Insecurity von kleines-sama (Dofladile) ================================================================================ Kapitel 7: Ablenkung -------------------- Heute fand die Beerdigung statt. Und Crocodile versuchte mit allen Mitteln nicht daran zu denken. Nicht an an seine Mutter, nicht an seinen Vater und auch nicht an seine Geschwister, von denen er noch immer nichts gehört hatte. Als er um sieben Uhr morgens aufwachte, obwohl Wochenende war, machte er sich hastig für den Tag fertig und huschte hinüber in sein Arbeitszimmer. Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, setzte er sich an seinen Laptop und sah einige Dokumente durch, die Hina ihm geschickt hatte. Crocodile kam wahnsinnig gut mit seiner Nachfolgerin zurecht. Beinahe tat es ihm leid, dass sie beide langfristig gar nicht zusammenarbeiten würden. Immerhin endete in sechs Monaten sein Arbeitsverhältnis bei Toms Workers. Noch während er die Dokumente sichtete, kam ihm der Gedanke, dass er die Zeit heute auch nutzen könnte, um bei Dr. Raffit anzurufen und einen neuen Termin für die künstliche Befruchtung auszumachen. Besser früher als später. Selbst wenn bei diesem Versuch alles gut funktionieren würde, lägen immer noch mehr als drei Monate Pause zwischen seinem letzten Tag bei Toms Workers und der Geburt seines Kindes. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass sich der ganze Prozess dermaßen verzögern würde. Er würde sich gut überlegen müssen, wie er die verlorenen Monate sinnvoll nutzen könnte. Einfach nur herumsitzen und nichts tun – nein, dazu war er nicht in der Lage. Bei Crocodile handelte es sich um einen echten Workaholic. Er konnte nicht einfach ohne Plan und ohne Ziel in den Tag hineinleben; das war einfach nicht sein Stil. Vielleicht könnte er ein paar Kurse zur Pflege und Förderung von Säuglingen belegen? Gedankenverloren öffnete Crocodile seinen privaten Emailaccount. Seine Laune besserte sich schlagartig, als er feststellte, dass ihre Haushälterin Dadan sich wegen Halsschmerzen für heute krank gemeldet hatte. Das bedeutete nämlich, dass er all ihre Aufgaben übernehmen könnte. Dadan war schon seit mehreren Jahren bei ihnen angestellt. Sie räumte auf, putzte, wusch die Wäsche, kaufte ein und kochte. Crocodile mochte die ruppige, rundliche Frau mit den orangefarbenen Locken sehr gerne. Dienstags bis samstags kümmerte sie sich um alles, was mit dem Haushalt zu tun hatte. Doflamingo und er hatten ihr damals angeboten ausschließlich wochentags zu arbeiten, doch Dadan hatte auf den Sonn- und Montag als ihre freien Tage bestanden. Wenn Crocodile sich richtig erinnerte, betreute sie montags wohl immer eines ihrer Enkelkinder. Ursprünglich hatte Doflamingo für die beiden Tage, an denen Dadan nicht da war, eine zweite Haushälterin einstellen wollen, doch an diesem Punkt hatte Crocodile sich quergestellt. Er empfand es als unangenem in seinen eigenen vier Wänden von zu viel Personal umgeben zu sein. Das hatte ihm schon früher missfallen. In Doflamingos ehemaliger, viel größeren Villa waren ständig so viele verschiedene Angestellte umhergeschwirrt, dass er nicht einmal ihre Namen gekannt hatte. So eine Situation wollte er nicht noch einmal heraufbeschwören. Meistens übernahm Crocodile am Sonntag und Montag die dringend anfallenden Aufgaben im Haushalt. Das bedeutete, er kochte, räumte den Geschwirrspüler ein und brachte den Müll weg. Manchmal kaufte er auch ein, aber das kam eher selten vor. Normalerweise sorgte Dadan nämlich samstags bereits für die kommenden Tage vor. Nun, heute war Samstag. Heute wurde seine Mutter beerdigt. Vielleicht weinte Hancock gerade. Crocodile schüttelte hastig den Kopf, um diese unerwünschten Gedanken loszuwerden, und machte sich stattdessen daran eine Einkaufsliste anzufertigen. Doflamingo liebte Paella, besonders mit Meeresfrüchten. Er würde sich sicher freuen, wenn sein Ehemann ihn heute mit einem besonders leckeren Mittagessen überraschte. Normalerweise wischte Dadan samstags alle Möbel im Haus mit einem feuchten Lappen ab, fiel Crocodile ein, noch während er die Einkaufsliste erarbeitete. Diese Aufgabe könnte er heute freundlicherweise auch übernehmen. Es würde sicher viele Leute verwundern, doch obwohl Crocodile äußerst wohlhabend war, machte es ihm nichts aus im Haushalt zu arbeiten. Er war kein Macho. Früher, als er noch in seiner Loft-Wohnung gelebet hatte, hatte er seinen Haushalt weitesgehend allein geführt, obwohl er sich eine Putzfrau oder Haushälterin durchauch hätte erlauben können. (Nur für die Fenster und Böden hatte er sich Unterstützung durch Reinigungskräfte geholt. Das war ihm dann doch zu mühselig gewesen.) Er empfand es nicht als niedere, unwürdige Arbeit. Für ihn gehörten es einfach zum Leben dazu, seinen Wohnraum sauber zu halten und für sich selbst einzukaufen und zu kochen. Als er vor vielen Jahren bei seinem älteren Bruder gelebt hatte, hatte hauptsächlich Crocodile sich um den Haushalt gekümmert. Während Mihawk zur Arbeit ging, hatte Crocodile geputzt, gekocht und alles Übrige erledigt. Er war damals noch Schüler gewesen und hätte sonst nichts zu ihrem Zusammenleben beitragen können. Seinen Bruder wenigstens jeden Abend mit einem leckeren Essen eine Freude zu machen, war das Mindeste, was er hätte tun können. Es war ihre Arbeitsteilung gewesen und Crocodile hatte es niemals als Schande empfunden. Die alten Erinnerungen stimmten Crocodile traurig. Energisch schüttelte er den Kopf und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. Rasch machte er sich an die Arbeit. Einkaufen. Möbel feucht abwischen. Das Mittagessen vorbereiten. In der Kinderwunschklinik anrufen. Er hatte viel zu tun und überhaupt gar keine Zeit, um an irgendetwas Anderes zu denken. "Warum zur Hölle putzt du samstags um zehn Uhr morgens unsere Möbel?" Crocodile erschreckte sich so sehr, dass er beinahe seinen feuchten Lappen fallengelassen hätte. Vorwurfsvoll wandte er sich an seinen Ehemann, der lediglich in Boxershorts bekleidet im Türrahmen stand. "Schleich dich gefälligst nicht von hinten an mich an", wies er ihn mit strenger Miene zurecht. Völlig ungerührt von