The Diary of Mrs Moriarty von Miceyla ================================================================================ Kapitel 18: Kampf zweier Herzen ------------------------------- Es fühlte sich für Miceyla wahrlich so an, als sei sie blindlinks in eine Falle getappt. Wieder einmal verspürte sie das beklemmende Gefühl, nicht aus einer fahrenden Kutsche fliehen zu können. `Mycroft ist nicht unser Feind, aber als einen Freund kann man ihn jetzt auch nicht wirklich bezeichnen… Ich vermute, dass er als ein Geschäftspartner von Albert, noch vor Sherlock die wahre Identität des Meisterverbrechers erfährt. Doch das ist jetzt alles erstmal nebensächlich. Was mich viel mehr interessiert ist, woher wusste er wo ich mich an diesem Abend aufhalte und welche Kutsche ich nehmen würde? Was wenn meine Wahl auf eine andere gefallen wäre? Hat er mir hinterherspioniert…? Kein Wunder, dass ein Mann wie er es bis an die Spitze der Regierung geschafft hat. Jetzt wird das erste Mal von mir ernsthaft verlangt, dass ich mich souverän und taktvoll verhalte, damit Williams gezieltes Vorgehen nicht gefährdet wird. Jedoch… Könnte ich ein Aufeinandertreffen mit Mycroft, nicht ebenso als Chance betrachten, anstatt eines Rückschlags?`, dachte Miceyla rasch zusammenfassend und beruhigte sich allmählich, denn ihre spürbare Nervosität, würde sie nur umso mehr verdächtig machen. Mycroft schenkte ihr ein kühles Lächeln, hinter dem sie eigenartiger Weise, eine aufrichtige Sympathie verborgen vermutete. „Ähm… Guten Abend, Mr Holmes. Welch ungewöhnliche Begegnung. Da haben Sie es doch glatt geschafft, mich zu überrumpeln, ha, ha“, begrüßte Miceyla ihn mit leichtem Unbehagen und versuchte die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. „Bitte meine Werteste, entspannen Sie sich. Ich bin nicht hier um Sie zu überfallen. Aber es ist mir durchaus gelungen, einen auflauernden Geist zu spielen. Jetzt sind Sie wenigstens wieder hellwach, ha, ha. Doch nun erst mal genug der Scherze. Die Kutsche wird einen großzügigen Umweg fahren, ehe wir meinem Zielort erreichen, an dem ich aussteigen werde. Bis dahin haben wir knapp eine Stunde Zeit, für eine gründliche Unterredung. Ich denke Sie sind wie ich der Meinung, dass wir uns gewisse Einzelheiten sparen können und direkt zu meinem eigentlichen Themenschwerpunkt kommen. Auch wenn wir bisher nur flüchtig das Vergnügen hatten, uns miteinander bekannt zu machen, weiß ich durchaus, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Halten Sie sich mir gegenüber also nicht mit offensiven Fragen zurück. Daher dürfen Sie sich auch nicht daran stören, wenn ich ebenfalls weniger schonende Argumentationen mit ins Spiel bringe“, schilderte Mycroft sachlich. Schüchtern nickte Sie einverstanden, eine andere Wahl hatte sie ohnehin nicht, als sich auf eine direkte Konversation mit ihm einzulassen. `Es kommt mir so vor, als wolle er mit mir ein Wortgefecht spielen, bei dem wir uns gegenseitig Informationen entlocken… Na dann mal los…`, bereitete Miceyla sich mental vor. „Zu allererst mag ich Ihnen meine Glückwünsche aussprechen, dass Sie eine Anstellung in Londons berühmtesten Theater erhalten haben. Sie werden beim Publikum für reichlich positiven Gesprächsbedarf sorgen. Und somit gelangen wir auch gleich zu dem charismatischen Direktor jenes Theaters, Clayton Fairburn, mit dem Sie bis vor kurzem noch ein beschauliches Rendezvous hatten. Er mag in der Öffentlichkeit als erfolgreicher Geschäftsmann vertreten sein, der die Menschen aller sozialen Schichten neutral behandelt. Doch das Gemunkel über seine kriminellen Überfälle, wird sowohl bei Scotland Yard, als auch in meinen näheren Kreisen immer lauter. Er kann der Naivität der mittelständischen Polizisten danken, dass man Clayton Fairburn und Matador Muscari, für zwei unterschiedliche Personen hält. Auch Irene Adler, die eifrig bei dessen Verbrechen mitwirkt, katapultiert sich immer mehr in Richtung Gefängnis. Wie ich sehe, steht Ihnen schon jetzt die Frage ins Gesicht geschrieben: `Denken Sie, das es sich bei Clayton um den Meisterverbrecher handelt?´ Nun, dies kann ich sogleich beantworten. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass er nicht jene berüchtigte Person repräsentiert. Woher meine Überzeugung stammt, ist vorerst mal nebensächlich. So, jetzt sind Sie an der Reihe. Umso offener Sie sich mir gegenüber zeigen, desto weniger muss ich unangenehm nachhaken“, begann Mycroft mit authentischer Stimme. Miceyla fühlte sich von seiner dominanten Präsenz, nicht mehr allzu sehr eingeschüchtert, wie es noch zu Beginn der Fall gewesen war. Er schaffte es sogar ein Schmunzeln in ihr hervorzulocken, da sie an seine fürsorgliche und neckende Art gegenüber seinem jüngeren Bruder dachte. „Nun, das überrascht mich nicht. Aber für Sherlock hingegen wäre es eine Erleichterung, wenn Clayton es wäre. Es würde einiges vereinfachen, obwohl es gerade die komplizierten Fälle sind, welche er stets leidenschaftlich zu lösen versucht. Ziemlich widersprüchlich, nicht wahr…? Besorgniserregend finde ich, dass er sich zu sehr in die Sache rund um den Meisterverbrecher hineinsteigert. Welches Ausmaß seine grenzenlose Sturheit zu verrichten vermag, daran wage ich kaum zu denken… Verzeihen Sie, falls ich gerade zu viel von Ihrem Bruder spreche, das geht schließlich von unserer Zeit ab. Erlauben Sie mir dann, eine ganz direkte Frage zu stellen? Sie sind doch gewiss mit dem derzeitigen Premierminister Harley Granville vertraut und werden des Öfteren mit ihm zusammenarbeiten. Was halten Sie von ihm, den Menschen, der sich hinter seiner einflussreichen Person verbirgt?“ Miceyla brauchte einiges an Überwindung, um Mycroft genau die Frage zu stellen, dessen Antwort sie mehr als alles andere interessierte. Im Wissen und in der Wahrheit schlummerte die Gefahr und dennoch wollte sie sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen. Solange sie dadurch anderen helfen konnte, war ihr die eigene Sicherheit eher unbedeutend. Miceyla musste etwas verwirrt lächeln, als er plötzlich nach ihrer Frage begann leise zu kichern. Doch es dauerte nicht lange, da blickte er sie wieder mit bitterernster Miene an. `Auweia… War meine neugieriges Ausfragen über Harley, eventuell doch ein wenig zu gewagt…?`, überlegte sie verunsichert. Allerdings war es für Reue längst zu spät. „Ach, der gute alte Harley. Wir haben uns zusammen in der Vergangenheit, so manch einem unlösbaren Problem gestellt. Dank seinen geschickten Führungsfähigkeiten ist es ihm gelungen, dass der Handel in London so prächtig floriert, wie dies sonst kein anderes Regierungsoberhaupt vollbracht hätte. Für mich ist er ein nicht mehr wegzudenkender Freund, im Laufe der Jahre geworden. Aber es ist belanglos, sich die Meinungen über eine bestimmte Person anzuhören. Es sollte für einen deutlich erstrebenswerter sein, sich selbst ein eigenes Bild über sie zu machen. Das ist schließlich genau die Methode, der Sie sich bedienen, oder etwa nicht?“, erwiderte Mycroft völlig unbeeindruckt von ihrer neugierigen Frage. Miceyla beobachtete ganz genau seine Gesichtszüge beim Sprechen. So eindringlich tat sie dies, dass es sie beinahe in einen tranceartigen Zustand versetzte. Dank seiner ausstrahlenden Gelassenheit, fühlte sie sich auch glücklicherweise nicht unter Druck gesetzt, ihm schnellstmöglich zu antworten. „Sie…Sie lügen… Das Harley ein Freund von Ihnen sei und Sie ihn wertschätzen, war eine Lüge. Ich weiß nicht wieso…doch Ihre Ausdrucksweise hat es mir verraten. Harley als Mensch können Sie nicht ausstehen. Aber Sie akzeptieren ihn, da er seiner Arbeit mit viel Gründlichkeit nachgeht“, berichtigte sie Mycroft offen und ehrlich, woraufhin er begeistert die Augenbrauen hochzog und kurz laut lachte. „Ha, ha, ha! Tadellos mein Fräulein! Dies ist einer der Gründe, warum mein kleiner Bruder so gut mit Ihnen auskommt. Ich habe allerdings nicht vor, das Thema Harley Granville noch weiter zu vertiefen. Männer in seiner Position, haben häufig die ein oder andere Leiche im Keller. Leider ist es nun mal so, dass gerade jene Menschen, welche für Recht und Ordnung in der Gesellschaft sorgen sollen, sich ungerechter und menschenunwürdiger Mittel bedienen. Würde man all diese Personen vor Gericht führen, hätte das eine komplette Umstrukturierung unseres Systems zur Folge und Chaos bräche aus. Nur ist es ein merkliches Problem, dass Menschen mit viel Macht, die ihre Schandtaten perfekt zu verschleiern wissen, andere Gutmütige dazu bringen für sie gerade zu stehen und zur Waffe zu greifen. Und solch einen aufbrausenden Tumult veranstaltet der Meisterverbrecher. Zusätzlich nimmt die Grausamkeit seiner Taten ein immer größeres Ausmaß. Es ist schon Ironie, dass ihn das gemeine Volk als Helden der Gerechtigkeit bezeichnet. Und nun, Mrs Moriarty, hätten Sie die Chance seinen Namen auszusprechen. Das Sie immer weiter einen Pfad des Verderbens beschreiten, sehe ich Ihnen sofort an. Und dann haben Sie auch noch in eine Adelsfamilie eingeheiratet, die ich mal als etwas `untypisch` bezeichne.“ Miceyla schluckte schwer, Mycroft trieb sie in ihrem Gespräch immer mehr in eine ausweglose Sackgasse. Doch keineswegs durfte sie ihre bis dato anhaltende Selbstbeherrschung verlieren und ließ sich keinerlei Stimmungsschwankungen anmerken. „Also scheinen Sie entweder der festen Überzeugung zu sein, dass ich gemeinsame Sache mit dem Meisterverbrecher mache oder Sie wollen mich abermals mit einem geschickten Bluff testen. Ich hätte nichts davon zu lügen, da die Wahrheit immer einen Weg findet um ans Licht zu kommen. Und dennoch werden Sie seinen Namen nicht aus meinem Mund hören, ganz gleich ob ich ihn nun kenne oder nicht. Sie könnten mir drohen und ähnliches antun, ich würde weiterhin schweigen. Nicht ich werde diejenige sein, welche zwischen Ihnen beiden vermittelt. Gedulden Sie sich bis zu dem Tag, an dem Sie eine persönliche Konfrontation mit ihm erhalten“, antwortete Miceyla mit überzeugender Selbstsicherheit und hielt seinem forschenden Blick, ohne auch nur einmal wegzublicken stand. „Ich habe auch gar nichts anderes erwartet, als solch eine Antwort. Sie sind eine bemerkenswerte junge Frau, die Stärke und Stolz besitzt. Sollten Sie `ihn` tatsächlich kennen und an seinen ausgeklügelten Verbrechen mitbeteiligt sein, so dürfen Sie sich selbst zu dem Begriff eines Meisterverbrechers einordnen und ich hätte folglich meine Auflösung. Sie müssen wissen, es ist nicht mal im entferntesten Sinne meine Absicht, Sie zu verhören. Eher liegt es mir Nahe, Ihnen meine Hilfsbereitschaft anzubieten. Es macht mich wahrlich glücklich zu sehen, welch starke Freundschaft zwischen Ihnen und Sherlock entstanden ist. Und niemand weiß jenes Vertrauensverhältnis mehr zu schätzen, als Sie selbst. Doch nicht mehr lange und unser Sherly wird vor Ungeduld, Ihnen meine gerade eben gestellte Frage noch einmal stellen. Was werden Sie dann tun? Ihn anlügen selbstverständlich, um den bröckelnden Frieden noch ein Weilchen länger aufrecht erhalten zu können. Was ihm völlig bewusst sein wird und doch hofft er die Wahrheit nicht von Ihnen zu hören, weil folglich für alle klar wäre, welche Konsequenzen dies mit sich ziehen würde. Doch wie es letztendlich um Ihre Freundschaft mit ihm bestellt sein wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Noch hört sich das zwar alles nach Spekulation an, aber Sie sollten bereits jetzt abwägen, was für eine Wahl Sie treffen wollen. Irgendwann wird selbst Sherlock Sie nicht mehr vor Gefahren bewahren können, sobald die Verbrechen des Meisterverbrechers zu sehr ausarten. Doch da wo Sherly die Hände gebunden sind, öffnen sich mir wesentlich weitreichendere Möglichkeiten. Ein Wort bedarf es nur Ihrerseits und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen zu helfen. Dieses Angebot wollte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Denn ich könnte bald die einzige Person sein, welche Sie vor dem Galgen bewahrt. Harte Worte, ich weiß. Nun habe ich es letztendlich doch geschafft, dass Ihre willensstarke Fassade zu bröckeln beginnt und Ihr Gesicht ganz bleich wird. Meine Zusammenarbeit mit Oberstleutnant Moriarty, werde ich künftig fortführen. So mysteriös er mir auch manchmal vorkommen mag. Und überlegen Sie stets gut, wie man eigentlich Gerechtigkeit und Grausamkeit definieren sollte… So, die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Hier an der Kreuzung werde ich aussteigen““, sprach Mycroft ausführlich über seine Absichten und blickte zum Fenster hinaus, als die Kutsche zum Stehen kam. „Verzeihen Sie Mr Holmes, dass ich Sie ohne eine Antwort gehen lassen muss. Aber momentan fällt es mir noch etwas schwer, rational über Probleme nachzudenken, die in Wirklichkeit vielleicht gar keine richtigen Probleme sind und über deren Lösung zu entscheiden. Ich lasse mich von der Stimme meines Herzens leiten. Ob nun Verstand, Intuition oder Beobachtungsgabe, unser Herz sieht und fühlt immer noch am meisten. Dennoch…danke, dass Sie mir so ehrlich Ihre Unterstützung angeboten haben. Ich selbst fühle mich jedoch sicher in meinem Umfeld und auch auf Sherlocks Sicherheit, werde ich stets ein wachsames Auge haben“, sprach Miceyla ihm aufrichtig ihren Dank aus, denn sie hatte wahrhaftig nicht den Eindruck, dass es ihm nur allein darum ginge, die wahre Identität des Meisterverbrechers aus ihr herauszuquetschen. Mycroft stieg mit eleganten Schritten aus der Kutsche und setzte sich seinen Hut auf. Anschließend wandte er sich ihr noch ein letztes Mal zum Abschied zu. „Überdenken Sie mein Angebot. Sie dürfen unsere Unterredung, gerne als freundschaftlich gesinnte Geste der Familie Holmes auffassen. Und merken Sie sich, dass ich Ihnen gegenüber einen anderen Standpunkt vertrete, als ich dies bei den Moriarty-Brüdern tue. Mit meinem Angebot können Sie verfahren wie Sie wollen. Es annehmen, es verweigern oder aber sich denken: `Ich benötige weder Rat noch Hilfe und dieses Gespräch hat niemals stattgefunden…` Gute Nacht, Mrs Moriarty…“, verabschiedete er sich und hatte dabei einen solch düsteren Gesichtsausdruck, dass Miceyla eine Gänsehaut bekam. Doch das Wohlwollen, welches sich in seiner Stimme verbarg, löste in ihr ein eigenartiges Gefühl aus. In Gedanken assoziierte sie dieses mit dem Gefühl, eines sich um seine Tochter sorgenden Vaters. „Gute Nacht, Mr Holmes…“, kam ein etwas kleinlauter Abschied von ihr und er schloss die Tür zu, woraufhin die Kutsche sich sofort wieder in Bewegung setzte und Mycroft im Dunkeln der Nacht hinter sich ließ. Während Miceyla nun endlich zum Moriarty-Anwesen aufbrach, starrte sie ausdruckslos hinaus. Erst Claytons desaströse Vergangenheit und nun eine vorwarnende Konfrontation mit dem Mann, der für die Umsetzung von Williams Plänen am gefährlichsten werden könnte. Und für einen Moment fühlte es sich für sie so an, als laste das Schicksal der gesamten Welt auf ihren Schultern. Nachdem die Kutsche vor dem Eingangstor des Anwesens hielt, schlurfte sie kraftlos den Weg zur Tür entlang. Und als wäre es zeitlich abgesprochen gewesen, öffnete ihr Louis direkt die Tür. „Willkommen zurück. Du warst länger unterwegs, als wir es erwartet hatten. Gab es einen Zwischenfall?... Miceyla…?