Missgunst, mittels eines ordentlichen Maßes an Selbstbeherrschung unter Kontrolle. „Erwarte jetzt bloß keine Worte des Dankes von mir… Aber ich respektiere deine Einmischung, wenn es dir dabei um den Schutz der Kinder geht und darum das die Darsteller im Theater nicht ihre Arbeit verlieren…“, zwang Clayton sich verkrampft dazu, ein paar Worte der Anerkennung auszusprechen. `Mir passt dein Sinneswandel gar nicht… Tu nicht so heuchlerisch, als seist du schon immer derart aufrichtig und rechtschaffen gewesen… Doch was mich am allermeisten aufregt, ist das es kein trügerisches Gehabe deinerseits ist, sondern du es ehrlich meinst. Nichts kann dadurch jemals ungeschehen gemacht werden und unsere Ziele bleiben davon unberührt. Ebenso…wie jedes physikalische Gesetz niemals gebrochen werden kann. Nenn mich ruhig weiterhin einen verlorenen Träumer, aber ich werde dir beweisen, dass in mir ein waschechter Realist steckt…`, dachte Clayton standhaft und wiederholte aufs Neue seinen sich selbst geschworenen Eid, als würde er sich bewusst einer Gehirnwäsche unterziehen. „Ach Clay, diese alte Laier haben wir doch längst hinter uns. Du hast dich heute an die weisen Worte deines Meisters zurückerinnert…Scheinbar bist du nun endlich dem nächsten Kapitel deines Lebens gewachsen. Wappne dich, denn ich kann die Kinder und deine dir heilige Bühne nicht ewig schützen. Mycroft Holmes wird keine mildere Strafe für dich auswählen, nur weil er weiß wer der wahre Meisterverbrecher ist. An deinen Händen klebt derart viel Blut, dass du dich nicht in dessen Schatten zu stellen brauchst… Aber ich will dich nicht länger belehren. Nun wurdest du endgültig auf deiner wohlgeschätzten Bühne allein zurückgelassen. Wirklich bemitleidenswert… Bist du nicht in Wahrheit neidisch auf die Moriartys und deren Zusammenhalt? Zerschlage das Böse an seinen Grundwurzeln, ehe es dich vollends erwischt. Ich erwarte dich und deinen Kämpferwillen…“ Mit diesen provozierenden Worten, wandte Harley sich wieder mit einem flüchtigen Lächeln ab. `Ich dachte unser nervtötendes Geschwätz, hätten wir ein für alle Mal begraben… Du bist wahrlich ein Glückspilz, denn bald wirst du feststellen dürfen, dass meine Fechtkunst deiner ebenbürtig ist… `Ich bin nicht dein Feind, sondern das verwerfliche System dieses Landes und jene Menschen, welche dafür verantwortlich sind.` Es hilft auch nichts, wenn du mir das immer wieder indirekt einzubläuen versuchst. Neidisch.. Worauf soll ich denn bitteschön neidisch sein? William hat mich so behandelt, als würde ich seiner vertraulichen Organisation angehören und nannte mich wahrhaftig einen Freund… Dann bemühe ich mich mal darum, unserer Freundschaft keine Schande zu bereiten. Und ich bewahre sein Versprechen im Hinterkopf. Denn wenn mich jemand aufhält, soll nur er es sein…` Miceyla blickte mit einer nachdenklichen Besonnenheit hinaus. Nach einigen sommerlichen Regenschauern, hatte die Luft sich wieder abgekühlt und die Natur rings um das Anwesen präsentierte sich in ihrem prächtigsten Grün Sie wählte seufzend eines ihrer älteren, schlichteren Kleider zum Ausgehen. Denn für den vor ihr liegenden Anlass fand sie es etwas unpassend, sich zu übertrieben aufzubrezeln. Einige Wochen waren nun, nach der mehr oder weniger fehlgeschlagenen Verkündung des Meisterverbrechers vergangen. Auf der einen Seite war Miceyla erleichtert, dass die Moriartys vorübergehend aus der Schusslinie genommen worden waren. Aber auf der anderen Seite durchlebte sie nun schlaflose Nächte, aufgrund ihrer Schuldgefühle gegenüber Clayton. Auf Kosten ihrer Freiheit, musste er sich jetzt unfreiwillig einer grausamen Tortur unterziehen. Da half es ihr auch nichts, wenn sie sich ins Gedächtnis rief, dass Clayton ebenfalls schwere Verbrechen begangen und etliche Menschen getötet hatte. Miceylas Herz besaß einfach zu viel Mitgefühl. `Clayton hat sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um Dains Sohn aus dem brennenden Anwesen zu retten. Von Anfang an wusste ich das er ein guter Mensch ist und sich nicht vom Bösen kontrollieren lässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Rache an Harley, noch immer die höchste Stellung in seinem Leben einnimmt…`, dachte Miceyla, doch was ihr weitaus mehr Sorgen bereitete war, dass William nun nicht sonderlich gut auf Sherlock zu sprechen war. Sein Einsatz in Kombination mit Claytons, war schuld an der misslungenen Offenbarung. Eine außerplanmäßige Veränderung missfiel ihm natürlich. Doch auch er empfand Freude für ihre gewonnene Zeit, was er nur so einfach niemals zugeben würde. Aber bei einer Sache waren alle in ihrer Organisation derselben Meinung. Sie mussten für ihre begangenen Verbrechen sühnen. Und wie das am Ende konkret ausgehen sollte, bereitete Miceyla ein beißendes Unwohlsein. Doch jetzt würde sie sich erst mal mit Sherlock, John und Emily treffen, damit letztere endlich die ganze Wahrheit erfuhren. William war ebenfalls zu der Runde eingeladen, jedoch wollte er sich erst bei einer späteren Gelegenheit dazu gesellen. Nicht weil er der unangenehmen Konfrontation aus dem Weg gehen wollte, sondern aus dem Respekt vor Miceylas engem Vertrauensverhältnis zu ihren Freunden. „Guten Morgen, Miceyla. Das Frühstück ist fertig, du kannst nach unten kommen“, sprach eine freundlich lächelnde Miss Moneypenny an der geöffneten Tür. „Ich bin gleich soweit. Und herzlichen Dank, dass du dich wieder um Evelyn kümmerst. Mit gütigem Lächeln verließ Miceyla schließlich das Zimmer und lief gemächlich die Treppenstufen hinab. Draußen im Garten entdeckte sie Louis und Fred, welche sich zusammen am farbenfrohen Blumenbeet unterhielten. Bevor sie sich in den Speisesaal aufmachte, lief sie hinaus, um die beiden zu begrüßen. Sanfte Sonnenstrahlen erheiterten die morgendliche Umgebung und verrieten, dass es später am Tag wieder wärmer werden sollte. Als Fred Miceyla erblickte, lief er ihr gleich mit einem aufgeweckten Leuchten in den Augen entgegen. „Ich wünsche dir einen guten Morgen. Heute werde ich einige Besorgungen erledigen. Sage mir Bescheid, falls du auch etwas benötigst.“ „Das mache ich, danke Fred.“ Miceylas Blick wanderte zu Louis hinüber, der konzentriert das Unkraut zwischen den Blumen entfernte. „Guten Morgen, Lous. Sie blühen alle prächtig. Du und Fred, ihr besitzt beide wahrlich einen grünen Daumen“, sprach die lächelnd und half ihm bei seiner Gartenarbeit, indem sie anfing die Blumen zu gießen. Vor einigen Monaten, hätte er sie mit einer scharfen Bemerkung darauf hingewiesen, ihn nicht bei der Arbeit zu stören. Doch nun schenkte er ihr ein sanftes Lächeln. „Danke für deine Hilfe. Gemeinsam sind wir schneller fertig. Will und Albert mussten heute schon früh aufbrechen. Ich bewundere die beiden, dass sie weiterhin unbeirrt ihrer Arbeit nachgehen. Zum Glück geht das Leben weiter. Ich bin Sherlock dankbar, weißt du… Diese Schwäche ist wohl ein nicht zu vertuschendes Makel von mir… Was hältst du davon, wenn wir zusammen frühstücken?“, fragte Louis lächelnd und blickte kurz zu ihr hinüber. „Liebend gern! Heute werde ich ebenfalls etwas länger unterwegs sein…“ Miceyla hielt verwundert inne, als Louis plötzlich kurz seine Arbeit unterbrach und ihr eine wunderschöne rosa-weiße Blume hinhielt. „Die ist für dich. Das ist eine Amaryllis, sie steht für Anmut und Eleganz. Ich finde das diese Blume wunderbar deine herausragende Stärke und Loyalität unterstreicht, mit der du uns tagtäglich unterstützt. Ich…bin wahrhaftig froh darüber, dass du eine Moriarty bist…“, sprach Louis sanft und überreichte ihr mit leicht verlegenem Blick die bildschöne Blume. Sprachlos und gerührt von seinen ungewohnt gefühlvollen Worten, nahm Miceyla die Amaryllis entgegen und lächelte vor Freude und Glück. „Danke… Die Blume ist wunderschön… Ich werde ihr einen ganz besonderen Platz auf meinem Schreibtisch vermachen“, bedankte sie sich mit friedvoller Stimme und ein Gefühl der beruhigenden Ausgeglichenheit breitete sich in ihr aus. `Nun akzeptierst du mich doch als ein vollwertiges Familienmitglied der Moriartys… Bitte lass dieses Glück noch für eine Weile anhalten, damit wir es alle gemeinsam genießen können…`, dachte Miceyla im Stillen und genoss einfach nur den idyllischen Moment. Die Tür öffnete sich bereits von ganz alleine, ohne das Miceyla in der 221B die Türklingel betätigen musste. Doch es war nicht Emily welche sie begrüßte… Die Tür öffnete sich bereits von ganz alleine, ohne das Miceyla in der 221B die Türklingel betätigen musste. Doch es war nicht Emily welche sie begrüßte… „Sei gegrüßt Nachtigall, deren Gesang in der düsteren Schattenwelt, die garstigen Kreaturen zu vertreiben versucht! Wage dich vor ins Licht, wo du beschützt sein mögest und dir das Böse nichts anhaben kann“, sprach Sherlock mit einer tiefen Stimmlage und sein ernstes Funkeln in seinen Augen, jagte ihr flüchtig einen eiskalten Schauer über den Rücken. `Du bist seit jeher ebenfalls ein beängstigend guter Schauspieler gewesen…` „Es existiert kein reines Licht ohne Schatten. Der Einklang von beidem stellt nun mal nur eines dar, das Leben. Und ich bitte dich davon abzusehen, Clayton auf metaphorische Art zu imitieren. Das was du ihm angetan hast ist eine Sünde für sich. Du solltest dem Meister der großen Bühne, etwas mehr Respekt zollen. Insgeheim tust du dies bestimmt dennoch…“, erwiderte Miceyla mit einem verbitterten Lächeln und schubste ihn freundschaftlich zur Seite, damit sie eintreten konnte. „Ha, ha, ha! Ich hab`s genau gesehen, du musstest dir ein Grinsen verkneifen! Ich mag nur verhindern, das du deinen guten Sinn für Humor verlierst. Das Leben ist ernst genug… Zudem ist die glorreiche Zeit des berühmtberüchtigten Matador Muscari bald vorüber. Der scharlachrote Vorhang wird auf die Bühne hinabfallen…“, offenbarte Sherlock mit leicht düsterer Miene. „Wieso sagst du so etwas trauriges? Was soll diese finstere Prognose…?“ Noch ehe sie von ihm eine Antwort erhalten konnte, wurde sie stürmisch umarmt. „Es tut mir ja so unendlich leid! Ich glaubte du hättest ein glückliches Leben begonnen, als du in eine adelige Familie eingeheiratet hast. Doch schmerzvolles Leid war dein täglicher Begleiter… Wie geht es Evelyn? Ich muss immerzu an dein bildhübsches Mädchen denken“, sprach Emily emotional und drückte sie fest an sich. „Ach Miceyla, was bin ich erleichtert, dass Sherlock immer über dich gewacht hat. Die Moriarty-Familie hat eine schwere Bürde auferlegt bekommen. Doch deren Gerechtigkeitssinn hat mich schon immer fasziniert. Wir stehen dir mit Rat und Tat zur Seite. Dennoch werde ich Sherlock selbstverständlich stets den Vortritt lassen. Denn ich gestehe mir ein, dass er dich von uns allen am besten versteht und es ihm dadurch leichter fällt dich zu unterstützen.“ John befand sich nun ebenfalls an ihrer Seite und legte ihr Mut machend eine Hand auf die Schulter. „Freunde… Was bin ich doch dankbar für euer Verständnis mir gegenüber. Für mich ist dies keineswegs selbstverständlich. Mein Schweigen verbarg die Lüge, welche ich begonnen hatte zu leben. Jedoch schwor ich, mir zu jeder Zeit treu zu bleiben. Und daher schäme ich mich für meine Ängste, ihr würdet mir bei der alles enthüllenden Offenbarung den Rücken kehren… Treue Freunde wie ihr es seid, sind mehr wert als alles Gold der Welt. Ich hatte immer versucht zu vermeiden, dass ihr in gefahrvolle Angelegenheiten mit involviert werdet. Niemals hatte ich vorgehabt euch auszugrenzen. Ich wollte euch schützen, weil ihr mir sehr viel bedeutet…“, sprach Miceyla sentimental und musst ein Schluchzen unterdrücken. Auch Emily und John, hatten vor Ergriffenheit nach ihren rührseligen Worten Tränen in den Augen. „Meine werten Mitstreiter! Wollt ihr, dass unsere heutige Zusammenkunft ein Anlass zum Trauern wird? Ich denke doch nicht. Lasst uns erst mal hinauf gehen. Der Tee den Mrs Hudson vorbereitet hat wird ansonsten kalt, wenn wir hier noch länger rumstehen und Wurzeln schlagen“, lockerte Sherlock geschickt die getrübte Stimmung auf und scheuchte das Trio die Treppe hinauf. „Ich kann von Glück sagen, dass Evelyn sich bester Gesundheit erfreut. Sie ist geschützt vor all dem Trubel um sie herum…“, begann Miceyla mit ausgeglichener Stimme zu erzählen, als sie alle gemeinsam am Tisch saßen. Und ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Lippen, bei der Erinnerung an ihr erstes Treffen bei Sherlock und John zu Hause. `Abermals habe ich nun ein Geheimnis vor dir, Sherly… Oder kannst du erneut erraten, mit welchem Anliegen ich an jenem Abend zu deinem Bruder ging…? Mein Entschluss ist unverändert geblieben, denn für uns Moriartys ist die Gefahr noch lange nicht gebannt…`, dachte Miceyla insgeheim und wagte einen schweigsamen Seitenblick auf Sherlock zu werfen, der ihren Blick sofort erwiderte. Sie zeigte nur ein ungezwungenes Lächeln, ohne Furcht davor zu hegen, er könnte ihre Gedanken erraten. „Aber was geschieht nun mit Clayton Fairburn? Ich befürchte, dass die Sorge vor einem bevorstehenden Bürgeraufstand, die Menschen mehr zu schaffen macht, als die Gewissheit einen korrupten Verbrecher auf freiem Fuß zu wissen…“, erkundigte John sich grübelnd. „Es ist ganz simpel, unser Kasper wird nun in die Offensive gehen, um sein Ziel zu erreichen, der Schlange den Kopf abzuschlagen. Es wird ihn wenig kümmern, dass er dabei mit aller Wahrscheinlichkeit eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Denn deren kleinlicher Zwist hat längst diverse Unschuldige, mit in den tiefen Krater des Verderbens gerissen… Ich habe meinen Teil zu jener Problematik beigetragen. Nun werde ich für eine Weile die Füße still halten und sein letztes Bühnenstück aus sicherer Entfernung beobachten. Liam wird sich ähnlich verhalten. Denn mit Harleys Ableben, erlischt auch die Bedrohung eines heranrollenden Krieges. Und einem gerechten Friedensabkommen steht nichts mehr im Wege. Über kleinliche Unstimmigkeiten kann man immer noch verhandeln“, erläuterte Sherlock unbekümmert und nahm einen Schluck von seinem Tee. Unzufrieden über seine beiläufig wirkende Äußerung, wippte Miceyla unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Ich verstehe ja, dass wir uns künftig bei politischen Angelegenheiten eher in Zurückhaltung üben sollten… Jedoch… William ist beunruhigend schweigsam geworden. Seit ich ihn kenne, ist er ein Mann voller