Das Schlachthaus in der Minton Street von ReptarCrane ================================================================================ Kapitel 8: Chapter 3 - 1 ------------------------ Bereits vor der geschlossenen Haustür roch es köstlich, und als Eddie die Tür aufschloss und in den Flur trat wurde der Geruch noch einmal um ein vielfaches intensiver. Es roch nach irgendetwas scharfem, und nach Zitrone und Ingwer. Styx, der bereits vor dem Öffnen hinter der Tür gewartet und immer wieder geschnaubt hatte als könne er es nicht abwarten, dass sein Herrchen endlich hereinkam, sprang vor Begeisterung herum, drehte sich im Kreis und stellte sich auf die Hinterpfoten, um dann in Richtung seines Körbchens zu verschwinden, vermutlich, um eines seiner Spielzeuge als Begrüßungsgeschenk zu organisieren. Derweil zog Victor hinter sich die Tür ins Schloß und kniete sich auf den Boden, darauf wartend, dass der kleine Shiba Inu zurückgerannt käme. „Da bist du ja endlich!“ Dass seine Mutter an der Ecke zum Esszimmer stand hatte Eddie nicht bemerkt, und so zuckte er erschrocken zusammen als er ihre Stimme vernahm, und blickte sie ein wenig schuldbewusst an. „Ähm, ja…hi, Mom!“ „Kind, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du anrufen sollst wenn du noch woanders hingehst!“ Vorwurfsvoll blickte Mom ihn an, die Arme vor der Brust verschränkt. Zerknirscht, und zugleich bereits wieder ein wenig genervt, erwiderte er: „Mom, ich bin vierzehn! Meist du nicht…“ Sie ließ ihn nicht ausreden, setzte nun anstelle ihres mahnenden Gesichtsausdruckes ein freundliches Lächeln auf. „Victor! Schön, dass du da bist! Wie geht es dir?“ „Och, ja, gut soweit…“ Victor lächelte ebenfalls, wirkte dabei jedoch ein wenig überfordert, so wie er es jedes Mal tat wenn Eddies Mutter ihn derart herzlich begrüßte. Eddie konnte ihm das nicht verübeln. Mom wirkte mit ihrer überschwänglichen Art auf so gut wie jeden überfordernd, und Victor tat sich dazu noch allgemein schwer mit der Interaktion mit anderen Menschen. Falls Mom diese Unsicherheit bemerkte, so ging sie nicht weiter darauf ein. Fügte stattdessen hinzu: „Es gibt heute Gemüsecurry mit Reis, ich hoffe das magst du! Und zum Nachtisch Schokopudding, den musste ich allerdings ein wenig knapper aufteilen weil ich ja vorher nicht wusste dass du kommst…“ „Oh, ich wollte jetzt auch keine Umstände…“, begann Victor, doch schon schnitt Mom ihm das Wort ab. „So ein Quatsch, du machst keine Umstände! Es ist genug zu essen da!“ Dann wandte sie sich an Eddie und fügte hinzu: „Du kannst schon mal den Tisch decken! Aber vorher Hände waschen! …wie siehst du überhaupt aus? Wo warst du Bitteschön?“ „…Dachboden…“, brachte Eddie knapp hervor, und stolperte beinahe über Styx, der, seinen Plüschhasen im Maul, nun auf Victor zu rannte und sich vor ihm auf den Rücken warf. Ein wenig skeptisch blickte Mom erst zu Eddie, dann zu Victor. „Ah. Alleine, ja?“ Eddie brauchte ein paar Sekunden, um den Sinn hinter dieser Aussage zu verstehen, Victor jedoch war glücklicherweise schneller. Während er Styx über den Bauch streichelte erklärte er vollkommen ruhig: „Nein, ich hab mich nur danach umgezogen. Wir haben nach alten Leinwänden von meiner Mutter gesucht, und leider hat da oben ewig keiner mehr aufgeräumt…“ „Oh, ich denke bei euch ist es immer noch ordentlicher als auf unserem Dachboden!“ Mom entspannte sich augenscheinlich, schien die Lüge zu glauben, lachte. Dann sagte sie, erneut zu Eddie: „Na los jetzt, Händewaschen, sonst wird alles kalt!“, und, in Richtung der Küchenzeile: „Schatz, sag deiner Tochter Bescheid, dass es Essen gibt!“ „Kann ich auch irgendwas helfen?“, fragte Victor und machte Anstalten, aufzustehen, was Styx mit einem energischen Stupsen und einem Wuffen kommentierte. Nun war er derjenige, der einen strengen Blick von Eddies Mutter kassierte. „Nichts da, du bist hier Gast! Du setzt dich hin und entspannst dich!“ Ihr Tonfall ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass sie keinerlei Widerspruch dulden würde, und so widmete sich Victor Gehorsam seiner vorigen Tätigkeit und kraulte weiter Styx‘ Bauch, während Eddie sich auf den Weg ins Badezimmer machte. Zehn Minuten später war der Tisch fertig gedeckt, und Eddie ließ sich gegenüber von seiner Schwester auf seinen Stuhl fallen und griff nach der Flasche mit dem Orangensaft. Lilith würdigte ihm keines Blickes, war ihrerseits ganz damit beschäftigt, sich Cola einzuschenken, und hob erst den Kopf, als Victor aus dem Bad und in die Küche kam. Als sie ihn sah setzte sie sofort ein strahlendes Lächeln auf. „Hey! Na, alles klar bei dir?“ Etwas perplex, obwohl diese Begrüßung von Lilith vollkommen normal war, nickte Victor, dann nahm auch er Platz. Betont vorwurfsvoll blickte Eddie seine Schwester an, in gespielt beleidigtem Tonfall feststellend: „Mich begrüßt du nie so enthusiastisch.