“, fragte er sie in einem ungewohnt ruhigen Ton und blickte sie fragwürdig an, während sie mit leicht hängendem Kopf an ihm vorbeilief. „Verzeih Louis… Es war ein langer und anstrengender Tag. Ich kann jetzt nicht gleich etwas darauf erwidern…“, entschuldigte sie sich mit schläfriger Stimme und hob ein wenig den Blick, als Albert mit besorgter Miene im Eingangsbereich auf sie zulief, dicht gefolgt von William. „Miceyla… Du siehst schrecklich blass aus. Ruhe dich bitte erst einmal aus, alles andere kann bis morgen warten“, meinte Albert besänftigend und strich ihr sanft über den Kopf. „Schön dich wieder hier zu haben, meine Liebe. Du hast mit deinen Auskundschaftungen Erfolg gehabt, auch wenn dies sehr belastend für dich gewesen sein muss. Doch im Anschluss wurdest du ganz ohne jegliches Vorwissen, von jemandem gestört, der deine Zuversicht ins Wankeln gebracht hat, nicht wahr? Bedenke mein Liebling, was ich einst zu dir gesagt habe. Bringt uns eine kleine Hürde oder ein Rückschlag gleich dazu aufzugeben oder innezuhalten? Nein, niemals, da wir einander haben. Blindes Vertrauen und eine unerschütterliche Verbundenheit, schürt eine unauslöschliche Flamme, welche zur Grundlage unseres eisernen Willens wird. Und wir, die Familie Moriarty, werden alles bis zum bitteren Ende durchstehen“, sprach William beharrlich von ihren gemeinsamen, idealistischen Zielen und zeigte jenes Lächeln, welches gleichzeitig liebevoll als auch melancholisch war. Miceyla liebte es unheimlich, obwohl sie dabei einen stechenden Schmerz im Herzen verspürte. Wehmütig blickte sie um sich und stellte fest, dass sie zusammen mit William, Albert und Louis in einer Runde stand und jeder von ihnen denselben entschlossenen Gesichtsausdruck hatte. „Es tut gut wieder hier zu sein. Denn hier ist der Ort wo ich hingehöre. Und hier sind die Menschen, zu denen ich gehöre und mit mir ein gemeinsames Schicksal teilen“, verkündete sie lächelnd und legte sich mit geschlossenen Augen eine Hand auf das Herz. Nachdem Miceyla ein kurzes Bad genommen hatte, ließ sie sich erschöpft auf dem Bett nieder und ließ noch einmal die Ereignisse des Tages Revue passieren. Dabei blickte sie in die flackernde Flamme der Kerze, welche auf ihrem Nachttisch stand. Leise öffnete sich die Zimmertür und William setzte sich neben sie auf die Bettkante. Zärtlich nahm er ihre Hand und Miceyla blickte in seine rubinroten Augen, die so ausdrucksstark glühten, dass sie sich im Geiste vorstellte, wie sie jegliches bedrohliche Feuer absorbierten. „Hast du den Tee getrunken, den dir Louis gemacht hat, Liebes? Er wird dir beim Einschlafen helfen. Denn du musst eine Menge neuer Informationen verarbeiten. Das geschieht nur mithilfe eines erholsamen Schlafes. Unser Geist und Verstand sind nun mal an lebensnotwendige Grundbedürfnisse gefesselt und zu keinen Wundern fähig. Für mich sind Pausen zwischen komplizierten Gedankengängen ebenso wichtig, wie für dich. Ich gebe dir gern so viel von meiner Ruhe ab, die du benötigst um die Hektik der Schnelllebigkeit zu vertreiben“, meinte er mit einer unbeschreiblichen Güte in seiner Stimme. „Ich danke dir. Doch gib Acht, dass du mir nicht zu viel deiner wertvollen Gelassenheit schenkst. Denn du benötigst sie von uns allen am dringlichsten. Ich weiß, dass ich die Ereignisse des heutigen Tages, für eine Nacht ruhen lassen soll… Jedoch… Ich fürchte das…also…“, suchte Miceyla vergeblich die geeigneten Worte, um ihm von ihrer kritischen Begegnung mit Mycroft zu berichten. William lächelte verständnisvoll und legte sich dicht neben sie auf das Bett. Sie konnte ihr heftiges Herzklopfen nicht unterdrücken, als sein Gesicht plötzlich so nah war und seine angenehme Körperwärme, all die Kälte ihrer Sorgen vertrieb. „Mein Liebling, fürchtest du dich davor, dass Mycroft Holmes von seiner Macht Gebrauch machen könnte, um uns Moriartys zu vernichten? Du kannst doch selbst die Absichten der Menschen sehr gut einschätzen. Liegt es nicht nahe, dass Mycroft mehr als nur eine einfache Freundschaft sieht, welche sich zwischen dir und Sherlock entwickelt hat? Und als ein verantwortungsbewusster großer Bruder, für eure unbeschwerte Zukunft kämpfen will? Jeder versucht Großes im Leben zu verrichten, doch letztendlich sind es die Blutbande der Familie, die das menschliche Herz schwach werden lassen. Es ist wie ein unlöschbarer Fluch, der dich von der Geburt bis zum Tod, wie ein dunkler Schatten begleitet“, begann William etwas ausschweifend und sogleich war sie nach seinen Worten überrascht und verwirrt zugleich. „Du…du weißt das ich auf Mycroft gestoßen bin? Es sollte mich aber eigentlich nicht wundern… Mir ist klar, dass du direkt seine Schwachstellen ins Visier nimmst. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass er andere Seiten aufziehen wird, um dich und deine Pläne zu stürzen. Noch bist du für ihn ebenso wie für Sherlock, wie ein identitätsloses Phantom, über das sich die Bürger etliche Mythen erzählen. Doch sobald dieses Phantom Gesicht und Namen erhält, beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass wir jenes Rennen gewinnen können. Und dafür werde ich bereit sein alles zu geben und meine Grenzen auszuweiten. Zu unseren Feinden zählen weder Mycroft oder Sherlock noch Clayton. Zwischen ihnen und uns wird es eher ein rivalisiertes Kräftemessen geben. Unser wahrer Feind jedoch ist das Klassensystem im Allgemeinen. Verhelfen wir unserem Land zu neuem Glanz und erschaffen eine Welt, in der jeder ein gleichberechtigtes Leben führen kann, mein Liebster…“, flüsterte Miceyla sanft und ihre Augenlieder begannen plötzlich ganz schwer zu werden. Der schlafanregende Tee von Louis, schien allmählich seine Wirkung zu entfalten und sie fiel langsam aber sicher in einen geruhsamen Schlaf. „Genau und nun schlaf, meine schöne Winterrose. Unser gemeinsamer Traum wird uns immer miteinander verbinden, egal wie sehr auch das Umfeld an unserem Glück zu rütteln versucht. Und egal, auf welche Weise wir unser Ende finden werden…“, hauchte William besiegelnd und gab Miceyla einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, um ihr eine unbeschwerliche Reise in das Land der Träume zu wünschen. Es war der vierte Mai und der Tag, bevor Miceyla zusammen mit William das Anwesen von Harleys Verwaltungsassistenten und gleichzeitig engsten Vertrauten, inspizieren würde. Zusätzlich war dies eine unerlässliche Gelegenheit, um mehr über die Schattenseite der Regierung herauszufinden. Die gesamte Truppe hatte sich zur Abwechslung, noch einmal in dem geheimen Kellerraum versammelt, wodurch die Zusammenkunft, zusätzlich an einem ordentlichen Stoß Ernsthaftigkeit gewann. In den letzten Tagen hatte Moran ihr Training um einiges intensiviert und auch William opferte fast seine gesamte freie Zeit, damit er sie im Fechten unterweisen konnte. Daher hatte Miceyla nun einen Ruhetag zur Regeneration. Ihr ging nicht aus dem Kopf, dass Albert sie nach jedem anstrengenden Tag, beim Abendessen führsorglich umsorgte und seine beinahe schuldig aussehende Miene, hinter einem warmherzigen Lächeln verbarg. Sie sah ihn mehr und mehr wie einen richtigen großen Bruder. Ein Glück, für das sie unendlich dankbar war. „Vorerst möchte ich noch einmal anmerken, dass wir dich nicht dazu nötigen, uns Claytons dir anvertraute Vergangenheit zu erzählen, Miceyla. Wir können uns alle ausmalen, was sich damals zwischen ihm und Harley abgespielt haben muss. Deshalb bedarf es nicht deiner detailgetreuen Erläuterung. Es sei denn…“, begann William gelassen und gab ihr mit einem leicht verruchten Lächeln zu verstehen, sich nun selbst dazu äußern zu dürfen. „Ich habe seine gesamte Geschichte schriftlich festgehalten. Mit all den Zitaten eines Zeugen, der die Wahrheit kennt. Möglicherweise tat ich dies, damit die Erinnerung an Claytons und Lydias verlorene Liebe nicht in Vergessenheit gerät. Aber mir ist auch klar, dass er kein großes Geheimnis, um die Gräueltaten von Harley macht. Tief im Herzen wünscht er sich sogar, dass Leid alter Wunden mit anderen zu teilen. Dennoch bürdet er sich im Alleingang alles auf und ist bereit, für seine Rache das eigene Leben zu opfern… Und vorher bemüht er sich darum, so viele unglückliche Menschen, insbesondere junge Mädchen, zum Lächeln zu bringen wie er nur kann“, erläuterte Miceyla betrübt. „Dich bewegen die gutherzigen Taten von Personen, die in unserer festgefahrenen Gesellschaft herausstechen. Nur bist du dir selbst im Klaren darüber, weshalb sich seine querstellenden Pläne, ganz erheblich von den unseren unterscheiden. Was nach seinem Ableben in Zukunft mit diesem Land geschieht, interessiert ihn recht wenig. Da kann er nicht einmal mit seinen Rettungen der Mädchen jemandem etwas vormachen. Er lebt für seine Rache, die ihm am Ende noch nicht mal seine Schuldgefühle nehmen wird. Wir hingegen streben danach, unser Land von der Ungerechtigkeit zu befreien, in dem der Großteil der Bevölkerung ein elendiges Leben fristet“, beschrieb William zügig ihre Unterschiede und kurz tauschten alle bestätigende Blicke miteinander aus. „Genau Will, du triffst den Nagel auf den Kopf! Durch gesetzesbrechende Verbrechen, schaffen wir Ordnung im vereinigten Königreich und sind dazu bereit, uns für unser Land zu opfern. Dies ist der Leitweg wahrer Patrioten“, kommentierte Moran bestätigend Williams idealistischen Visionen. „Ich bin beeindruckt Oberst, hinter deiner rauen Fassade, verbirgt sich ja ein richtiger Dramatiker. Wir wollen mehr solcher rührenden Reden hören!“, neckte ihn Albert sogleich schmunzelnd. „Wills Ziele haben Moran so sehr mitreißen lassen, dass aus ihm ein besessener Fanatiker geworden ist“, fügte Fred lächelnd hinzu. „Unser weichherziger Ex-Soldat, wie er leibt und lebt“, meinte Louis und schloss sich der belustigten Runde an. „Tja Meister, das wäre dann eine erneute deftige Niederlage für dich. Da kannst du unmöglich gegen ankommen, ha, ha“, sagte Miceyla noch abschließend und boxte ihm spielerisch gegen den Arm. „Urgh…! Geht mir bloß nicht mit eurer dämlichen Schikane auf die Nerven, sonst setzt es was!