Tatendrang gewesen, der seine Ziele immerzu voller Enthusiasmus verfolgt hat. Aber sollte er nun etwas Gravierendes im Alleingang planen, ohne einen von uns darüber in Kenntnis zu setzen, war deine kurzfristige Rettungsaktion, ein kläglicher Schuss in den Ofen… Und Harley…seine Ideale ähneln den unseren, nur dessen Methoden nehmen ein einflussreicheres Ausmaß. Er kämpft für Englands Unabhängigkeit. Offenheit und Hilfsbereitschaft, sind das Aushängeschild einer gut funktionierenden Nation. Doch darf das nicht zur Schwäche werden. Ich denke…er beschuldigt die Monarchie, dass unserem in keiner Hinsicht ausbalancierten Klassensystem kein Einhalt geboten wird. Du weißt das ich mich nicht davor fürchte, meine Meinung laut auszusprechen. Die Bestärkung dafür bekam ich unter anderem von dir, Sherly… Nichtsdestotrotz steht es außer Frage, dass Harley Granville ein gefährlich unberechenbarer Mensch werden kann. In meinen Alpträumen verfolgt er mich noch immer durch die endlosen Highlands von Schottland. Doch die Erinnerung eines nostalgischen Dufts lässt mich stets erwachen. Nämlich der unverwechselbare Duft von Hortensien… Jedenfalls werde ich nicht so tun, als wäre die Zeit für uns stehen geblieben. Wir werden weiterhin in ihrem Strom mitgerissen, welcher uns all unserer Möglichkeiten beraubt, wenn wir nicht aufpassen…“, vertrat Miceyla mit selbstbewusster Miene ihren Standpunkt und erhob sich schwungvoll. Sherlock fixierte sie kurz mit seinem hellwachen Blick, eher er es ihr nachtat und sich mit einem genügsamen Lächeln erhob, als würde er sich seine Kapitulation eingestehen. „Vertrau mir, den fatalen Fehler begehe ich nicht, eine tickende Bombe, welche sich die Zeit schimpft, aus den Augen zu verlieren. Sie umgibt uns, wir befinden uns unmittelbar in ihrem Zentrum. Es gibt kein Entkommen vor ihr… Keiner wird dich davon abhalten ins Theater zu gehen und ein Gespräch mit Clayton zu suchen. Es ist schließlich nach wie vor dein Arbeitsort. Nur wem er noch Zugang zum Waisenhaus gewährt ist fraglich. Er wird die Schotten dicht machen, um die Kinder zu schützen, was ich auch nicht verkehrt finde. Wir haben alle eine Wahl, vergiss das nur nicht…“, meinte Sherlock freundschaftlich und während ihres Innigen Blickkontakts, wünschten sie sich wohl beide insgeheim, sie wären Herr über den Fluss der Zeit. „Natürlich haben wir das… Nun bin ich mir meiner Wahl bewusst, ich habe es bloß versucht zu verdrängen…“, flüsterte Miceyla als Erwiderung und hielt dennoch gedankenversunken den Augenkontakt mit ihm aufrecht. „Wir werden dich immerzu unterstützen!“, wagte sich John nun dazwischenzureden, um die beiden daran zu erinnern, dass sie nicht allein waren. „Wir eilen herbei wenn du in Not gerätst! Dafür lasse ich alles stehen und liegen!“, schloss Emily sich ihm ohne lange zu zögern an und nahm übereifrig ihre Hand. Miceyla schloss die Hintertür des Theaters auf und lief ohne Umwege in das Atelier. Zu ihrem Glück stellte sich heraus, dass Clayton tatsächlich dort zugegen war und eifrig am Bühnenmaterial herumbastelte. „Du bist früh dran. Ich bin hier noch eine Weile beschäftigt. Die Requisiten überprüfe ich immer noch mal persönlich. Unserer Stammtruppe kann ich vertrauen. Doch der ein oder andere hat es nun nur noch auf die üppige Gage abgesehen…“, murmelte Clayton beschäftigt, ohne dabei seine Arbeit zu unterbrechen und sie anzublicken. „Das Skript ist fertig. Ich habe es eigenständig geschrieben, ohne mich beeinflussen zu lassen, so wie es dein Wunsch war. Verbrechen zwischen Gut und Böse, kann nach den nötigen Vorbereitungen aufgeführt werden. Die Rollenverteilung legst du fest“, teilte Miceyla ihm unmissverständlich mit und holte ein ordentlich zusammengeheftetes Manuskript aus ihrer Tasche hervor und hielt es Clayton entgegen. Nun gab es für ihn doch einen Grund ihr Aufmerksamkeit zu schenken und er blickte mit funkelnden Augen das Skript an, als handelte es sich dabei um einen wertvollen Schatz. „Fabelhaft! Ich bin wahrlich stolz auf dich, mein Vöglein! Die Ehre sollte vollends dir gebühren, jenes bedeutsame Stück zu schreiben. Das kommt auch deinem Bekanntheitsgrad als Autorin zugute. Talente dürfen nicht hinter Bescheidenheit versteckt werden. Das heißt nun wird fleißig geprobt! Und keine Nörgeleien vor deinem Vorgesetzten wegen der Überstunden! Wir haben alle hart gearbeitet, um dieses Meisterstück aufführen zu können. Lass uns stolz darauf sein! Also rasch ans Werk! Ich komme später dazu…“, meinte Clayton beschwingt und blätterte kurz durch das Skript, ehe er sich wieder seinem egozentrischen Handwerk widmete. Miceyla war allerdings noch nicht gewillt ihn in Frieden zu lassen. „Ich…ich habe noch etwas zu sagen… Dein Zorn sollte uns Moriartys und Sherlock Holmes gelten. Zwar bewundere ich deine Stärke, dass du unter der Last all unserer Sünden nicht erstickst. Aber keiner von uns wird vor der Rechenschaft davonlaufen, mag sie uns auch noch so hart treffen… Dies muss ich einfach noch mal betonen. Auch jetzt trägst du wieder eine Maske, ich erkenne es sofort. Ich kann nicht akzeptieren, dass du einen Schlussstrich ziehst und das Theater aufgibst. Du opferst deinen wahr gewordenen Traum für eine besessene Rache… Der Regenbogenschwingenpalast ist ein Ort der Wunder und unzählige Emotionen treffen hier aufeinander. Ein Ort der Gemeinschaft und für Amelia etwas…wie eine zweite Heimat. Denn dich lachend auf der Bühne stehen zu sehen, bedeute für sie wahres Glück. Ohne dich zerbricht dieses Glück… Und das strahlende Wunder, verblasst zu einem Funken verschwommener Erinnerung… Es kümmert mich nicht, wenn mein Gejammer dir gleichgültig ist. Doch du solltest am besten wissen wie es sich anfühlt, in das Herz eines anderen Menschen blicken zu können… Du leidest fürchterlich, Clayton… Lydia…könnte es nicht ertragen dich so zu sehen, wäre sie nun hier und dein Vater ebenfalls nicht!“ Miceyla verstummte mit hektischem Atem und bereute ihren emotionalen Gefühlsausbruch sogleich. Sie hatte vorgehabt taktvoller vorzugehen, doch manchmal musste die Wahrheit einfach ohne Ausschmückungen ausgesprochen werden. Clayton starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an, als stünde nun ein ihm fremdes Gespenst vor ihm. Doch es befand sich weder Argwohn noch Hass in seinem erstarrten Blick. Nur ein nicht zu verbergendes Mitgefühl und der Funke von zermürbender Reue. Lächelnd erhob er sich, legte Miceyla behutsam eine Hand auf ihren Kopf und beugte sich etwas zu ihr hinab. „Dann wird es wohl Zeit, dass ich wieder mit den Menschen vereint werde, die ich immer am meisten geliebt habe. Freude ist nur von kurzer Dauer. Wir bringen uns gegenseitig Glück und gleichzeitig aber auch zum Weinen. Verstehst du nun, weshalb ich seit jenem Tag mein Herz verschloss? Niemals mehr wollte ich diesen unerträglichen Schmerz noch einmal durchleben. Schimpf mich ruhig einen fliehenden Feigling. Danke, das mir die wunderschönen Blüte einer wahren Liebe demonstriert wurde, die eurer Liebe. Eine Liebe, die mächtiger ist, als das wovor sich ein jeder am meisten fürchtet…den Tod…“ Miceyla bekam bei seiner eindringlichen Stimme eine Gänsehaut und hatte das Gefühl, umso länger sie in seine tiefblauen Augen blickte, desto mehr entwich die Wärme ihren Körper und eine eisige Kälte übermannte sie. Jeglicher Wille für eine Erwiderung wurde ihr geraubt und sie ließ Clayton weiter seinem Handwerk nachgehen. Mit wirren Gedanken verließ Miceyla das Atelier und bemerkte verzögert, wie eine Gestalt ein Stück entfernt den dämmrigen Gang entlangrannte. `Uns hat wohl jemand belauscht…` Nach ihrer raschen Schlussfolgerung, nahm sie schnellen Schrittes die Verfolgung auf und hatte bereits eine erste Vermutung, um wen es sich dabei handelte. Miceyla glaubte flüchtig, die Person aus den Auen verloren zu haben, als sie in einer vollgestellten Kammer landete, bei der sie sich fragte, ob sie dort jemals zuvor einmal gewesen war. `Manchmal vergesse ich, wie viele Räume dieses Theater eigentlich hat…` Vorsichtig lief sie hinein und blickte sich prüfend um. Dort befanden sich einige menschenähnliche Statuen und Puppen, bei denen man meinte, sie würden jeden Moment zum Leben erwachen. Miceyla erblickte eine handgefertigte Porzellanmaske, die sie gespenstisch angrinste. Ganz langsam streckte sie ihre Hand danach aus und nahm die Maske an sich. Betrübt sah Miceyla drein, als sich ihre Vermutung bestätigte und sie in Amelias leidvolles Gesicht blickte. „Ich schwor mir keine Tränen mehr für den Mann zu vergießen, der meine Liebe niemals erwidern wird… Und dennoch… So sehr ich mich auch zusammenzureißen versuche… Meine Gefühle sind mächtiger als mein Verstand. Miceyla…bitte sage mir, was soll ich tun? Ich bin noch lange nicht bereit dazu loszulassen… Bitte befreie mich von dem Schmerz… Clayton hat so viele Leben gerettet. Ist es nicht an der Zeit, dass wir das seine retten?“, schluchzte Amelia mit Tränen verschwommenen Blick und packte in ihrer Verzweiflung die Arme von Miceyla, welche ihre eigenen Tränen vergebens zu unterdrücken versuchte. „Oh Amelia… Auch ich spüre denselben Schmerz wie du… Das Leben kann unerträglich sein. Es mag nur ein kleiner Trost sein, aber du bist nicht mehr allein. Ich werde immer für dich da sein. Du bist für mich wie eine kleine Schwester und egal was auch passiert, ich sorge dafür, dass du bei uns Moriartys Zuflucht finden wirrst. Und du weißt, dass es noch jemanden gibt, dem du sehr viel bedeutest. Darum lass uns stark bleiben, Amelia. Lass uns gemeinsam für die Menschen kämpfen, die wir lieben. Kein Feuer kann uns jemals mehr voneinander trennen…“, versuchte Miceyla das leidende Mädchen wenigstens etwas zu beschwichtigen und zog sie in ihre Arme, wobei sie hemmungslos weiter weinte. Miceyla strich tröstend über ihr blondes Haar und plötzlich begannen ihre Gedanken um Albert zu kreisen. `Das Herz blutet ganz fürchterlich, während man sich für einen Menschen aufopfert, doch dieser die Liebe nicht erwidert… Manche Gefühle ändern sich niemals, jedoch… Es ist nun schon eine Weile her, seitdem ich Albert das letzte Mal einen Brief geschrieben habe. Ich sollte ihm schreiben, egal wie schwer die Zeiten auch sein mögen. Mein Herz war stets mit Freude erfüllt, sobald ich einen seiner Briefe gelesen habe. Ich darf nicht vergessen, ihm diese besondere Freude zurück zu schenken. Denn egal wie beschäftigt er auch sein mag, er findet immer die Zeit an mich zu denken und mir zu schreiben…` Mit einer schwungvollen Handbewegung unterzeichnete Albert ein Dokument, welches er anschließend auf einem Tisch seinem Gegenüber zuschob. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob er innerlich zögerte und mit Reue zu kämpfen hatte. Denn seine selbstbewusste Fassade, verhinderte jegliche Einblicke in seinen wahren Gemütszustand. „Ich bedanke mich für Ihr Einverständnis. Abkommen hin oder her, gesittete Höflichkeit bleibt für mich eine Tugend. Sie besitzen Erfahrung und Talent, zwei unabdingbare Komponente, ungeachtet des kompetenten Trupps, welcher Sie begleiten wird. Dennoch können gewisse Risiken, selbst mit der tadellosesten Vorbereitung nicht ausgelöscht werden. Jedoch wenn es die Umstände erlauben, werde ich mich persönlich dem Unterfangen anschließen. Es ist mein Will, unser eigenes Land bei dem Kampf zu repräsentieren. Beweisen wir, das unsere Stärke nicht allein dazu dient, uns hinter Mauern zu verschanzen und die Schwachen als Opfer auszunutzen. Euer Bruder Lord William, er und ich hätten gemeinsam Großes vollbringen können. Aber ich werde keinen vertanen Möglichkeiten hinterhertrauern. Genießen Sie die idyllische Zeit mit Ihren Liebsten. Sie wissen nie, wann es die Letzte sein wird…“, sprach Harley vertraulich und nahm den unterschriebenen Vertrag mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck an sich. Albert lächelte kühl nach dessen selbstgefälliger Rede, welche ihr gemeinsames Abkommen vollends besiegeln sollte und lehnte sich tiefenentspannt in seinem Sessel zurück. „Das kann ich nur zurückgeben. Genießen Sie Ihren Freiraum als Premierminister. Sie mögen viele Anhänger besitzen, doch einige folgen Ihnen nur aus Furcht und schrecken davor zurück, die eigene Meinung auszusprechen. Und da Sie Ihre Feinde bestens kennen, brauchen Sie keinen plötzlichen Überfall zu fürchten…“, entgegnete Albert mit einem kühlen Lächeln. „Hm… Sie nehmen wahrlich kein Blatt vor den Mund, wie eh und je. Aber diese Charaktereigenschaft schätze ich ebenfalls an Ihnen. Wohlan, dann verbleiben wir so miteinander. Schade das Sie an der Sitzung am siebzehnten Juli nicht teilnehmen. Alle Abgeordneten werden erscheinen, unter Ihnen auch Sir Mycroft Holmes. Dennoch verstehe ich Ihre Entscheidung, wichtigere Dinge zu priorisieren, als einer Besprechung beizuwohnen, bei der jeder nur seine eigenen Interessen verfolgt und die Meinungen anderer nur aus Eigennutz unterstützt. Ich denke in dieser Hinsicht sind unsere Meinungen identisch.