Crocodiles rüder Art trat Doflamingo näher. Er musterte ihn mit einem überaus besorgten Gesichtsausdruck. Sofort begann Crocodile sich unwohl zu fühlen. "Dadan ist krank" erklärte Crocodile ihm. "Deswegen übernehme ich heute ihre Arbeit." "Das ist doch wohl nicht dein Ernst", gab sein Partner spöttisch zurück. "Du musst doch nicht deine karge Freizeit nutzen, um hier sauberzumachen." "Aber wenn Dadan nun mal krank ist?", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. Er gab es nur ungern zu, doch Doflamingos herablassende Reaktion verletzte ihn. Sein Ehemann neckte ihn gerne, doch er war nur sehr selten wirklich spöttisch. "Sie kommt erst am Dienstag wieder. Ich möchte nicht, dass unsere Möbel zustauben. Das sind immerhin teure Designerstücke." "Ich verstehe nicht viel vom Putzen", meinte Doflamingo, "aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Schränke innerhalb von drei Tagen so schrecklich zustauben. Also: Raus mit der Sprache, was ist hier los?" "Mir macht es nichts aus zu putzen", gab Crocodile ausweichend zurück. "Du weißt doch, dass ich meine eigene Wohnung damals auch allein saubergehalten habe." "Klar weiß ich das noch." Doflamingo kam näher und legte von hinten seine Arme um seinen Körper und bettete seinen Kopf auf seiner Schulter. "Mir ist es das erste Mal in meinem Leben peinlich gewesen, dass ich von solchen Dingen nichts verstehe. Ich wusste nicht einmal, wie man eine Spülmaschine richtig einräumt." "Stimmt", erinnerte sich Crocodile und konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. "Als du mir dabei geholfen hast, hast du alle Gläser mit der Öffnung nach oben einsortiert." Doflamingo kicherte. "Du hast das allererste Mal für mich gekocht gehabt. Ich weiß noch genau, wie sehr ich mich darauf gefreut habe und wie aufgeregt ich gewesen bin. Aber mit der Spülmaschine habe ich mich wirklich blamiert. Du musst mich für einen Idioten gehalten haben, Wani." "Ich habe es niedlich gefunden", beruhigte Crocodile seinen Ehemann. "Hatte ein bisschen was von Aschenputtel und dem Traumprinzen." Bei dieser Beschreibung brach Doflamingo unweigerlich in lautes Gelächter aus. Als er sich wieder eingekriegt hatte, meinte er: "Aber mal ehrlich: Du musst hier nicht das Aschenputtel mimen. Ich komme mir ganz schäbig dabei vor, wenn ich dir beim Putzen zuschaue. Komm, ich ziehe mich an und dann gehen wir beide auswärts frühstücken. Was hältst du davon, Baby?" Crocodile nickte. Auswärts frühstücken hörte sich auch gut an. Hauptsache er hatte irgendeine Ablenkung. "Ich habe heute auch in der Kinderwunschklinik angerufen", berichtete Crocodile seinem Ehemann, während sie beide an einem Tisch in einem edlen Frühstückslokal saßen. "Um einen neuen Termin für die künstliche Befruchtung auszumachen." "Oh?" Doflamingo wirkte positiv überrascht. Crocodile nickte und nahm einen Bissen von seinem Rührei. "Ich weiß, dass ich in letzter Zeit eine schwierige Phase hatte. Es sind viele schlechte Dinge passiert. Aber es macht einfach keinen Sinn noch mehr Zeit zu verschwenden. Oder wie siehst du das?" "Ich bin ganz bei dir", pflichtete sein Ehemann ihm hastig bei. "Es freut mich, dass du bei diesem Thema wieder die Zügel in die Hand nimmst. Ich wollte dich nicht drängen, aber ich sehe es wie du. Je früher der zweite Versuch stattfindet, desto besser." "Der Termin ist Donnerstag um achtzehn Uhr." "Jetzt Donnerstag?", hakte Doflamingo mit unwilliger Stimme nach. "In fünf Tagen?" "Ja, wieso? Passt dir dieser Termin nicht?" Crocodile durchforstete kurz noch einmal sein Gehirn, doch er war sich ziemlich sicher, dass keiner ihren Freunde am Donnerstag Geburtstag hatte. Vielleicht eine geschäftliche Sache also? "Nun ja, ich bin Donnerstagabend eigentlich zum Essengehen verabredet", sagte Doflamingo. "Aber dieser Termin geht natürlich vor." "Mit wem bist du denn verabredet?", fragte Crocodile und nahm erneut einen Bissen von seinem Rührei. "Mit Reiju", erklärte ihm Doflamingo ohne zu Zögern. "Wir haben uns auf meiner Geburtstagsparty letzte Woche kennengelernt. Sie scheint wirklich cool zu sein." "R-Reiju?", wiederholte Crocodile. Der Name hinterließ einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge. "Wer soll das sein?" "Wie gesagt, sie ist auf meiner Geburtstagsparty gewesen. Und wir haben uns wirklich gut unterhalten. Also haben wir unsere Nummern ausgetauscht und uns zum Essengehen verabredet." Crocodile blieb der nächste Bissen beinahe im Halse stecken. Er warf seinem Ehemann einen entsetzten Blick zu. "Doffy, das meinst du doch wohl nicht ernst, oder?!" Doflamingo schien überhaupt nicht zu verstehen, wo Crocodiles Problem lag. "Keine Sorge", meinte er und machte eine beschwichtigende Geste mit den Händen. "Ich habe dir doch schon gesagt, dass der Termin in der Kinderwunschklinik vorgeht. Natürlich gehe ich mit dir gemeinsam dahin. Das Essengehen mit Reiju verschiebe ich dann einfach." "Darum geht es doch gar nicht", spiee Crocodile ihm zornig entgegen. "Verdammt, Doffy, wie fändest du es, wenn ich mich urplötzlich mit irgendeinem Mann, den du nicht kennst, allein zum Essengehen verabreden würde?! Du würdest ausrasten vor Eifersucht!" "Aber so eine Verabredung ist das nicht", versuchte Doflamingo sofort ihn zu beruhigen. "Das ist eine rein freundschaftliche Sache. Crocodile, ich liebe dich. Wir sind verheiratet. Glaubst du ehrlich, ich würde mich mit einer fremden Frau zum Date treffen? Und meinst du, ich wäre obendrein auch noch so blöd und würde dir davon erzählen?" Damit hatte Doflamingo natürlich nicht ganz Unrecht. Crocodile senkte den Blick. Sein Ehemann hatte ihm in den sechs Jahren ihrer Beziehung nie einen ernsthaften Grund gegeben, um an seiner Treue zu zweifeln. Soweit Crocodile wusste, war Doflamingo niemals fremdgegangen. Und er trug ihn auf Händen, seit dem allerersten Tag. Trotzdem hinterließ die Vorstellung, dass Doflamingo sich mit einer ihm unbekannten Frau allein in einem Restaurant traf, ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend. Sein Partner schien ihm sein Unwohlsein anzumerken. "Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass dich diese Verabredung so sehr stören könnte", lenkte Doflamingo ein und griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. "Schließlich gehe ich ständig mit Freunden essen, auch mit weiblichen Freunden. Aber wenn du möchtest, dann achte ich beim nächsten Treffen auf ein, naja, neutrales Setting, okay? Aber du musst mir glauben, Reiju ist wirklich klasse. Sie wird dir auch gefallen, da bin ich mir ganz sicher." Crocodile nickte bedächtig. Er wollte nicht den eifersüchtigen Ehemann abgeben und einen Streit mit Doflamingo provozieren. Wahrscheinlich war er einfach bloß emotional aufgewühlt und sah die ganze Sache ein wenig zu verbissen. "Bin ich dieser Reiju denn auch schon begegnet?" Doflamingo legte den Kopf schief. "Ich glaube nicht", meinte er schließlich. "Du warst auf der Party ja so schwer zu greifen. Ich hatte keine Gelegenheit euch einander vorzustellen. Vielleicht bist du ihr aber trotzdem begegnet. Sie hat schulterlanges, pinkes Haar und ist ungefähr einen Kopf kleiner als du." Schulterlanges, pinkes Haar?! Crocodile fühlte sich als hätte ihm jemand einen Fausthieb mitten in die Magengrube verpasst. Oh nein. Doflamingo sprach sicherlich von der gutaussehenden, jungen Frau, die so offensiv mit ihm geflirtet hatte. "Ich glaube, ich habe sie einmal kurz gesehen", sagte er mit matter Stimme. Urplötzlich erinnerte Crocodile sich an Jewerly Bonney. Die Frau, mit der sein Ehemann ausgegangen war, bevor sie beide sich kennengelernt hatten. Auch sie hatte pinkfarbenes Haar gehabt. Ob Doflamingo vielleicht eine Vorliebe in dieser Richtung hatte? "Ist alles in Ordnung? Crocodile? Du siehst auf einmal so blass aus." "Ich bin okay", erwiderte Crocodile rasch und zwang sich zu einem Lächeln. "Reiju also. Ich bin sicher, sie ist sehr nett." * Der nächste Tag war ein Sonntag. Und zu Crocodiles großer Überraschung meldete sich endlich Mihawk wieder bei ihm. Obwohl sie beide sich normalerweise sehr nahe standen, hatte Crocodile schon seit Wochen nicht mehr mit seinem älteren Bruder gesprochen. Er lag gerade gemeinsam mit Doflamingo im Bett. Sein Ehemann hatte ihm bereits das Hemd ausgezogen und liebkoste zärtlich seinen Oberkörper, als auf einmal sein Handy klingelte. Als Crocodile den Namen seines Bruders auf dem Display sah, schob er Doflamingo hektisch von sich und stürmte hinüber zum Nachttisch, auf dem das Handy lag. "Mihawk? Mihawk?" Mit zitternder Hand hielt sich Crocodile das kleine Gerät ans Ohr. Doflamingo, der auf dem Bett saß und ihm einen giftigen Blick zuwarf, ignorierte er für den Moment. "Hallo, Crocodile." Die ruhige, tiefe Stimme seines älteren Bruders zu hören war wie Balsam für seine Seele. "Wie geht es dir?" Bei jedem anderen Menschen hätte Crocodile automatisch "Gut, und dir?" geantwortet, doch zu Mihawk hatte er eine besondere Bindung. "Den Umständen entsprechend ganz gut", sagte er also wahrheitsgemäß. "Es sind in letzter Zeit ziemlich viele Dinge passiert, die mich aufgewühlt haben. Aber ich komme klar." Crocodile konnte seinen Bruder am anderen Ende der Leitung zögern hören. "Wäre es in Ordnung, wenn ich persönlich vorbeikomme?", fragte er schließlich. "Es gibt da ein paar Themen, die ich nur ungern am Telefon mit dir besprechen würde." Sofort nickte Crocodile. "Klar, natürlich. Machst du dich direkt auf den Weg? Ich setze uns Kaffee auf, wenn du möchtest." "Gerne", erwiderte Mihawk. "Dann bis gleich, Crocodile." "Bis gleich!" Kaum hatte er den Anruf beendete, hielt Crocodile nach seinem Hemd Ausschau, um rasch hineinzuschlüpfen. Während er es zuknöpfte, warf er Doflamingo einen entschuldigenden Blick zu. "Das ist Mihawk gewesen", erklärte er seinem Ehemann, der alles andere als begeistert wirkte angesichts der Tatsache, dass ihr Vorspiel so urplötzlich unterbrochen worden war. Doflamingo gab einen für ihn sehr untypisch klingenden Brummlaut von sich und erhob sich vom Bett. Seine Erektion zeichnete sich überdeutlich unter dem orangefarbenen Stoff seiner Hose ab. "Es tut mir wirklich leid", sagte Crocodile. Unweigerlich begannen ihn Gewissensbisse zu plagen. "Ich mache das wieder gut. Versprochen." Doch Doflamingo winkte ab. "Ist schon gut", meinte er und machte sich auf den Weg hinüber zum Bad. "Ich verstehe, dass Mihawk im Augenblick vorgeht. Soll ich auch gleich mit runter ins Wohnzimmer kommen? Oder möchtest du lieber allein mit ihm reden?" Crocodile überlegte kurz. "Ich denke, es spricht nichts dagegen, wenn du mit dabei bist. Vielleicht möchte er sich ja für seine unfaire Reaktion bei der Grillparty entschuldigen. Das würde ja dann auch dich betreffen." "Okay gut. Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich bei dir." Crocodile nickte mit verständnisvoller Miene und beobachtete, wie sein Ehemann in seinem o-beinigen Gang das angrenzende Badezimmer betrat. Bei Crocodile handelte es sich eigentlich um keinen sonderlich emotionalen Menschen. Er war stets rational, besonnen und hatte sich gut unter Kontrolle. Doch er konnte nicht verleugnen, dass er seinem Bruder (der sogar noch eine Spur nüchterner war als er) am liebsten in die Arme gefallen wäre, als er ihn unten im Eingangsbereich ausmachen konnte. Seit frühester Kindheit war Mihawk einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben. Als ihre Eltern Crocodile nach seinem Outing vor die Türe gesetzt hatten, nahm sein Bruder ihn bei sich Zuhause auf. Und als er fünf Jahre später bei einem Motorradunfall seine linke Hand verloren hatte, war es erneut Mihawk gewesen, der sich um ihn gekümmert hatte. Für Crocodile war er sein Anker, sein Fels in der Brandung. "Crocodile, Doflamingo, es ist schön euch wiederzusehen", sagte Mihawk und hängte seinen Mantel an die Garderobe. Ohne irgendjemandem die Hand zu geben oder sich zu umarmen, gingen sie hinüber in die Küche. Crocodile wusste, dass sein Bruder kein Mensch war, der Anderen gern körperlich nahe kam. Sie setzten sich an den Tisch. "Es freut mich, dass du uns wieder besuchen kommst", erklärte Crocodile, während er Kaffee einschenkte. "Ich wäre gern wieder früher mit dir in Kontakt getreten, Crocodile", gab Mihawk mit versöhnlich klingender