“, konterte Moran und versuchte dabei so bedrohlich zu klingen wie er nur konnte, auch wenn ihm ein jeder anmerkte, dass er selbst amüsiert war. „Nun Moran, du wirst dich bald schon wieder austoben können. Bis dahin bitte ich, dass du dich manierlich unter Kontrolle behältst. Jetzt kommen wir aber noch mal auf Scott Widley zu sprechen. Der Plan für morgen steht, ihr kennt ihn alle. Wir werden es so einfädeln, dass am morgigen Tag kaum Bedienstete in dessen Anwesen beschäftigt sein werden, damit Miceyla und ich eine relative freie Bahn haben. Als erstes versuchen wir eines seiner wichtigsten Dokumente zu entwenden, um ihn leichter bestechen zu können. Da Scott dem Premierminister Harley treu ergeben ist und ihm geradewegs in den Tod folgen würde, wird es eine Herausforderung ihn zum Reden zu bringen. Jedoch weiß ich bereits jetzt, wie ich an die Informationen gelange, die ich benötige. Und gewiss endet es schließlich damit, dass wir Scott Widley töten. Seine Strafe ist längst überfällig. Eigentlich wäre er ebenfalls Claytons Opfer gewesen. Doch ist er für ihn allein ein zu riskanter Gegner, daher hält er sich vorerst bei ihm zurück. Wir haben es dahingegen mit unserer Organisation um einiges leichter. Dennoch müssen wir für alle außerplanmäßigen Eventualitäten gewappnet sein“, wiederholte William noch einmal grob ihr Vorgehen, schien aber ihrer Infiltrierungsmission recht entspannt entgegen zu sehen. „Richtig… Du hast ja erzählt, dass Scott Eigentümer einer Fabrik, in einem Bezirk nahe Whitechapel ist und dort heimlose Waisenkinder arbeiten ließ. Und sobald diese aufgrund der verwerflichen Arbeitsbedingungen verstorben waren, hatte er die Kinder einfach durch neue ersetzt… Ein menschenverachtenderes Handeln kann man sich gar nicht vorstellen. Diese Person verdient kein Leben auf unserer schönen Welt. Mit seiner Hinrichtung bin ich voll und ganz einverstanden. Trotzdem wird mir etwas bange zumute, wenn ich an morgen denke… Denn wir kommen Harley dadurch ein ganzes Stück näher. Aber ich werde mich so gut es nur geht, an deine wohldurchdachte Führung halten, Will“, meinte Miceyla daraufhin bedachtsam. „Hm… Ich hatte schon mehrmals das Vergnügen, bei wichtigen Militärkonferenzen, ein kurzes Tür- und Angelgespräch mit Harley zu führen. Er ist ein Mann, der seine Emotionen sehr gut in jeder Situation unter Kontrolle behält und bei dem nur schwer abzuwägen ist, ob er nun lügt oder die Wahrheit spricht. Ich glaube Sherlock und Will wären die einzigen, welche seine wahren Absichten deuten könnten. Jedoch… Vielleicht findest auch du noch mehr über Harley heraus, wenn du ihn persönlich treffen würdest, meine liebe Eisblume“, sprach Albert leicht grübelnd und seine leuchtend grünen Augen, ruhten für eine kurze Weile auf Miceyla, während seine Lippen sich zu einem geheimnisumwobenen Lächeln formten. „Hach… Ich hoffe solch ein Treffen lässt sich noch eine Weile aufschieben. Seitdem ich mich euch anschloss, habe ich wirklich die ungewöhnlichsten Begegnungen. Was ich aber keineswegs bereue. Mein Leben ist aufregend und abwechslungsreich zugleich geworden. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass meine routinierten Aufzeichnungen, zu wahren Abenteuergeschichten werden. Es würde mich sogar nicht wundern, eines Tages die Königin persönlich zu treffen. Übrigens wäre es für mich wünschenswert, wenn ein jeder von euch sich dazu aufraffen könnte, meine Verschriftlichung von Claytons Vergangenheit zu lesen. Am besten allein im Stillen ohne jegliche Ablenkungen, damit die bittere Geschichte ihre volle Wirkung entfalten kann. Dies machte mich sehr glücklich“, bat Miceyla appellierend. „He, he, versteckt sich da etwa ein hartnäckiger Befehl, hinter deinen weichherzigen Worten? Heißt also ich muss einen ganzen Roman lesen. Überfliegen kann ich das wohl kaum, weil ich jetzt schon weiß, dass du mich penetrant darüber ausfragen wirst und nachprüfst, ob ich die Story auch brav inhaliert habe. Wie auch immer, viel Glück euch beiden bei der morgigen Mission. Aber für Will wird das sicher ein Spaziergang und außerdem sind wir ja immer da, um euch den Rücken freizuhalten“, meinte Moran, der jeden mit Gefahren verbundenen Auftrag, als reine Routine betrachtete. „Miceyla, ich hätte da noch ein persönliches Anliegen an dich. Wenn du die Güte besäßest, kurz mit mir hinaus zu gehen…“, bat Albert, da die abendliche Versammlung allmählich auf ihr Ende zusteuerte. „Selbstverständlich, lass mich nur wissen worum es sich handelt und ich werde deiner Bitte unverzüglich nachkommen“, willigte Miceyla sogleich ein und folgte ihm, aus dem in dämmriges Licht gehüllten Kellerraum hinaus. Während sie die Treppe hinaufliefen, begann Albert bereits nähere Details, über sein scheinbar wichtiges Anliegen preiszugeben. „Es gab mal einen alleinstehenden, gutherzigen älteren Herrn, der die Freundschaft von uns Moriartys genoss und ein beachtliches Vermögen besaß. Er selbst lebte in Bescheidenheit und erzählte, wann immer wir ihn trafen, dass er noch vor seinem Tod, sein gesamtes Geld an Schulen und Waisenhäuser spenden wolle, denen es an finanziellen Mitteln fehlte. Der Mann liebte Kinder über alles, obwohl ihm nie das Glück zuteil geworden war, eigene zu haben. Trotz seiner Altersschwäche, war er noch überdurchschnittlich geistig fit im Kopf und teilte unsere Ideale. Bedauerlicherweise war es ihm nicht vergönnt, einen natürlichen Tod zu sterben, da gewiefte Gauner seinem wohlbehüteten Vermögen auf die Schliche gekommen waren und ihn grausam ermordeten. Doch der alte Mann war klug und keineswegs unvorsichtig gewesen. Er hatte von seiner Erburkunde eine Fälschung angefertigt, welche die Diebe bei ihrem vermeintlichen Triumph an sich rissen. Wir wollten zur damaligen Zeit das Original bergen. Was wir allerdings nicht ahnen konnten war, dass noch ein weiterer gerissener Querkopf, hinter dem Dokument her war. Und bei diesem Jemand, handelte es sich um keinen geringeren als Clayton Fairburn. Tatsächlich hatte er es noch vor uns geschafft, die Erburkunde, welche in einem Versteck verborgen lag, das eigentlich nur uns bekannt war, in Händen zu halten. Jedoch hatte unser alter Freund doppelte Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und auch noch mal das Original gesichert, dass nur mit einem dazugehörigen Code einen Wert hat. Diesen kennen wir ebenfalls. Clayton ärgerte sich zwar, aber es war zu heikel für ihn ein solch wertvolles und geschütztes Dokument zu behalten, wodurch er ins Schussfeuer der Polizei oder gar der Regierung geraten könnte. Und somit händigte er es anonym der Obrigkeit aus, wo es zwar sicher aufbewahrt wird, jedoch ohne jeglichen Verwendungszweck verstaubt. Eine Schande, wenn man bedenkt, wie vielen in Armut lebenden Menschen, mit dem Geld geholfen wäre. Dem stimmst du bestimmt zu, nicht wahr meine verträumte Eisblume?“, erzählte Albert ihr ausführlich von seinem ehemaligen, wohltätigen Freund. Beide waren mittlerweile ein ganzes Stück durch das Anwesen spaziert und beim friedvoll begrünten Wintergarten angelangt. Die Düfte unterschiedlicher Blumen- und Pflanzenarten vermischten sich miteinander und verliehen der Atmosphäre des gepflegten Gartens, ein noch exotischeres Flair. Sobald man die Augen schloss, glaubte man sich an einem weitentfernten, tropischen Ort zu befinden. Und inmitten dieses kleinen Paradises, kamen die zwei zum Stehen. „Ich verstehe… Und kurz gesagt ist es nun dein Wunsch, dass ich deiner Bitte nachgehe, jene Erburkunde wieder aus dem Besitz der Regierung zu entwenden, damit das Geld einen sinnvollen Zweck erhält. Ich schließe aus deiner kurzen Erzählung, in Verbindung mit unserer gerade abgehaltenen Besprechung, dass ihr euch sehr sicher seid, dass sich die echte Erburkunde in dem Archiv des Verwaltungsassistenten Scott Widley befindet. Roger! Ich sehe dies als eine wichtige mir aufgetragene Mission des M16 und werde sie pflichtbewusst annehmen! Damit hätten Will und ich für morgen eine klar strukturierte Arbeitsaufteilung. Ich werde dich nicht enttäuschen, Bruderherz…“, versprach Miceyla aufrichtig und genoss das kribbelnde Gefühl des Stolzes, eine solch verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen zu dürfen. „Danke Schwesterherz… Wir verstehen uns wahrlich so gut, dass wir einander nicht viel erklären müssen. Ich kann gar nicht oft genug wiederholen, wie unsagbar glücklich es mich macht, dich hier bei uns zu haben. Du bist wie eine strahlende Sonne, die in unserer düsteren Welt der Verbrechen, auf einen dahinterliegenden, idyllisch farbenfrohen Horizont leuchtet. Auch wenn die wärmenden Strahlen, deine innere Kälte nicht zu vertreiben vermag, werde ich dich so lange in meinen Armen halten, bis das klirrende Eis sich endlich von deinem sensiblen Herzen löst. Bleibe solange tapfer und ich…nein `wir`, werden aus dir eine unaufhaltsame Soldatin machen. Und das Feuer von Williams Kraft, wird dir auf diesem Weg viel Mut spenden. Es ist unmöglich etwas gewaltsam auseinanderzubringen, dass füreinander bestimmt ist…“, sprach Albert sanft mit einem wehmütigen Glanz in den Augen und legte ihr zärtlich eine Hand auf die Schulter. Seine Worte bewegten Miceyla so sehr, dass ihr Herz aufgeregt zu schlagen begann. „Wir alle sind auf besondere Art und Weise miteinander verbunden, da wir ein Schicksal teilen. Dies gilt auch für dich und mich… Wir werden uns immer nah sein. Und wenn wir nicht wagen etwas direkt auszusprechen, lassen wir eben unsere Briefe für uns sprechen…“, hauchte sie lieblich und fragte sich ein wenig durcheinander, ob es noch jemandem außer ihr gelang, Alberts sonst so stolzes und erhabenes Antlitz ins Wankeln zu bringen. Verborgen neben der geöffneten Tür des Wintergartens stand William und lauschte unbemerkt ihrer Unterhaltung. Nachdenklich senkte er seinen Blick, doch schon nach kurzer Zeit, formten sich seine Lippen zu einem zarten Lächeln und er schritt gemächlich davon. Einige Tage zuvor im Parlamentsgebäude von London. Ein im akkuraten Anzug gekleideter Mann, ließ nach unterzeichnen einiger Dokumente, seine Arbeit für eine Weile ruhen und erhob sich würdevoll von seinem Platz vor einem großen Schreibtisch und lief anschließend in dem geräumigen Raum, zu einem blankgeputzten Wandschrank. Dort nahm er eine längliche hölzerne Schachtel, mit dem Wappen der Familie Granville darauf heraus. Er stellte sie auf den Tisch und nahm sorgsam den Deckel ab. Kurz betrachtete er einen sich darin befindlichen, silbern glänzenden Degen, ehe er diesen mit einem selbstsicheren Handgriff in die Höhe hielt. Der Mann fixierte die Waffe so eindringlich mit seinen saphirblauen Augen, dass man meinte er würde mit ihr verschmelzen. Genau im selben Moment klopfte es dreimal laut an der Tür, doch er reagierte nicht darauf. „Ich komme herein, Sir…“, kündigte sich ein weiterer Mann mittleren Alters an und trat ruhigen Schrittes in die Mitte des Raumes. „Was geschieht, wenn eine Nation dem Rest der Welt den Krieg erklärt? Ist es ein törichtes Unterfangen, dass die eigene Niederlage heraufbeschwört? Denn sind die Chancen auf einen Sieg dabei nicht gleich Null? Oder ist es die empörte und wütende Welt, die den Kriegsantrag jener Nation belächelnd annimmt und am Ende zum wahren Verlierer wird? Schließlich sagt man doch, wer für einen Triumph Opfer in Kauf nimmt, ist ein Tor. Derjenige, der den Kampf meidet ist der wahre Sieger, wobei er jegliche Opfer vermeidet. Was man als tapfer oder feige betrachtet, ist rein subjektiv. Dies ist nicht die meine Sichtweise, sondern galt einem Mann, den ich einst sehr respektiert habe. Doch sage mir Scott, unsere Fortschritte schreiten von Tag zu Tag immer zügiger voran. Nur wie sollen wir diese vor dem Rest der Welt schützen? Arbeiten wir Tag und Nacht pausenlos, damit die Faulen unseren Erfolg rauben?“, begann der Mann in einer gleichbleibend ruhigen Stimmlage und drehte sich schwungvoll zu dem hereingetretenen Scott herum, woraufhin er seinen Degen auf ihn richtete. „Nun Harley mein alter Freund, es gäbe sicherlich mehrere Antworten auf deine Frage. Aber bei jeder von ihnen, käme wohl eine gewisse Form der Gewalt drin vor…“, erwiderte er ohne Umschweife und war kein bisschen von der dominanten Geste seines Vorgesetzten einschüchtern. Ganz im Gegenteil sogar, denn er genoss das einmalige Privileg, ihm auf Augenhöhe begegnen zu dürfen. Und obwohl Harley ein paar Jahre älter war, sah er wesentlich jünger aus als Scott. „So ist es… Schau dich nur um, wie verwöhnt die Menschheit geworden ist. Die Reichen werden noch reicher und die Armen werden immer ärmer. Geld scheffeln bis zum abwinken, lautet das Motto unserer Gesellschaft. Und wer profitiert von unserem Wirtschaftswachstum? Garantiert nicht nur unsere eigenen Landsmänner… Wenn so viele Menschen in einem eigentlich wohlhabenden Land Hunger leiden, läuft etwas gehörig schief. Sogar ich besitze nicht die Macht, die ungleiche Verteilung der Rechte in der Bevölkerung, von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen. Selbst in der Zeit meines Amtes hat sich wenig getan. Das letzte Wort werden immer die Königin und der Hochadel haben, welcher such um sie herum versammelt hat. Und wie durchbrechen wir nun diesen endlosen, gottverdammten Kreislauf? Ganz simpel Scott, ein Krieg muss her, der das Volk wachrüttelt. Unsere gut ausgebildeten Soldatentruppen, rosten allmählich bei ihren ganzen eintönigen Trockenübungen. Und deren Auslandsaufenthalte halten sich auch in Grenzen. Um etwas Neues gewinnen zu können, muss eben erst einmal einiges verloren gehen. Ich mag nicht zu viel von meinen Visionen verraten, denn die Wände haben Ohren, wie man so schön sagt… Jedoch gibt es da eine aufsehenerregende Person, die meinen Plan, einen glorreichen Krieg zu beginnen, zunichtemachen könnte. Nämlich der Meisterverbrecher. Seine Opfer sind hauptsächlich Adelige, die selbst bereits irgendwelche Schandtaten verrichtet haben. Noch ist es zwar recht unscheinbar, aber die Leute werden zum Umdenken angeregt. Da er selbst einen schleichenden Aufstand zu planen scheint, werden wir uns früher oder später in die Haare kriegen. Und deshalb, Scott mein werter Freund, erbitte ich das du mir und deinem Land, einen allerletzten ehrenvollen Dienst erweist…“, sprach Harley vorausblickend und sah ihn mit einem furchtlosen Grinsen an. „Gewiss, du bist für mich immer wie ein einzig wahrer König gewesen und ich bin dankbar, dass du meine Unterstützung stets als sehr bedeutsam angesehen hast. Damit du deine beispiellosen Ziele durchsetzen kannst, werde ich mich mit großer Freude dafür aufopfern. Dank dir hatte ich ein erfülltes Leben und bin bereit, es mit einer heldenhaften Tat enden zu lassen, Graf Harley Granville“, willigte Scott selbstlos ein und verneigte sich etwas vor dem Premierminister. Mit einem zufriedenen Lächeln legte Harley den scharfen Degen zurück und strich noch einmal mit den Fingern über die Klinge. „Danke Scott, du weißt wahrlich, was bedingungslose Treue bedeutet. Die letzten Jahre unserer reibungslosen Zusammenarbeit, werden mir immer in Erinnerung bleiben. Wohlan, lass uns den Startschuss abfeuern, möge der Bessere und Gnadenloseste gewinnen…“, verkündete Harley und blickte zielsicher aus dem Fenster in die Stadt hinaus. `Zeige mir, wie viel schauspielerisches Talent in dir steckt, mein lieber Clayton. Überdenke gut deinen nächsten Zug. Denn die Gegneranzahl ist dabei sich zu vervielfachen…`, fügte er dabei noch still in Gedanken hinzu. Zur selben Zeit unmittelbar vor dem Parlamentsgebäude. „Was halten Sie hiervon, Holmes?