“ Dicke Regentropfen prasselten auf die Erde hinab, als Albert das Verwaltungsgebäude des Militärs verließ und er zügig in Richtung seiner wartenden Kutsche lief. Erstaunt blickte er drein, als er die Wagentür öffnete und seine Kameraaden Fred und Moran erblickte. „Es muss etwas äußerst Dringliches sein, wenn ihr bereits hier auf mich gewartet habt. Hach…und ich hatte gehofft, das wir noch für eine Weile von schlechten Neuigkeiten verschont blieben…“ Seufzend setzte Albert sich zu den beiden ins Trockene und nahm seinen nassen Zylinder ab. „Danke, dass du uns als Boten des Unglücks abstempelst! Scheinst einen gewaltig nervenaufreißenden Tag hinter dir zu haben. Muss schon was heißen, wenn selbst du miese Laune bekommst“, nuschelte Moran ungehobelt mit einer Zigarette zwischen den Lippen.. „Kannst du bitte mal für einen kurzen Augenblick, dein streitsüchtiges Verhalten unterlassen?!... Wir haben wichtige Informationen erhalten und werden die Umgebung in der Innenstadt aufgrund dessen, die nächste Zeit besonders gründlich im Auge behalten müssen…“, begann Fred besonnen, doch ihm stand ein nicht zu verbergendes Unwohlsein ins Gesicht geschrieben. Alberts Blick wurde nun ernster und seine schweigsame Geste gab zu verstehen, dass seine Gesprächspartner fortfahren konnten. „Die Soldaten damals in der alten Fabrikhalle, bei denen handelte es sich um Söldner. Selbst jeder begriffsstutzige Trottel wäre zu der Erkenntnis gekommen, dass die Rüpel sich den Sprengstoff unter den Nagel reißen wollten, um einen geplanten Attentat verüben zu können. Doch scheinbar haben wir es mit einer weitaus größeren Organisation zu tun, denn es wimmelt nur so von deren Anhängern in der Stadt. Während wir mit anderen Angelegenheiten beschäftigt waren, hat die Meute sich unbemerkt im Untergrund vermehrt…“, begann Moran mit einem gehässigen Unterton und sein angespannter Gesichtsausdruck unterstrich den Ernst der Lage. „Interessant… Da ich immer noch keine hellseherischen Fähigkeiten entwickelt habe, müsst ihr mich darüber aufklären, wie ihr an diese brandgefährlichen Informationen gelangen konntet und ob ihr über den wichtigsten Schlüsselfakt verfügt. Nämlich wer der führende Drahtzieher im Hintergrund ist und was Ziel und Zweck eines möglichen Anschlags ist. Nur warum beschleicht mich das beunruhigende Gefühl, dass wir nur eine hauchdünne Glaswand, von deren hassgeleiteten Machenschaften entfernt sind… Nicht nur wir wählten die radikale Methode, Ideale mittels Gewalt durchzusetzen…“, erwiderte Albert kurz darauf mit gedämpfter Stimme und hätte am liebsten gehabt, wenn Moran und Fred sogleich mit ihren Neuigkeiten fortfuhren. Jedoch nickten die drei sich zeitgleich zu und vereinbarten wortlos, dass sie ihre Besprechung im Anwesen mit den anderen fortsetzen wollten. „Es ist wirklich sowohl grotesk, als auch bewundernswert, wie es Clayton gelingen konnte, die Übeltäter, welche sich aufgrund Misshandlungen von Kindern schuldig gemacht hatten, von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Es existieren weder Gräber und Beweise zu den Morden, noch konnten William oder Sherlock Holmes nennenswerte Auffälligkeiten zu den verschiedenen Fällen feststellen, die eine aufwendigere Ermittlung wert gewesen wären. Es hatte beinahe den Anschein, als wäre Clayton mit jedem Mal ein perfektes Verbrechen gelungen. Haben wir uns denn wirklich von seinem Talent und taktischem Geschick blenden lassen?! Auch ich kann nicht leugnen, dass Clayton ein unumstritten intelligenter Mensch ist. Doch sein grenzenloser Rachetrieb, ist in meinen Augen ein Produkt der puren Dummheit. Aus anderer Sicht betrachtet zeigt es nur wieder, wie Gefühle den eigenen Verstand hintergehen können…“, äußerte Louis sich nachdenklich, als die gesamte Gruppe am späten Abend beisammen saß und Moran und Fred ihre Berichterstattung mit allen teilten. „Wie konnte mir das nur entgehen… Er wirkte stets, als wäre er im Theater und Waisenhaus so schwer beschäftigt gewesen, dass er keinerlei Zeit für ein derart umfangreiches Projekt gehabt hätte… Nun, ohne Zweifel war er es auch… Aber…das er ein solch hiesiges Unterfangen nebenbei geplant hat, wirkt auf mich beinahe etwas unmenschlich. Seid ihr euch wirklich sicher…? Nicht das ich euren Informationsquellen misstrauen würde, aber es könnte ja sein, dass korrupte Banden nun vollends ausnutzen, dass Clayton im Zentrum aller Schandtaten steht. Und Amelia, weiß sie Bescheid…? Sie hätte mir doch garantiert…obwohl…für Clayton…“ Miceyla verstummte abrupt, als sie in Freds verbittertes Gesicht blickte. „Tja, zu viel Sympathie für einen Menschen kann die Sinne blenden. Auf der Bühne mag er den perfekten, charismatischen Suppenkasper spielen, doch auf der Kehrseite ist er mehr Verbrecher als Gutmensch. Mir war er schon immer äußerst suspekt. Früher oder später hätte er ohnehin abgedankt, da stört es keinen, wenn wir vorher bereits etwas nachhelfen und seinen hinterhältigen Staatsstreich vereiteln. Allmählich kann ich mich nicht mehr im Zaun halten! Ich hab die Faxen mehr als dicke!“, brüllte Moran zornig seine Wut über Clayton in die Runde. „Sprich nicht so abfällig über ihn! Verbrechen bleiben Verbrechen, wir unterscheiden uns keinen Deut von Clayton! Hass schürt nur ein Feuer der Verdammnis, die endloses Leid mit sich bringt. Nicht weniger als du habe ich das Verlangen ihn aufzuhalten, aber ich vergesse dabei nicht den Menschen, der für unzählige Hilfsbedürftige der Retter in Not gewesen war!“, wandte Miceyla ergriffen ein und erhob sich unruhig von ihrem Platz. „Miceyla, beruhige dich bitte! Du weißt doch, dass Moran stets spricht ehe er denkt“, sprach Albert neben ihr ruhig auf sie ein und nahm sanft ihre Hand. Doch sie und Moran fixierten sich weiterhin intensiv mit ihren Blicken und waren kurz davor, ihr angeheiztes Wirtgefecht fortzuführen. Aber bevor dies geschah, ging William nun dazwischen und ergriff das Wort. „Wir alle tragen dieselbe Verantwortung. Es mag dir zuwider sein Moran, aber ich bezeichne Clayton als einen Freund. Und als ein Freund werde ich ihn davon abhalten, eine unumkehrbare Dummheit zu begehen. Auch wenn er es vor mir nie ausgesprochen hatte, ahnte ich von seinen Plänen. Mit den Missetätern, welche er am Leben ließ, verhandelte er, dass sie unter falschem Namen für ihn arbeiteten. Somit versammelte Clayton in den letzten Monaten einen Söldnertrupp um sich, der ihm dabei helfen könnte, die Mauer zwischen ihm und Harley zum Einsturz zu bringen, sprich beim Militär und der Regierung für Unruhe zu sorgen. Hier geht es längst nicht mehr um einen kleinlichen Racheakt. Wenn wir nicht rechtzeitig einschreiten, werden nicht nur unsere Fortschritte, sondern auch die bruchstückhafte Rückkehr der Hoffnung, in den Herzen der Menschen zunichte gemacht werden. Nicht alle Persönlichkeiten in der Regierung handeln eigennützig. Unter ihnen wandeln auch jene, die wahrhaftig etwas in unserem Land bewegen wollen und zwar zum Besseren. Doch wenn am siebzehnten Juli, dass Licht für etliche Köpfe der Regierungsspitze erlischt, wird der Geschichtsverlauf eine heikle Wendung nehmen…“ teilte William seine düsteren Vorahnungen mit seinen Freunden, welche augenblicklich allesamt schockiert dreinblickten. „Uff… Das hat gesessen… Aber es erschließt sich mir nun.. Wenn er all die wichtigen Persönlichkeiten wegpustet, löst er einen Tumult aus und bekommt endlich die Gelegenheit, sich Harley bei einem Duell vorknöpfen zu können. Falls beide nicht bereits vorher draufgehen…“, fand Moran als erster die Fassung zum Sprechen wieder und verschränkte grübelnd seine Arme ineinander. „Welch eine Ironie… Meine Abwesenheit am besagten Datum, wird nicht gerade bescheiden verdächtig wirken. Ha, ha, ha! Wenn dies keine brisante Wendung wird weiß ich auch nicht. Zeit das der wahre Meisterverbrecher wieder die Bühne betritt, oder wie lautet deine Meinung dazu, Bruderherz?“, sprach Albert lachend mit einem bittersüßen Unterton. „Wir mussten auf unserem Pfad, einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Doch ganz gleich wie tief wir auch gestürzt waren, wir haben uns stets mit neuer Kraft und verstärktem Mut erhoben. Uns war immer bewusst gewesen, für alle Eventualitäten gewappnet sein zu müssen und daher wird sicher keiner von uns davor zurückschrecken einzuschreiten. Doch dieses Mal nicht um ein Verbrechen zu verüben, sondern um eines zu verhindern. Ziel wird es sein am Tag der Konferenz, so viele Leben wie nur möglich vor einem möglichen Unglück zu bewahren“, verkündete William klar verständlich und jeder schenkte ihm ein zustimmendes Nicken. Doch hatten dabei ausnahmslos alle, mit unterschiedlichen Gefühlsregungen zu kämpfen. Besonders in Miceyla begann ein unruhiger Sturm zu toben und sie wartete ungeduldig darauf, dass die Gruppe sich auflöste und sie noch einmal mit William allein sprechen konnte. Zwar besaß sie tiefes Vertrauen, in den unerschütterlichen Zusammenhalt ihrer Gemeinschaft, doch fand sie es ratsam, sich tatkräftige Unterstützung mit ins Boot zu holen, wenn sie einen geplanten Angriff auf die Regierung verhindern wollten. Denn sollten sie tatsächlich nach dem Gesetz vorgehen, wäre es höchste Zeit sich mit den Hütern der Gesetze persönlich zu verbünden. Zumindest im übertragenden Sinne… Das gemeinsame Ziel lautete schließlich von Anbeginn Gerechtigkeit. Nachdem sich jeder für den restlichen Abend zurückgezogen hatte und etwas Zeit für sich und zum nachdenken ersuchte, schlug Miceyla die Richtung zu Williams Arbeitszimmer ein. „Darf ich reinkommen?“, fragte sie leise, nachdem sie gesittet an der Tür geklopft hatte, welche bereits einen Spalt weit geöffnet war. „Aber natürlich Liebling, komm nur herein. Setze dich, ich weiß das du Redebedarf hast, denn die Gegebenheiten verkomplizieren sich immer mehr. Doch bitte übernimm dich nicht. Sorgen verschwinden nicht einfach, aber ich bin hier, direkt neben dir. Darum teile deinen Kummer mit mir. Jenes Versprechen bedeutete uns mehr als alles andere. Jedenfalls für mich hat sich daran nichts geändert…“, sprach William liebevoll und legte ihre Hand in die seine, als sie dicht beieinander saßen. Miceyla spürte einen unangenehmen Stich im Herzen. Seine Worte klangen für sie danach, als wüsste er bereits, dass sie etwas vor ihm geheim hielt. `Ich denke dabei nur an das Wohlergehen unserer Tochter…`, erinnerte Miceyla sich beharrlich in Gedanken an ihren Endschluss, um ihre Schuldgefühlte ein wenig einzudämmen. „Für mich hat sich daran ebenfalls nichts geändert! In unserer Familie habe ich wahres Glück gefunden. Dieses unvergleichbare Glück möchte ich beschützen. Doch auch wenn es fürchterlich schmerzt ist mir bewusst, dass keiner von uns das kostbare Glück auf ewig bewahren kann. Es gab eine Zeit, da habe ich sowohl die Vergangenheit, als auch die Gegenwart mehr gefürchtet als die Zukunft, da ich im Irrglauben war, ich verdiene keine. Nun fürchte ich um die Zukunft, da ich das Leben zu lieben gelernt habe. Die Welt ist nicht grausam, sie ist in ihrer Einzigartigkeit wunderschön. Was wirklich grausam ist, sind Menschen, die entsetzliche Taten vollbringen. Doch solange die Mehrheit ihren Sinn für Gerechtigkeit beibehält, glaube ich an einen Zusammenhalt in der Gesellschaft, der stetig wachsen wird. Darum… Du bist ein Vorbild in Sachen fortschrittlichem Handeln. Wäre es deshalb nicht angebracht, mit Sherlock zusammenzuarbeiten, um Clayton aufzuhalten? Wir werden zwischen die Fronten von Militär und der Regierung geraden. Wir haben bereits das Unmögliche möglich gemacht, aber dadurch sind wir noch lange nicht allmächtig geworden. Es wäre natürlich immer noch keine absolute Garantie für den Erfolg. Aber ich denke, dass ihr beiden dafür bestimmt seid, Hand in Hand zu arbeiten. Schon bei unserem ersten Treffen mit euch auf dem Marktplatz dachte ich mir, welche Wunder würden diese beiden brillanten Menschen wohl im Zusammenspiel vollbringen?... Gib vor mir doch wenigstens zu, dass du im Geheimen dieselben Vorstellungen hast. An mir soll es nicht liegen. Und nein, Sherlock habe ich nicht zu erst darauf angesprochen. Du stehst für mich immer an erster Stelle. Wir alle haben Fehler begangen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Vergebe dir selbst, Will mein Liebster“, schenkte Miceyla ihm Worte voller Hingabe und lehnte sich sachte gegen seine Schulter. Nach ihren Worten, in welchen viel wahrheitsgemäße Vernunft lag, zeigte er kurz ein trübes Lächeln, ehe er ihr seine Antwort gab. „Hm… Deine Bitte überrascht mich jetzt natürlich in keiner Weise. Sie klingt vernünftig und aufrichtig. Stärke bedeutet nicht nur loszulassen, sondern auch weiterzuleben. Doch sage mir, meine liebste Miceyla… Wenn für dich der Wunsch nach einer glücklichen Zukunft derart stark ausgeprägt ist, weshalb trennst du dich dann von deinem größten Glück, einem Teil von dir selbst?! Deine Worte und Taten wiedersprechen sich. Und ich muss mitansehen, wie du dein Herz in zwei reißt. Kannst du dir überhaupt vorstellen, was dies für ein Gefühl in mir auslöst? Es ist mindestens ebenso unerträglich wie dein eigenes. Und nun ergreifst du verzweifelt jede Möglichkeit und triffst Vorkehrungen, dass Evelyn nicht ein weiteres Mal ihren Vater verliert und ihr Leben in einer `glücklichen Familie` bewahrt wird. Wenn es dir nur darum geht Mycroft zu schützen, werde ich nicht mit Sherlock gemeinsame Sache machen. Evelyn hat bereits einen Vater, für den sie das größte Glück auf Erden bedeutet… Und dennoch besitze ich nicht das Recht, dich von deiner Entscheidung abzuhalten. Denn ich bin mir schmerzlich bewusst, was dich zu jener herzzerreißenden Handlung getrieben hat. Sie entspringt weder der Verzweiflung, noch ist sie unüberlegt, sondern ist schlicht und ergreifend vernünftig. Holmes… Welch eine Ironie, eine Familie mit einer ebenso düsteren Vergangenheit wie die unsere, nur ist sie vor der Öffentlichkeit verborgen geblieben. In der Tat wäre auch aus meiner Sicht, keine andere Familie für eine Adoption in Frage gekommen. Also weswegen unnötig lange diskutieren, wenn man denselben Gedankengang hat, nicht wahr mein Liebling…?