“ „Ja, aber sich muss ich ja auch jeden Tag sehen!“, konterte Lilith, fügte dann an Victor gewandt hinzu: „Willst du auch Cola?“ „Nein, danke.“ Victor schüttelte den Kopf. „Ich hatte heute schon vier Tassen Kaffee, ich glaube, ich sollte erst mal kein Koffein mehr trinken…“ „Okay, dann was anderes?“ „Ähm…ja, O-Saft hätte, ich gern, bitte…“ Eigentlich war Letzteres eher an Eddie gerichtet gewesen, der die Flasche mit dem Saft noch immer in der Hand hielt, doch noch bevor der eine Chance hatte zu reagieren beugte Lilith sich bereits über den Tisch, riss die Flasche an sich, um sich dann zu Victor rüber zu schieben. „Bitteschön!“ Eddie verdrehte bloß die Augen. Aufregen tat er sich über Liliths Verhalten in Victors Gegenwart schon lange nicht mehr; es war wirklich mehr als offensichtlich dass sie ziemlich in ihn verknallt war, und das schon seit Jahren. Ziemlich offensichtlich jedenfalls für jeden außer Victor, der das wahrscheinlich auch dann nicht erkennen würde wenn Lilith es ihm direkt ins Gesicht sagen würde. Jedenfalls war Lilith immer reichlich anstrengend, wenn Victor zu Besuch war, aber mit der Zeit hatte Eddie sich daran gewöhnt. Während Victor sich Saft eingoss stellte Mom die dampfende Schüssel mit dem Reis auf den Tisch, gefolgt von der Schale mit dem Curry, und Eddie beugte sich vor um nach der Kelle zu greifen, als Lilith ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein trat. Er stieß einen kurzen Schrei aus, eher aus Überraschung als aus Schmerz, und funkelte seine Schwester wütend an. „Hallo, geht’s noch?“ „Die Gäste kriegen zuerst!“, erwiderte Lilith trocken, und nun hatte Eddie doch einen Augenblick lang das starke Bedürfnis, ihr irgendetwas gegen den Kopf zu werfen. Bevor er jedoch überhaupt irgendetwas tun konnte, griff nun Dad ein. „Kinder, ernsthaft! Jetzt benehmt euch!“ Er klang nicht streng, sondern viel mehr belustigt, was wohl daran lag, dass ihn Liliths Verhalten in Victors Gegenwart reichlich amüsierte. Resigniert lehnte Eddie sich zurück, blickte zu Victor, der ein wenig angespannt auf seinem Stuhl hockte. Er verstand vielleicht nicht, warum Lilith sich wo benahm, doch schien es ihm unangenehm zu sein. Wieder beugte sich Eddie vor, griff nach der Schüssel und stellte sie vor den Teller seines Freundes. „Da, Bitteschön, sonst kriegt Lilith noch nen Nervenzusammenbruch!“ „Ach, Klappe!“, kommentierte die spitz. Die nächsten fünf Minuten etwa verliefen friedlich, jeder war auch sein Essen konzentriert und Mom und Dad tauschten Banalitäten des Tages aus, so als wäre es etwas Neues dass das Wetter schlecht war oder dass der Nachbar sich darüber beschwerte, dass die Bäume im Garten ihm das Licht in seiner Küche nahmen. Eddie hörte ihnen nicht wirklich zu. Er war in seinen eigenen Gedanken versunken, und es war kaum überraschend, dass eben diese Gedanken sich um das verlassene Gebäude in der Minton Street drehten. So bemerkte er auch erst, dass Mom ihm eine Frage gestellt hatte, als alle am Tisch sitzenden ihn abwartend anblickten. Nun erst hob er den Blick, sah ein wenig verlegen in die Runde und fragte: „…ähm…was?“ „Ich habe gefragt, wie dien Tag war“, wiederholte Mom, und Lilith kicherte leise neben ihr. „…och…“ Eddie zuckte mit den Schultern, dann wandte er sich wieder seinem Teller zu, als sei damit alles gesagt, doch innerlich kreisten seine Gedanken nun um eine Frage, die ihm soeben in den Sinn gekommen war, und noch war er unschlüssig, ob er sie wirklich laut stellen sollte… letztlich entschied er sich jedoch dafür. „Also, ihr wohnt doch beide schon ewig hier, oder?“ Fragend blickte er seine Eltern an, die ihrerseits einen leicht irritierten Blick austauschten. Dad erwiderte: „Mein ganzes Leben! Aber so alt, dass ich das ewig nennen würde, bin ich nun auch nicht…“ „Ihr seid im letzten Jahrtausend geboren!“, kommentierte Lilith und grinste. „Also, wenn das nicht alt ist…“ „Vorsicht, junge Dame, sonst gibt es keinen Nachtisch!“ Mom grinste ebenfalls, wandte sich dann wieder Eddie zu, und nun klang ihre Stimme ein wenig skeptisch, als sie nachhakte: „Worauf willst du mit der Frage hinaus?“ „…na ja…ich dachte nur…“ Wenn Eddie ehrlich war, dann hatte er keine Ahnung, wie er möglichst unverfänglich weiter vorgehen sollte, und er wünschte sich, diese Frage nicht gestellt zu haben. Auch, wenn dieses Thema ihn brennend interessierte. Victor, der sich bisher als einziger am Tisch weiterhin auf sein Essen konzentriert hatte, legte nun seine Gabel zur Seite und hob den Blick. Sah Eddie fragend an, und meinte dann: „Ah, du meinst wegen dem Haus, an dem wir vorhin vorbeigekommen sind?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)