“ Sherlock kniete am Boden vor einigen zertrümmerten Kisten, welche zuvor durch eine Explosion zerstört worden waren. Inmitten dieses Schauplatzes der Zerstörung, lag ein Mann regungslos von Holzsplittern übersät, welcher der Explosion zum Opfer gefallen war. Während John gründlich den Zustand der Leiche untersuchte, galt Sherlocks volle Aufmerksamkeit, viel mehr dem Inhalt der zerstörten Kisten und er nahm sich alle Zeit der Welt, ehe er Lestrade eine zufriedenstellende Antwort gab. „Das es sich hierbei um einen Selbstmordattentat handelt, steht außer Frage. Doch schauen Sie mal genau, was sich in den Kisten befand. Jede Menge Waffen und Munition. Das war eine Lieferung an das Militär. Jetzt ist nur fraglich, wer dafür gesorgt hat, dass diese sich hier vor das Parlamentsgebäude verirrte und aus welchen Gründen. Na mein guter Lestrade, schon irgendwelche Vermutungen, welche uns auf eine heiße Spur führen? Enttäuschen Sie mich jetzt bloß nicht!“, forderte Sherlock Lestrade dazu auf, selbst seine grauen Zellen anzustrengen und sah ihn mit einem herausfordernden Blick an. „Hach… Ist es denn wirklich nötig, mich immer wieder auf die Probe zu stellen und müssen Sie dabei stets Ihre unnötigen Spielchen mit mir treiben…? Nur weil Sie sich dadurch herrlich daran ergötzen können, Ihre Überlegenheit in Sachen Schlussfolgern unter Beweis zu stellen… Langsam wird es nervtötend langweilig, ständig dieselbe Leier über mich ergehen zu lassen. Sie brauchen mich jetzt gar nicht so amüsiert anzusehen, Holmes! Ja, ich habe heute einen schlechten Tag. Auch meine Wenigkeit hat einen Vorgesetzten bei Scotland Yard, der mir die Hölle heiß macht, wenn ich nicht vernünftig meiner Arbeit nachgehe. Wie dem auch sei… Sie wollten von mir wissen, wer für diesen Akt der Unruhestiftung, der beinahe schon auf einen vorwarnenden Anschlag auf das Parlament hindeutet, verantwortlich sein könnte. Es gibt immer wieder in der Stadt Aufstandsmacher, die meinen sich gegen die ungerechte Politik aufzulehnen. Sie alle treffen sich an einem Ort. Und zwar dem Knast. Wenn uns der gütige Doktor Watson, mehr über die Identität des verstorbenen Mannes verraten kann, welcher lediglich als Lockvogel diente, erhalten wir sicher weitere Hinweise. Aber möglicherweise ist dies auch ein erneutes Lebenszeichen des Meisterverbrechers, um uns mitzuteilen, dass sein nächstes Opfer ein Mitglied des Parlaments ist. Na, was halten Sie von meiner Vermutung? Die ist doch klasse, loben Sie mich doch wenigstens einmal dafür, he, he!“ antwortete Lestrade prahlend und schien von seiner Aussage sehr überzeugt zu sein. Sherlock erhob sich, seufzte gelengweilt und zündete sich in aller Seelenruhe eine Zigarette an. „Leider falsch geraten, Inspektor. Knapp daneben ist auch vorbei. Und beleidigen Sie bitte nicht, die ach so `edlen Taten` des Herrn Meisterverbrechers. Glauben Sie wirklich, er würde sich auf solch stümperhafte Weise ankündigen? Es ist zwar auch etwas untypisch für `ihn`, so aggressiv an die Öffentlichkeit vorzupreschen, dennoch tippe ich auf jenen Meisterdieb und Entführer. Sie wissen wen ich damit meine. Herrjemine, das wird ja alles immer verzwickter mit diesen werten Herrschaften. Ziehen Sie sich warm an Inspektor, uns steht ein stürmischer Sommer bevor… John, wie siehts aus, hast du ein paar neue Infos für uns, um Lestrade zu überzeugen?“, wendete Sherlock sich mit unbeeindruckter Miene an seinen Kameraden. „Moment mal?! Sprechen Sie da etwa von…? Herr Gott noch mal, wer von beiden ist denn jetzt der gefährlichere Verbrecher?“, blaffte Lestrade verdrießlich. John lief mit trübem Blick zu ihnen herüber und ließ sich nicht von dem bestürzten Tumult, der neugierigen Menschenmenge um in herum aus der Ruhe bringen, bei der die Polizei alle Mühe hatte sie zurückzudrängen. „Nun… Der Mann hat etliche relativ frische Schürfwunden an Armen und Beinen, die nicht von der Explosion stammen. Für mich sieht es so danach aus, als hätte man ihn gefoltert und zu dieser Tat gezwungen oder er war in einen schweren Kampf verwickelt. Doch das es sich bei dem Mann ebenfalls um einen schmutzigen Langfinger handelt, kann ein jeder mit bloßem Auge erkennen. Dafür braucht es keine weitreichenderen Analysen. Tja, viel mehr kann ich zu diesem Vorfall auch nicht sagen. Es gab keine weiteren Opfer, sobald hier aufgeräumt wurde, ist die Sache schnell wieder vergessen“, teilte John ihnen mit, der von gemischten Gefühlen geplagt wurde. „Genau John, darin liegt der Knackpunkt… Es wurden mit Absicht keine weiteren Menschen verletzt. Das soll eine Botschaft an eine ganz bestimmte Person darstellen…“, murmelte Sherlock gedankenversunken vor sich hin. „Der Mut mancher Tölpel ist doch immer wieder erstaunlich, die sich wagen am helllichten Tag, einen solch amateurhaften Tumult zu veranstalten. Und dann auch noch vor einem der bedeutendsten Gebäuden von ganz London. Wenn das hier nicht meine in Auftrag gegebene Bestellung an das Militär gewesen ist… Eine Schande für die aufwendig hergestellten Waffen. Jedoch lässt sich ein kleiner Verlust mit links wieder ausgleichen. Oder was meinen Sie, Mr Holmes?“ Mit musterndem Blick sah Sherlock zu dem herbeischreitenden Harley und beobachtete ihn aufmerksam, wie dieser sich bückte und eine der beschädigten Waffen in die Hand nahm. Kurz darauf trafen sich ihre Blicke, wobei Sherlock unzählig viele Gedankengänge zur selben Zeit durch den Kopf schossen. „H-herr Premierminister! Bitte bleiben Sie von hier fern! Wir können noch nicht mit Sicherheit abwägen, ob die Gefahr gebannt ist. Eventuell befindet sich noch explosives Material in der Nähe“, warnte ein herbeigerannter Polizist, der sich sichtlich unbehaglich dabei fühlte, Harley direkt anzusprechen. Dieser verfiel daraufhin in schallendes Gelächter und sah den Polizisten, der seine Warnung nur gut gemeint hatte, mit einem missbilligenden Blick an, der nur so vor Überheblichkeit und Verachtung strotzte. „Du willst mich gestandenen Soldaten, mit diesem unbeholfenen Auftreten, vor einer vermeintlichen Bedrohung warnen? Rührend mein werter Hüter des Gesetzes. Wo waren wir stehen geblieben, Mr Holmes? Interessieren Sie sich für Waffen dieser Art? Sie blicken ja wie gebannt darauf. Hatten Sie etwa schon einmal das einmalige Glück, ein solches Unikat in Händen zu halten?“, wandte Harley sich wieder unbekümmert Sherlock zu, während der Polizist eingeschüchtert zur Seite trat. „Das hatte ich in der Tat… Ich will Sie ja wirklich nicht bevormunden, aber die Explosion hier an Ort und Stelle, sollten Sie nicht so einfach auf die leichte Schulter nehmen. Es lauern Gegner in den Schatten, die finden gezielt bei Ihnen Schwachpunkte, auch wenn Sie selbst davon überzeugt sind, jene perfekt zu verbergen…“, warnte Sherlock kühl, völlig unbeeindruckt von der Wichtigkeit seiner Persönlichkeit. Harley grinste nur still vor sich hin und richtete die beschädigte Waffe auf ihn. John riss entsetzt bei der Szene die Augen weit auf, während Lestrade entnervt seufzte, da bei der Lösung des Falls so viel Zeit vergeudet wurde. „`Ich fürchte keinen Gegner, der sich wie ein Feigling hinter meinem Rücken versteckt und hervorgesprungen kommt, wenn die Beute unachtsam ist. Die Kunst des wahren Räubers besteht darin, seine Feinde mittels ihrer eigenen Waffen zu schlagen und hervorzulocken. Und wenn alle Gegner besiegt am Boden liegen, hat man den höchsten Gipfel der Macht erreicht.`Würde das jetzt nicht Ihr Bruder sagen, huh?“, sprach Harley mit bannbrechendem Selbstbewusstsein. „Das sind eher die Worte eines Machthabers, der seine Ziele auf unfairem Wege erreicht. Ich mische mich nicht in den kalten Krieg ein, welchen Sie mit Mycroft führen. Jeder hat hier seinen eigenen Platz in der Stadt. Dies gilt auch für meine Wenigkeit. Meinen Lebenssinn habe ich dem Aufdecken, scheinbar unlösbarer Verbrechen verschrieben. Es existiert kein perfektes Verbrechen. Nur unfähige Detektive gibt es. Ich werde ausnahmslos jeden Verbrecher drankriegen, egal ob es sich bei diesem um einen Geisteskranken oder ein Genie handelt“, verkündete Sherlock eisern und richtete mit einem kaltblütigen Blick, seine eigene Pistole auf ihn. Jeder der stehengebliebenen Passanten und alle Polizisten, hielten schockiert den Atem an. Harley kniff unerschrocken die Augen zusammen und grinste schelmisch. „Sie besitzen ordentlich Mumm in den Knochen, Ihre Waffe in aller Öffentlichkeit auf den Premierminister zu richten, Herr Meisterdetektiv. Das wird ein paar interessante Schlagzeilen geben, die zur Abwechslung einmal lesenswert sind.“ Nach Harleys sarkastischen Worten, wandte Sherlock sich abrupt vom Ort der Explosion ab, nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, welche er auf den Boden warf und trat sie anschließend aus. Kurz darauf lief er mit einer unbeteiligten Körperhaltung davon. Ganz zum Ärgernis von Lestrade, der ihm zähneknirschend nachblickte, aber sich jegliche Mühe ersparte, ihn zurückzuhalten. „Sherlock! Dein Verhalten ist mal wieder über die Maße unhöflich! Und den Fall haben wir jetzt auch noch nicht wirklich gelöst“, rief John empört und schämte sich in Gegenwart von Harley, in Grund und Boden für seinen Freund. Dennoch blieb ihm nichts anderes übrig, als ihm nachzueilen und warf noch rasch entschuldigende Blicke zu Harley und Lestrade. Es war eine finstere Nacht. Eine dichte Wolkenfront, bedeckte den mit funkelnden Sternen bestückten Himmel. Die nächtliche kühle Brise wehte Miceyla unangenehm ins Gesicht, während sie gemeinsam mit William, das letzte Stück zum Anwesen von Scott Widley zu Fuß zurücklegten. In ihre schwarzen Mäntel gehüllt, verschmolzen beide mit der Dunkelheit der Nacht und glichen zwei geräuschlosen Schatten. „Wir haben Glück, dass sich seine Residenz weit von den benachbarten Grundstücken befindet und damit am südlichsten Rand von Westminster. Du wirst sehen, deine gesamte Anspannung wird sich in Luft auflösen, sobald wir sein Anwesen betreten. Umso näher die Gefahr, desto stärker wird dein Mut. Vertraue auf diesen unablässigen Schutzmechanismus, den nicht viele Menschen besitzen. Zudem werde ich stets in deiner Nähe sein“, beruhigte William sie mit sanfter Stimme und umschloss dabei zärtlich ihre Hand mit der seinen. „Ich weiß… Vertrauen wird für mich immer überlebenswichtiger. Doch ich kann nicht verhindern, dass die Furcht vor der Ernsthaftigkeit unserer Aufträge, mir durch Mark und Bein geht… Auch wenn es dir natürlich bewusst ist, mag ich uns beide noch mal daran erinnern uns vorzusehen. Scott ist die vertrauteste Person von Harley. Mit ihm ist sicherlich nicht gut Kirschen essen. Und eine Sache beschäftigt mich… Wenn Albert beim Militär so häufig mit Harley konfrontiert wird, in welcher Beziehung steht er dann zum Kriegsministerium? Als Premierminister hat er doch genug andere Verpflichtungen zu erfüllen, anstatt sich mit dem Werdegang der Soldaten auseinanderzusetzen. Dies sollte die Aufgabe von… Sag mir nicht das er…?!“, hakte Miceyla neugierig nach und hielt inne, als sie selbst allerhand mögliche Antworten auf ihre Frage durchging. „Doch meine Liebe, deine unausgesprochene Vermutung entspricht der Wahrheit. Harley ist ein General und steht momentan an der höchsten Spitze beim Militär. Zudem gilt er in England als der beste Fechter. Einzig die Königin ist ihm noch höhergestellt. Und das gibt mir zu denken…“, bestätigte William und kniff kurz die Augen argwöhnisch zusammen, als blickte er einem unheilvollen Ereignis entgegen. „Du meine Güte… Und derart wichtige Informationen verschweigt man mir einfach. Meine Unwissenheit wird mir noch einmal zum Verhängnis, wenn ich nicht ständig alles hinterfrage…“, meinte sie und schaute beleidigt zu Boden. William neben ihr konnte sich nicht zurückhalten und lachte, wobei er sie allerdings entschuldigend anblickte. „Ich verschwieg es dir, um diesen vorzüglichen Gesichtsausdruck sehen zu können, ha, ha! Vergib mir, doch ich hatte vermutet, dass Clayton dich über Harleys Kariere aufgeklärt hat. Da siehst du mal, wie rasch es zu Missverständnissen kommt, wenn nicht alles zur rechten Zeit kommuniziert wird.