“ Miceyla meinte ihr Herz sei zum Stillstand gekommen, als sie von seinen rubinroten Augen vereinnahmt wurde und sie statt eine beschützende Flamme, eine eisige Kälte ummantelte. „N-noch ist nichts geschehen! Evelyn ist und bleibt unsere Tochter, nichts wird daran je etwas ändern können! Mycroft gab mir eine Bedenkzeit von vier Monaten. Vergib mir, ohne dein Einverständnis traf ich eine solch folgenschwere Entscheidung. Aber es ist wie du sagst, wir kennen einander so gut, sodass wir blind auf die Verlässlichkeit von Entschlüssen des jeweils anderen vertrauen können. Wir sind auf einer Wellenlänge und egal wohin wir uns auch verirren mögen, der unfehlbare Pfad der Verbundenheit wird uns immer wieder zueinander führen. Ich spreche von Vergebung, wie anmaßend. Vielleicht sollte ich zu allererst einmal mir selbst vergeben. Oh Will, es liegen schwere Zeiten vor uns… Ich mag nicht weiter vorangedrängt werden, aber regungslos auf der Stelle zu verharren, macht auch niemanden glücklicher… Lasse mich nur niemals los, dies ist mein einziger Wunsch, in dem noch Hoffnung innewohnt. Solange ich bei dir bin, fühlen sich all die Übel der Welt plötzlich weit entfernt an. Wir geben nicht auf, unter keinen Umständen…“, versuchte Miceyla ein wenig verkrampft bestärkende Worte zu finden und wurde von William trötend in die Arme genommen. Seine ausgeprägte Gutmütigkeit trieb ihr Tränen in die Augen. Was sie auch tat, er war noch nie erzürnt auf sie gewesen. Dafür war ihre Liebe zueinander zu stark. `Nun muss ich wohl noch ein weiteres Mal um Vergebung bitten… Denn ich werde mich an den letzten Hoffnungsfunken klammern und Sherlock um Hilfe bitten…` „Der blutgetränkte Sumpf zu meinen Füßen, hat bereits all meine Tränen verschlungen, mir meine Träume geraubt und mir zu guter Letzt, die Liebe meines Lebens genommen…“ In der gesamten Theaterhalle herrschte Totenstille. Ausnahmslos alle Personen des Publikums standen im Bann des Zaubers, eines ganz besonderen Bühnenstücks. Jeder einzelne Platz war belegt. Es war viel mehr als nur ein simples Schauspiel. Viel eher handelte es sich dabei um eine Erzählung, welche auf wahren Tatsachen beruhte. Eine Geschichte, die alle Zuschauer dazu lockte, die Reise ihres Abenteuers selbst in der eigenen Fantasie zu durchleben. Der Bann jenen Zaubers war derart mächtig, dass er verdrängte Gefühle eines jeden wachrufen zu vermochte. Die Darsteller verkörperten ihre Rollen perfekt und für einen kurzen Moment, schien die Zeit gefangen zwischen Anfang und Ende und ließ die Furcht vor einem nahenden Schluss der Geschichte in den Herzen wachsen. Miceyla hatte sich längst daran gewöhnt, die unzähligen Blicke, welche auf sie gerichtet waren, auszublenden. Denn gerade stand sie nicht bloß auf einer Bühne, sondern in einem Abschnitt ihres eigenen Lebens. Eigentlich empfand sie das Stück als nahezu perfekt. Die Kulisse, die Kostüme und gesprochenen Texte harmonierten im Einklang miteinander. Und auch die Rollenverteilung entsprach beinahe Claytons peniblen Vorstellungen. Oder besser gesagt hatte er eigenständig dafür gesorgt, dass seiner Zufriedenheit Genugtuung verschafft wurde… `Ich hätte gerne, dass die wahren Hauptdarsteller ihre dazugehörige Rolle verkörpern. Authentischer kann es kaum aufgeführt werden. Du hast doch sicher nichts dagegen, meiner Bitte Folge zu leisten, oder William mein Freund?`, hatte Clayton ihn mit einer glühenden Besessenheit gefragt, oder mehr oder minder von ihm gefordert… William stimmte zwar unverblümt zu und war auch noch bei der Generalprobe dabei gewesen. Doch ein unglücklicher Zwischenfall zwang ihn dazu, kurzfristig nach Durham zu reisen. Es gab einen kuriosen Mordfall unter seinen Studenten, zu dem er persönliche Ermittlungen anstellen wollte. Doch in der angespannten Lage verriet dies allen Beteiligten, dass es sich dabei um keinen schlichten Zufall handelte… Somit hatte Clayton kurzfristig entschieden, Williams Rolle selbst zu übernehmen, was für ihn und seine Wandelbarkeit keinerlei Probleme darstellte. Natürlich deprimierte es Miceyla etwas, dass William bei der Premiere nicht die für ihn bestimmte Rolle übernehmen konnte. Dennoch wollte sie gemeinsam mit den anderen Darstellern hundert Prozent geben, damit `Verbrechen zwischen gut und Böse` ein Erfolg wurde. Harley höchstpersönlich sah sich schließlich das Stück an. `John, Mary und Emily hatten ebenfalls versprochen heute hier zu sein. Von Sherlock kam zwar keine eindeutige Reaktion…aber ich kann mir gut vorstellen, dass er wie immer von einem unscheinbaren Platz aus zusieht….`, dachte Miceyla insgeheim und warf flüchtig einen Blick in die dunkle Zuschauermenge. „Deine Sünden sollen dir niemals vergeben werden. Dies ist dein Schicksal. Ich werde dein ewiger Begleiter sein, auf den finsteren Pfaden der Dunkelheit. Glaube mir, niemals weiche ich von deiner Seite. Es gibt kein Entrinnen…“, Miceyla zuckte bei Claytons energischer Stimme zusammen und hätte beinahe ihren Einsatz verpasst. Jedoch blieb sie weiterhin stumm und starrte ihn verwirrt an. `Das gehörte aber gerade überhaupt nicht zu deinem Text. `Wir halten uns streng an das Drehbuch`, so lautete deine beharrliche Anweisung…`, dachte sie dabei und trotzdem huschte ein flüchtiges Lächeln über ihre Lippen. `Na schön… Es wagt sicher keiner zu behaupten, wir wären keine Meister der Improvisation.` Laut Handlung hätte Clayton Williams Rolle übernehmen müssen und sie nun aus ihrer misslichen Lage retten müssen. Wenn er jetzt nicht ihr Retter war, wer käme ihr an seiner statt zu Hilfe…? `Das hier ist gerade wesentlich bedeutungsvoller, als ein einfaches Schauspiel…` Miceyla wurde kreidebleich, als sie von Claytons eindringlichen Blick vereinnahmt wurde, welcher etliche negative Emotionen in ihr wachrief und sie an ihre vergangene Hilflosigkeit erinnerte. `Na mein Vöglein, wer wird denn nun deine kläglichen Hilfeschreie hören? Wer kommt dich retten? Und wer befreit dich aus deinem Käfig, von deinen Fesseln? Wer…würde für dich sterben?!` Auch wenn er schwieg, halten genau jene Worte in ihrem Kopf wider. `Niemand wird mein Retter sein… In der Stunde der Finsternis, ist jeder auf sich allein gestellt…` „Lass mich dein Schwert sein, welches dich vor lauernden Gefahren beschützt. Lass mich dein führendes Licht sein, dass dir den Ausweg aus jedem noch so dunklen Gang erleuchtet. Lass mich zu einem Teil von dir werden, sodass uns nichts und niemand mehr trennen kann. Erlaube mir alles mit dir zu teilen. Mein Herz soll dir gehören…“ Miceyla erstarrte auf der Stelle, als bei der ihr vertrauten Stimme eine pulsierende Gefühlswelle durch ihren Körper schoss. Nun brauchte sie sich keiner Schauspielkunst mehr zu bedienen, denn ihre nach außen strömenden Emotionen waren mehr als echt. `Ich glaube es nicht…Sherlock… Clay, womit hast du ihn bloß bestochen, damit er bei diesem Stück mitmacht? Als wäre der Grund…` Ihre Gedanken begannen sich zu überschlagen und sie musste darauf achten, nicht allzu verwirrt dreinzublicken. Schließlich sollte sie Erleichterung verspüren, dass der Befreier ihres Leids nun erschienen war. Sherlock trug einen dunkelblau-weißen Anzug und hohe schwarze Stiefel. Seine dunklen Haare waren ordentlich gekämmt und sein gesamtes Erscheinungsbild glich dem eines Prinzen. Was auch noch mal von seinem aufgesetzt, gesitteten Verhalten unterstrichen wurde. Von William war sie ein solch würdevolles Auftreten gewohnt. Doch bei Sherlock löste dies eine unkontrollierte Unbeholfenheit aus, bei der sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Ehe sie wusste wie ihr geschah, stürmte Clayton mit einem Degen auf Sherlock zu, welcher gerade erst die Bühne betreten hatte. Dieser zog seinen eigenen Degen und parierte gekonnt den frontalen Angriff. `Meine Güte, dies ist nur ein Bühnenstück, müsst ihr denn wirklich mit echten Waffen kämpfen… Ich glaube wir alle haben uns alle zu sehr in das Ganze hineingesteigert und nehmen das viel zu ernst…`, dachte Miceyla voller Anspannung und erkannte sofort den ungekünstelten Argwohn, gegenüber Clayton in Sherlocks Gesichtsausdruck. Glücklicherweise ließen die Gegebenheiten nicht zu, dass es zu einem richtigen Kampf zwischen den beiden kommen konnte. Jedoch musste Miceyla sich eingestehen, dass es sie neugierig machte, wie Sherlock sich in einem Fechtduell mit ihm schlug. Aber sie vermutete, dass er wie William mit Clayton auf Augenhöhe kämpfen konnte. Sie schaffte es nicht ihren Blick von den beiden Kontrahenten abzuwenden und hoffte etwas beklommen, dass es dennoch zu keiner Eskalation käme. Schließlich wurde gerade jede kleinste Bewegung, jeder Atemzug von ihnen genaustens beobachtet. Eine dezente Abweichung war nichtsdestotrotz nicht allzu dramatisch, da über die Handlung des Drehbuchs niemand wirklich Bescheid wusste. Clayton gab sich gespielt geschlagen und ließ Sherlock passieren. Auf geradem Wege schritt er auf Miceyla zu und fokussierte sich nur noch auf sie. Als er kurz darauf fest, dennoch liebevoll ihre Hände packte, glaubte sie gebannt, er wolle sie um jeden Preis von ihrem grausamen Umfeld abschirmen, sie von ihren schmerzenden Fesseln befreien und sie in die Freiheit führen. Es fühlte sich für sie viel zu realistisch an, als dass sie bloß von einer authentischen Szene hätte sprechen können. Seine dunkelblauen Augen blickten sie beschützend an und bei ihrem innigen Augenkontakt, vergaß sie beinahe das gleichmäßige Atmen. „Nun mag ich dich gerettet und bewahrt haben vor allem Übel. Kein Leid soll dir je noch einmal widerfahren. Jedoch…werden wir beide gleichermaßen von jetzt an gerettet werden müssen. Kein Glück währt ewiglich. Möge das Gestern weiter fortleben und lass uns all die kostbaren Erinnerungen daran niemals vergessen. Zeit, dass wir der Welt unsere Geschichte erzählen. Bist du dafür bereit, gemeinsam mit mir? Eine Geschichte, die mit dem unzerstörbarem Band der Liebe, Freundschaft und Gerechtigkeit verziert ist. Eine makellos schöne Erzählung verdient Anerkennung und Bewunderung… Doch nur die Bewunderung, welche wir uns entgegenbringen, wird für die gesamte Welt auf ewig unerreichbar bleiben…“, sprach Sherlock sanft und betonend, allerdings befand sich eine nicht zu überhörende, fordernde Ungeduld in seinem Unterton. Für Miceyla war es keine Überraschung, dass er Williams Rolle tadellos spielen konnte. Jedoch erkannte sie sofort, dass er gerade über seinen eigenen Schatten sprang und die eigenen Gefühle ungekünstelt zum Vorschein brachte. `Du bist weder der Meisterverbrecher, noch irgendein anderer Bösewicht, Sherly… Für William und mich bist du der einzig wahre Held, in unserem verzwickten Spiel zwischen Gut und Böse. Und du wirst aus unserer Geschichte eine unsterbliche Legende machen, auf das der Name Moriarty niemals in Vergessenheit gerät… Ach Sherly, es schmerzt so fürchterlich… Ich flehte darum gerettet zu werden, doch wenn du dir dies wahrhaftig wünschst, so musst du mir wohl mein Herz gewaltsam entreißen. Vorher wird es dir nicht gehören. Denn ich schenkte mein Herz William und dieses befindet sich in seinem festen Besitz. Und das beruht auf Gegenseitigkeit, ich besitze ebenso das seine und hüte es wie meinen wertvollsten Schatz…`, dachte sie entschlossen und versagte kläglich beim Versuch, den Bann seiner verlockenden Hypnose zu durchbrechen. „So soll es sein. Wir brauchen keine Geheimnisse vor der Welt zu haben. Erzählen wir der Welt unsere Geschichte. Teilen wir all die Träume und Überzeugungen, auf das die Reise für jeden ein unvergessliches Abenteuer wird…“, verkündete Miceyla zustimmend und eine Mut schöpfende Energie durchströmte ihren Körper, welche ihr die Furcht nahm, sich der bitteren Wahrheit zu stellen. `Unvergesslich… Oh ja, das wird dieser Abend auf alle Fälle werden…`, dachte Harley genüsslich und beobachtete das Schauspiel weiter von seinem Ehrenplatz aus, als wäre das Stück nur für seine Unterhaltung geschrieben worden. Verbrechen zwischen Gut und Böse Als ich dich das erste Mal sah, da war es mir schon sofort klar. Dort in unserer eigenen Welt, in der du sein wirst ein Held. Ich folgte dir wie einem Stern, in meinen Träumen, ach das hätt ich gern. So neugierig war ich in deinem Land, gefällt dir mein neues Gewand? Mit einem Lächeln kamst du mich begrüßen, nun lag mir alles hier zu Füßen. Alsbald jedoch die Melodie verklang, da war es zu Ende mit dem lieblichen Gesang. Siehst du mich in meinem scharlachroten Kleid? Ach was bin ich es alles leid. Die Herrschaft wolltest du begehren und keiner wagt mehr mit dir zu verkehren. Deine Maske trugst du perfekt, doch deine Seele war dabei befleckt. An die Wahrheit habe ich nicht mehr geglaubt. Was hast du mir bloß alles geraubt? Alleine laufe ich durch die stille Nacht und habe dabei dennoch nur an dich gedacht. Was wird am Ende auf mich warten? Ich will es lieber gar nicht erst erraten. Wie sehr ersehne ich mir einen neuen Morgen, ganz ohne unsere erdrückenden Sorgen. Ja es war dein schrecklichstes Verbrechen, das du dich wolltest an all den guten Herzen rächen. Nie habe ich mich darüber beklagt und doch hat mein reiner Wille versagt. So viele sah ich in ihrer Not, mich umgab bloß der grausame Tod. Deine scharfen Worte durchdrangen mich wie ein Messer, du wusstest es ja immer besser. Du machtest mich zu deinem Diamanten und reinigtest meine ganzen Ecken und Kanten. Mich beschützen wolltest du wie ein edler Ritter, doch saß ich auf ewig hinter Gitter. Oh bitte gib mir nur noch einen Augenblick und ich werde ergreifen die letzte Möglichkeit mit Geschick. Meine Liebe galt nur dir allein, wieso war die Welt bloß so gemein? In unseren eigenen Geschichten, wird das Schicksal über uns richten. Das ganze Übel setzten wir weiter fort und es brachte uns zu jenem Ort. Deinem Schauplatz der Gleichsetzung, du zogst sogleich los mit recht viel Schwung. Unauffällig wie ein Schatten folgte ich dir dorthin, du wirst sehen, dort wartet auf dich kein Gewinn. Ist es denn deine Absicht alles zu verlieren? Dein Herz wird kalt und du wirst frieren. Unsere Schwerter waren die bösen Klingen, doch glaube mir, die Gerechtigkeit hat nur gute Schwingen. Schnell wirst du merken wie die Loyalität dich wird verlassen, bleibst du denn wirklich noch bis zum Schluss gelassen? Wo bin ich da nur hineingeraten? Keiner wird es mir wohl je verraten. Dein Abschied tat so furchtbar weh, dieses warmherzige Lächeln ist alles was ich vor mir seh. Lass mich unsere Qualen beenden, oder wird dich die Vergangenheit bis in die Zukunft blenden? Wolltest du dich selbst aufgeben und nicht an meiner Seite leben? Wie sehr verspotte ich das verlogene Gelächter und zu sehen, wie du vorgibst zu sein ein ehrenhafter Wächter. Dein Ruhm wird mit dir fallen, von all den schützenden Geländern und sieh dabei zu, wie unsere Juwelen rosten an den Rändern. Wir waren dazu bestimmt uns zu lieben, auch wenn Verbrechen nie vergeben und Freud und Hoffnung bei uns blieben. Sowie der erste morgendliche Strahl der Sonne, uns nicht wird verfehlen, du wirst erneut mein Herz mir stehlen. Wie in einem Spiel bestiegst du deinen eigenen Thron, die Blicke verfolgten dich dabei mit Spott und Hohn. In deinem erzwungenen Königreich, in dem du wolltest das alle wären gleich. Obgleich deine Erscheinung immer war so würdevoll und milde, ich kannte die verborgene Bedeutung und war darüber stets im Bilde. Ich bemühte mich der süßen Versuchung zu widersetzen, jedoch endete mein Gemüt, ebenso wie meine Kleider in unzähligen Fetzen. Du warst so zielstrebig wie ein loderndes Feuer und konntest dabei so gnadenlos sein wie ein wildes Ungeheuer. Wie verzaubert war ich von deiner verborgenen Kraft, glaubst du es gäbe jemand, der wie du dies hätte geschafft? Würde ich ein Gemälde malen in deinem Namen, so wäre es bloß voller roter Farben. Bitte sieh den fernen Horizont mal ganz genau an und sage mir, wo werden wir wieder zueinander finden