Stimme zurück. "Aber es gab sehr viele familiäre Angelegenheiten, um die ich mich dringend kümmern musste." Crocodile nickte mit verständnisvoller Miene. "Klar, die Beerdigung. Das verstehe ich." Er wollte keinen Streit vom Zaun brechen. Für ihn zählte bloß, dass sein älterer Bruder endlich wieder neben ihm am Tisch saß. Mihawk senkte den Blick. "Es gibt da etwas, in Bezug auf unsere Eltern, worüber ich unbedingt mit dir sprechen muss." Sofort versteifte sich Crocodiles ganzer Körper. "Ich weiß, es missfällt euch, dass ich nicht zur Beerdigung erschienen bin", sagte er mit energischer Stimme. "Aber ich habe Hancock bereits meine Beweggründe dargelegt. Vielleicht kannst wenigstens du sie ein klein wenig nachvollziehen." Zu seiner Überraschung entgegnete Mihawk: "Ich verstehe dich sehr gut, Crocodile. Du musst dich für deine Entscheidung nicht vor mir rechtfertigen. Ich respektiere es vollkommen, dass du der Beisetzung ferngeblieben bist." "Wirklich?" Skeptisch musterte Crocodile das blasse Gesicht seines Bruders. Wie immer war es schwer zu lesen. "Weil... Ich meine... Hancock ist so wütend geworden... Sie konnte es nicht verstehen... Ich..." "Du vergisst oft, dass Hancock fünf Jahre jünger ist als du", unterbrach Mihawk ihn mit sanfter Stimme. "Sie ist erst dreizehn gewesen, als unsere Mutter dich verstoßen hat. Ich glaube, als kleines Mädchen ist ihr die Tragweite dieser Situation damals nicht so bewusst geworden wie uns beiden. Und danach hat sie noch viele Jahre lang allein mit unseren Eltern zusammengewohnt und sie als sehr fürsorglich erlebt. Hancock hat eine ganz andere Perspektive auf unsere familiäre Situation. Und deswegen fällt es ihr auch so schwer deine Ablehnung zu akzeptieren." "So habe ich noch nie darüber nachgedacht", gab Crocodile kleinlaut zu. Wie so häufig überraschte Mihawk ihn mit seiner besonnenen und klugen Art. "Aber ich bin gar nicht hier, um über die Beerdigung unserer Mutter zu sprechen." "Worum geht es dann?" "Nun, zuerst einmal möchte ich mich bei euch beiden entschuldigen. Meine Reaktion auf die Nachricht, dass ihr gerne Eltern werden möchtet, ist unfair und verletzend gewesen. Es hat mich überrascht, aber ich hatte kein Recht euch euren Kinderwunsch abzusprechen. Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen." "Natürlich!", antworteten Crocodile und Doflamingo gleichzeitig und ohne zu zögern. Mihawk atmete erleichtert auf. Anschließend musterte er sie neugierig. "Und es ist wirklich deine Idee gewesen, Crocodile? Ich meine es nicht böse... Es ist nur... Du hast nie zuvor über Kinder gesprochen. Ich hatte nie den Eindruck, dass du irgendwann gerne Vater werden würdest." Crocodile nickte stolz. "Doflamingo wünscht sich schon sehr lange Kinder. Aber die finale Entscheidung habe ich ganz allein getroffen. Ich wollte mich nicht beeinflussen lassen und habe mir einige Zeit gelassen, um mir darüber klar zu werden. Und ich bin bisher keinen Millimeter von diesem Wunsch abgerückt. Bei Toms Workers wird sogar bereits meine Nachfolgerin eingearbeitet. In sechs Monaten endet mein Arbeitsverhältnis dort." "In sechs Monaten?", wiederholte Mihawk und ließ seinen Blick zwischen seinem Bruder und seinem Schwager hin- und herschweifen. "Bedeutet das... Ist eine Leihmutter bereits schwanger mit eurem Kind?" Crocodiles Lächeln gefror auf seinen Lippen. An seiner Stelle übernahm Doflamingo das Wort: "Wir haben bereits einen Versuch hinter uns. Leider hat die Fertilisation nicht funktioniert. Der Embryo hat sich in der Gebärmutter nicht weiterentwickelt." "Oh nein. Das muss eine niederschmetternde Nachricht gewesen sein." "Am Donnerstag haben wir einen neuen Termin", erklärte Doflamingo ihm und bemühte sich um einen zuversichtlich klingenden Tonfall. "Vielleicht klappt es ja dann. Es ist nicht unüblich, dass man mehrere Versuche benötigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine künstliche Befrüchtung erfolgreich verläuft, liegt nur bei fünfzehn bis zwanzig Prozent." "So gering sind die Chancen? Das wusste ich gar nicht", meinte Mihawk. Er warf ihnen einen mitfühlenden Blick zu. "Trotzdem ist es schade, dass der erste Versuch gescheitert ist. Ihr hattet sicher all eure Hoffnungen in diesen Embryo gelegt." "Du kennst mich doch", erwiderte Crocodile und zwang sich selbst zu einem Lächeln. "Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen. In vier Tagen haben wir eine neue Chance. Vielleicht klappt es ja bei diesem Versuch. Und... und wenn nicht, machen wir es eben noch einmal." Mihawk blickte seinem jüngeren Bruder ins Gesicht und tat dann etwas, was er nur extrem selten jemals tat: Er beugte sich zu ihm hinüber und schloss ihn in seine Arme. "Es tut mir so leid, Crocodile", sagte er und drückte ihn fest. "Es tut mir leid, dass der erste Versuch nicht funktioniert hat. Und dass ich nicht an deiner Seite war, um dir beizustehen. Hätte ich davon gewusst, wäre ich schon viel früher auf dich zugekommen." Crocodile musste sich zusammenreißen, um nicht lautstark in Tränen auszubrechen. Er war kein Mensch, der nah am Wasser gebaut war. Und wenn er weinte, dann allerhöchstens in der alleinigen Anwesenheit von Doflamingo. "Ist schon gut", meinte er und löste sich von seinem Bruder. "Wie gesagt, wir wussten ja, wie die Chancen stehen. Es hat uns nicht allzu sehr überrascht, als wir erfahren haben, dass die künstliche Befruchtung erfolglos gewesen ist." "Trotzdem hättest du ein wenig Beistand gut gebrauchen können. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid." Crocodile winkte ab. "Wir lassen uns nicht abbringen. In ein paar Monaten wirst du eine neue Nichte oder einen Neffen im Arm halten. Versprochen." "Das wäre schön", meinte Mihawk mit leiser Stimme. "Nozomi geht schließlich inzwischen schon in die Schule. Manchmal ist es kaum zu fassen wie schnell die Zeit vergeht. Ich freue mich darauf noch einmal Onkel zu werden. Und ich bin gespannt, ob das Kind nach dir oder nach Doflamingo kommen wird." "Nach mir", unterbrach Crocodile seinen Bruder sofort. "Es werden nur meine Samenzellen verwendet. Das Kind wird also auf jeden Fall leiblich mit dir und auch mit Nozomi verwandt sein." Mihawk legte den Kopf schief, doch kommentierte diesen Umstand nicht weiter. Stattdessen räusperte er sich. "Ich hatte in den letzten Wochen viel zu tun, weil ich mich nicht nur um die Beisetzung unserer Mutter kümmern musste. Ich habe mich auch sehr oft mit unerem Vater auseinandergesetzt." Crocodile verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen und musterte seinen Bruder abschätzig. "Worauf willst du hinaus?" "Nun..." Mihawk zögerte für einen kurzen Moment, ehe er fortfuhr: "Hancock hat mir von eurem Gespräch erzählt. Davon, dass du der Meinung bist, die Reue unserer Mutter käme zu spät. In diesem Punkt stimme ich vollkommen mit dir überein!", fügte er hastig hinzu, ehe Crocodile die Gelegenheit bekam zur Erwiderung anzusetzen. "Jedenfalls hat nun unser Vater den Wunsch geäußert... nun ja... nicht denselben Fehler zu machen." "Worauf willst du hinaus, Mihawk?!" Crocodile Stimme klang scharf wie ein frisch geschliffenes Messer. "Unser Vater möchte gerne wieder Kontakt zu dir aufn..." "Nein!", erwiderte Crocodile energisch, noch ehe Mihawk seinen Satz zu Ende geführt hatte. "Nein! Nein! Nein, nein, nein! Das ist absolut ausgeschlossen! Nein!" Mihawk seufzte leise. "Ich habe damit gerechnet, dass du auf diese Weise reagieren würdest, Crocodile. Aber bitte, überleg es dir noch einmal." "Nein! Nein! Nein! Nein!" Da brauchte Crocodile ganz sicher nicht zu überlegen. Für ihn gab es nichts zu bedenken. Seine Haltung war absolut klar. "Er ist nicht derjenige gewesen, der dich vor die Türe gesetzt hat. Er hat bloß..." "... zugesehen und nichts getan!", zischte Crocodile mit hasserfüllter Stimme. "Jahrzehntelang hat er sich einen Scheißdreck um mich gekümmert! Kein einziges Wort hat er mit mir gewechselt! Und jetzt, wo seine Frau tot ist, ist das auf einmal möglich?!" "Ich denke, er wollte sie nicht verärgern", versuchte Mihawk ihren Vater in Schutz zu nehmen. "Na, wenn das so ist!", giftete Crocodile und warf seinem Bruder einen durchdringenden Blick zu. "Er hatte bloß keine Lust seine Frau zu verärgern. Das entschuldigt natürlich alles, Mihawk! Kein Problem! Jetzt, wo sie endlich tot ist, können wir eine glückliche Familie werden! Er bekommt ja sogar bald noch ein Enkelchen dazu! Perfekt!" "So habe ich das nicht gemeint", versuchte Mihawk einzulenken. Er schien sich von Crocodiles Wut total überrollt zu fühlen. "Ich verstehe, dass du zornig bist. Aber ich denke, du tust ihm Unrecht, Crocodile. Der Kontaktabbruch ging hauptsächlich von unserer Mutter aus. Er stand da nie wirklich hinter. Vielleicht wäre es möglich, dass ihr beide euch noch einmal versöhnt. Immerhin sieht er seinen Fehler ein." "Oh, er sieht seinen Fehler ein! Dann vergebe ich ihm natürlich alles: Die Monate, nein, die Jahre, in denen ich auf einen Anruf oder einen Brief gewartet habe. Die Ferien im Winter, in denen alle Kommilitonen nach Hause gefahren sind, um Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern, und ich allein am Campus geblieben bin. Die Zeit, als ich um mein Leben kämpfend im Krankenhaus lag und mir dachte: Wenn meine Eltern jetzt durch die Türe hereinkommen und wir wieder eine Familie werden, ist das meine verlorene Hand vielleicht sogar wert. Kein Problem, Mihawk! Das verzeihe ich ihm alles! Immerhin wollte er keinen Streit mit seiner Frau riskieren, das kann man verstehen!" Nun standen seinem Bruder die Tränen in den Augen. Crocodile konnte sich nicht daran zurückerinnen, Mihawk jemals mit tränennassen Augen gesehen zu haben, doch er spürte, dass es ihm kein bisschen leid tat. Schwer atmend stand er vom Tisch auf. Kochend vor Wut griff er nach seiner noch halb gefüllten Kaffeetasse und schmetterte sie mit voller Wucht gegen den Küchenschrank. "Ich erkläre hiermit unsere Eltern -alles, was auch nur im Entferntesten mit ihnen zutun haben könnte- ab sofort wieder zum Tabu-Thema." Crocodile Stimme klang leise, heiser, doch sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. "Ich möchte nie wieder irgendetwas von ihnen hören. Tu in meiner Anwesenheit einfach so als gäbe es sie gar nicht. So machen wir es schließlich schon seit über zwanzig Jahren. Und ich habe nicht vor diese liebgewonnene Familientradition zu brechen." Mihawk bedeckte seine nassen Augen mit der rechten Hand (eine Geste, die Crocodile schmerzhaft bekannt vorkam) und nickte kaum merklich. Nun packte Crocodile doch das schlechte Gewissen. "Ich kann verstehen, dass du dir wünschst, dass aus uns wieder eine große, glückliche Familie wird", sagte er und bemühte sich dieses Mal um einen gefasster klingenden Tonfall. "Aber verdammt, Mihawk, das ist nicht möglich. Ich habe es Hancock schon gesagt und ich sage es dir noch einmal: Es ist zu spät für Vergebung! Und wenn ich ihnen beiden vergeben müsste, um ins Paradies zu kommen... Mihawk, ich glaube, ich müsste meine Zeit in der Hölle absitzen, denn das kann ich einfach nicht." Dieser Spruch saß. Mihawk nickte und biss sich auf die Unterlippe. Noch immer standen ihm die Tränen in den Augen, doch sie waren nicht heruntergekullert. Er verfügte über eine genauso gute Selbstkontrolle wie sein jüngerer Bruder. "Du und Hancock. Und Doflamingo. Und natürlich auch Nozomi. Ihr seid meine Familie. Ich möchte, dass wir wieder zusammenfinden. Es freut mich sehr, dass du mich heute angerufen hast. Ich würde mir wünschen, dass wir uns wieder treffen. Alle zusammen. Das ist für mich Familie." "Vielleicht hast du Recht", hörte er Mihawk mit leiser Stimme sagen. "Vielleicht ist es wirklich zu viel von dir verlangt, unserem Vater zu vergeben. Eltern sein... das bedeutet am Ende schließlich mehr als biologische Verwandtschaft. Es geht um Liebe und Fürsorge... Aber ich denke, das muss ich euch beiden nicht erklären. Immerhin seid ihr demnächst selbst in der Situation." "Ich rufe dich an, wenn ich weiß, ob die künstliche Befruchtung dieses Mal erfolgreich war, okay?", bot Crocodile ihm an. Mihawk nickte und brachte sogar ein wackeres Lächeln zustande. "Wir könnten uns mal wieder alle zum Brunchen treffen", sagte er. "Was hältst du davon? Oder wir gehen in Shakkys