“ Ein belustigtes Lächeln vertrieb ihre düstere Miene und sie genoss die letzten ruhigen Augenblicke, in denen sie mit ihm Hand in Hand zu ihrem Auftragsort laufen konnte. „Auch du kannst nicht hellsehen, das beruhigt mich dann doch ein klein wenig. Denn sonst würde dir so manch eine aufregende Überraschung im Leben entgehen. Dann lass uns gleich mal dem werten Scott präsentieren, was das Zusammenspiel der Moriartys alles zu bieten hat“, sprach Miceyla enthusiastisch und bereitete sich seelisch und moralisch auf das im Ungewissen liegende Abenteuer vor. William wurde schweigsamer und begann auch sein Tempo zu drosseln, was ihr sogleich verriet, dass sie sich ihrem Zielort näherten. Und tatsächlich kam ein eindrucksvolles Anwesen zum Vorschein, bei dem hinter einigen der Fenster Licht brannte. Sie stellte sich vor, wie prachtvoll der großflächige Vorgarten bei Tag aussehen musste. „Wir werden die Stelle auf der linken Seite des Zaunes nutzen, um hinüberzuklettern. Genau wie es uns Fred beschrieben hat. Und da wir dank seiner Hilfe, einen passenden Schlüssel haben anfertigen können, gelangen wir an der hinteren Gartentür hinein. Dann schleichen wir uns so unbemerkt wie nur möglich in sein Archiv. Auch wenn wir erreicht haben, dass sich zurzeit kaum Personal hier aufhält, werden wir dennoch auf manch einen seiner hartnäckigen Mitstreiter stoßen. Sollte sich eine direkte Konfrontation nicht vermeiden lassen, sind wir gezwungen diese auszuschalten. Darum kümmere ich mich, sei ganz beruhigt. Ich brauche dir sicher nicht zu sagen, dass es sich dabei um keine gewöhnlichen Bediensteten handelt. Wie es danach weitergeht, hängt von Scott ab… Bereit, mein Liebling?“, erläuterte William kurz und bündig noch einmal ihre Vorgehensweise. Sein gütiger Blick ruhte unterdessen auf ihr und seine Gelassenheit übertrug sich auf sie. „Ich bin bereit, zu allem. Selbst in die abgrundtiefste Finsternis würde ich dir folgen, da ich weiß, dass das wärmende Licht der Liebe und Hoffnung uns immer wieder hindurchführen wird“, bestätigte sie nickend. `Bleibe niemals stehen und blicke nicht zurück. Schreite stets voran. Das Glück und die Träume liegen vor uns und lassen sich nicht im Verlorenem finden. Kämpfen wir, mein Liebster. Nach jeder Schlacht und jedem Krieg kehrt der Frieden zurück. Denn die Menschen sind auf ganz natürliche Weise dazu gezwungen, sich den Gesetzen der Natur zu beigen…`, dachte sie noch unbeirrt, um den Mut und ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Nach einer recht glimpflich verlaufenen Kletterpartie, huschten die zwei durch den Garten in den hinteren Bereich, wo William ohne zu zögern die Tür zur Höhle des Löwen aufschloss. Miceyla ließ ihn vorangehen und ihre Nervosität wich der Bewunderung für sein selbstsicheres Voranschreiten, als fühlte er sich in dem fremden Anwesen heimisch. Sie eilten eine Treppe zum zweiten Stockwerk empor, wobei William seine im Gehstock versteckte Klinge bereithielt und sie einen von Herders geräuschdämpfenden Revolver mit der rechten Hand umklammerte. „Auf diesem Flur muss sich hinter einer der Türen das Archiv befinden, nach dem wir suchen. Hier werden in einigen Räumen wichtige Dokumente der Regierung gelagert, daher ist es unabdingbar, unsere Suche taktvoll und systematisch anzugehen“, flüsterte William geruhsam und prüfte beim durchlaufen des breiten Flurs jede einzelne Tür. An einer leicht geöffneten Tür blieb er stehen und lugte vorsichtig hinein. „Ich werde mich dort drinnen kurz umsehen. Warte du bitte derweil hier draußen und bleibe wachsam“, bat er lächelnd und verschwand im Innern des dunklen Raumes. „Ist gut, ich warte solange“, sagte Miceyla nickend und sogleich überwältigte sie das unbehagliche Gefühl, für einen Augenblick allein sein zu müssen und vernahm in dem wie ausgestorben wirkenden Anwesen, nur das Pochen ihres hektisch schlagenden Herzens. Der lange Flur war zwar schwach beleuchtet, jedoch blickte man zu beiden Seiten in das unergründlich schwarze Nichts, was dem für sie unbekannten Terrain, ein noch gruseligeres Ambiente verlieh. Sie lehnte sich neben der geöffneten Tür gegen die Wand und behielt ihr Umfeld im Auge. Es blieb still, während eine Minute nach der nächsten verstrich. Aber für ihren Geschmack war es zu ruhig. Miceyla ließ das unangenehme Gefühl nicht los, dass man sie beide hier erwartete, obwohl von ihrem geheimen Eindringen theoretisch niemand wissen konnte. Um sich zu beruhigen, beobachtete sie die ebenso schweigsam brennenden Kerzen des Kronleuchters über ihr. Sie zuckte verschreckt zusammen, als die Flammen der Kerzen plötzlich hektisch hin und her zu flackern begannen, obwohl es absolut windstill war, da alle Fenster geschlossen sein mussten. `Ich habe nicht mal den Hauch eines Luftzugs verspürt. Wie kann das also sein…? Spukt es hier schon wieder, wie damals in dem Schloss? Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn es sich auch hier um jenes Gespenst handeln würde, was natürlich unmöglich sein kann, ha, ha… Besser ich sehe mal nach Will…`, dachte sie und als sie dann doch von der Angst übermannt wurde, wollte sie sich lieber zu William in Sicherheit flüchten. Jedoch machte sie dadurch den fatalen Fehler und wandte kurz ihrer düsteren Umgebung des Flurs den Rücken zu… Es war nur eine kleine und flüchtige Bewegung von ihr, doch diese reichte aus um sie völlig ungeschützt und unaufmerksam darzubieten. In dem Moment als sie einen Schritt in Richtung der Tür zu machen versuchte, packte sie eine kräftige Hand von hinten energisch am Arm, während sich eine zweite Hand unsanft auf ihren Mund presste, sodass ihr die Chance verwehrt blieb losschreien zu können. Miceyla wehrte sich mit aller Kraft und bemühte sich vergeblich, aus dem unnachgiebigen Griff der unbekannten Person zu entfliehen. Sie konnte nicht verhindern, dass man ihr den Revolver abnahm und sie aggressiv mit sich riss. Trotz ihrer unbändigen Angst gab sie ein wenig nach und gab vorerst jegliche Fluchtversuche auf, da der unnötige Kraftaufwand sie nur erschöpfen und eventuell sogar verletzen würde. Der böswillige Mann schleppte sie ein Stück weit entfernt in einen Raum und verschloss die Tür. Er löste zwar die Hand von ihrem Mund, doch stattdessen hielt er ihr ein scharfes Messer direkt an den Hals. „Ein Mucks von dir und ich schlitz dir die Kehle auf!“, zischte der Mann vorwarnend. Miceyla konzentrierte sich darauf seine Drohung auszublenden und sich trotz seines kräftigen Griffes zu entspannen und den Körper zu lockern. Dabei gelang es ihr sogar ganz gleichmäßig zu atmen und sie erinnerte sich an das, was Moran ihr beigebracht hatte. `Ich war schon mal in einer ganz ähnlichen Situation. Daher schaffe ich es auch dieses Mal, obwohl ich auf mich allein gestellt bin! Zeit die Theorie in der Praxis anzuwenden und den ganzen verdorbenen Männern zu beweisen, dass ich kein kleines wehrloses Mädchen bin!`, fasste sie in Gedanken neuen Mut und war zu allem bereit. Der Mann benutzte konstant dieselbe Kraft seines Griffes, ohne sie verstärken zu müssen, da sie sich nicht mehr wehrte. Miceyla nutzte dies aus und biss ihm ganz unangekündigt, so fest wie sie nur konnte in sein Handgelenk. Dies hatte zur Folge, dass er aufgrund des überraschenden Schmerzes, das Messer aus der Hand fallen ließ und seinen Griff lockerte. Dadurch gelang es ihr beinahe mühelos, sich von ihm loszureißen und einen großzügigen Sicherheitsabstand zu gewinnen. „Du elendes Miststück! Das wird dir noch leidtun!“, schimpfte der unberechenbare Mann und funkelte sie dabei verärgert an. Nun hatte Miceyla freie Sicht auf seine gesamte Statur und konnte ihn trotz des dämmrigen Lichts einmal ganz genau betrachten. Er besaß einen stämmigen Körperbau und ungewöhnlich breite Schultern. Seine in Falten gelegte Stirn, ließ ihn älter wirken als er eigentlich war und er trug die ganz gewöhnliche Kleidung, eines in einem Adelshaus angestellten Bediensteten. Doch sie konnte ganz klar erkennen, dass zu seinem Aufgabengebiet nicht nur das Servieren von Tee und Bettenmachen gehörte… „Ein wahrlich taktvoller Zug, mich von meinem Kameraden zu trennen. Widley scheint ja große Freude daran zu finden, Henker wie Sie einzustellen. Es war ein fataler Fehler, sich uns in den Weg zu stellen. Bevor Sie weitere böswillige Absichten verfolgen können, beende ich es lieber. Verabschieden Sie sich von dem Leben eines Sünders!“, drohte Miceyla mit unangefochtener Überzeugungskraft und holte unbeirrt einen zweiten Revolver unter ihrem langen Umhang hervor. Hemmungslos richtete sie die entsicherte Waffe auf ihn und legte abschussbereit einen Finger auf den Abzug. Nach außen hin ließ Miceyla sich kein Zaudern anmerken, doch innerlich wurde sie von einer Welle der Gewissensbisse durchflutet. Allein der Anblick von der Schusswaffe in ihrer Hand, welche einen in sekundenschnelle den Tod bescheren konnte, lähmte sie. Ich kann mich nicht immer nur auf Will verlassen. Und ich muss mich stets dazu ermahnen, dass wenn ich in der gnadenlosen Welt der Verbrecher überleben will, mich früher oder später an das Töten gewöhnen muss…, erinnerte sie sich hartnäckig an jene bittere Realität. Zu ihrem Erstaunen machte der Mann sich nicht über ihre Drohung lustig und zuckte sogar für den Bruchteil einer Sekunde etwas aufgeschreckt. Scheinbar wirkte sie sehr authentisch. Er bemühte sich nicht darum, nach seinem am Boden liegenden Messer zu greifen und lächelte sie stattdessen herausfordernd an. „Nur zu, ich kann mir weitaus Schlimmeres vorstellen, als von einem solch furchtlosen Fräulein ins Jenseits befördert zu werden. Doch bevor du abdrückst, wärst du da noch so freundlich und verrätst mir deinen Namen? Denn durch die Hand einer namenlosen Schönheit, mag ich nun auch wieder nicht sterben…“, forderte er mit einem verschwiegenen Funkeln in seinen dunklen Augen, aus denen sie ablesen konnte, dass sie an den Anblick des Todes gewöhnt waren. „Wenn Sie unbedingt darauf bestehen, werde ich Ihnen diesen letzten Wunsch erfüllen. Miceyla Moriarty lautet er. Ein Name, der für Veränderung und Zerstörung gleichermaßen steht. Am Ende…wird uns alle dasselbe Schicksal ereilen…“, verriet sie mit leichter Verbitterung in der Stimme und machte Andeutungen, dass sie dazu bereit war jeden Moment abzudrücken. Sein zufriedenes Grinsen irritierte Miceyla und fand sie äußerst respektlos, als schienen ihre Worte alles gewesen zu sein, was er noch hören wollte. Schweißperlen liefen ihr langsam den Rücken hinunter. Es war unmöglich für sie, noch länger Zeit zu schinden. Nun musste die von jetzt auf gleich eine Wahl treffen… „Es ist genau wie sie gesagt hat… Und als kleines Abschiedsgeschenk, wird der Meisterverbrecher höchstpersönlich dir einen ewigen Schlaf bescheren…“ Miceyla war mindestens genauso verdutzt wie ihr Widersacher, als plötzlich William wie ein mysteriöser Schatten, welchen das Unheil und die Erlösung zugleich umgab, in dem eigentlich verschlossenen Raum hinter dem Mann auftauchte. Diesem stand das pure Entsetzen ins Gesicht geschrieben und er bekam nicht mal die Chance sich nach seinem neuen Gegner umzudrehen, da William ihm mit einem schwungvollen Hieb seiner Klinge die Kehle aufschlitzte, wie er es bei Miceyla vorgehabt hatte. Sie vermied instinktiv den Anblick der brutalen Szene mitansehen zu müssen, als der unbekannte Mann einen raschen Tod starb und wie ein großer schwerer Sack regungslos zu Boden sackte, wobei das viele Blut welches aus seinem Hals strömte, sich rings um ihn über den Teppichboden ergoss. Der Schreck war somit beendet und die Wahl einer unumkehrbaren Entscheidung wurde ihr abgenommen. „Meine Liebe, ich sagte doch, dass ich mich um die unangenehmen Dinge kümmere. Bitte quäle dich nicht unnötig. Wir wissen alle wie tapfer du sein kannst, sonst würde ich dich gar nicht mit zu gefährlichen Missionen nehmen. Du musst niemandem etwas beweisen. Und so ganz nebenbei, hat man uns hier sehr warmherzig in Empfang genommen… Ich werde von nun an nicht mehr von deiner Seite weichen, wie ich es dir im Voraus versprochen hatte. Ach, deinen fallengelassenen Revolver habe ich auch aufgehoben“, beschwichtigte William sie, der nach seiner Tötungsaktion, keinerlei Veränderung seines ruhigen Gemüts zeigte. Miceyla sackte frustriert zu Boden, ließ ihre Schusswaffe los und konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. So elend fühlte sie sich mal wieder, als hätte sie eine wichtige Schlacht verloren. „Miceyla…“, hauchte er leise und blickte sie mit trüben Augen an. Sie begriff nicht ganz weshalb William so sehr darauf bestand, dass sie ausschließlich Schusswaffen bei sich tragen sollte, wo sie diese doch so sehr verabscheute und es sie eine gewaltige Überwindung kostete abzudrücken. Weshalb durfte sie nicht wie er einen Degen oder eine ähnliche Stichwaffe bei sich tragen, mit der sie sich viel wohler fühlen würde? Welchen Nutzen hatte den sonst, das ganze intensive Fechttraining? Oder lag es daran, dass ihr das Töten mit solch einer Waffe leichter fallen würde und er sie somit davor bewahren wollte? Ihre Überlegungen waren völlig überflüssig. Es spielte keine Rolle, mit welcher Waffe man einen Menschen tötete. Die Schuldgefühle und der Mord an sich, blieben stets ein und dasselbe. Und sie fragte sich, ob Sherlock ebenso unbeirrt wie William voranschreiten könnte, wenn er ein Leben auf dem Gewissen hätte. Aber vielleicht hatte er das bereits und sie wusste nur nichts davon. Schließlich war es selbst für sie oftmals eine Herausforderung, seine Verschlossenheit zu durchbrechen. Und dennoch bewunderte Miceyla die tugendhafte Unerschrockenheit, welche William beim niederstrecken seiner Feinde zeigte. Wie ein stolzer Krieger, der den Mut besaß, es alleine mit einer ganzen Armee aufzunehmen und sich ungeachtet dessen, immer blind auf seine Verbündeten verließ. Und trotzdem verspürte