In Zeiten des Krieges von stone0902 (Draco x Ginny) ================================================================================ Kapitel 4: Teil 1 – Kapitel 4 ----------------------------- September 1997   Auf leisen Sohlen und die Kapuze des Umhangs tief ins Gesicht gezogen schlich Ginny den Pfad entlang, hinab zum Verbotenen Wald. Es war verboten und gefährlich und doch verspürte sie eine Spur von Neugierde und Aufregung. Genauso mussten sich Harry, Ron und Hermine immer gefühlt haben, beim Erleben ihrer Abenteuer. Wie gern wäre sie im Besitz eines Tarnumhanges? Dies würde einiges erleichtern.   Eigentlich war Ginny nur ihren Pflichten als Vertrauensschülerin nachgegangen, als sie die Flure nach Schülern kontrollierte, die sich nicht an die Ausgangssperre hielten, bis sie sah, wie sich jemand durch das Eingangsportal schlich. Die hellblonden Haare hätte sie überall wiedererkannt. Ein Slytherin, der sich nachts aus dem Schloss schlich? Dem musste sie schleunigst auf den Grund gehen! Und so kam es, dass Ginny Malfoy hinterherschlich, der sich, die Kapuze seines Umhangs mittlerweile über den Kopf gezogen, allem Anschein nach auf den Weg in den Verbotenen Wald machte. Somit hatte er schon zwei Schulregeln gebrochen: das Missachten der Ausgangssperre und das Betreten des Verbotenen Waldes. Schulsprecher hin oder her, sie würde Malfoy die Leviten lesen. Doch erst einmal wollte sie herausfinden was der Slytherin vorhatte.   Nur ihrem Desillusionierungszauber hatte sie es zu verdanken, dass er sie nicht bemerkte, so oft wie er sich umdrehte, äußerst darauf bedacht, dass ihm niemand folgte. Sein Verhalten war mehr als verdächtig. Ginny fühlte sich nur umso mehr darin bestätigt, dass Malfoy irgendetwas ausheckte und nun würde sie ihn endlich auf frischer Tat ertappen. Ihr neues Hobby, nämlich ihn zu beobachten, erreichte hiermit seinen Höhepunkt. Manch einer würde es vielleicht als Stalking bezeichnen – Ginny hingegen nannte es „verdeckte Ermittlungen“.   Als sie den Verbotenen Wald betrat umhüllte sie die Dunkelheit. Der einzige Lichtpunkt, dem ihre Augen folgen konnten, war die leuchtende Spitze seines Zauberstabs. Sie durfte ihn jetzt auf keinen Fall verlieren. Sie musste genügend Abstand halten, damit er ihre Schritte nicht hörte und doch musste sie so nah dran bleiben, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, denn sonst würde sie sich heillos verlaufen. Die stille Dunkelheit des Waldes machte sie leicht nervös. Ginny hielt ihren Zauberstab bereit. Der Wald war nicht umsonst verboten.   Während sie ihm immer weiter in den Wald folgte, dabei über Wurzeln und Äste stieg, fragte sie sich, was er wohl vorhaben könnte. Abgesehen von den Unterrichtsstunden bei Hagrid war sie noch nie im Verbotenen Wald gewesen. Es gab unzählige Erzählungen und Gerüchte über die Wesen, die hier lebten. Weit entfernt hörte sie den Laut einer Eule – ein Geräusch, das sie zutiefst erschreckte, so angespannt war sie. Jetzt bloß nicht schwach werden, ermahnte sie sich.   Die Neugierde war letztendlich größer als die Angst.   Hermine würde ihr in dieser Situation davon abraten. Ihre schrille Stimme hallte in ihrem Kopf wieder: Das verstößt gegen die Schulregeln! Doch Harry wäre ganz auf ihrer Seite, denn er war, ebenso wie sie, davon überzeugt, dass Malfoy irgendetwas ausheckte.   