Bar?" "Das hört sich gut an." * "Hast du schon die neue Sekretärin kennengelernt?", fragte Robin ihn, während sie gemeinsam die Besucherzahlen der letzten Messe evaluierten. Wieder einmal war es Toms Workers gelungenen seinen eigenen Rekord zu brechen. Die Elekronik-Messe gewann mit jedem neuen Jahr an Größe und Bekanntheit. Unter Crocodiles Leitung war sie zu einem national bedeutsamen Event herangewachsen. Ohne sich selbst in den Himmel loben zu wollen, konnte er durchaus von sich behaupten, in den letzten Jahren wirklich absolut erstklassige Arbeit geleistet zu haben. "Neue Sekretärin?", wiederholte Crocodile mit verdutzter Stimme. "Ich habe gar nicht mitbekommen, dass jemand Neues eingestellt wurde." "Miss Merry Christmas aus der Buchhaltung hat jemanden verlangt, der sie unterstützt", erklärte ihm Robin, während sie gleichzeitig einige Diagramme auf dem Computerbildschirm musterte. "Und deshalb hat vor einer Woche eine neue Sekretärin bei uns angefangen. Emporio Iva heißt sie. Eine ziemlich exzentrische Frau, wenn man das so sagen darf. Lila gefärbte Locken, ziemlich auffälliges Makeup, knallbunte Klamotten. Du erkennst sie sofort, wenn du sie siehst." "Die Buchhaltung sitzt unten im Erdgeschoss ganz am Ende des dritten Gangs", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Mich verschlägt es selten dorthin." "Nun ja, Iva ist einen Ausflug dorthin wirklich wert", sagte Robin. Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand. "Ein echter Paradiesvogel." "Ehrlich gesagt reicht es mir schon, wenn ich mir jeden Tag die modischen Eskapaden meines Ehemannes anschauen muss", seufzte er augenrollend. Letztes Wochenende war Doflamingo zusammen mit Bellamy und Cirkies shoppen gewesen. Seitdem besaß er ein neues Lieblingsteil: eine violett-weiß gestreifte Caprihose. Die er am liebsten mit einem dazu absolut nicht passenden orangefarbenen Gürtel kombinierte. (Zugegeben: Ihm fiel nichts ein, was wirklich gut zu dieser grässlichen Hose passen würde.) "Ich muss sowieso gleich runtergehen", meinte Robin. "Ich habe ein, zwei Fragen an Miss Merry Christmas. Warum begleitest du mich nicht?" "Von mir aus", antwortete Crocodile, ohne groß über dieses Angebot nachzudenken. Es schadete sicher nicht neue Mitarbeiter kennenzulernen, auch wenn sie wenig miteinander zu tun haben würden. "Schau mal hier." Er deutete auf ein Balkendiagramm. "Am letzten Tag der Messe sind doppelt so viele Besucher vor Ort gewesen wie am vorherigen Tag. Was glaubst du, woran das liegen könnte? Gab es irgendeinen begehrten Stand, der nur am letzten Tag besetzt gewesen ist?" Robin musterte mit neugieriger Miene das Diagramm. "Seltsam. Normalerweise nimmt die Besucherzahl doch kontinuierlich ab. Hm. Soll ich dem mal nachgehen?" Crocodile nickte. "Auf jeden Fall. So eine enorme Schwankung ist sehr ungewöhnlich. Wenn einzelne Anbieter auf eine große Zahl von Besuchern dermaßen attraktiv wirken, sollten wir das für die kommenden Messen für uns nutzen. Also, Hina sollte es nutzen. Wir... Also Hina könnte diese besonders begehrten Anbieter gleichmäßig über alle Tage der Messe verteilen, um eine möglichst gleichmäßige Besucherzahl zu erwirken." Später am Vormittag gingen sie gemeinsam hinunter in die Abteilung der Buchhaltung. Crocodile hatte nur wenig mit Miss Merry Christmas zu tun. Er wusste allerdings, dass es sich um eine pottenhässliche, übergewichtige Frau Anfang fünfzig handelte. Darüber hinaus trug sie heute einen fliederfarbenen Lippenstift, der weder zu ihrer gebräunten Haut noch ihren roten Locken passte. "Hallo, Drophy", begrüßte Robin sie freundlich. Miss Merry Christmas blickte von ihrem Platz hinter dem großen Schreibtisch auf. "Oh, hallo Robin. Hallo, Mister Donquixote." Es wunderte ihn nicht, dass Miss Merry Christmas ihn mit seinem Nachnamen ansprach; wie gesagt, sie hatten unter normalen Umständen wirklich nur sehr selten miteinander zu tun. Robin wollte gerade zu ihrem Anliegen kommen, als sich plötzlich hinter ihnen die Türe öffnete. Herein schlüpfte eine schlanke, überaus attraktive Frau mit einem violetten Lockenkopf. Sie trug denselben fliederfarbenen Lippenstift wie Miss Merry Christmas – mit dem Unterschied, dass die Farbe ausgezeichnet sowohl mit ihrer Haarfarbe als auch dem restlichen Makeup harmonisierte. Sie trug ein schickes, rotes Kostüm. Der Zweiteiler bestand unten aus einem Rock, der mit einer Netzstrumpfhose kombiniert worden war. Ein wenig gewagt für einen Arbeitstag im Büro, doch Crocodile musste zugeben, dass dieses Outfit der hübschen Frau ausgesprochen gut stand. "Ich glaube, Sie beide kennen sich noch nicht", durchbrach die kratzige Stimme von Miss Merry Christmas den Augenblick. "Mister Donquixote, das ist meine neue Sekretärin, Miss Emporio. Miss Emporio, das ist Mister Donquixote, unser leitender Manager." Eben jene legte rasch den Stapel Ordner, den sie mit beiden Händen festgehalten hatte, auf einen Beistelltisch ab und huschte dann zu Crocodile hinüber, um ihm die Hand zu reichen. Sie fühlte sich warm und weich an. "Es freut mich Sie kennenzulernen, Mister Donquixote. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Soweit ich meinen neuen Kollegen und Kolleginnen trauen kann, sind Sie wohl eine echte Korifähe auf ihrem Gebiet." "Oh, ähm." Es kam selten vor, dass Komplimente ihn verlegen machten. "Mich freut es zu hören, dass meine Arbeit von meinen Kollegen so hoch geschätzt wird. Und, ähm, du kannst mich gerne Crocodile nennen." Miss Merry Christmas, die bereits seit zwölf Jahren bei Toms Workers arbeitete und der er niemals explizit das Du angeboten hatte, warf ihm einen herablassenden Blick zu, doch Iva nickte freundlich. "Sehr gerne. Dann darfs du mich natürlich auch Iva nennen." "Iva...", wiederholte Crocodile. "Ist das eine Abkürzung?" Doch Iva winkte ab. "Ich habe eine furchtbar komplizierten, ausländischen Vornamen", erklärte sie ihm. "Ein echter Zungenbrecher. Iva reicht völlig aus." "Iva", unterbrach Miss Merry Christmas mit unfreundlicher Stimme ihre Unterhaltung, "ich wäre dir sehr dankbar, wenn du gleich einmal Mister Foxy anrufen könntest. Du weißt, diese