sie weiterhin dabei das prickelnde Gefühl der Ehrfurcht, was sich aber in keiner Weise negativ für sie anfühlte. Denn im Stillen wünschte sie sich, eines Tages genauso stark wie er zu sein und ihre Emotionen ebenso perfekt unter Kontrolle zu haben. Sie musste sich sputen, wenn sie dieses Ziel erreichen wollte. Denn niemand wusste, wie viel Zeit ihr noch dafür blieb… Aufgrund der Tränen sah Miceyla verschwommen, wie William sich neben sie auf den Boden kniete und sie sanft an sich drückte. „Mein Liebling, unterdrücke deine Tränen nicht. Sie geben deinen Augen ein noch schöneres Funkeln. Wenn wir nicht bereit sind zu töten, können wir die Grausamkeit auf dieser Welt niemals durchbrechen. Du bist bereits sehr stark und niemandem ein Klotz am Bein, nur weil du zögerst. Bedenke auch das es einen bedeutsamen Unterschied macht, ob du töten musst um einen geliebten Menschen zu beschützen oder um dein eigenes Leben zu retten. Diesen wirst du noch früh genug in der Realität erfahren. Lass den Kopf nicht hängen und geh nicht so hart mit dir selbst ins Gericht. Habe Geduld, nichts muss erzwungen werden, sonst wird alles nur noch wesentlich unangenehmer. Aber nun zurück zu unserer Mission. Ich bin in einem seiner Archive fündig geworden. Du hast hier auch noch etwas zu erledigen, nicht wahr? Wir freuen uns sehr darüber, dieses besondere Anliegen deiner Verantwortung zu überlassen. Daher sollten wir uns der Sache direkt annehmen, ehe wir Scott begrüßen gehen. Doch wie du bereits auf unsanfte Weise bemerken musstest, hat man unser Eindringen anscheinend vorausgesehen, was ich recht interessant finde. Ich vermute allerdings, dass der werte Herr hier die einzige arrangierte Person war, welche uns in die Quere kam. Das alles wirkt sehr verdächtig. Dennoch lässt sich dies gleichzeitig von uns zu einer unterhaltsamen Vorstellung umwandeln. Daher nur Mut, meine Liebe“, tröstete William Miceyla liebevoll, wobei sie beinahe schon ein schlechtes Gewissen bekam, bei dem endlosen Verständnis und der Geduld, welche er ihr entgegenbrachte. Und trotzdem schenkte sie ihm ein Lächeln der aufrichtigen Entschlossenheit, was verriet, dass sie sich niemals so leicht unterkriegen ließe. „Du hast vollkommen recht. Weiter geht’s! Dann begeben wir uns mal auf die Suche nach der verschollenen Erburkunde. Nur… Was hast du mit diesem Mann vor, willst du seine Leiche hier einfach so zurücklassen? Ein wenig auffällig ist es schon, auch wenn wir keine Spuren hinterlassen, die auf uns zurückzuführen sind. Oder schwebt dir etwa vor, dass gesamte Anwesen in Brand zu setzen, sobald wir hier fertig sind?“, erkundigte Miceyla sich besorgt, mit Blick auf den am Boden liegenden Mann, wobei es sie sofort fröstelte. „Aber nein, ein solch dramatisches Ende habe ich dieses Mal nicht geplant. An Punkten wo die Auffälligkeit mit der Unauffälligkeit einhergeht, bleibt die Wahrheit oft auf ewig im Verborgenen… Nun komm meine Liebe, du musstest diesen grausigen Anblick lange genug ertragen. Doch solltest du deswegen Alpträume haben, so werde ich dich die ganze Nacht fest in Armen halten“, versprach William einfühlsam, erhob sich gemeinsam mit ihr und nahm ihre Hand, woraufhin er zügig mit ihr den Raum verließ. „Wir haben noch jede Menge Zeit, also nehmen wir uns direkt das größte Archiv des Hauses vor.“ Mit diesen gelassenen Worten, führte er sie in einen großen Saal, bei dem die Decke sich leicht nach außen wölbte. William entflammte einige der an den Wänden befestigten Kerzen und Miceyla war sogleich überwältigt von den unzähligen, prall gefüllten Regalen. Und ihr erster Gedanke war, dass sich die Suche nach einer einzelnen Erburkunde, als ungemein schwierig gestalten würde. Vergleichbar mit der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Na, haut es dich um? Hier werden Dokumente gelagert, bei denen man uns sofort besteinigen würde, sollten wir auch nur mal kurz einen Blick darauf werfen. Das Scott ein derart verantwortungsvolles Amt bekleidet, kommt nicht von ungefähr. Er ist ein Viscount und gehört ebenfalls dem Adel an. Doch wo wirst du nun dein Objekt der Begierde finden? Es ist weitaus simpler, als es der erste Blick vermuten lässt“, fragte er sie erprobend und lehnte sich lächelnd mit ineinander verschränkten Armen, gegen eines der Regale. Miceyla durchforstete konzentriert mit ihren scharfen Augen den gesamten Raum und dachte angestrengt nach. William würde sicherlich in Windeseile die richtige Erburkunde finden, daher wollte sie sich nicht blamieren. „Also… Die meisten Ordner sind zwar nach Jahren geordnet und die älteren Dokumente befinden sich weiter hinten als die aktuelleren, da sie kaum noch einen sinnvollen Gebrauch haben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Scott ein ganz eigentümliches Ordnungssystem entwickelt hat, bei dem nur er den Überblick behält. Deshalb fände ich es schlau die Daten zu ignorieren und eher in der Kategorie `Aussortiertes` nachzuschauen, wo ganz `versehentlich` ein wichtiges Dokument dazwischen gerutscht ist, von dem niemand mehr etwas wissen darf“, stellte Miceyla ihre eigene logische Theorie auf und stöberte bereits in den ersten Ordnern. „Dein Denkansatz geht auf jeden Fall schon einmal in die richtige Richtung. Da wir zu zweit sind, erleichtert das die Suche noch mal zusätzlich. Ich gebe dir auch ein paar hilfreiche Tipps, wie du originale Dokumente von gefälschten unterscheidest.“ Und somit waren beide mit dem Aufstöbern der Erburkunde beschäftigt, wobei Miceyla sich nicht wirklich darauf konzentrieren konnte, was sie selbst ärgerte. `Na komm schon! Fokussiere dich auf deine Aufgabe. Alle weiteren Ereignisse sind noch nicht einsehbar. Doch ich frage mich, welches Dokument William wohl entwendet hat… Was auch immer es sein mag, nützlich wird es für uns garantiert sein. Dennoch spielen wir mit dem Feuer und katapultieren uns geradewegs in das Netz der Regierung…` Während ihre Gedanken immer konfuser wurden, ertappte sie sich dabei wie sie William verträumt beobachtete, anstatt ihrer eigenen Suche nachzugehen. Er spürte sogleich ihren brennenden Blick auf sich ruhen und seine feurig roten Augen wanderten ohne Umschweife zu ihr, während er am gegenüberliegenden Regal stand. „Da sind sie schon wieder, die sich sorgenden Zweifel in den schönsten Augen, welche ich jemals gesehen habe… Immer öfter habe ich den Eindruck, dass du für uns alle mitleidest. Sage mir meine Liebste, verspürst du Reue? Bereust du es, eine Moriarty geworden zu sein? Oder etwa…mich geheiratet zu haben…?“, sprach William mit einer plötzlich solch tristen und kühlen Stimme, dass Miceyla meinte den Boden unter ihren Füßen zu verlieren. Langsam lief er auf sie zu, wobei er ohne Unterbrechung mit ihr Blickkontakt hielt. „W-wie kommst du auf einmal auf so etwas? Du kennst mich und meine Persönlichkeit besser als jeder andere und weißt, dass wenn ich einmal eine Entscheidung getroffen habe, diese endgültig ist. Ich werde dich auf ewig lieben, egal wie viel ich leiden muss. Auch du wirst dir wohl im Geheimen wünschen, dass ich meinen Weg in ein normales Leben zurückfinde und ich somit vor einem unglücklichen Ende bewahrt werde. Aber das wird niemals passieren, gleichgültig was du sagst oder tust. Unsere Pfade werden uns immer wieder zueinander führen. Dies ist auch dein eigener Wille. Widersetze dich ihm nicht so hartnäckig. Ich mag es ebenso wenig, dich leiden zu sehen…“, sagte sie gefühlvoll und versuchte das Zittern in ihrer Stimme so gut es nur ging zu unterdrücken. Es war für sie klar, dass es keinen Platz für Reue geben durfte. Sonst würde alles was sie sich beide erschaffen hatten, in sich zusammenbrechen. Nur das einzige was sie jemals bereuen würde war, Sherlock anlügen zu müssen. Es schien wohl alles darauf hinauszulaufen, dass sie sich zwischen Liebe und Freundschaft entscheiden musste. Bisher wusste sie genau, was am Ende stärker sein würde… „Ich hege keine Zweifel gegenüber deinem Willen und deiner Entschlossenheit. Hin und wieder kommt mir nur mal in den Sinn, dass du in den Armen unseres Bruders glücklicher wärst als bei mir… Du magst es Schicksal nennen, dass wir nun einen gemeinsamen Lebensweg teilen. Jedoch habe ich dir gleichzeitig damit eine Wahl aufgezwungen. Ich schenkte dir eine neue freie Zukunft, von der letztendlich nur Träume und Erinnerungen übrig bleiben werden… Du magst es nicht hören, doch deine aufrichtige Liebe verdiene ich kaum. Dies hindert mich aber nicht daran, dass ich dir jeden Tag aufs Neue sagen werde, dass ich dich bedingungslos liebe und mir niemand anderen an meiner Seite wünsche. In meinem Herzen ist ausschließlich Platz für dich, meine geliebte Winterrose…“, sprach William Worte der Ehrlichkeit und schmiegte seine Wange seitlich gegen ihren Kopf. Miceyla schloss die Augen und umklammerte ihn zärtlich mit den Armen. „Unsere Herzen…sie kämpfen… Sie liefern sich ein Gefecht und wandern zwischen Gefühl und Vernunft hin und her. Sie weigern sich der Beständigkeit nachzugeben. Doch weißt du was der wahre Wunsch unserer blutenden Herzen ist? Leben… Sie wünschen sich zu leben, mein lieber Will. In einer unzertrennlichen Verbundenheit, ohne Trauer und Verluste, auf ewig… Verblendet eifern unsere Herzen diesem unwirklich erscheinenden Traum nach. Aber zum Trost dürfen sie jeden einzelnen Moment in Zweisamkeit genießen und wertschätzen. Auch wenn es uns nicht möglich ist, jene wertvollen Momente festzuhalten, so werden daraus dennoch einzigartige Erinnerungen, die nur für uns beide bestimmt sind. Du verdienst all meine Liebe und noch unendlich viel mehr. Mein Herz hat dich gewählt und sonst niemanden. Keine manipulierende Wahl hätte daran etwas ändern können, oder wird es jemals. Lassen wir uns nicht von dem tobenden Sturm beirren, der uns umgibt und unaufhörlich heimsucht. Auch du ringst darum, eine schwere Entscheidung treffen zu müssen. Vor mir kannst du nichts verbergen, mein Liebster. Jedoch werde ich besser vorerst besonnen schweigen und meine Neugierde zügeln. Denn ich vertraue dir. Nenn meine eiserne Sturheit ruhig töricht, doch ich akzeptiere alles… Auch wenn ich aufgrund von Verrat…durch deine Hand sterben würde…“, entgegnete Miceyla ihm, von seinem lieblichen Duft betört. „Solche Worte zerschmettern mein Herz… Vorher beende ich mein eigenes Leben, ehe ich dir etwas antue. Und trotzdem akzeptiere ich deine selbstlose Treue mir gegenüber. Es ist wahr, dass du gewisse Vorhaben von mir ins Wanken bringst. Sollten sich deine Gefühle jemals ändern… Dann werde auch ich dickköpfig sein und jedem demonstrieren, dass du nur zu mir gehörst…“, flüsterte William beharrlich und blickte dabei direkt in ihre schimmernd grünen Augen. „Von welchen Vorhaben spricht du? Ich verliere allmählich den Überblick…“ Er gab Miceyla keine Antwort auf ihre Frage, sondern bedeckte stattdessen ihren Mund mit seinen geschmeidigen Lippen, als Zeichen dafür, dass weitere Worte überflüssig waren. Sie erwiderte sanft seinen leidenschaftlichen Kuss, den sie mehr als alles andere herbeigesehnt hatte. Eine angenehme Wärme durchschoss ihren Körper, während sie dicht an dicht bei ihm stand und genoss das besondere Gefühl, welches sich wie ein langsamer Zeitstopp anfühlte und sie alles um sich herum vergessen ließ. William drückte sie mit seinen Armen fest und dennoch liebevoll an sich, um seinen soeben gesprochenen Worten Ausdruck zu verleihen. Keiner außer ihm vermochte die Leere ihres Herzens mit solch prächtigen Farben zu füllen. Er ließ ein wahres Kunstwerk in ihrer Seele entstehen und beide schenkten sich gegenseitig eine vorantreibende Inspiration, welche die Macht besaß, all ihre unendlichen Vorstellungen Realität werden zu lassen. Das bittersüße Verlangen, bei dem sich Miceyla unaufhaltsam nach seiner wärmenden Nähe sehnte, kam beinahe schon einem Verbrechen gleich. Selbst wenn sie freiwillig versuchen wollte, gegen die Stärke seiner lieblichen Anziehungskraft anzukämpfen, so hätte sie dennoch nicht den Hauch einer Chance, ihrer unstillbaren Begierde entfliehen zu können. Obwohl Miceyla sich gerade mit William auf feindlichem Gebiet befand, war sie gerade dabei sich zusammen mit ihm in ihrer eigenen Welt zu verschanzen. Seine Küsse waren so voller Hingabe und besaßen einen solch leicht besitzergreifenden Nachgeschmack, dass eine freudige Hitze durch ihren gesamten Körper schoss, wobei sie sich hellwach und lebendig fühlte. Kurz löste er sich von ihren Lippen und beide schmiegten dicht an dicht stehend ihre Köpfe aneinander. Dabei öffnete er ganz langsam ihren Umhang und ließ ihn zu Boden fallen. Nun kam ihr Kleid, welches einen Dunkellilaton besaß zum Vorschein, das sie sich speziell für ihre Aufträge ausgesucht hatte, da es nicht zu lang und aus einem strapazierfähigen Material angefertigt war. Auch er befreite sich von seinem Umhang, denn er war beiden im Augenblick nur im Weg. Sanft begann er ihren Hals zu küssen, während er ihr Kleid mit einer Hand an den Beinen nach oben zog, um sie darunter berühren zu können. Er entlockte ihr ein überraschtes Stöhnen, als er sie an ihrer sensiblen Stelle zwischen den Beinen, mit seiner Hand zu liebkosen begann. Sie drückte dabei ihren Kopf gegen seine Brust und umklammerte ihn noch fester. „Will… Ist es nicht etwas sorglos von uns, wenn wir uns an diesem Ort so unbekümmert fallen lassen und…“ Es war ihr nicht vergönnt, einen