und vor allem wann? Stets hörte ich dich kommen zu später Stunde, da saßen wir alle beisammen in froher Runde. Der Zusammenhalt machte unsere Gemeinschaft stark, sodass keiner jemals unter der Verachtung begraben lag. Zugegeben, ich habe mich sehr verwandelt, es ist eine neue Einsicht die bei mir landet. Die Fehler wurden bereits beglichen und bereit, sich mit der Wiedergutmachung zu vermischen. Dich durchzusetzen fiel dir so unglaublich leicht, im Verborgenen an deiner Seite zu sein, hat mir dennoch nie gereicht. Keinesfalls warst du beunruhigt von all dem Wahnsinn und blicktest stets voraus mit ganz viel Klarsinn. Dein Einfallsreichtum schenkte mir eine unbeschreibliche Erkenntnis, für meine Besorgnis, gabst du mir dein vollstes Verständnis. Zusammen warten wir auf unseren hart erkämpften Frieden und das uns endlich alle Bösewichte mieden. Ich bin mir im Klaren darüber, das ich dir kann keinen Einhalt gewähren für dein Vorhaben, trotz der unermesslich erbrachten Opfergaben. Die zwei Gegner werden aneinanderprallen, es wird ein heftiges Gemetzel, ich höre es schon knallen. Von jenen Ereignissen werde ich sein ein Zeuge, um mir jedes Detail dabei einzuprägen, obwohl ich mich so sehr dagegen sträube. Wo ist die Zeit hin, ich drehe sie zurück. Wir waren unersetzbare Darsteller in unserem Stück. Hätt ich über unsere ganzen Erlebnisse geschrieben, die Leser würden mich durchlöchern mit ihren Hieben. Selbst mein größter Widersacher kann mir nicht mein Herzklopfen stehlen, an Liebe wird es uns schließlich niemals fehlen. Die berauschende Musik wird mich vollends betören, an unbedeutenden Dingen, werde ich mich nicht mehr dran stören. Was brauchen wir schon, wenn wir uns beide haben und die Anerkennung die uns alle gaben. Mein Glück zu sein scheint, dass ich endlich gehöre hier dazu und dieses erdrückende Gefühl in mir, kommt nun zu abrupter Ruh. All die neidvollen Gesichter verfolgen uns, während wir stolz schreiten dahin, dies nenn ich einen gerechten Anbeginn. Dein Vorgehen war wahrlich weise und klug, mit ein klein wenig verborgenem Betrug. Im Geheimen starteten wir unseren unvorhersehbaren Versuch, ich könnte darüber schreiben, ein langes Buch. Unaufhaltsam ranntest du um mich zu retten und befreitest mich von den schmerzenden Ketten. Meine innigsten Wünsche ich nun in deine schützenden Hände lege, mitsamt meinen unveränderten Gefühlen, die ich für dich hege. Ich hoffe die Erinnerungen geraten nicht in Vergessenheit und werden nicht verdorben, von deiner Besessenheit. Öfters wiederholte ich meine unheilvolle Warnung, die Idylle sei nur eine zwielichtige Tarnung. „Es begann alles mit einem simplen Verbrechen und schließlich endet es…“ „Keine Geschichte endet, ehe der Hauptdarsteller nicht die Bühne betreten hat!“ Claytons dramatischer Abspann wurde jäh unterbrochen, als ein außerplanmäßiger Darsteller aus dem Nichts in die End-Szene platzte und sich stürmisch zwischen Miceyla und Sherlock drängte. Auf letzteren richtete er mit eiserner Miene einen spitzen Degen und zog Miceyla dabei fest an sich. Durch die Zuschauermenge ging ein schockiertes Raunen, doch waren alle im Irrglauben, der Auftritt einer weiteren Figur sei Teil des Stücks. Die Darsteller auf der Bühne unterlagen für einen kurzen Moment der Verwirrtheit, während Sherlock unbeeindruckt dreinblickte. Doch innerlich schien er sich dennoch gegen die aufgezwungene Kapitulation zu wehren. „William…“, hauchte Miceyla perplex den Namen ihres wahren Retters und entdeckte besorgt frische Blutflecken auf seinem rechten Arm. Er trug eine ähnliche Maske, wie Clayton sie des Öfteren anhatte, die er ihm jedoch kurzerhand vor die Füße warf. „Im Gegensatz zu dir, brauche ich mich nicht hinter einer Maske zu verstecken. Die Welt darf ruhig das Gesicht des `wahren Meisterverbrechers` erblicken… Und nun zu meinem einzig ebenbürtigen Rivalen. Der Tag wird kommen, an dem sich unsere beiden Klingen kreuzen werden. Selbst wenn du gewinnen solltest, eines wirst du mir niemals rauben können, nämlich das Herz meiner geliebten Miceyla!“, rief William beharrlich an Sherlock gewandt, ehe er ihr mit sanftem Lächeln in die Augen blickte. „Meine Liebste, es ist Zeit für den finalen Akt. Beginne, sprich jene Zeilen, die ausschließlich für uns beide bestimmt sind, meine geliebte Winterrose…“ „…Ich werde das Licht sein, das dich überall hin wird führen, bis du es tief unter der Haut kannst spüren. Ich werde dein Halt sein, damit du sicher kannst stehen, dies ist wahre Liebe, du wirst schon sehen…. Vertreiben wir all das Böse und verhelfen der Welt zu rechter Größe.“ Nachdem sie die letzten Zeilen gemeinsam aussprachen, küssten sie sich hingebungsvoll auf die Lippen, um das Ende des Bühnenstücks zu besiegeln. `Natürlich, was bin ich doch blind gewesen… Liam hat dir keine Fesseln angelegt, Mia. Nein, er schenkte dir Flügel. Und jene Flügel sind derart ästhetisch, dass es selbst mir die Sprache verschlägt. Niemand kann dich höher fliegen lassen als er. Du hast meinen vollen Wohlwollen, denn du verdienst das größte Glück auf Erden. Trotzdem schmerzt es fürchterlich. Hach, ich bin wahrhaftig unverbesserlich..`, dachte Sherlock etwas im Abseits stehend melancholisch und blickte mit sachter Bewunderung den wahren Hauptdarsteller an, der mit seinem majestätischen Auftreten, dem erschrockenem Publikum vollends den Atem geraubt hatte. Ehe die Zuschauermenge wieder aus ihrer Trance erwachte und dem Meisterstück seinen wohlverdienten Applaus schenken konnte, löste sich über der Bühne an der Decke ein Holzbalken auf unerklärliche Weise und drohte unmittelbar über Clayton hinab zu stürzen. „Clay!“, rief Amelia warnend seitlich der Bühne. Doch Clayton hatte bereits von der drohenden Gefahr Kenntnis genommen und sprang einen kräftigen Satz zur Seite. Einen Wimpernschlag später krachte das gelockerte Stück der Decke, zusammen mit einer Person auf den Bühnenboden. „Moran! Um Himmels willen!“, schrie Miceyla entsetzt und starrte verängstigt eine frische Wunde auf seinem Kopf an, von der ihm Blut quer über die Stirn lief. „V-verzeih mir Will… Wir haben ihn erneut unterschätzt… Aber jetzt bist du ja hier… Beendet es… Clayton du Kasper, dein Auftritt ist endlich gekommen… Vermassele es nur nicht…“ Nach diesen heiseren Worten verstummte Moran und schloss entkräftet die Augen. Miceyla wollte sich an dessen Seite stürzen und seine Verfassung auskundschaften, doch William hielt sie energisch davon ab. Kurz darauf gab es eine ohrenbetäubende Explosion. Nebliger Dunst umgab sie und voller Entsetzen erkannte sie, dass von jedem der Kronleuchter, Feuerfunken hinabregneten und sich in der gesamten Theaterhalle unterhalb ansammelten. Sogleich brach in der Zuschauertribüne Panik aus, als die zu Beginn noch harmlos wirkende Funken, sich plötzlich zu glühenden Feuern entwickelten und den Menschen bedrohlich nah kamen. Aus dem Loch der Bühnendecke kam Harley mit einem eleganten Sprung hinuntergesprungen und richtete seinen triumphierenden Blick auf Clayton. „Voila! Wie gefällt dir mein Meisterwerk? Ist es nicht wahrhaftig `unvergesslich`? Ein gebührendes Ende für einen erfolgreichen Künstler. Die Bühne soll brennen. Es gäbe nun mal keinen Nachfolger der deiner würdig wäre…“ „Du…du hast die Stromleitungen explodieren lassen…! Harley du Monster! Willst du dich den Mörder von hunderten unschuldigen Menschen nennen?! Dieser Kampf geht nur dich und mich etwas an. Ich habe es geahnt… Als hättest du bis übermorgen gewartet… So soll es dann sein… Beenden wir es heute Nacht…“, entgegnete Clayton und zog entschlossener denn je seinen Degen. Erstaunlicher Weise gelang es ihm seinen Zorn im Zaun zu halten und vor dem heiklen Gefecht besonnen zu bleiben. `Soll das etwa bedeuten, dass sich hier an Ort und Stelle alles entscheidet?! Der Degen von Claytons Vater, hat mir schon ein mulmiges Gefühl eingeblöst… So richtig darauf vorbereitet hat sich keiner von uns… Aber für uns ist es beinahe schon verpflichtend, zu jeder Zeit in Bereitschaft zu sein… Bitte, wenn es Wunder wirklich gibt, muss heute eines geschehen, sonst wird dieses Theater zu unserer Grabstätte werden…`, dachte Miceyla verängstigt und wusste überhaupt nicht mehr, wo sie bei all dem Chaos hinblicken sollte. Sie entdeckte wie Sherlock gemeinsam mit John, Mary und Emily die verzweifelten Zuschauer, zwischen den sich stetig vermehrenden Flammen, zum Ausgang dirigierte. Amelia stand zitternd am Rande der Bühne und hätte Clayton am liebsten bei der Hand gepackt, um mit ihm hinaus zu flüchten. Miceyla teilte sich die unbändige Furcht vor Feuer mit ihr. Doch in jenem Augenblick wusste sie, dass Amelias größte Angst nun dem drohenden Duell zwischen ihrer unerreichbaren Liebe und Harley galt. „Amelia! Wir müssen von hier weg, es ist zu gefährlich! Nicht mehr lange dauert es, dann werden auch noch die letzten Leitungen explodieren!“, rief Fred hektisch und versuchte sie vergeblich von einer rettenden Flucht zu überzeugen. „Nein, lass mich los! Ohne Clayton gehe ich nirgendwo hin! Wir müssen dieses Scheusal zusammen vernichten! Wie konnte Harley nur so hinterlistig sein?! Dabei besaß er einmal ein Herz. Doch dieses hat er gemeinsam mit seiner Geliebten längst verloren… Clay hat genug gelitten, weshalb ist alles bloß so furchtbar ungerecht?! Clay…“, klagte Amelia verzweifelt und Tränen der puren Hoffnungslosigkeit rollten über ihre Wangen. Fred verstand, dass er sie nicht zwingen konnte, Clayton zurückzulassen und versuchte sich angestrengt eine alternative Lösung auszudenken. Unterdessen kam Albert auf die Bühne geeilt und wollte den bewusstlosen Moran aus dem brennenden Theater schaffen. „Gehe mit Albert, meine Liebe. Ich komme nach, versprochen“, bedeutete William Miceyla sich ihm anzuschließen. Doch sie empörte es eher, anstatt das sie Anstalten machte, seiner Anweisung Folge zu leisten. „Ich denke gar nicht daran, dich in dieser Hölle allein zu lassen! Ich fürchte weder Tod noch Feuer, solange ich an deiner Seite bin. Du hast mich gelehrt stark zu sein, so stark, dass ich nicht einmal deine Unterstützung mehr benötige… Aber du hast selbst längst erkannt, dass dies falsch ist! Wir brauchen einander und überstehen gemeinsam jedes Leid“, entgegnete Miceyla und ihr starker Wille baute sich für sie innerlich Mut auf, der kaum mehr zu übertreffen war. „Da schließe ich mich Miceyla an, Bruderherz! Ich hatte gehofft, dass du aufgehört hättest, dir alles Leid im Alleingang aufzubürden. Aber scheinbar müssen wir dich noch ein weiteres Mal daran erinnern, wie die Bedeutung einer loyalen Gemeinschaft lautet. Ich habe immer zu dir aufgeblickt und wollte dir zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dies war von Anfang an so gewesen und daran wird sich auch bis zum Schluss nichts ändern“, schloss Louis sich ihr beharrlich an und stellte sich dicht neben Miceyla. Beide nickten sich zustimmend zu und schenkten William anschließend ein gütiges Lächeln. Dieser blickte die zwei für einen kurzen Moment sprachlos an und rang dabei mit beißenden Schuldgefühlen, die er mit Verlegenheit zu überspielen versuchte. „Miceyla, Louis… Ich danke euch…“ Clayton und Harley waren bereits wie wild gewordene Berserker, mit ihren Degen aufeinander losgegangen und blendeten das Feuer und alle um sie befindlichen Menschen vollkommen aus. „Passt auf euch auf… Ich möchte euch drei nachher in einem Stück wiedersehen…“, sprach Albert etwas verzagt zum Abschied und bahnte sich widerwillig mit Moran einen Pfad hinaus durch die Flammen. Er brachte es kaum über sich, seine Familie in der brenzligen Situation zurückzulassen. Aber sich um seinen außer Gefecht gesetzten Kameraden zu kümmern, gehörte ebenfalls zu seinen Pflichten. Die Hitze wurde allmählich unerträglich und der mangelnde Sauerstoff löste eine instinktive Panik in jedem aus, die nur schwer zu unterdrücken war. Die meisten Zuschauer hatten es wenigstens zum Glück heil hinaus geschafft. Miceyla zuckte verschreckt zusammen, als einer der pompösen Kronleuchter von der Decke auf die Tribüne krachte und in unzählige Scherben zerbrach. „William! Die Stromleitungen! Wir müssen verhindern, dass dieses Theater in einem Stück in die Luft gejagt wird! Wenigstens können wir auf diese Weise etwas Zeit schinden, um einen Fluchtweg zu finden! Du bist hier der einzige, welcher sich abgesehen von Clayton damit auskennt! Ich kann dich hinführen!“, drängte Fred William panisch dazu, ihm bei der einzig existierenden, rettenden Lösung behilflich zu sein. William wusste, dass Fred die klügste Herangehensweise wählen wollte. Doch dies bedeutete, dass er abermals in der kritischen Situation, von seiner Familie und seinen Freunden getrennt sein würde. Hin und hergerissen blickte er erst zu Miceyla und Louis, dann zu dem kämpfenden Clayton. Plötzlich kam Sherlock mit keuchendem Atem zurück auf die Bühne gestürzt und das keine Minute zu früh. Mit einem entlastenden Gefühl der Erleichterung lief Miceyla eilig auf ihn zu. „William ist nicht der einzige!... Sherly, bitte suche gemeinsam mit Fred die verbliebenen Stromleitungen auf, um eine alles vernichtende Explosion zu verhindern! Die Zeit drängt! Ich…wir alle zählen auf dich! Rette uns…“, flehte Miceyla überschwänglich, wobei ihre letzten Worte in einem Flüsterton untergingen. Doch für Sherlock waren sie ganz deutlich hörbar. „Das hatte ich doch von Anfang an vorgehabt, Mia. Ich lasse nicht mehr zu, dass sich etwas oder irgendjemand zwischen uns drängt. Weder Glasscheibe noch lodernde Flammen, können mich davon abhalten zu dir zu eilen…“, sprach Sherlock sanft und beide erinnerten sich sogleich an den tragischen Abschied im Zug, als sie London verlassen hatte. Fred kam nun ebenfalls herbeigeeilt, doch blickte noch einmal verunsichert zu der zitternden Amelia. „Geh nur mit Sherly, ich passe auf das Mädchen auf. Solange ich bei ihr bin, wird ihr nichts zustoßen“, versicherte Irene ihm lächelnd und legte schützend einen Arm um Amelia. „Nimm meinen Degen, du hast ihn hier oben nötiger als ich. Ich kehre zurück, sobald wir die Stromleitungen gesichert haben. Haltet solange durch… Komm Fred!