Blut_Linie von DieLadi ================================================================================ Kapitel 8: Ehrlich sein ----------------------- Alle Augenpaare waren auf Daniel gerichtet. Daniels Augen jedoch blickten hilfesuchend auf seinen Bruder. Jakob nickte ihm zu. „Du tust das richtige. Vertraue unseren Freunden“, sagte er. Marti, dessen blaue Augen ein einziges Fragezeichen waren, sagte nichts, doch er hielt Daniel fest, und der junge Vampirprinz war sich in diesem Augenblick klar: Um nichts auf der Welt würde er es fertigbringen, diesem Mann vorzulügen, er würde einen anderen lieben. Felix' Blick wiederum wanderte zwischen Jakob und Daniel hin und her. „Also gut“, sagte er streng. „Was zum Teufel ist hier los?“ Daniel seufzte. Und dann begann er zu berichten. Von Larissas Zustand, und von der Tatsache, dass es im Moment keine andere Möglichkeit gab, als Steve nach Transsylvanien mitzunehmen, damit er das Ritual vollzog und sie rettete. Davon, dass er gekommen war, um Steve zu holen. Dass Steves Zustand also in mehr als einer Hinsicht eine Katastrophe war ... soweit war den Freunden die Geschichte ja schon bekannt. Aber Daniel erzählte auch, dass es eine Möglichkeit gab, Larissa und Steve zu retten. Keine schöne Möglichkeit. Aber im Moment wohl die einzige, wenn Steve nicht bald von sich aus aus dem Koma erwachte. Als er geendet hatte, herrschte Schweigen auf dem Krankenhausflur. Die Freunde waren erschüttert, verwirrt. Aber keiner von ihnen ging mit Anschuldigen auf Daniel los. Sie verstanden und spürten, dass es dem auch nicht leicht fiel, was er zu tun beabsichtigte. „Nur damit ich das richtig verstehe“, sagte nun Rick. „Wenn es hart auf hart kommt, willst du Steve ... beißen ... um ihn in einen Vampir zu verwandeln? Und ... dann würde er aus dem Koma erwachen?“ „Ja“, sagte Daniel. „ja, das ist der Plan. Vampire erkranken nicht. Und sterben auch nicht einfach so. Sie sterben nur, wenn sie auf Menschenblut verzichten oder wenn sich sich bewusst entscheiden, aus dem Leben zu scheiden. Wenn Vampire sehr alt werden, tun sie das für gewöhnlich. Aber .... krank werden oder an Verletzungen sterben, so etwas gibt es bei uns nicht. Deswegen würde Steve, wenn ich ihn verwandle, aus dem Koma erwachen.“ Er seufzte. „Und wenn er rechtzeitig von allein erwacht?“, fragte nun André. „Dann müsste ich ihn nicht verwandeln. Dann könnte er einfach so mitkommen. Du bist ja auch schon mal mit Jakob geflogen, erinnerst du dich?“ „Und ob“, sagte André. „Das war eine der krassesten Erfahren in meinem Leben!“ Wieder seufzte Daniel. „Ich kann nur hoffen, dass er erwacht. Das wäre die beste Lösung, denn wenn ich ehrlich sein soll, wissen wir nicht einmal, ob das Ritual funktioniert, wenn beide Partizipanten Vampire sind. Aber wenn Steve ...“ er schluckte und schaute vorsichtig zu Rick, Steves bestem Freund, „ ... im Sterben liegen würde; oder Larissa, und Steve wäre immer noch im Koma, welche Wahl bliebe mir dann?“ Wieder schwiegen die Freunde. Und dann sagte Rick: „Daniel hat recht.“ Er schloss die Augen. „Du sagst also, wenn du Steve verwandelst, kannst du sie beide retten?“ „Ja“, sagte Daniel. „Wenn wir rechtzeitig und schnell genug handeln, dann ja.“ Rick schaute in die Runde der Freunde. „Wir können Steve nun mal nicht um sein Einverständnis bitten. Also müssen wir, seine Freunde, die Entscheidung für ihn treffen. Ich bin, glaube ich, das, was man seinen besten Freund, beinahe seinen Bruder, nennen kann. Und ich sage: Ja. Wenn es nicht mehr anders geht, soll Daniel es tun. Denn Steve zu retten hat für mich oberste Priorität. Und Larissa sterben zu lassen kommt auch nicht in Frage. Erstens mal sowieso nicht, und zweitens – wie sollten wir das Steve erklären? Dass man sie hätte retten könne, wir das aber verhindert haben? Er liebt sie und würde alles für sie tun. Ich würde ... wir würden seine Freundschaft damit aufs Spiel setzen. Also: ich stimme dafür. Auch wenn mir das verdammt schwer fällt.“ Die Tatsache, dass noch niemand von ihnen Rick außerhalb ihrer Videos je eine solche lange Ansprache hatte halten hören; die Tatsache, dass Rick sich normalerweise eher in Brummlauten als in ganzen Sätzen äußerte und die Tatsache, dass es für alle wohl das erste mal war, das sie Tränen aus Ricks Augen laufen sahen, beeindruckte die Freunde. Und trug sicher auch dazu bei, dass sie nacheinander nickten und dem Plan zustimmten. Wenn auch sicher nicht leichten Herzens. Nur Marti war skeptisch. „Eins ist mir noch klar“, sagte er. „Du hast vorhin zu Jakob gesagt, du würdest es nicht fertig bringen. Was hast du damit gemeint?“ Daniel wurde schlagartig knallrot. „Ich ...“ Er musste tief durchatmen. Dann nahm er allen Mut zusammen und sagte: „Ich hatte vor, euch zu beschwindeln. Ich wollte euch eine haarsträubende Geschichte erzählen, damit ihr mich an meinem Vorhaben nicht hindert. Und mich nicht davon abhaltet, dass ich die ganze Zeit an Steves Krankenbett bleiben kann. Ich ... bin froh, dass ich das nicht getan habe.“ Sanft streichelte er über Martis Wange. „Ich hätte euch enttäuscht. Ich hätte dir, Marti, sehr weh getan ... Jetzt schäme ich mich, dass ich überhaupt darüber nachgedacht habe. Ihr seid großartig. Ich habe heute so viel über die Menschen, vor allem über ihre Fähigkeit zur Freundschaft gelernt, wie die meisten Vampire in ihrem ganzen Leben nicht.“ „Wollen wir wissen, was du uns aufgetischt hättest?“, fragte Felix. „Lieber nicht. Ich möchte es lieber für mich behalten, es spielt ja auch keine Rolle mehr.“ „Gut“, sagte Felix. „Ich würde sagen, dann belassen wir es dabei.“ Daniel sah auf Martis Gesicht, das ihn fragend und beinahe scheu ansah. 'Dir werde ich es eines Tages beichten,' beschloss er. 'Wenn das alles hinter uns liegt.' Jakob war heilfroh. Er drückte sich fest an seinen Verlobten und war dankbar, dass er nicht gezwungen gewesen war, seinen Bruder bei einer Lüge zu unterstützen. Er war stolz auf seine Freunde, und auch auf Daniel, der begriffen hatte, wie sehr er die Menschen doch unterschätzt hatte. In diesem Augenblick ging Daniels Mobiltelefon. Er nahm ab. „Daniel? Hier ist dein Vater“, hörte er die aufgeregte Stimme des alten Vampirkönigs. „Mein Junge, wir wissen jetzt, was mit Larissa los ist! Warum sie so schnell abbaut und warum der Vampirschlaf bei ihr nicht richtig funktioniert!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)