vollständigen Satz zu sprechen, da er sie noch intensiver liebkoste. „Die Liebe kennte keinen falschen Zeitpunkt. Dies müsstest du doch am besten wissen. Wir sind frei und leben den Moment. Niemandem ist es erlaubt uns Fesseln anzulegen. Und gibt die angespannte Stimmung, dem Ganzen nicht noch eine viel aufregender Note? Drum lasse für eine Weile deine Nervosität los und gib dich mir mit all deiner Leidenschaft hin…“, flüsterte William betörend dicht an ihrem Ohr und sie konnte nicht anders, als ihm zur Bestätigung seiner Worte einen zärtlichen Kuss auf die Wange zu geben. Er schenkte ihr ein zufriedenes Lächeln und war unsagbar glücklich, dass sie beide stets einer Meinung waren. Sanft und dennoch ein klein wenig ungeduldig, schob er Miceyla zu einer hölzernen Kommode, die ebenfalls prall gefüllt mit Dokumenten war. Sie ließ seiner stillen Forderung Taten folgen und setzte sich darauf. Ohne anschließend lange zu warten, spreizte er ihre Beine und stellte sich dazwischen. Nun war er erneut unmittelbar vor ihr. Er beugte sich zu ihrem Gesicht hinab und sogleich trafen ihre Lippen wieder aufeinander. Als sie begann leicht ihren Mund zu öffnen, spürte sie direkt wie seine Zunge sich an ihre eigene schmiegte. Jetzt packte Miceyla ebenfalls eine ungeduldige Erregung und umklammerte William mit ihren Armen und drückte sich gegen ihn, als Zeichen dafür, dass er nicht mehr länger warten sollte. In dem dämmrigen Kerzenlicht sah er noch schöner aus als sonst. Und sie wurde an ihre erste gemeinsame Nacht bei Vollmond erinnert. Bei jener unvergesslichen Erinnerung begann ihr Herz aufgeregt zu klopfen und sie erwiderte sein liebliches Lächeln, welches zusammen mit seinem fordernden Funkeln in den Augen, im flackernden Kerzenschein mysteriös wirkte. Unendlich gefühlvoll streifte er ihr das Kleid weiter nach oben und küsste sie erneut hingebungsvoll auf die Lippen. Aufgrund der hitzigen Leidenschaft dauerte es nicht lange, bis William mit geöffneter Hose vor ihr stand und sie ihn mit den Beinen umschloss und an sich heranzog. Ihr Verstand setzte aus und sie befand sich in einer Welt, in der sie ganz allein mit ihrem Liebsten existierte. Sie stöhnte laut auf, als er langsam in sie stieß und sich ihre erregten Körper vereinten. Ein berauschendes Gefühl der Lust ergriff von ihr Besitz, welchem sie sich voll und ganz hingab. Betört von der prickelnden Wärme, die durch seine rhythmischen Reibungen entstand und sich in ihrem gesamten Unterleib ausbreitete, hielt sie ihn weiter festumklammert, während er mit seinen Händen, sanft über ihren Nacken und Rücken streichelte. Sie spürte das William nun genauso gelöst war wie sie selbst und seine eigene Erregung nicht länger unterdrücken konnte. Auch sie war nicht fähig, ihr Stöhnen zurückzuhalten, wann immer er tief in sie stieß und seine Reibungen begannen schneller und begieriger zu werden. Irgendwann während diesem brodelnden Rausch der Liebe, trafen sich ihre Lippen zu einem unendlich langen, gefühlvollen Kuss und sie blickten sich kurz gegenseitig direkt in die Augen. Dabei merkten beide, dass sie den höchsten Gipfel der Erregung erreicht hatten, welche sich nun ungeduldig danach sehnte, sich entladen zu dürfen. Wie benommen lehnte Miceyla sich nach vorne gegen William, als sie eine betäubende Welle der puren Beglückung durchschoss und ihren Körper und Geist vollends vereinnahmte. „Ich liebe dich…Miceyla“, hauchte er stöhnend und ließ seinen Kopf für eine Weile auf ihrer rechten Schulter ruhen. Mit noch immer rasendem Atem, strich sie ihm liebevoll über sein blondes Haar. Für einige Augenblicke verharrten beide auf diese Weise beieinander, bis William sich schließlich vor der Kommode auf dem Boden niederließ und ihr seine Hand darbot, damit sie sich zu ihm gesellte. Während Miceyla sich mit dem wohligen Nachklang des Glücks gegen ihn lehnte, musste sie akzeptieren, dass es allmählich Zeit war um wieder ins Diesseits zurückzukehren. Denn die eigentliche Bewältigung ihrer Mission stand ihnen immer noch bevor. `Hoffentlich hat Scott uns nicht gehört…`, dachte Miceyla peinlich berührt und seufzte bei dem Gedanken, dass ihre weitere Suche nach dem kostbaren Dokument nun ziemlich aussichtslos war, wenn sie den Herrn des Hauses, noch rechtszeitig mit einer direkten Konfrontation überraschen wollten. „Ich befürchte, dass die Erburkunde wohl für alle Ewigkeit an dieses Archiv gefesselt sein wird…“, meinte sie missmutig. William erwiderte vorerst nichts und schenkte ihr nur ein mysteriöses Lächeln. Kurz darauf stand er wieder voller Tatendrang auf und zog sich seinen Umhang erneut über. Noch immer etwas ausgelaugt, wollte sie seiner Geste des Aufbruchs folgen und stützte sich dafür auf einem der Kommodengriffe ab, um sich schwerfällig hochzuhieven. „Hoppla!“, rief sie wachgerüttelt, als sie den Griff plötzlich lose in der Hand hatte. „Wusste gar nicht, dass ich eine solch zerstörerische Kraft besitze, ha, ha!“, kommentierte sie ihr kleines Missgeschick scherzhaft. Da fiel ihr beim näheren betrachten des Griffes auf, dass sich darin ein kleiner Schlüssel befand. „Oh, schau an! Was für ein seltsamer Zufall. Wollen wir doch mal sehen, ob er sich nicht für uns als nützlich erweisen kann…“, meinte Miceyla mit neuer Zuversicht und zwinkerte William dabei motiviert zu. „Siehst du, für jedes Rätsel gibt es eine passende Lösung. Manchmal müssen wir lange danach suchen und manchmal erhalten wir sie von ganz alleine auf Umwegen“, teilte er ihre Freude über den unvorhergesehenen Fund und schob die Kommode etwas zur Seite. Miceyla hockte sich auf den Boden und entdeckte dort ein kaum sichtbares Schlüsselloch. „Ein Geheimversteck im Boden. In erster Linie mag dies einen sicheren Ort für ein Versteck darstellen, doch nicht für uns. Da hätte Scott sich schon etwas Aufwendigeres einfallen lassen müssen.“ Mit diesen Worten öffnete sie den kleinen Schacht im Fußboden und nahm eine versiegelte Mappe heraus. Gaz ungeniert öffnete sie das Siegel und sah über die verbotene Tat hinweg, welche sie gerade beging. Hoffnungsvoll prüfte sie einen Stapel von losen Papierdokumenten und stoppte bei einem leicht zerknitterten Blatt, auf dem sich der golden-rote Stempel eines hervorstechenden Adelswappen befand. „Könnte das…die richtige Erburkunde sein…?“, erkundigte Miceyla sich bei William, doch ihre Intuition flüsterte ihr längst zu, dass die Suche nun ein erfolgreiches Ende gefunden hatte. „Kein Zweifel… Hierbei handelt es sich um das Original unseres ehemaligen Freundes. Nun darf auch er endlich in Frieden ruhen… Stecke die Urkunde in einen schützenden Umschlag und verwahre sie gut, bis wir wieder zu Hause sind“, bat William mit Rückblick an den letzten Willen seines verstorbenen Freundes. „Gut, das wäre dann hiermit erledigt.“ `Ich kann es bereits jetzt kaum erwarten, Alberts überglückliches Gesicht zu sehen…`, dachte Miceyla erwartungsfreudig und nachdem sie das Kuvert eingesteckt hatte, zog sie sich ebenfalls wieder ihren Umhang an. „Wunderbar, begeben wir uns nun in Richtung unseres Hauptanliegens“, verkündete er startklar. Sie nickte aufbruchsbereit, auch wenn ihre Sinne sich noch leicht benebelt anfühlten. Beide verließen das Archiv und machten sich auf den Weg ins Erdgeschoss, wo sie nach kurzer Zeit feststellten, dass dort alle Räumlichkeiten menschenleer waren. William deutete schweigend mit seiner Hand auf eine Treppe, die zum Keller hinabführte und lief zielstrebig darauf zu. Miceyla folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl und hoffte, dass man sie in keine geplante Falle lockte. Doch diese Tatsache mussten sie wohl oder übel in Kauf nehmen, wenn sie ihr Ziel noch in der Nacht erreichen wollten. Die zwei gelangten an einen beleuchteten Raum, in dem ein Mann seelenruhig in einem Schaukelstuhl saß, bei dem es sich um Scott Widley handeln musste, welcher genüsslich eine Zigarre rauchte und ein Glas Whiskey trank. An den Wänden befanden sich einige Portraits von verstorbenen Königen und Generälen, die einst im vereinigten Königreich regiert hatten. Die Bilder waren ordentlich in zeitlicher Reihenfolge nebeneinander aufgehängt worden und an letzter Stelle befand sich allerdings ein hervorstechendes Portrait eines Mannes, der noch unter den Lebenden weilte. Es war jener Mann, den sie bislang nur von zwiegespaltenen Erzählungen kannte, ohne ihn jemals persönlich begegnet zu sein. Harley Granville. `Aber müsste an seiner Statt, nicht korrekter Weise ein Bild von Königin Victoria hängen…?` Dieser Gedanken ließ ihr keine Ruhe. Der Frieden in ihrer Gedankenwelt wurde jäh unterbrochen, als Scott laut in die Hände klatschte und William und sie mit einem amüsierten Lächeln empfing. „Hereinspaziert die Herrschaften! Ich bewundere wirklich Ihre aufwendige Mühe, hier unbemerkt einzudringen, doch wäre dies gar nicht von Nöten gewesen. Denn ich habe extra die Vordertür offengelassen. Ich wartete hier so ungeduldig wie ein kleines Kind. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, wie erpicht ich darauf bin, endlich das Gesicht des Meisterverbrechers mit eigenen Augen zu sehen… Nun muss ich dem Gesicht nur noch einen Namen zuordnen“, sprach Scott vergnüglich und erhob sich, nachdem er einen großzügigen Schluck von seinem Whiskeyglas genommen hatte. Die dunklen Ringe unter seinen Augen verrieten ihr sogleich, wie überarbeitet er war und gerade unter Einfluss des Alkohols einen schauspielerischen Akt spielte, den er aber selbst nicht wirklich gutzuheißen schien. `Er hat uns tatsächlich erwartet, als wäre unser geheimer Plan ans Licht gekommen und spricht direkt vom Meisterverbrecher. Ist das ein Bluff oder ist dies ein weiteres Puzzleteil von Williams Gesamtplan? Denn das würde ja bedeuten, dass Harley vermutet oder gar wüsste wer…` Die Tatsache schockierte sie zwar, doch als sie Williams selbstbewusstes Grinsen sah, dämmerte es ihr langsam, worauf das alles in Wahrheit hinauslaufen sollte… „Unser Eindringen zu solch später Stunde ist nicht ganz anstandsgemäß. Doch wie ich sehe, haben auch sie alles auf eine Karte gesetzt. Ist es nun beachtenswert oder töricht, wie ein abhängiger Sklave seinem Herrn aufs Wort zu gehorchen und das eigene Leben zu verkaufen? Noch ist es für Sie nicht zu spät die Seiten zu wechseln. Denn wir wollen dieses Land zu einem Ort der Gleichberechtigung machen, anstatt es komplett zu zerstören“, kam ein friedvoller Einwand von William, bei dem er genau wusste, damit bei Scott auf taube Ohren zu stoßen. Jener kniff gereizt die Augenbrauen zusammen und torkelte angetrunken ein paar Schritte nach vorne. „Halten Sie mich nicht zum Narren! Es mag stimmen, dass in diesem Land jene herrschen, welche Geld, Macht und Verstand besitzen. Und der mittellosen Arbeiterklasse bleibt nichts anderes übrig, als sich der Oberschicht zu unterwerfen, in Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch wissen Sie was? Die werte Obrigkeit ist ebenso an schmutzige Fesseln gebunden und merkt es bloß aufgrund derer Verblödung durch Ansehen und Rang gar nicht mehr. Denn wir alle tanzen nach der Pfeife der Königin und einem Regierungssystem, das bereits so fest in unserer Gesellschaft verankert ist, dass ein paar Querdenker allein nichts bewegen können. Und Sie wollen dem Premierminister einen Akt der bevorstehenden Zerstörung vorwerfen? Sie selbst mit Ihren ganzen Verbrechen und Morden an Adeligen zerstören am allermeisten. Ihr lieber Bruder der Oberstleutnant, hat sich bereits so sehr in das Regierungsgeschehen miteingemischt, dass wir natürlich eifrig nachgeforscht haben, was seine beiden jüngeren Brüder so treiben. Ein wahrlich vorbildlicher junger Mathematiker sind Sie, William James Moriarty. Ich sage es geradewegs heraus, was Ihnen vorschwebt und sparen Sie sich den Vorwand, mich oder Harley zu erpressen. Denn ehe Sie sich versehen, werden Sie derjenige sein der erpresst wird… Wie dem auch sei, was Sie anstreben ist eine erzwungene Kooperation mit der Spitze der Regierung, um Ihre desaströsen Pläne abzusegnen und an Handlungsfreiheit zu gewinnen. Wagen Sie es ruhig, da Sie ja ohnehin so anmaßend sind mich bloßstellen zu wollen. Sie haben richtig gehört, behalten Sie daher einfach Ihre ergaunerten Dokumente und alles was Sie gegen mich in der Hand haben. Meine Zeit ist um. Hiermit gestehe ich meine begangene Kindermisshandlungen und illegale Kinderarbeit in Fabriken. Zufrieden? Ich werde Sie nicht länger zu Wort kommen lassen, um weitere gewinnbringende Fakten zu erhalten. Es endet hier und jetzt. Möge der wahre König den Thron besteigen… Und noch etwas zum Abschluss… Harley wird Ihren Willen brechen, genauso wie er es bei dem Fairburn-Burschen getan hat… Gehaben Sie sich wohl, Meister aller Verbrechen…“, redete er voller Inbrunst drauf los, ohne William eine Gelegenheit zu geben, selbst etwas zu entgegnen und betrachtete Miceyla kurz mit einem bedrohlichen Lächeln, was sie erschaudern ließ. Scotts offensives Verhalten überraschte William keineswegs und dennoch riss er plötzlich entsetzt die Augen weit auf und ergriff energisch ihre Hand. „Miceyla! Raus hier, schnell!“, rief er warnend und zeitgleich sah sie schockiert mit an, wie Scott sich seines Jacketts entledigte und etliche Handgranaten zum Vorschein kamen, die er mithilfe eines Gürtels umgelegt hatte. Dieser grinste ein letztes Mal unerschrocken und entzündete mi einer entschlossenen Handbewegung, die gefährlichen kleinen Bomben. Unterdessen war William bereits längst mit Miceyla aus dem Kellerraum geflüchtet und anstatt die Treppe hinauf zu nehmen, stieg er zusammen mit ihr in ein tiefer gelegenes Gewölbe hinab. „Hierein!