Blut_Linie von DieLadi ================================================================================ Kapitel 12: Fassungslos sein ---------------------------- Es hatte nicht funktioniert. Larissa war noch immer nicht bei Bewusstsein gewesen, als Daniel und Steve im Schloss eingetroffen waren. Man hatte sich alsbald daran gemacht, das Ritual zu vollziehen. Da es keinen Hinweis darauf gab, dass das Schlafgift unbedingt mit einem Apfel zu sich genommen werden müsste, entschloss man sich, es der Bewusstlosen zwischen die Lippen zu träufeln. Man hatte den Neumond abgewartet und dann hatte Steve sie geküsst. Und wie er sie geküsst hatte. Er hatte all die Liebe und all die Sehnsucht in den Kuss gelegt, die er in sich fühlte. Hatte sie wieder und wieder geküsst. Doch sie war nicht aufgewacht. Und keiner von ihnen konnte sagen, was der Grund dafür war. Selbst der alte Graf nicht, der mit seinem Alter und seinem tiefen Wissen ihre Hoffnung gewesen war. Selbst er war ratlos. Und nun saß der Rat des Königs im Thronsaal und versuchte, irgendwie dahinter zu kommen, was sie als nächstes tun könnten. Da war der König, der auf seinem Thron Platz genommen hatte und der sorgenvoll sein Kinn in die Hand stützte, um den anderen bei ihren Vorschlägen zuzuhören. Da war der Graf, der sich nach Kräften bemühte, aber im Augenblick auch nicht weiter wusste. Da war Steve, dessen Herz in einen Dornbusch gefallen war und blutete. Und da war Daniel, der geradezu verzweifelt dagegen ankämpfte, nicht die Hoffnung zu verlieren. Außerdem gehörten dem Rat noch einige alte, weise Vampire an, aus den alten, wichtigen Familien. Aber keiner von ihnen hatte auch nur entfernt eine Idee, die irgendwie vielversprechend klang. Es war zum verrückt werden. Daniel hing seinen Gedanken nach und es waren keine guten Gedanken. Wenn nicht bald etwas passieren würde, würde Larissa sterben. Und mal ganz abgesehen davon, dass er die junge Frau inzwischen wie eine Schwester liebte, hatte er das Gefühl, dass sie noch eine ganz wichtige Rolle spielen würde. Er hatte keine Ahnung, woher das Gefühl kam, aber er hatte in der Vergangenheit gelernt, seinen Eingebungen zu vertrauen, da sie oftmals zutrafen. Darüber hinaus würde es, wenn es keine Fortschritte in der Blutforschung gäbe, keine Hoffnung für ihn und Marti geben. Keine Hoffnung auf ein zusammen sein, auf ein glückliches Leben mit dem Mann, den er liebte. Aber er würde immerhin noch wissen, dass es Marti gut ging. Steve dagegen würde seine große Liebe verlieren. Verdammt. Er seufzte und verfluchte zum wer weiß wie vielten Mal die Bürde der Thronfolge. Sein ganzes Leben war darauf ausgerichtet gewesen, und noch vor einem halben Jahr war er glücklich und zufrieden gewesen und hatte sich sogar darauf gefreut, eines Tages die Regierung zu übernehmen. Und dann war Marti in sein Leben gestolpert. Und nun würde er nichts lieber tun, als es hinzuwerfen. Aber sein Pflichtbewusstsein stand dem entgegen. Wenn er doch nur nicht der verdammten Königlichen Blutlinie angehören würde, dachte er und fuhr mit den Fingern über das Mal an seinem Handgelenk. Sein Blick fiel darauf und er erstarrte. Das ... das konnte doch nicht sein ... Was zum Henker ... Er sah genauer hin, blinzelte, um zu vermeiden, dass seine müden und Tränen verschleierten Augen ihm einen Streich spielten. Aber nein, er sah es nun um so deutlicher. Er räusperte sich. „Vater?“ Der König, der gerade mitten im Satz war, schien ihn nicht gehört zu haben. Jedenfalls redete er weiter. „Vater!“ Daniels Stimme wurde lauter und eindringlicher. Erstaunt drehten sich alle Köpfe zu ihm. Es war nicht üblich, während des Rates jemandem ins Wort zu fallen, und schon gar nicht dem König. Mit hochrotem Kopf entschuldigte sich Daniel: „Vater, bitte verzeih mir die Unterbrechung, aber es ist wirklich wichtig!“ „Gut“, sagte der Vater langsam, „was möchtest du mit sagen, mein Sohn?“ Daniel sah die fragenden Blicke und wurde sich in diesem Augenblick erst der Tragweite der Sache bewusst. Und er entschied, dass es besser war, erst einmal mit dem Vater allein zu sprechen. „Ich weiß, es ist ungewöhnlich, Vater, die Ratsversammlung so rüde zu unterbrechen, aber ich muss dich ganz dringend unter vier Augen sprechen. Es ist wirklich von großer Wichtigkeit.“ Der Vater sah Daniel mit fragendem Blick an. Dann nickte er. Er wandte sich an die versammelten und sagte: „Bitte verzeiht, meinen Herren. Wir werden umgehend zurück sein.“ Dann stand er auf, strich die königliche Robe glatt und folgte Daniel, der, mit immer noch hochroten Wagen, aus dem Thronsaal eilte. Sie liefen ein Stück den Korridor hinunter, bis Daniel an einem der großen Fenster hielt, das jede Menge helles Tageslicht in die Mauern des Schlosses dringen ließ. Er schaute sich noch einmal um, vergewisserte sich, dass sie allein waren und zeigte dann dem alten König das Handgelenk. Der sah sofort, was los war, streifte die Ärmelbündchen seiner Robe zurück und legte seine eigenes Mal frei. Es zeigte die selbe Veränderung wie bei seinem Sohn. Er sah Daniel mit geweiteten Augen an. „Junge, dir ist klar, was das bedeutet?“ „Ungefähr, Vater, wenngleich ich alle Konsequenzen im Augenblick noch nicht überblicken kann.“ Sie sahen sich an. „Ruf Jakob an, wir müssen wissen, ob sich sein Mal auch verändert.“ Ja, das würde Daniel tun. Denn das Mal an seinem Handgelenk und dem seines Vaters war verblasst. So hell, dass es kaum noch zu sehen war. Und das bedeutete nur eins: Die Königliche Blutlinie endete, und eine neue entstand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)