“ Sherlock drückte Miceyla noch hastig seinen Degen in die Hand, ehe er gemeinsam mit Fred in die untere Ebene des Theaters rannte. `Gebt auf euch Acht…` Miceyla blickte ihnen noch kurz nach, bis die grellen Flammen ihr die Sicht nahmen. Nun musste sie sich voll und ganz auf ihr näheres Umfeld konzentrieren. Und dies genau im rechten Moment… Denn plötzlich kamen eine Handvoll bewaffneter Männer, aus der brüchigen Bühnendecke hinabgesprungen und sahen nicht gerade danach aus, als wollten sie William und die anderen im Kampf unterstützen. „Gehören die zu Harley oder ist dies ein Trupp von Claytons angeheuerten Söldnern? Die sollen uns wohl von den beiden fernhalten…!“, rief Miceyla verschreckt und hielt ihren Degen schützend vor sich. „Mit denen werden wir auch noch fertig…“, meinte William daraufhin bloß kampfbereit. Jedoch erkannte Miceyla, wie angeschlagen er mittlerweile war. Schließlich hatte er bereits mit eigenen Zwischenereignissen zu kämpfen gehabt und musste in Windeseile zum Theater hechten. Miceyla umklammerte entschlossen mit der rechten Hand den Griff des Degens. Für Momente wie diese hatte sie so hart trainiert, dies zahlte sich nun für sie aus. Ohne noch länger in einer Abwehrhaltung zu verharren, stürmte sie auf einen der Männer zu und sprang in dessen toten Winkel, ehe er sie mit einer Pistole ins Visier nehmen konnte. William und Louis taten es ihr nach und knöpften sich die Männer einzeln vor, ohne die verbliebenen Gegner dabei aus dem Auge zu verlieren. Miceyla gab sich große Mühe, dass einer ihrer Attacken, die Verteidigung ihres Kontrahenten durchbrechen zu vermochte. Doch jeder ihrer blitzschnellen Angriffe wurde durchschaut und sie war gezwungen eine Abwehrposition aufrecht zu erhalten. Sie mussten es gerade mit ein paar auserwählten Elitesoldaten zu tun haben. Denn selbst William und Louis kämpften mit voller Stärke. `Lass dich jetzt nur nicht unterkriegen! Ich werde gebraucht! Entfessle die Stärke deines reinen Willens! Zeit Moran so richtig stolz zu machen! In einem Kampf um Leben und Tod existieren keine ehrenhaften Regeln!`, gab Miceyla sich innerlich den Mut, ihren Gegner mit all ihrem errungenen Wissen über das Kämpfen zu bezwingen. Mit neutraler Miene holte sie zu einem kräftigen, dennoch vorhersehbaren Schlag aus. Der Mann glaubte natürlich im Vorteil zu sein und drohe mit einem Messer in ihre aufgegebene Abwehrhaltung zu stechen. Doch ehe es dazu kam, zog sie ihren Angriff abrupt zurück und tauschte blitzschnell mit William die Position. Und noch bevor sich die Kerle auf ihre neuen Gegner einstellen konnten, machten Miceyla und William kurzen Prozess mit ihnen. Keuchend blickte sie zu ihrem blutbefleckten Degen hinab und kämpfte gegen das hartnäckige Gefühl der Schwäche an, welches sie zu überwältigen versuchte. Zwar waren nun zwei der Soldaten ausgeschaltet worden, doch der stickige Schwefel des tanzenden Feuers, besaß eine tödlich ausmerzende Wirkung. Während William Louis zur Hand ging, wagte sie einen Blick auf die zwei hitzköpfigen Duellanten zu werfen und hielt sogleich gebannt den Atem an. Den beiden Rivalen beim Fechtkampf zuzusehen, glich einem epischen Gemälde, welches zum Leben erweckt worden war. Sie kämpften unverkennbar auf Augenhöhe. Claytons Fechtkünste brauchten sich in keiner Weise hinter denen von Harley zu verstecken. „Will! Achtung, über dir!“ Louis‘ panischer Warnschrei ließ Miceyla jäh zusammenzucken. Die Decke über William drohte nun vollends hinabzustürzen, doch sein neuer Gegner machte ihm schwer zu schaffen. Louis war selbst zu Boden gestürzt und hätte seinen Bruder nicht mehr rechtzeitig erreichen können. „Will, nein !“ Miceyla rannte auf ihren Liebsten hastig zu, doch ein Pistolenschuss der ihr Bein streifte hielt sie davon ab. Mit schmerzverzehrtem Gesicht stolperte sie und fiel auf den harten Bühnenboden. Harley hatte mit seiner linken Hand eine Pistole gezückt und dessen geballte Konzentration schien darüber hinauszugehen, sich lediglich auf seinen eigenen Gegner zu fokussieren. Empörung und Wut packten Clayton, was seinen Hass auf Harley in einem nie dagewesenen Ausmaß steigerte. „Du hast mein Leben zerstört! Das von anderen wirst du gefälligst in Ruhe lassen!“, schrie Clayton erzürnt und schlug ihm mit einem energischen Degenhieb die Pistole aus der Hand. Unmittelbar darauf kehrte er Harley den Rücken und stürmte auf William zu, welchen er gekonnt in einen sichereren Winkel der Bühne schubste. Beinahe zeitgleich ertönte ein Knall und der bis zu Letzt verschont gebliebene Kronleuchter krachte hinab. Die elektrischen Lichter explodierten und pfeilspitze Holzbalken wurden in alle Richtungen geschleudert. Verängstigt verharrte Miceyla auf der Stelle, während ein dunkler Nebeldunst ihr die Sicht nahm. Sobald sie wieder ein einigermaßen klares Sichtfeld hatte, fiel ihr Blick sofort auf William und erleichtert durfte sie feststellen, dass er von dem Einsturz verschont geblieben war. Doch ihre Erleichterung verschwand alsbald und wurde durch ein unerträgliches Entsetzen ersetzt, als sie den am Boden liegenden Clayton erblickte. Ein gülden glänzender Messingstab des zerstörten Kronleuchters, hatte sich mitten durch seine Brust gebohrt. Vergeblich versuchte er sich zu erheben und hustete bei dem enormen Kraftaufwand tiefrotes Blut. Amelias Entsetzensschrei ließ Miceyla erschaudern und übertönte sogar das Knistern der vernichtenden Flammen, welche eine alptraumhafte Schneise der Verwüstung hinterließen. Wie konnte dies nur geschehen? Bis vor wenigen Augenblicken, hatte im Theater noch Glanz und Gloria geherrscht. Und mit einem Schlag, verwandelte sich die strahlende Traumwelt in eine düstere Hölle. Mochten die Flammen auch noch so hell strahlen, sie formten alles was mit ihnen in Berührung kam in pechschwarze Asche. Als wäre es ein Funken des Schicksals gewesen, fiel Claytons Degen Amelia genau vor die Füße. Mit glasigen Augen und zitterndem Leib, schüttelte sie Irenes Hand von sich ab und bückte sich nach der für Clayton wertvollsten Waffe, die einzig verbliebene Erinnerung an seinen verstorbenen Vater. Während sie den Griff fest umklammerte, betrachtete sie kurz mit überwältigender Wehmut, das Familienwappen der Fairburns und warf anschließend ihren hasserfüllten Blick auf Harley Granville, welcher für Claytons größtes Leid verantwortlich war. „Fahr zur Hölle, Abschaum!“ Mit diesen verabscheuungswürdigen Worten rannte Amelia auf Harley zu und noch ehe dieser wusste wie ihm geschah, rammte sie ihm von hinten den Degen erbarmungslos durch die Brust „Selbst der Tod kann dir deine Sünden nicht vergeben… Doch möge Claytons verwundete Seele, nun endlich ihren verdienten Frieden finden…“, flüsterte Amelia besiegelnd und zog den Degen schwungvoll wieder aus Harleys Körper heraus. Taumelnd drehte er sich herum und fixierte die tapfere junge Frau, mit seinen glasig blauen Augen. Dabei überspielte er den Schmerz seiner tödlichen Wunde mit einem kühnen Lächeln. „D…du bist es also…die mein Leben letztendlich beendet… Ein Akt der wahren Liebe… Wie gern hätte ich sie noch einmal gesehen…meine Ophelia… Ich bin neidisch, Clay… Dir ist es vergönnt, deine Geliebte noch vor mir wiederzusehen…“ Harleys Stimme versagte und er fiel regungslos zu Boden. Der scheinbar unverwundbare und mächtige General war besiegt worden… Mit tränenüberströmten Augen ließ sie den Degen fallen und eilte zu Clayton, an dessen Seite bereits Irene und William knieten. „Miceyla!“ Louis‘ erneuter Warnruf, rüttelte Miceyla während des alptraumhaften Szenarios wach und hielt sie davon ab, ebenfalls zu Clayton zu eilen. Einer der beiden Soldaten war von dem Einsturz getroffen worden. Doch der andere war leider noch putzmunter und wollte die Ablenkung seiner Widersacher, für einen heimtückischen Angriff nutzen. Mit siegessicherer Miene kam er auf Miceyla zugestürmt. In der einen Hand hielt er seinen Revolver und in der anderen einen silbernen Dolch. Miceyla atmete schwer vor Erschöpfung. Die sengende Hitze und ihr pochendes Bein setzten ihr schwer zu und lieferten sie ihrem Gegner schutzlos aus. Auch ihre Hand, mit der sie noch immer den Griff ihres Degens fest umklammert hielt, besaß kaum noch Kraft. „Wage es ja nicht meine Schwester anzurühren, du widerlicher Schuft!“. rief Louis finster dreinblickend. Benommen und unfähig sich zu rühren, beobachtete Miceyla wie Louis sich auf den Mann stürzte und ihn hemmungslos mit seinen Messern attackierte. `Schwester… Er hat mich zum ersten Mal seine Schwester genannt…` Bei jener Erkenntnis rollten ihr langsam Tränen über die glühenden Wangen hinab. Wären die Umstände anders gewesen, hätten es mit Sicherheit Freudentränen sein können. Ihr Duell fand schon nach wenigen Augenblicken sein Ende. Der Soldat schaffte es nur zweimal den Abzug seiner Schusswaffe zu drücken, bevor es Louis gelang in niederzustechen. Mehr oder weniger raschen Schrittes humpelte Miceyla auf den keuchenden Louis zu, der sich erschöpft einen Arm um seinen Bauch legte. „Es ist nun vorüber, wir haben alle erledigt… Er hat dich doch hoffentlich nicht getroffen, oder…?“, erkundigte Miceyla sich sorgenvoll bei ihm. „Nein…es geht mir gut…“, antwortete Louis etwas zögerlich und schenkte ihr ein müdes Lächeln. „Da bin ich aber beruhigt… Ich danke dir, mein Bruder…“, sprach Miceyla liebevoll und erwiderte sein Lächeln. Gemeinsam liefen sie nun zu den anderen und knieten sich auf den Boden neben Clayton. „Lass uns zusammen von hier verschwinden! Harley ist endlich besiegt, jetzt darfst du ein friedliches Leben führen… Gemeinsam leben und lachen…die Kinder brauchen dich…“, sprach Amelia schluchzend und ihre Hände waren blutdurchtränkt, während sie vergeblich versuchte die Blutung von Claytons tiefer Wunde zu stoppen. „Ach Amelia…Herzchen… Ich habe mich nun mal für einen anderen Ausgang der Geschichte entschieden… Das musst du einfach akzeptieren… Die Bühne war meine Festung und ich werde gemeinsam mit ihr untergehen. Sei den Kindern eine gute große Schwester. Sieh dich um…du bist längst nicht mehr allein… Ich wünsche mir für dich, dass du endlich die wahre Liebe kennenlernst… Sie ist wunderschön, glaube mir… Und Will, ich danke dir, mein Freund… Ah…da ist sie ja… Komm etwas näher, mein Vöglein“, sprach Clayton geschwächt und bedeutete Miceyla mit seinem erschöpften Blick näher an ihn heranzutreten. Verzweifelt biss sie sich auf die Lippe und wurde von Amelias unerbittlichem Weinen angesteckt. „Nicht doch, Liebes… Für mich solltest du keine Tränen vergießen… Hat Will dir nie gesagt, wie schön dein Lächeln ist?... Hier…ich habe etwas, dass ich dir geben möchte… Lydias Ohrring. Stets trug ich ihn als Glücksbringer bei mir… Bringe ihn bitte zurück zu ihr…zu ihrem Grab nach Pembroke. Du kennst meine Geschichte… Die Aufgabe mag ich daher dir übertragen… Ich kann sie bereits fühlen…die angenehme Frühlingsluft… Noch einmal werde ich mit ihr im weichen Gras sitzen, dort…unter dem Magnolienbaum… Breite deine Flügel aus… Flieg…Amethesya…“, mit diesen letzten Worten, drückte er Miceyla Lydias Ohrring in die Hand. Kurz darauf fiel sein Arm schlaff neben seinen Körper und er schloss seine azurblauen Augen, für immer… Bei seinem friedlichen Lächeln glaubte man fast, er würde lediglich in einen tiefen Schlummer fallen. Mit tränenverschwommenem Blick, drückte sie den Ohrring in ihrer Hand an sich und neigte vor Clayton den Kopf. „Ich…ich bringe ihn zu Lydia… Du musst wissen…ich habe es geliebt, gemeinsam mit dir auf der Bühne zu stehen. All die strahlenden Gesichter der begeisterten Zuschauer… Du hast ein Wunder vollbracht. Den Menschen hast du den weitentfernten Sternenglanz, ein Stückchen näher gebracht… Danke, dass ich Teil dieses Wunders sein durfte… Den nächsten am Nachthimmel geborenen Stern, widme ich allein dir…Clay…“ Entkräftet schenkte Miceyla ihm noch ein paar Worte der Dankbarkeit, die er zu ihrer großen Frustration nicht mehr hören konnte. Sie vernahm kaum, wie William ihr trötend seine Hand auf die Schulter legte. Die unerträgliche Hitze raubte ihre Sinne. Jedoch spürte sie dennoch ganz deutlich, dass auch ihm das Gefühl des schmerzenden Verlustes plagte. „Es hat funktioniert! Und wir kennen einen Weg hinaus! Schnell, beeilen wir uns…“, rief ein herbeirennender Fred ungeduldig. Er verstummte allerdings, als er die trauernde Runde erblickte. Sherlock in dessen Schlepptau, lief etwas langsamer mit undeutbarer Miene auf die Gruppe zu. Nur flüchtig warf er einen Blick auf Harleys Leichnam, als wollte er sich vergewissern, dass er nicht von den Toten wiederauferstand. „Liam, wir müssen hier weg…“ „Natürlich… Dies ist kein geeigneter Ort zum Trauern…. Nicht mehr lange und das glanzvolle Theater, verwandelt sich in eine trostlose Ruine… Mein Liebling, Bruderherz, gehen wir…“, stimmte William Sherlock mit trister Stimme zu und half der verzagten Miceyla sich zu erheben. „Kannst du laufen?“, erkundigte er sich sanft bei ihr. „Ja…es geht schon… Die Kugel hat mein Bein nur gestreift“, erwiderte sie getrübt. Fred und Irene gaben sich große Mühe, die traumatisierte Amelia von Claytons leblosen Körper loszukriegen. Derweil hob William Claytons Degen auf und nahm ihn an sich. „Urgh…“ Gerade als die Gruppe die Treppen der Bühne hinabsteigen wollte, oder mehr das was von ihr übrig geblieben war, brach Louis plötzlich ohne Vorwarnung zusammen und fiel auf die Knie. Mit schmerzverzehrtem Gesicht packte er sich auf seine bebende Brust. „Louis!“ Die Truppe machte besorgt Halt und William eilte augenblicklich an die Seite seines Bruders. Er legte ihm stützend seinen Arm um und tastete mit der Hand vorsichtig über Louis‘ Oberkörper. Mit purer Angst öffnete er danach sein schwarzes Jackett und erblickte entgeistert das blutrot gefärbte weiße Hemd darunter. „Du…du bist getroffen worden…!“, sprach William heiser und Verzweiflung ergriff von ihm Besitz. Miceyla riss schockiert die Augen weit auf und erstarrte regungslos auf der Stelle. „A-aber du sagtest…dich hätte kein Schuss getroffen… Wieso wolltest du so etwas Fatales vor uns verheimlichen?!“, stotterte Miceyla panisch und ihr unbändiges Schwindelgefühl verweigerte ihr zu handeln. „Ich…ich wollte dir keine Last sein… Will, mein Bruder… Früher oder später erwischt es nun mal jeden von uns… Dessen waren wir uns immer schmerzlich bewusst gewesen… Gemeinsam haben wir so viel erreicht… Du wirst es zu Ende führen…mit Miceyla und Bruder Albert an deiner Seite… Unser Traum von einer gerechten Welt bleibt unsterblich, er vergeht niemals…und…argh…“, gestand Louis wehmütig, wobei ihm das Sprechen große Kraft kostete. „Bitte…lass es nicht so klingen, als sei es ein letzter Abschied… Das lasse ich nicht zu, du darfst hier nicht sterben… Wenn ich dich verlieren sollte, stirbt ein Teil von mir mit dir…“, erwiderte William verzagt und Miceyla brach es das Herz, ihn so hilflos zu sehen. „Wir müssen Louis schleunigst zu einem Arzt bringen! Bestimmt befindet sich John noch draußen vor Ort! Er weiß sicher Rat!