“, meinte er als sie eine rettende Kammer entdeckten und verschloss hinter ihnen eine schwere Eisentür, die danach aussah, als ob sie einen geeigneten Schutz bot. Im selben Moment gab es eine ohrenbetäubende Explosion, bei der Miceyla sich instinktiv die Ohren zuhielt und ihre Augen zukniff, da der laute Knall kaum ertragbar war. William hielt sie fest in seinem Armen und beide konnten von Glück sagen, dass sie noch einmal unbeschadet davongekommen waren. Der Lärm verklang so rasch wieder wie er begonnen hatte und eine Totenstille blieb zurück. „Scott hat sich selbst in die Luft gejagt, um sich eitel aus der Affäre zu ziehen. Wenn er tatsächlich dazu bereit war, für Harley einen solch ehrenvollen Tot zu sterben, musste er ja regelrecht besessen von ihm gewesen sein…“, sprach Miceyla leicht verächtlich, als sie sich allmählich wieder von dem Schrecken erholte. William hatte ganz flüchtig einen merkwürdigen Gesichtsausdruck, dem sie aufgrund des dämmrigen Lichts, kein konkretes Gefühl zuordnen konnte. „Ich ging davon aus, dass wir ein Abschiedsgeschenk in diesem Ausmaß von ihm erhalten werden… Aber nun komm, wir möchten beide hier unten nicht noch länger verweilen. Gehen wir auf direktem Wege hinaus und blicke bitte nicht in den Raum, in dem die Explosion stattgefunden hat“, bat William ruhig, als die Gefahr gebannt war und öffnete die knarzende Eisentür, wobei ihnen sofort ein unangenehmer Gestank nach glühender Hitze und Schwefel entgegenwehte. Ohne auch nur einmal Halt zu machen, verließen die beiden den nun demolierten Keller und traten aus dem Anwesen ganz bequem durch den Vorderausgang. Die kühle Nachtluft fühlte sich plötzlich für Miceyla seltsam verändert an, als zu dem Zeitpunkt, wo sie noch nicht das Grundstück von Scott betreten hatten. Während sie die frische Luft einatmete, fragte sie sich, ob ihre Infiltrierungsmission wirklich so erfolgreich vonstatten lief, wie William es sich erhoffte… Ein Stück von dem Anwesen entfernt, stand regungslos Harley und betrachtete mit nostalgischem Blick die große Residenz, über welcher nun der düstere Schatten des Todes schwebte. „Leb wohl mein Freund und hab Dank. Ich werde dafür sorgen, dass dein Opfer nicht umsonst gewesen ist…“, sprach er aufrichtige Abschiedsworte, während der Knall der Explosion, noch immer unnachgiebig in seinen Ohren wiederhalte. Mittlerweile hatten William und Miceyla sich so weit von dem Anwesen entfernt, dass es von den riesigen Tannen in dessen Umgebung verschluckt wurde. Da legte er plötzlich eine kurze Rast ein und blieb stehen. „Miceyla… Ich mag dir nur schon mal jetzt mitteilen, in Zukunft eine noch größere Vorsicht walten zu lassen. Bislang bereitete es uns keinerlei nennenswerte Probleme, alles bis ins kleinste Detail abzuwägen. Doch um unseren eigentlichen Plan, den Vorstellungen gemäß in die Tat umzusetzen, kommen wir nicht drumherum, uns der momentanen Regierungsspitze zu stellen. Dies ist mit etlichen Risiken verbunden. Eines davon wäre zum Beispiel, dass wir einem Mann gegenübertreten werden, der mächtig genug ist um einen Krieg in die Welt zu setzen oder gar…die Königin zu stürzen… Darum bitte ich dich so gut es nur geht zu vermeiden, an verlassenen Orten oder in der Nacht alleine umher zu wandeln. Es gibt nicht viele, denen du außer uns vertrauen kannst. Sherlock und Doktor Watson zählen dazu, im Zweifelsfall noch Clayton. Unser Name gewinnt immer mehr an Aufmerksamkeit. Und auf Dauer werden nicht nur wir es sein, die andere in einen Hinterhalt locken… Lass daher Vorsicht zu deiner besten Verteidigung werden“, legte er ihr ernst ans Herz und sie hörte dabei eine ungewöhnliche Besorgnis in seinen Worten heraus. `Fürchtet Will etwa um einen ausbrechenden Krieg, der alles für uns zunichtemachen könnte…? Aber das er Clayton als eine vertrauenswürdige Umgangsperson, zumindest für mich betrachtet, macht mich insgeheim sehr glücklich…`, dachte Miceyla mit gemischten Gefühlen und wollte ihm gerade antworten, dass sie seine Sorge ebenfalls sehr ernst nahm, doch da erschien plötzlich auf einer durch Straßenlaternen beleuchteten Lichtung eine Kutsche, aus der Albert und Louis heraustraten. Miceyla rannte freudestrahlend auf die beiden zu. Bei ihnen angelangt entdeckte sie auch noch Fred und Moran, welche die Rolle des Kutschenführers übernahmen. „Hier ist eure kostenlose Eskorte. Ohne das ihr sie hättet rufen müssen ist sie herbeigeeilt, um euch einen bequemen Heimweg zu ermöglichen. Miceyla, Will, mir fällt ein Stein vom Herzen, dass keinem von euch etwas zugestoßen ist. Zumindest was euer äußeres Erscheinungsbild betrifft…“, begrüßte Albert sie warmherzig und musterte Miceyla intensiv mit einem seltsamen Blick. „Ihr seid alle hergekommen, um uns abzuholen! Ich danke euch vielmals. Unser Aufenthalt im Anwesen von Scott, ist zugegebenermaßen ein wenig holprig verlaufen. Doch uns geht es gut, nicht wahr Will?“, berichtete Miceyla und blickte dabei zu William, der lächelnd neben ihr zum Stehen kam. „Das ist richtig. Die Einzelheiten können wir euch auf dem Heimweg erzählen. Und auch ich habe zu danken, obwohl natürlich alles vorher abgesprochen war“, stimmte er ihr geruhsam zu und betrat als Erster die Kutsche. „Man hat die Explosion sogar ganz schwach bis hierhergehört. Fred und ich konnten vor Unruhe kaum stillsitzen bleiben. Ist doch so, oder Kamerad?“, meinte Moran, dem die Erleichterung deutlich anzusehen war und klopfte Fred einmal kräftig auf den Rücken. Dieser nickte nur stumm und lächelte Miceyla zaghaft an. Albert half ihr daraufhin in die Kutsche und stieg zusammen mit Louis nach ihr ein. „Ich hoffe du bist fündig geworden, Will. Es läuft alles darauf hinaus, dass wir Harley bald im Nacken sitzen haben. Zudem sind wir nicht die einzigen, die das fördern. Man denke nur an jenen Vorfall auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude, welcher bei der Presse für Furore gesorgt hat. Es gilt die Kontrolle über alle zukünftigen Planungen zu bewahren. Doch was das angeht bin ich zuversichtlich. Denn wenn dies einem gelingt, dann dir Bruderherz“, sprach Louis wohlwollend, der William ein beispielloses Vertrauen entgegenbrachte. „Oh! Ich hätte es ja glatt vergessen, dabei bin ich vorhin noch so ungeduldig gewesen, gleich von den guten Neuigkeiten zu berichten, ha, ha. Auch ich habe gefunden, wonach ich fleißig gesucht hatte“, erzählte sie aufgeregt und holte stolz den Umschlag mit dem Originaldokument der Erburkunde hervor. Lächelnd überreichte Miceyla das unersetzbare Papier Albert, der gegenüber von ihr saß. Sorgsam öffnete er den Umschlag und auch seine Lippen formten sich sofort zu einem Lächeln, als er das bedeutsame Blatt auseinanderfaltete. „Nichts geht verloren, mein alter Freund. Gute Taten geraten niemals in Vergessenheit. Dafür existieren Menschen wie wir, welche die Erinnerung daran am Leben erhalten…“, sprach er voller Melancholie und Miceyla erkannte aufs Neue, dass sie tatsächlich noch existierten. Menschen, die ohne Lohn und Dank anderen in Not halfen. Wenn es nur etwas mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft geben würde, bekämen die Menschen eine ganz andere Sichtweise auf ihre Probleme. Schließlich konnte Ungeahntes möglich gemacht werden, wenn man dazu bereit war, mit Fachleuten unterschiedlicher Klassen zusammenzuarbeiten. Durch einen wertschätzenden Austausch, entstand auch zusätzlich neues Wissen, welches sich ein jeder aneignete. „Wirklich positive Neuigkeiten, dass die abhanden gekommene Erburkunde wieder aufgetaucht ist. Dafür muss ich dir aufrichtig danken, Miceyla“, unterbrach Louis ihre abschweifenden Gedanken und unterstrich seine ehrliche Wertschätzung für ihr engagiertes Handeln, mit einem gütigen Lächeln. Sie freute sich umso mehr über ihren Erfolg, als Louis ihr dankte. Schließlich wäre die Suche für William allein nur eine Kleinigkeit gewesen. Nach längerem betrachten des Dokuments, gab Albert es wieder Miceyla zurück, was sie ein wenig verwirrte und ihn schmunzeln ließ. „Behalte die Erburkunde. Ich lasse sie in deiner Obhut. Ob nun wir oder du sie für einen guten Zweck einsetzen, spielt keine Rolle. Ich vertraue dir voll und ganz, dass du einen sinnvollen Nutzen für das Geld finden wirst. Und das Schreiben, damit die Erburkunde seinen vollen Wert erhält, werde ich dir auch noch geben“, teilte er ihr freudig mit. Stolz nickte Miceyla und wollte sein ihr entgegengebrachtes Vertrauen nicht enttäuschen. „Das werde ich ganz bestimmt. Ich freue mich schon jetzt, auf die ganzen strahlenden Gesichter der Menschen, denen ich damit ein besseres Leben ermöglichen kann.“ Die Berichterstattung von William während der weiteren Kutschfahrt, hielt sich in einem kleinen Rahmen, da alle der Meinung waren, mit konkreteren Vertiefungen zu warten, bis er und Miceyla sich etwas erholen konnten. Jedoch sollte es ihnen nicht vergönnt sein, nach der aufbrausenden Nacht zur Ruhe zu kommen… Langsam aber sicher brach ein neuer Tag an, mit einem Morgen, der neue Hoffnung auf Sonnenschein nach einer dunklen Nacht machte. Zartes Vogelgezwitscher kündigte das Erwachen der Welt an und die Kutsche fuhr gemächlich das letzte Stück der Landstraße entlang. „Sag mir das ich zu viel getrunken und Wahnvorstellungen habe… Da vor dem Tor steht doch nicht etwa…“, murmelte Moran und verlangsamte in seiner eigenen Verwirrung das Tempo der Pferde. „Nein. Ich sehe ihn auch“, bestätigte Fred sogleich und wurde leicht nervös. „Hach… Endlich zu Hause! Da heute nichts Wichtiges ansteht, werde ich den ganzen Tag im Bett verbringen und… Was ist los, Will?“, fragte Miceyla verwundert William, der zuerst aus der Kutsche gestiegen war und wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen blieb. Doch als sie neugierig hinter ihm hinaussprang, erkannte sie weshalb und wusste vor lähmender Müdigkeit nicht, wie sie mit einer unangekündigten, kritischen Situation umgehen sollte, auf die keiner von ihnen eingestellt war. „Ihnen ist es wohl niemals zu spät oder zu früh, um sich ohne vorherige Anmeldung, selbst für einen Besuch einzuladen, Sherlock Holmes“, begrüßte William ihren überraschenden Gast mit einem kühlen Lächeln. „Sherlock…“, flüsterte Miceyla heiser seinen Namen und versuchte den rätselhaften Ausdruck in seinen Augen zu ergründen, als sich ihre Blicke trafen. Das Gefühl der Beklemmung, welches sich auf einmal in ihrem Herzen auszubreiten begann, verriet ihr schon jetzt, dass ihr aller Schicksal bald eine drastische Wendung nehmen sollte… Liebes Tagebuch, 6.5.1880 wir bezeichnen uns alle als gesonderte, unabhängige Individuen. Und doch sind wir alle Teil eines verknüpften Geflechts, bei dem es keiner vermeiden kann, einmal auf die Hilfe eines anderen angewiesen zu sein. Ein gegenseitiges Ausnutzen der Mitmenschen, bestimmt das Tempo und den Erfolg in unserem Leben. Mit Güte allein bleibt man in der ungnädigen Welt dort draußen eine einsame Seele, die es schwer hat sich durchzusetzen und an Respekt zu gewinnen. Darum muss ein Mensch wie Harley Granville, ein gewisses Maß an Autorität und Hartherzigkeit besitzen, um seiner Führungsposition gerecht zu werden. Aber gibt es nicht ein tristes Sinnbild ab, wenn der König ausschließlich mit Gefühlskälte und Strenge regiert? Übertragt sich dies nicht dann automatisch auch auf sein Volk? Ich versuche oft zu verstehen, was in einem solchen Menschen vor sich geht, der eine derart große Verantwortung trägt. Missbraucht er seine eigene Macht oder stellt er die Bürger über sein Eigenwohl? Doch die Wahrheit darüber offenbart sich mir wohl erst, wenn ich dessen ungekünsteltes Wesen von Angesicht zu Angesicht kennenlernen kann. Und dann ist Harley auch noch der oberste aller Soldaten, ein General… Beschämt mich das nun nach Claytons Geschichte über ihn oder macht das seine rätselhaften Beweggründe nur umso interessanter? Jedenfalls hat er nun einen treuen Gefolgsmann verloren. Ich mag mir nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen, was uns in naher Zukunft erwarten wird. Sonst werden meine Vorstellungen mehr als bloß furchteinflößend… Und zudem sollte ich meine Aufmerksamkeit jetzt auf etwas viel Greifbareres richten. Ich habe das Gefühl mich mit Sherlock in ein Abenteuer zu stürzen, bei dem keiner voraussehen kann, wie es enden wird… Werde ich den Mut besitzen, diese wagehalsige Reise anzutreten, ganz ohne den Schutz meiner geliebten Familie Moriarty? Wie entscheide ich mich? Oder besser gesagt, wie entscheiden wir uns, Will…? Kampf zweier Herzen Es war eine ganz besondere Nacht, in der du hast über mich gewacht. Im dichten Nebel schwebtest du dahin, doch worin liegt der wahre Sinn? Die Erinnerungen formen unser Leben, niemand kann sie uns jemals nehmen. Dein Versprechen wiegte wahrlich schwer, ich sei einsam nimmermehr. All die Trauer nun von mir wich, die Zeit stand still für dich und mich. Der Kampf tobt weiter in unseren Herzen, wollen sie denn ewig siegen, die Schmerzen? Doch der Tag wird kommen, ohne das du es hast vernommen, an dem du vor mir wirst stehen und ich dich kann für immer sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)