Nach einer Weile hatte Ginny jedes Zeitgefühl verloren. Ob sie bereits zehn Minuten, zwanzig, oder vielleicht auch gar eine Stunde in diesem Wald war, konnte sie nicht mehr sagen. Dann erblickten ihre Augen eine weitere Lichtquelle. Der Wald wurde lichter und der Mondschein drang durch das Geäst der Bäume. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass schon wieder Vollmond war. Vielleicht nicht unbedingt die beste Zeit, um in den Verbotenen Wald zu gehen, falls es hier Werwölfe gab. Weitere Geräusche drangen an ihr Ohr. Es klang wie das Plätschern von Wasser.   Hinter einem dicken Baumstamm verborgen sah sie, wie Draco eine Lichtung betrat. Es war dort so hell, dass er das Leuchten des Zauberstabs löschte und ihn in seinen Umhang zurücksteckte. Erneut sah er sich um, ob ihm jemand gefolgt war. Der Boden war übersät mit Gras und Blättern und tatsächlich erkannte Ginny einen Bach, der durch die Lichtung floss. Der Slytherin legte seine Kapuze zurück und ging auf den Bach zu. Das helle Mondlicht schimmerte auf seinem blonden Haar. Ginny versuchte näher heranzukommen, doch sie traute sich nicht, da sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Was bei Merlin machte er da? Er schien etwas zu suchen. Und dann, völlig unerwartet, kniete er sich an den Rand des Baches. Ginny wünschte sie könnte mehr sehen und schlich letztendlich doch näher heran. Hinter einer Birke blieb sie stehen und beobachtete ihn weiter. Es schien, als würde er einen Stein aus dem Wasser holen, den er an dem Saum seines Umhangs abtrocknete.   Ginny runzelte die Stirn. Das penible Reinblut ließ es zu, dass seine Kleidung schmutzig wurde? Was genau war das, was Malfoy dazu veranlasste, mitten in der Nacht das Schloss zu verlassen und im Matsch nach Steinen zu wühlen? Ein wenig war die Gryffindor enttäuscht. Sie hatte irgendwie etwas Aufregenderes erwartet. Alles Mögliche hätte sie in diesem Wald antreffen können, wie menschenfressende Spinnen, philosophierende Zentauren oder wunderschöne Einhörner, stattdessen beobachtete sie einen Slytherin beim Steinesammeln. Das war einfach nur öde und langweilig.   Doch dann hob Malfoy seinen Blick und schien in genau ihre Richtung zu schauen. Erschrocken versteckte sich Ginny hinter ihrem Baum. Nervös hielt sie die Luft an. Er konnte sie unmöglich sehen, schließlich war sie dank des Desillusionierungszaubers unsichtbar. Er hätte sie höchstens hören können. Wenn sie nur lang genug still hielt, würde er das Geräusch vielleicht dem Rascheln der Bäume zuschreiben.   Vorsichtig lugte sie am Baumstamm vorbei. Nur um zu sehen, wie er inzwischen seinen Zauberstab gezückt hatte.   „Wer ist da?“, fragte er in die Stille des Waldes und Ginny presste die Lippen aufeinander. Das durfte doch nicht wahr sein! Ihre Tarnung war kurz davor aufgedeckt zu werden. Ihr Herz klopfte ihr bereits bis zum Hals.   Malfoy starrte ins Dickicht der Bäume, die Augen leicht zusammengekniffen. „Finite“, sagte er und Ginny spürte wie der Desillusionierungszauber von ihr genommen wurde. So ein verdammter Doxymist! In ihrem Kopf ratterte es. Was sollte sie tun? Weglaufen? Angreifen? Doch sie blieb nur wie erstarrt stehen.   „Ich wusste doch, dass ich etwas gehört habe“, sagte er unbeeindruckt. Er ließ den Zauberstab sinken, steckte ihn aber noch nicht weg. Vorsichtig lugte sie um den Baum.   „Weasley. Hätte ich mir denken können.“ Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu und wandte sich dann ab. Eine Weile verharrte sie an Ort und Stelle, bis sie sich weiter traute hervorzutreten. Malfoy schien sie nicht in eine Kröte verwandeln zu wollen. Das überraschte sie. Dabei ließ er sonst keine Gelegenheit aus, um ihr einen Fluch auf den Hals zu jagen. Nein, er widmete sich wieder seinem seltsamen Stein.   Da nun keine Gefahr mehr zu bestehen schien trat Ginny auf die Lichtung. „Was machst du da?“, traute sie sich zu fragen und sie stellte fest, dass sie sicherer klang, als sie sich fühlte.   Er warf ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht.“   Neben ihm blieb sie stehen. Über ihnen schien der Vollmond in einer sternenklaren Nacht. Unzählige Lichtpunkte tanzten am Himmel. Beinahe hätte Ginny diese Szenerie als romantisch beschreiben können. Die Lichtung umfasste vielleicht gute dreißig Meter. Es war still und friedlich, nur das leise Plätschern des Baches erfüllte die Stille und der Mondschein spiegelte sich auf dessen Oberfläche.   „Es ist verboten in den Wald zu gehen“, sagte sie, nur um etwas zu sagen.   „Ach, was du nicht sagst.“   „Schulsprecher hin oder her“, begann sie. „Auch für dich gelten Regeln.“   Er ignorierte sie. Er setzte sich auf den Boden und widmete seine komplette Aufmerksamkeit dem seltsamen Stein, den er in seinen Händen hielt. Ginny setzte sich ihm gegenüber im Schneidersitz, immer noch neugierig.   „Was ist das?“, fragte sie. Jetzt aus der Nähe, sah sie, dass der Stein blau war. Es sah nicht mehr aus wie ein Stein, vielmehr wie ein Kristall.   „Das ist ein Mondstein“, sagte der Slytherin, ohne den Blick davon zu nehmen. Er klang beinah ehrfürchtig. Ein Tonfall, der absolut nicht zu einem Malfoy passte. Dann sah er auf und traf ihren Blick. „Wenn du es genau wissen willst, das ist für ein Schulprojekt. In Wahrsagen behandeln wir gerade das Thema. Falls du mir Punkte abziehen willst kannst du es gleich vergessen. Professor Trelawney hat uns das als Hausarbeit aufgegeben.“   Ginny zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. „Du belegst noch freiwillig Wahrsagen? Jeder der bei Verstand ist wählt dieses Fach ab, sobald er kann.“ Argwöhnisch sah sie ihn an, versuchte in seinem Gesicht irgendein Zeichen zu erkennen, dass er log. Sein Gesicht blieb regungslos. Er sah sie ruhig an und nichts verriet seine Gedanken oder Gefühle. „Ich weiß nicht, ob ich dir glauben kann.“   „Weißt du was, Weasley? Das ist mir so ziemlich egal. Tu es, oder lass es bleiben.“   Einem Malfoy durfte man nicht vertrauen. Hinter dieser Sache steckte mehr, als er verriet, das war offensichtlich. Doch Ginny war einfach zu neugierig.   „Darf ich ihn mal sehen?“   Draco sah sie an, schien einen Moment lang zu überlegen, dann  hielt er ihr die offene Hand hin, mit dem Mondstein auf der Handfläche. Ginny nahm den Stein und hielt ihn dann in beiden Händen. Ihre Finger fuhren über die glatte und unebene Oberfläche. Er war kalt und leicht. Das dunkle Blau schimmerte und zog sie in ihren Bann. „Er ist wunderschön“, hauchte sie, während sie ihn ehrfurchtsvoll in ihren Fingern hielt. Kaum zu glauben, dass so etwas in einem Bach im Verbotenen Wald herumlag. Malfoy, der sie stumm dabei beobachtet hatte, hielt ihr die Hand wieder hin. „Jetzt gib ihn mir zurück“, befahl er, nicht barsch, aber ruhig. Ginny musterte seine Hand, die blasse Haut wirkte im Mondlicht fast weiß. Vorsichtig, als wäre er zerbrechlich, legte sie den Stein zurück in seine Hand.   „Du musst ihn ins Mondlicht halten“, sagte Draco dann, beugte sich zu ihr herüber und hielt ihr den Stein vor die Augen. „Schau.“   Ginny verschlug es beinahe den Atem. Das Licht des Mondes brach sich im Stein und zerteilte sich in Millionen von Lichtpunkten. Er funkelte und das Blau des Steins schien geradezu zu Leuchten.   „Wow“, hauchte sie fasziniert. Sie drehte ihr Gesicht zu ihm. Und ihr wurde plötzlich bewusst, wie nah er war. Ein seltsames Gefühl überkam sie, eins, das sie nicht recht benennen konnte. Sie wusste nur, dass es nichts Schlechtes war. Sie fühlte sich in diesem Moment alles andere als unwohl. „Und was genau macht man mit diesem Mondstein?“, fragte sie.   „Das wirst du wohl nie erfahren, da du Wahrsagen abgewählt hast“, erklärte er schlicht und steckte den Stein in die Tasche seines Umhangs. Leicht schmollend verzog Ginny den Mund. Sie stand auf und ging zu dem Bach hinüber, hockte sich hin und versuchte im Wasser etwas Blaues zu finden. „Vielleicht finde ich ja auch einen“, sagte sie optimistisch.   „Tu was du nicht lassen kannst.“   Ginny holte mehrere Steine aus dem Wasser, die aussahen, wie der Mondstein, doch sie entpuppten sich nur als normale Steine. Nach einigen Versuchen gab sie frustriert auf.   Wenig später waren sie auf dem Rückweg zum Schloss und Ginny gestand sich ungern ein, dass sie sich mit Malfoy an ihrer Seite um einiges wohler fühlte, als allein durch den Wald zu gehen. Immerhin schien er auch den Weg zurück zu kennen. Die Spitzen ihrer Zauberstäbe leuchteten ihnen den Weg und beide gingen stumm nebeneinander her.   Erst als sie den Verbotenen Wald verließen und das Schloss in Sicht kam, fühlte sie sich wieder sicher. Sie löschten ihre Zauberstäbe und gingen, beide die Kapuzen über die Köpfe gezogen, den Weg hinauf zum Schloss. Kaum noch Licht brannte in den Fenstern und nur das helle Mondlicht erleuchtete die hohen Türme. Das Schloss befand sich bereits in tiefem Schlaf.   Nachdem sie Hagrids Hütte passierten, sagte Draco: „Das muss aufhören.“   Fragend sah Ginny ihn an. Er mied ihren Blick. „Was meinst du?“   „Das Anstarren, das hinterher schnüffeln. Heute bist du mir gefolgt. Ich habe es dir letztens schon gesagt, es nervt. Was auch immer du dir in den Kopf gesetzt hast, lass es.“   Ginny schwieg, peinlich berührt. Für einen kurzen Moment hatte sie sich in seiner Gegenwart wohlgefühlt und nun wies er sie ab. Schweigend gingen sie zum Eingangsportal. Mit einem ungesagten Zauber öffnete er die schwere Holztür.   „Ein letzter guter Rat von mir, Weasley“, er bedachte sie mit einem undefinierbaren Blick, bevor er sich zum Gehen wandte. „Halte dich fern von mir.“   Er ging in Richtung Kerker, der Umhang wehte hinter ihm her. Und Ginny verspürte einen kleinen Stich. Erst als er um die nächste Ecke verschwand machte sie sich auf den Weg zum Gryffindorturm. Als Vertrauensschülerin musste sie nicht vorsichtig sein erwischt zu werden und doch gab es auch für sie eine gewisse Uhrzeit, zu der sie nicht mehr außerhalb ihres Gemeinschaftsraums anzutreffen sein sollte. Deshalb legte sie wieder den Desillusionierungszauber über sich und ging leise an den schlafenden Porträts vorbei die Treppen hinauf zum Gryffindorturm.   Ginny war tief in Gedanken versunken. Wieder einmal kreisten sie wie so oft in letzter Zeit um Draco Malfoy, der ihr so viele Rätsel aufgab.   Im Moment wollte sie alles andere, als sich von ihm fernzuhalten.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)