“, meinte Fred hektisch, dem die Hilflosigkeit seiner Kameraden in blanke Panik versetzte. Nach dessen nur gut gemeinten Vorschlag, tauschten Sherlock und William kurz trübe Blicke aus, als wüssten beide bereits, wie es um Louis‘ tragisches Schicksal bestellt war. Miceylas Sichtfeld verschwamm allmählich vor ihren Augen und der mangelnde Sauerstoff trübte ihr Bewusstsein. Der Ohnmacht nahe, drohte sie nach hinten umzukippen. Doch anstatt das sie einen unsanften Aufprall erlitt, wurde sie von jemanden abgefangen. Zwei starke Arme hielten sie beschützend fest, welche sie nicht loslassen wollten, ehe sie sich nicht wieder in Sicherheit wiegen konnte. „Albert… du bist zurückgekommen…durch das Flammenmeer…“, hauchte Miceyla mit dünner Stimme und erkannte trotz ihres schwindenden Bewusstseins, seinen zerrissenen Anzug und den schwarzen Ruß auf den Händen und im Gesicht. „Meine Familie lasse ich nicht im Stich. Ich gehe durch die finsterste Hölle, um euch zu retten. Selbst wenn der Tod dort auf mich wartet…“, sprach Albert unerschrocken und hob Miceyla hoch in seine Arme, um sie das restliche Stück aus dem brennenden Theater hinauszutragen. „Gesprochen wie ein wahrer Held…“, murmelte Sherlock leise und half William dabei, Louis beim Laufen zu unterstützen. William blickte Albert voller Dankbarkeit an, mit der tröstenden Gewissheit, dass er mit seinem Bruder jegliches Leid teilen konnte. Nach einem letzten Kampf durch die Feuersbrunst, hatten sie es dann endlich ins Freie geschafft und waren dankbarer denn je, wieder reine Luft einatmen zu können. Vor dem Eingang des Theaters, hatte sich eine große Menschenansammlung zusammengefunden, die entsetzt das in Flammen stehende Theater beobachtete, welches die dunkle Nacht erhellte. Mit trüben Blick betrachtete Miceyla das furchteinflößende Spektakel und erkannte mit einem Stich im Herzen, wie die Buchstaben des eingravierten Namens `Regenbogenschwingenpalast`, über dem Eingang immer unleserlicher wurden. Bald würde man davon nichts mehr entziffern können… `Vermag ich auch nicht die Zeit zurückzudrehen… Die Erinnerungen an diesen wundersamen Ort werden weiter fortleben… Und du wirst auf ewig eine beispiellose Legende bleiben… Clayton Fairburn…Ruhe in Frieden…`, dachte Miceyla trübselig und Albert setzte sie wieder auf den Boden ab, blieb jedoch dicht an ihrer Seite, da sie noch immer sehr geschwächt war. Plötzlich tätschelte ihr jemand sachte über den Kopf und sie blickte verwundert zu Moran auf. „Du…du bist ja bereits wieder auf den Beinen?! Ein Glück…“ „Es braucht schon ein bisschen mehr, um mich für längere Zeit außer Gefecht zu setzen. Du warst sehr tapfer. Für uns alle ist es heute ein schwerer Kampf gewesen. Und wie ich sehe, werden wir uns dieses Mal nicht so schnell, von den erlittenen Wunden erholen können…“, sprach Moran ernst, mit Blick auf den schwerverletzen Louis. Miceyla wurde bei dessen verheerenden Anblick speiübel und sie betete inständig um ein rettendes Wunder. Doch die Hoffnung, hatte sie längst mit Clayton im brennenden Theater zurückgelassen. „Miceyla!“ Sie wurde auf einmal von einer zu Tode verängstigten Emily, vorsichtig in die Arme genommen. John und Mary hatten sich nun ebenfalls bei der Gruppe eingefunden und das pure Entsetzen stand ihnen in die Gesichter geschrieben. „Dürfte ich dich bitten, dir einmal Liams jüngeren Bruder anzuschauen? Du wirst dann selbst erkennen, wie die Chancen für ihn stehen…“, flüsterte Sherlock John leise zu und der junge Arzt nickte augenblicklich pflichtbewusst, wobei er zielstrebig auf die Moriarty-Brüder zulief. William kniete gemeinsam mit Louis auf dem Boden und stützte seinen schwerverletzten Bruder. Mit ruhigen Händen entblößte John Louis‘ blutverschmierte Brust und tastete gewissenhaft um die Schusswunde. Er schluckte schwer beim Inspizieren der kritischen Verletzung, schwieg jedoch weiterhin. „Und…wie steht es nun um Louis?“, erkundigte Fred sich vorsichtig, für den sein unruhiges Verhalten eher untypisch war. Doch die angespannte Atmosphäre, seit dem Ende des schicksalhaften Theaterstücks, hatte den Gemütszustand eines jeden ins Wanken gebracht. „Also… Die Kugel müsste rausoperiert werden… Aber der immense Blutverlust ist verheerend. Und die Fahrt in das nächstgelegene Krankenhaus, wird zu viel Zeit in Anspruch nehmen… Es tut mir leid, dass ich keine besonders große Hilfe sein kann…“, erörterte John ehrlich und war sichtlich verzagt darüber, dass jegliche ärztliche Macht, bei solch einer Schusswunde mitten in lebenswichtige Organe, versagte. „Dies…soll die Strafe…für meine Sünden sein… Ich bereue nun nichts mehr… Wir alle….sind gefangen in einer Sanduhr… Dem Kreislauf des Lebens kann niemand entrinnen…“, sprach Louis schwach und schenkte dem gutherzigen Arzt ein zaghaftes Lächeln, als wäre dies die Entschädigung, für das was er ihm in der Vergangenheit in Harefield angetan hatte. „Du hörst dich an wie ein steinalter Mann! Mensch Louis, du bist blutjung! Ich gebe dir gern Energie von mir ab, damit du mir ab morgen, wieder mit deinen Zurechtweisungen auf die Nerven gehen kannst!“, meinte Moran mit lauter Stimme und Miceyla blickte bedrückt in sein angespanntes Gesicht. Sie wusste genau wie alle anderen die ihn gut kannten, dass er sein Mitgefühl gegenüber seinen Mitmenschen, auf seine ganz eigene Art und Weise zum Ausdruck brachte. „Lasst uns nichtdestotrotz zum Krankenhaus fahren, auf schnellstem Wege. Wir sind ohnehin beinahe alle verletzt, daher ist es die vernünftigste Lösung gemeinsam dorthin zu fahren… Danke für deine Hilfe heute…“, gab William sich noch nicht geschlagen und bedankte sich noch gesittet bei Sherlock, für seine tatkräftige Unterstützung. „Keine Ursache… Dennoch wünschte ich, der Ausgang wäre etwas glimpflicher gewesen…“, erwiderte Sherlock missmutig und legte Miceyla nach kurzem Zögern seine Hand auf ihre Schulter. „Bitte erhole dich anständig. Wir werden uns sicher bei der nächstbesten Gelegenheit wiedersehen. Der Sturm ist noch nicht vorüber, vergiss das nicht, Mia. Harleys Ableben wird neue Probleme in die Welt rufen, die selbst ich bisher verdrängt habe“, sprach er vertraulich und war sichtlich unglücklich darüber, ihr keine lichtbringendere Hoffnung schenken zu können. „Natürlich, das Rad der Zeit dreht sich unaufhörlich weiter und kennt keine Gnade… Wenigstens ist einer von uns jetzt davon erlöst worden, der es wahrhaftig verdient hat… Bis bald, Sherly. Und danke nochmals… Du hast dazu beigetragen, dass aus dem heutigen Theaterstück ein Meisterwerk entstanden ist. Es hat sich angefühlt wie ein flüchtiger, jedoch wunderschöner Traum. Ich werde ihn niemals vergessen…“ `Wir beide werden den heute gelebten Traum niemals vergessen…`, fügte Sherlock bittersüß in Gedanken hinzu und beobachtete nachdenklich, wie Miceyla nach ihren Worten des Abschieds, mit Moran und den Moriarty-Brüdern in eine Kutsche stieg. „Kümmere dich bitte gut um Amelia, Irene. Ich werde dich ganz bestimmt bald besuchen kommen“, verabschiedete Fred sich noch rasch hin und hergerissen. Amelia blickte wie in Trance, stumm mit glasigen Augen zu Boden und schenkte seinen freundlichen Worten keinerlei Gehör. „Du kannst dich weiterhin darauf verlassen, dass ich mich gut um Amelias Wohlbefinden kümmern werde. Wir fahren zurück in das Waisenhaus. Momentan existiert kaum mehr ein geschützterer Ort für uns…“, versicherte Irene ihm erneut und auch sie war sehr blass vor Unbehagen. Fred nickte dankbar und eilte zu seinen aufbrechenden Freunden. John, Mary und Emily blieben noch für einen kurzen Moment neben Sherlock stehen und verfolgten gemeinsam die lospreschende Kusche mit besorgten Blicken. Der Tumult um sie herum erreichte allmählich seinen Höhepunkt und Scotland Yard war mittlerweile ebenfalls eingetroffen und dirigierte die dazustoßenden Löscheinheiten. `Hier gibt es für mich nichts mehr zu tun…`, dachte Sherlock trüb und verließ die Szenerie des Grauens als stiller Beobachter. Miceyla starrte mit halb geöffneten Augen, an die bleiche Decke ihres Krankenzimmers. Sie hatte verbissen versucht wachzubleiben, um mitzubekommen, ob die Ärzte dazu befähigt waren Louis‘ Leben zu retten. Doch letztendlich hatte die mächtige Erschöpfung sie vollständig überwältigt und sie musste wohl einen Tag geschlafen haben Sie spürte einen straffen Verband um ihr rechtes Bein gewickelt, aber ihre Schmerzen waren gemildert. Halb am verdursten trank sie dankbar das Glas Wasser, welches man ihr auf einen Tisch neben ihrem Bett gestellt hatte, in einem Zug aus. Plötzlich klopfte es an der Tür und Miceyla war darum bemüht, sich trotz ihrer noch immer stark anhaltenden Erschöpfung aufzurichten. „Ja…bitte…“ Beinahe geräuschlos öffnete sich die Tür und Albert trat mit sanftmütigem Lächeln hinein. Doch Miceyla sah sie ganz genau, die tiefe Trauer in seinen smaragdgrünen Augen, welche er zu verbergen versuchte. „Wie fühlst du dich, meine Liebe?“, erfragte er zu allererst ihren momentanen Gesundheitszustand und setzte sich neben sie auf das Bett. „Du erhoffst dir sicher, eine ehrliche Antwort von mir zu hören… Nun, es geht mir sowohl körperlich als auch mental hundselend. Aber ich werde nicht jammern, da es andere weitaus heftiger erwischt hat als mich. Wie geht es…Louis…?“, erkundigte Miceyla sich daraufhin vorsichtig, was für sie eine große Überwindung kostete, da sie die Antwort fürchtete. „Wir kehren zum Anwesen zurück, jetzt gleich. So lautet Williams Wunsch. Moran und Fred warten bereits unten vor dem Eingang. Im vertrauten Umfeld, wird es dir wieder besser ergehen. Zudem vermisst dich Evelyn sicher ganz furchtbar, so wie du sie vermisst“, wich Albert ihrer Frage aus und nahm ein wenig ungeduldig ihre Hand, um ihr vom Bett aufzuhelfen. „Nur Moran und Fred? Was ist mit William und Louis? Kommen die beiden nicht mit uns?!... Albert, bitte spanne mich nicht auf die Folter und gib mir eine Antwort! Es ist unerträglich für mich in Unwissenheit zu leben…“, flehte Miceyla niedergeschlagen und kämpfte schluchzend mit den Tränen. Als wäre die Zeit stehen geblieben, sprach Albert noch immer kein einziges Wort und wich abwesend ihrem energischen Blickkontakt aus. „Louis…hat die letzte Nacht nicht überlebt… Gib William etwas Zeit, um sich alleine von ihm zu verabschieden. Mit seinem jüngeren Bruder hat er mehr Lebenszeit verbracht, als mit jedem anderen von uns…“, brachte Albert es endlich nach einer gefühlten Ewigkeit über sich, jene schockierende Nachricht auszusprechen. Der gewaltige Schock traf Miceyla tief und sie wusste weder wie sie darauf reagieren sollte, noch was sie im Augenblick denken oder fühlen sollte. Am liebsten hätte sie gleichzeitig geweint als auch geschrien, doch ihre Sinne waren zu betäubt für solch eine emotionale Reaktion. Schuldbewusst blickte Albert sie an, war sich jedoch darüber im Klaren, dass sie den Schmerz der Trauer gemeinsam durchleben mussten. Sachte zog er Miceyla an sich und schlang trötend die Arme um sie. Instinktiv erwiderte sie seine Umarmung und spürte, wie er dadurch den Druck in seinen Armen erhöhte, welche sie fest umschlossen hielten. Doch in dem Moment, fühlte es sich für sie mehr als nur wohltuend an. Sein vertrauter Geruch und die Gewissheit, vor dem hilflosen Gefühl der Verlorenheit beschützt zu werden, bereicherte ihre zerbrochene Hoffnung, mit einem Funken des wärmenden Trostes. „Vergib mir, meine geliebte Eisblume, dass ich nicht dazu imstande gewesen bin, euch alle drei aus der glühenden Hölle zu retten… Ich werde mir das niemals verzeihen können…“ Alberts verbitterte Worte, unterstrichen seine in Stücke gerissene Seele. Die Familie bedeutete für ihn das allergrößte Glück im Leben. Und nun hatte er ein geliebtes Familienmitglied verloren, was den unerträglichsten Schmerz in seinem Herzen weckte. „Bitte, du darfst dir nicht die Schuld dafür geben… Keiner von uns besitzt die Macht, jegliches unvorhergesehene Unglück zu verhindern. Das Leben ist gefüllt mit unbarmherzigen Ungerechtigkeiten. Vergangenes und Verlorenes lässt sich nicht wiederherstellen. Aber wir bewahren all die kostbaren Erinnerungen, welche uns auf den Pfad in die Zukunft begleiten. Und auch wenn die Lücke in unseren Herzen sich nicht füllen lässt, wir sind nicht allein…“, sprach Miceyla trötend und versuchte sich all die schönen Momente, die sie in der Familie Moriarty erlebt hatte, ins Gedächtnis zurückzurufen. Und es half tatsächlich ein klein wenig, den Schmerz der Trauer besser ertragen zu können. „Danke, meine Liebe. Ich bin immer für dich da. Du kannst dir nach wie vor kaum vorstellen, wie viel du mir bedeutest… Doch du bist Williams unersetzbares Juwel und nun braucht er dich mehr denn je…“, flüsterte er dicht neben ihrem Ohr und sie spürte ein merkwürdig bedrohliches Gefühl der ungewissen Vorahnung, welche sich in seinen Worten verbarg. Und sie fürchtete beinahe darum, ihn wieder loslassen zu müssen. „Ich vermisse dein Klavierspiel… Bitte spiele, nur für mich… Es wird Zeit, dass ich mein Buch `Eisblume` endlich zu Ende schreibe. Du sollst der erste sein, der es lesen darf. Nur auf diese Weise kann ich meine Dankbarkeit, für deine erbrachten Opfer zum Ausdruck bringen. „Ich…liebe dich sehr, Bruderherz…“. Sprach sie leise und reiste kurz in Gedanken zurück in die Vergangenheit, in der sie alle ihre gemeinsame Zeit in vertrauter Runde genossen hatten. „Ich liebe dich auch sehr, Schwesterherz…“ Während der Kutschfahrt sprach keiner von ihnen und sogar der sonst so impulsive Moran, hüllte sich in andächtiges Schweigen. Miceyla überließ es Albert, Miss Moneypenny die traurige Botschaft zu überbringen, damit sie sich auf direktem Wege in ihr Schlafzimmer zurückziehen konnte. Als sie die Tür öffnete, fiel ihr Blick zu allererst auf die Amaryllis, welche sie in einer Vase auf ihren Schreibtisch gestellt hatte. Tränen liefen ihre Wangen hinab, als sie darauf zulief und eine Hand, nach der bereits zu welken begonnenen Blüte ausstreckte. `Wir sind endlich zu einer glücklichen Familie zusammengewachsen…und nun verlieren wir dich, Louis… Es muss eine Lüge sein, ein abscheulicher Albtraum…Du warst der loyalste Bruder, den William sich nur wünschen konnte. Wie kann eine solch gutherzige Menschenseele, nur so früh von uns gehen… Die Welt bleibt letztendlich doch einfach nur grausam und ungerecht…` Die tiefe Trauer ließ sie zu Boden sinken und nach einigen verstreichenden Minuten, trocknete sie ihre Tränen mit dem Ärmel und holte Lydias Ohrring hervor. `Und nicht nur Louis… Es kommt mir so vor, als würde ohne Clayton und sein Theater eine Ära zu Ende gehen… Ich kann das einfach noch nicht realisieren… Das ist alles zu viel, um es ertragen zu können. Dies ist der wohl schmerzhafteste Abschied bisher in meinem Leben… Doch gerade darum vergesse ich mein Versprechen an dich nicht, mein Freund. Ich werde nach Pembroke reisen und bringe deine Seele zurück zu Lydia…` Schläfrig öffnete Miceyla die Augen und tastete an ihren schmerzenden Kopf. Sie war an ihrem Schreibtisch eingeschlafen, während sie damit begonnen hatte, ein Gedicht für Louis zu schreiben. Eigentlich hatte sie am Abend vorgehabt, noch einmal nach Evelyn zu sehen, über die noch immer Miss Moneypenny wachte. Aber ihre geschwächten Kräfte hatten ihr dies verwehrt. Miceyla sehnte sich danach, ihr kleines Töchterchen in Armen zu halten. Als sie vernahm wie ganz leise die Türklinke heruntergedrückt wurde, richtete sie mit nervös klopfendem Herzen den Blick auf die Tür und war nun hellwach. Kurz darauf trat William in den Raum, ruhig und gefasst, wie sie es von ihm gewohnt war. Jedoch erkannte sie in seinem blassen Gesicht, den ausmerzenden Schmerz des Verlustes, als hätte er all seine geliebten Kameraden, in einem verlorenen Krieg zurücklassen müssen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und suchte verzweifelt nach geeigneten Worten, um die ganze unbehagliche Situation nicht noch schlimmer zu machen. Doch solche Worte existierten in jenem Moment einfach nicht und William erging es bestimmt im Augenblick nicht viel anders. Sie mussten akzeptieren, dass es manchmal am einfachsten war, die ungekünstelten Gefühle des Herzens nach außen durchdringen zu lassen. „Will…ich…es tut mir alles so schrecklich leid… Der Schmerz ist kaum zu ertragen. Sind wir nicht bloß in einer Illusion gefangen…? Sage mit, wie soll es für uns jetzt nur weitergehen…?“, sprach sie aufgelöst und fühlte sich wie eine umherirrende Seele, die ihren Platz im Leben verloren hatte. Unmittelbar nach ihren Worten, lief William auf Miceyla zu und schloss sie tröstend in die Arme. Jedoch versuchte er selbst Trost zu finden, indem er ihre vertraute Nähe spürte. „Meine Liebste, das Rad der Zeit dreht sich für uns stetig weiter, auch wenn es sich momentan nicht danach anfühlen mag… Du hast mich stets daran erinnert, nun erinnere ich `dich` daran. Nicht alles ist verloren, die Erinnerungen bleiben uns erhalten… Bis wir eines Tages selbst von dieser Welt scheiden… In Träumen werden wir wieder vereint sein…“ Miceyla spürte verzagt in seiner klammernden Umarmung, dass er den Kampf, sich der bitteren Wahrheit zu stellen aufgab und seine Tränen befreite, die er bisher gefasst zurückgehalten hatte. Für einige Augenblicke verharrten die beiden dicht beieinanderstehend und genossen den kurzen Moment der Stille und des Friedens. Sachte löste William sich etwas von Miceyla, um ihr in das Gesicht blicken zu können. Dennoch hielt er sie weiterhin in seinen Armen umschlossen. „Wie recht er hatte… Dein bezauberndes Lächeln ist mit eines der größten Geschenke, welche du mir jemals machen konntest. Dich jetzt wieder leiden zu sehen, bricht mir das Herz… Von Beginn an war es meine Motivation gewesen, deine wunderschönen Augen von dem Kummer, der dich seit jeher bedrückt hat, zu befreien. Augen, die wahres Leid kennen und plötzlich nach einer langen düsteren Lebensphase vor Glück erstrahlen. In genau diese Augen habe ich mich verliebt und tue es jeden Tag aufs Neue…“, sprach William so liebevoll, dass es ihr Herz beflügelte und für beide fühlten sich all die schönen Erinnerungen beschwichtigend nah an. „Auch ich werde Zeit brauchen, um die leidvollen Geschehnisse zu verarbeiten… Nicht nur meinen jüngeren Bruder habe ich verloren, sondern auch einen guten Freund. Clayton verdanke ich mein Leben. Um ihm Respekt zu sollen, werde ich weise mit der zweiten Chance umgehen, die er mir vermacht hat und nicht zuletzt auch für meine Familie da sein… Sicher ist es in deinem Sinne, zeitnah nach Pembroke zu reisen, wenn es deine gesundheitliche Verfassung zulässt. Selbstverständlich begleite ich dich gerne dorthin“, bot William ihr seine Begleitung auf der Reise zu Claytons Geburtsort an. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln, aber schüttelte dennoch nach kurzem Überlegen langsam den Kopf. „Du brauchst nicht mitzukommen. Auch wenn ich dich dort natürlich liebend gern an meiner Seite hätte. Doch wir teilen uns jegliches Leid, nicht wahr? Daher musst du dich nicht zwingend zerreißen, um von beiden zeitgleich Abschied nehmen zu können. Lass mich Clayton die letzte Ehre erweisen, währenddessen widmest du dich gemeinsam mit Albert, deinen dich mit Louis verbindenden Erinnerungen. Zu seiner Beerdigung werde ich wieder zurück sein. Ich bitte Moran mich zu begleiten“, entschied sie mit dem guten Gefühl, auf diese Weise die beste Lösung für alle gefunden zu haben. Miceylas neugewonnene Stärke, machte William zur gleichen Zeit etwas verlegen als auch glücklich. „Ja…dann machen wir es so. Ich bin derweil auch für Evelyn da.“ Am nächsten Tag wollte Miceyla bereits in der Früh Moran aufsuchen. Nachdem sie ihn im Anwesen nicht antraf, wurde sie im Garten fündig. Er stand an dem farbenfrohen Blumenbeet, um welches sich Louis gemeinsam mit Fred immer liebevoll gekümmert hatte. Mit den Händen in den Hosentaschen, ließ er gedankenversunken seinen Blick über die Blumen schweifen. Der strahlend blaue Himmel und die bereits warme Morgenluft verriet, dass es ein sehr heißer Junitag werden sollte. „Morgen. Wie sieht‘s aus? Lust auf ein paar Schießübungen? Wir waren lange nicht mehr zusammen im Wald. Natürlich nur wenn dein Bein nicht mehr schmerzt“, begrüßte er sie lässig und zündete sich unbekümmert eine Zigarette an, als wäre seine eigene Wunde am Kopf bereits wieder vollständig verheilt. Aber die Tatsache das Moran sie lediglich auf andere Gedanken bringen wollte, beruhigte ihr Gemüt. „Für einen Ausflug in die wilde Natur bin ich immer zu haben. Aber was hältst du von Pembroke? Der Ort ist bestimmt auch einen kleinen Ausflug wert. Ich habe dort noch etwas zu erledigen… Noch einmal für einen kurzen Moment das Gefühl unendlicher Freiheit spüren, wie damals in Richmond… Begleitest du mich…?“, erzählte Miceyla sogleich von ihrem Vorhaben und hielt wie gebannt ihren Blick auf die Blumen gerichtet, als würde Louis jeden Augenblick durch sie zu ihr sprechen. „Bin dabei. Die Gelegenheit sollte ich nutzen…“, gab er ihr ohne Umschweife eine Antwort mit gewissenhafter Miene. „Nanu? Kein Nörgeln und kein Protest? So kenne ich dich gar nicht. Aber ich verstehe schon, die jüngsten Ereignisse sind uns allen sehr nah gegangen…“, erwiderte Miceyla ein wenig überrascht und dennoch formten sich ihre Lippen zu einem melancholischen Lächeln. „Es ist nicht nur das… Der Verlust von Kameraden ist für mich eine Routine, die sich im Laufe der Zeit eingependelt hat. So hart es auch klingen mag. Aber ich habe die blanke Wahrheit von William persönlich erfahren. Nämlich das Clayton der Grund dafür ist, dass er jene Nacht im Theater überlebt hat. Er stellte Williams Leben über seine versessene Rache an Harley… Ich wäre ein Vollidiot, würde ich dies nicht anerkennen, Und daher nagt es schon etwas an meinem Gewissen, dass ich ihn damals, als er in Dains brennendes Anwesen gestürmt war um dessen Sohn zu retten, so hemmungslos angebrüllt habe… Was für eine Ironie, da versterben die Menschen plötzlich und egal wie hartgesotten man ist, die Schuldgefühle holen einen dann doch immer ein. Mein Verhalten gegenüber Louis war auch nicht zu jeder Zeit vorbildlich… Genug der Sentimentalitäten. Wann gedenkst du nach Pembroke zu reisen?“, erkundigte Moran sich ablenkend, nach einer kurzen Offenbarung seiner geheimen, inneren Gefühlswelt. „Ich dachte bereits am morgigen Tag. Denn allzu lange dürfen wir nicht fortbleiben. Wir werden hier gebraucht…“ Es wehte ein angenehm sommerlicher Wind und die Sonne lugte nach einem kurzen Regenschauer, wieder hinter einer leichten Wolkendecke hervor. Miceyla hatte den Eindruck, Claytons Seele würde neben ihr und Moran her spazieren, seitdem sie in dessen Heimat angekommen waren. Die beiden hatten eine detaillierte Karte von ihrem Zielort mitgenommen und liefen nun einen grünen Hügel in der Grafschaft von Pembroke hinauf. Sie folgte ihrem flüsternden Instinkt und zog ihre Schuhe aus, um das angenehm feuchte Gras unter ihren nackten Füßen spüren zu können. Mit einem tiefen Atemzug schloss sie die Augen und lauschte den vielfältigen Geräuschen der Natur, in denen sich etliche sagenumwobene Botschaften verbargen. Als Miceyla wieder die Augen öffnete, versuchte sie sich vorzustellen, eine neue Gegenwart betreten zu haben, in welcher Clayton erneut mit einem glücklichen Lächeln auf der Bühne auftrat. Lydia befand sich im Publikum und teilte mit ihm dessen Glück, dass sein Lebenstraum von einem eigenen Theater in Erfüllung gegangen war. Eine junge Liebe, prachtvoll hätte ihre Zukunft aussehen können. Doch nun lag sie wie viele andere unvollendete Geschichten, in der Vergangenheit begraben. Miceyla wurde ins Diesseits zurückgerufen, als sie auf der Spitze des Hügels jenen einsam dastehenden Magnolienbaum erblickte, mit zwei markanten Grabsteinen darunter. `Wie schön er wohl mit seinen Blüten im Frühling aussehen muss…`, dachte sie verträumt und kniete schweren Herzens vor Lydias Grab und das von Claytons Vater nieder, mit dem funkelnden Perlenohrring in ihrer rechten Hand. „Er ist jetzt wieder nach einem turbulenten Abenteuer zu Hause eingetroffen. Die Liebe deines Lebens… Dein geliebter Sohn… Viel zu früh leider, ich weiß… Aber empfangt ihn dennoch mit einem Lächeln, Clay hat es wahrhaftig verdient. Ihr müsst wissen, er hat zu jeder Zeit hart dafür gekämpft, die Menschen in seinem Umfeld glücklich zu machen. Er selbst ist ein wundervoller Mensch gewesen. Klug und unvoreingenommen, tapfer und voll unendlichem Einfallsreichtum… Ich werde ihn schrecklich vermissen… Und sein Theater, den Palast, in dem Träume wahr wurden…“, sprach Miceyla schluchzend und wischte sich kurz innehaltend ihre Tränen von den Wangen, ehe sie fortfahren konnte. Plötzlich spürte sie Morans Hand auf ihrer Schulter, welcher mittlerweile neben ihr auf dem Gras kniete, um ihr Beistand zu leisten. Dankbar sah sie ihn an und blickte anschließend mit einem zaghaften Lächeln zu dem blauen Himmel empor. `Du bist nun wieder daheim Clay, bei deinen Liebsten… Verteidige deinen Thron gut, in dem Königreich der Toten. Lass ihn dir von niemanden rauben, schon gar nicht von Harley. Dein neugewonnenes Glück gehört nur dir allein. Ich verspreche dir, dass ich jede einzelne Blume liebevoll hegen und pflegen werde…in unserem Garten der Erinnerungen… Lebe wohl…` Liebes Tagebuch, 28.6.1881 dieser Monat hat sich für mich angefühlt, wie ein nicht enden wollendes komplettes Jahr. Was bin ich froh, ihn endlich hinter mir lassen zu können. Die letzten Wochen waren geballt mit unendlich vielen negativen Emotionen. Als wollte das Schicksal unsere Herzen auf eine harte Probe stellen, um herauszufinden, wie viel Schmerz sie verkraften konnten. Seit Louis‘ Beerdigung vor ein paar Tagen, habe ich das Anwesen nicht mehr verlassen. Noch immer fesseln mich Trauer und Angst. Momentan kann ich es mir nicht vorstellen, den Schmerz hinter mir zu lassen und nach vorn zu blicken. Die Atmosphäre ist seltsam beklemmend. Ohne Louis ist es so still geworden, unsere Familie ist nun unvollständig. Dennoch lassen William und Albert den Mut nicht sinken. Mit lieben Worten und aufmerksamen Taten, versuchen sie uns jeden Tag zu versüßen. Ich bewundere ihre Stärke. Albert hatte bereits wieder seine Arbeit beim Militär aufgenommen, ich wagte mich bisher noch nicht nachzufragen, wie nach Harleys Ableben dort die Situation aussah. Auch William vertiefte sich wieder in seine Arbeit, um sich abzulenken. Fred drängte darauf nach Amelia zu sehen. Doch ich bat ihn, ihr noch etwas Zeit zum Trauern und Abschied nehmen zu geben. Auch ich wollte sie so bald wie möglich wiedersehen. Sherlock war mit Emely, John und Mary bei der Beerdigung anwesend gewesen, jedoch redeten wir an jenem Tag kaum ein Wort miteinander. Nie wieder das Theater betreten zu können, weckt in mir eine noch nie zuvor dagewesene Furcht… Die unvorhersehbare Schicksalswende, hat eingeschlagen wie ein zerstörerischer Blitz. Doch auch ich muss wie jeder andere lernen die Fassung zu wahren, sonst werden mich die Sorgen und Probleme übermannen. Noch gibt es wichtige Dinge zu erledigen und wir sind weiterhin dazu befähigt, den Lauf der Geschichte positiv beeinflussen zu können. Geduld und Vertrauen werden für mich weiterhin unabdingbar bleiben, um dem was noch vor mir liegt ins Auge zu blicken… Garten der Erinnerungen Zögernd schritt ich durch das sich langsam öffnende Tor, die duftende und reine Luft stieg dabei zu mir empor. Vögel vom anbrechenden Tage sangen, Tautropfen um mich von den Blättern sprangen. Spuren zogen sich schleichend durch alle Jahreszeiten, den azurblauen Himmel erblickte ich von allen Seiten. Erzähle mir, was werden wir heute wieder alles erleben? Was würde ich nicht alles für die Erfüllung unserer Träume geben. In der Wirklichkeit wir uns voll und ganz vergaßen und die nicht bedachten Möglichkeiten, die wir je besaßen. Doch selbst die tiefen Wurzeln unter der Erde, wissen von meiner stützenden Hand, die ich für dich sein werde. So möge ich auch alleine verweilen in unserem Garten, ich werde bis zum Ende bleiben und auf dich warten. Erinnere dich als uns noch der sorgenfreie Wind umgab und die erbarmungslose Zukunft noch vor uns verborgen lag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)