Angelegenheit muss heute noch geklärt werden." "Klar, kein Problem", meinte Iva. Sie warf Crocodile ein letztes, charmantes Lächeln zu, ehe sie im Vorzimmer verschwand. Crocodile erwischte sich dabei, wie er eine Weile lang auf den Türrahmen starrte, während Robin mit Miss Merry Christmas sprach. Als sie beide wieder in ihre eigene Etage zurückgekehrt waren, warf Robin ihm einen süffisanten Blick zu. "Was ist los?", wollte Crocodile wissen, während sie gemeinsam sein Büro betraten. "Warum grinst du so?" Robin ließ sich auf Crocodiles teurem Bürostuhl nieder und kicherte erneut mit vorgehaltener Hand. "Nun ja", meinte sie schulterzuckend, "wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dir gefällt Emporio Iva ziemlich gut." Crocodile warf seiner Sekretärin einen entrüsteten Blick zu. "Robin, ich bitte dich", schnaubte er kopfschüttelnd. "Ich bin verheiratet. Mit einem Mann. Wie kommst du bloß auf diesen Blödsinn?" "Solche Dinge spürt man einfach", sagte sie ohne ihr Grinsen abzustellen. "Es hätte bloß noch gefehlt, dass ihr ein Aktenordner heruntergefallen wäre. Ihr beide bückt euch gleichzeitig, um ihn aufzuheben... eure Hände berühren euch..." "Robin, ich bin homosexuell", rief er ihr ins Gedächtnis. "Du könntest ein Supermodel nur in Unterwäsche bekleidet auf meinem Bett platzieren und bei mir würde sich absolut nichts regen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie romantische oder sexuelle Gefühle für eine Frau. Nicht ein einziges Mal." Das war nicht gelogen. Und aus diesem Grund machte es ihm auch ein klein wenig Angst, dass er zum allerersten Mal in seinem Leben die Vorstellung eine Frau zu küssen nicht vollkommen abstoßend fand. Zumindest dann nicht, wenn es sich bei dieser Frau um Emporio Iva handelte. * Am Dienstagabend war Doflamingo mit seiner neuen Bekanntschaft, Vinsmoke Reiju, verabredet. Anstatt ins Restaurant, gingen sie gemeinsam ins Kino. Crocodiles Auffassung nach war die zweite Variante zwar nicht angemessener als die erste, aber er wollte keinen Streit provozieren und redete daher seinem Ehemann nicht in diese Sache hinein. Ein ungutes Gefühl hinterließ diese Verabredung nichtsdestotrotz in seiner Magengegend. "Welchen Film schaut ihr euch dann an?", fragte er und bemühte sich um einen unverfänglich klingenden Tonfall. Hoffentlich keinen Liebesfilm. (Doflamingo hatte eine furchtbar stark ausgeprägte romantische Ader und versuchte ständig vergeblich ihn dazu zu überreden, mit ihm irgendwelche schnulzigen Streifen anzuschauen.) "Der Film heißt The Hunt", erklärte ihm Doflamingo, während er sich einen goldenen Ohrring durch sein Ohrläppchen stach. Erleichtert stellte Crocodile fest, dass es sich um die Schmuckstücke handelte, die sein Ehemann von ihm zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. "Ist wohl ein Horrorfilm." "Ein Horrorfilm? Wie seid ihr denn darauf gekommen?" "Monet hat es vorgeschlagen", meinte Doflamingo und steckte sich auch den zweiten Ohrring ein. "Der Film soll wohl wirklich gut sein." "Monet?", hakte Crocodile verwundert nach. Bei Monet handelte es sich um Doflamingos langjährige beste Freundin. "Kommt sie auch mit?" "Ja, wir gehen zu fünft", sagte sein Ehemann. Mit zufriedener Miene musterte er sich im Spiegel. "Reiju, Monet, Violet, Scarlet und ich." "Dann bist du ja sozusagen der Hahn im Korb. Fühlt sich Reiju dadurch nicht gestört?" Doch Doflamingo zuckte bloß mit den Schultern. "Warum sollte sie? Wie gesagt, Wani, du musst dir keine Sorgen machen. Das ist kein Date. Ich habe rein freundschaftliches Interesse an ihr. Und die Mädels werden sich sicher alle gut verstehen." Die Vorstellung, dass sie zu fünft unterwegs sein würden, beruhigte Crocodile ungemein. In einer größeren Gruppe würde Reiju kaum die Gelegenheit bekommen, sich an seinen Ehemann ranzumachen. "Ich wünsche dir viel Spaß", sagte Crocodile und gab Doflamingo einen innigen Kuss auf die Lippen. "Weißt du schon, wann du ungefähr wieder zurück sein wirst?" "Keine Ahnung", antwortete ihm sein Ehemann. "Es kann sein, dass wir nach dem Film vielleicht noch etwas trinken gehen. Du musst also nicht für mich wachbleiben, Baby." "Okay, gut." Crocodile war sich absolut sicher, dass er keine ruhige Minute haben würde, ehe Doflamingo nicht wieder an seiner Seite war, doch er ließ sich seine Eifersucht nicht anmerken. "Bis später." * Am Mittwoch erhielten Crocodile und Doflamingo endlich die Nachricht, auf die sie viel zu lange warten mussten: Dr. Raffit rief an, um ihnen mitzuteilen, dass der letzte Versuch der in-vitro-Fertilisation erfolgreich verlaufen war. "Wir haben vorgestern drei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter von Frau Riku eingesetzt", erklärte ihnen Dr. Raffit in seiner wie üblich äußerst monoton klingenden Stimmlage. "Zwei dieser drei Embryonen haben sich eingenistet und scheinen sich weiterzuentwickeln." "Zwei?", wiederholte Crocodile und warf seinem Ehemann einen unruhigen Blick zu. "Bedeutet das, wir bekommen Zwillinge?" Er freute sich darüber, dass die künstliche Befruchtung gelungen war, doch er wusste nicht so recht, was er von dieser unerwarteten Nachricht halten sollte. Innerlich hatte Crocodile sich stets auf ein einzelnes Kind eingestellt. Zwillinge... Das würde eine deutlich größere Herausforerung darstellen. Und sie bräuchten auch eine ganz andere Ausstattung. Einen Kinderwagen für zwei Kinder, um nur ein Beispiel zu nennen. "Es ist noch zu früh, um eine Zwillingsschwangerschaft zu garantieren", wandte Dr. Raffit ein. "Ich kann Ihnen lediglich mitteilen, dass die Übertragung von zwei der drei befruchteten Eizellen in Frau Rikus Gebärmutter gelungen ist. Für weitere Prognosen ist es noch zu früh. Die Embryonen bestehen zum jetzigen Zeitpunkt lediglich aus winzigen Zellklumpen. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten. Bedenken Sie jedoch bitte, dass sich im Verlauf der Schwangerschaft noch einiges verändern kann. Es besteht leider auch die Option, dass sich eine oder sogar beide Eizellen nicht wie gewünscht weiterentwickeln werden. Ich würde Ihnen also raten, sich noch nicht auf eine Zwillingsschwangerschaft einzustellen. Aktuell ist es das Klügste, wenn Sie noch nichts überstürzen und den weiteren Verlauf der Schwangerschaft abwarten." "Vielen Dank für Ihren Anruf, Dr. Raffit", sagte Doflamingo. "Wir freuen uns sehr über diese positive Neuigkeiten." "Sehr gerne", drang Dr. Raffits kühle Stimme aus dem Hörer. "Ich werde Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Sobald es neue Nachrichten Frau Rikus Schwangerschaft betreffend gibt, werde ich Sie umgehend informieren." Nachdem sie den Anruf beendet hatten, fuhr Crocodile sich nervös mit dem Handrücken über den Mund. "Zwillinge", sagte er mit belegter Stimme und warf seinem Ehemann einen Blick zu, den man durchaus als hysterisch bezeichnen könnte. Im Gegensatz zu ihm blieb Doflamingo relativ gelassen. "Du hast Dr. Raffit selbst gehört", erinnerte er ihn. "Dass die künstliche Befruchtung geklappt hat, ist toll. Aber es ist noch nichts in Stein gemeißelt. Vielleicht bekommen wir trotzdem nur ein Kind. Oder es kommt sogar in beiden Fällen zu einem Abgang. Ich habe mal gehört, dass es in den ersten Wochen der Schwangerschaft ziemlich häufig Fehlgeburten gibt." "Ich hätte lieber Zwillinge", sagte Crocodile sofort, "als dass es zu Fehlgeburten kommt. Das wünsche ich mir auf keinen Fall." "Nein, natürlich nicht", pflichtete ihm sein Ehemann hastig bei. "So habe ich es nicht gemeint. Ich würde mich auch über Zwillinge wahnsinnig freuen. Du weißt doch, dass ich sowieso gerne mehrere Kinder hätte. Ich möchte nur sagen, dass wir nichts überstürzen sollten. Wir warten einfach ab und hoffen darauf, dass alles gut läuft." Crocodile nickte bedächtig. "Es sind erst ein paar Tage vergangen, seitdem die Eizellen in Rebeccas Gebärmutter eingesetzt wurden. Es ist noch zu früh, um fest mit Zwillingen zu rechnen", fuhr Doflamingo fort. "Wir besorgen die Ausstattung für das Baby -oder die Babies, fufufu- erst, wenn wir ganz sicher Bescheid wissen. Bettchen, Kinderwagen, Autositze... Damit warten wir, bis klar ist, was wir wirklich brauchen." "Das hört sich vernünftig an", musste Crocodile zugeben. Allmählich spürte er, dass er wieder ruhiger wurde. Die Nachricht, dass sie eventuell Zwillinge bekamen, hatte ihn stärker aufgewühlt als er erwartet hätte. Doflamingo hingegen wirkte ziemlich gelassen. Nun, kein Wunder. Immerhin war es nicht sein Ehemann, der sich im Fall der Fälle um die Zwillinge kümmern würde. Es war Crocodile, der die Hauptverantwortung für die Säuglinge trug. Bei der Vorstellung, doppelt so viele Fläschchen geben und Windeln wechseln zu müssen wie gedacht, wurde ihm plötzlich doch wieder flau in der Magengegend. Unweigerlich malte er sich aus, wie einer der Zwillinge anfing zu weinen, kaum dass er mit dem anderen gerade fertig geworden war. "Jetzt brich nicht gleich in Panik aus", sagte Doflamingo, der seine Gedanken zu lesen schien. "Wie gesagt, es steht noch überhaupt nichts fest." "Und wenn wir doch Zwillinge bekommen werden?" Doflamingo griff nach seiner Hand und drückte sie sanft. "Dann freuen wir uns über zwei Kinder." "Und wenn ich mit der Arbeit gar nicht hinterherkomme? Was mache ich, wenn beide Babies gleichzeitig weinen? Wo tue ich das andere Baby hin, wenn eines gewickelt werden muss? Und wie..." "Ganz ruhig, Wani", ermahnte ihn sein Ehemann. "Es wird alles gut gehen. Wir sind nicht die ersten Menschen auf der Welt, die Eltern von Zwillingen werden. Ich bin mir sicher, dass es für jedes Problem eine Lösung geben wird. Und wie gesagt, du solltest dir über diese Dinge jetzt noch überhaupt nicht den Kopf zerbrechen." Doflamingo ließ seine Hand los und schloss stattdessen die Arme um ihn. Crocodile lehnte seinen Kopf an die Brust seines Partners und atmete dessen fruchtig-herben Geruch ein. "Ich möchte nicht, dass du dich zu sehr auf die Vorstellung einschießt Zwillinge zu bekommen. Hinterher wirst du enttäuscht sein, wenn sich dann doch nur ein Embryo vollständig entwickelt." Crocodile nickte. Ihm war klar, dass Doflamingo Recht hatte. Seinem Ehemann schien es bei diesem Thema grundsätzlich leichter zu fallen rational zu denken. Crocodile hingegen, der sich bisher für einen durch und durch vernünftigen Menschen gehalten hatte, fiel es sehr schwer ruhig zu bleiben. Er erwischte sich dabei, wie er sich bereits Gedanken über eine passende Wandfarbe für das Kinderzimmer machte. Ob sie wohl ein Pärchen bekämen? Oder doch zwei Jungs oder zwei Mädchen? Crocodile fand die Vorstellung von einem Jungen und einem Mädchen intuitiv sehr angenehm. Doch auch bei diesem Thema hatten sie wieder einmal keine andere Wahl als sich in quälender Geduld zu üben. * Ungeduldig tigerte Crocodile im Foyer ihrer kleinen Villa auf und ab. Doflamingo und er waren heute Mittag mit dem Rest ihrer Familie verabredet; Hancock hatte sie alle zu einem Zoobesuch eingeladen. Um ehrlich zu sein, war Crocodile ein wenig nervös. Normalerweise traf er sich sehr recht häufig mit Hancock, Nozomi und Mihawk. Seine Geschwister und seine Nichte spielten in seinem Leben eine sehr große Rolle. Am Wochenende unternahmen sie hin und wieder gemeinsam Ausflüge. Oder sie trafen sich einfach bloß auf eine Tasse Kaffee oder zum Abendessen. Dieser Zoobesuch stellte ihre erste gemeinsame Aktivität seit vielen Wochen dar. Crocodile interpretierte den Vorschlag, den Hancock gemacht hattem als eine Art Versöhnungsversuch. Und er wollte alles tun, was irgendwie möglich war, um sein Wohlwollen zu zeigen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als dass zwischen ihnen endlich wieder alles wie früher wurde. Mit jeder Minute, die verging, wure Crocodile unruhiger. "Doflamingooooo!", rief er schließlich in Richtung Treppe. "Beeil dich! Wir müssen los!" Wahrscheinlich hatte sein Ehemann Schwierigkeiten sich für ein passendes Hemd zu entscheiden. Crocodile schnaubte. Als besäße Doflamingo auch nur ein einziges Kleidungsstück, das in einem Altkleider-Container nicht besser aufgehoben wäre. "Doflamingo!", rief Crocodile erneut, diesmal deutlich energischer. Ein Blick auf die schöne, antike Uhr, die zu seiner Linken an der Wand hing, verriet ihm, dass sie sich nun wirklich sputen sollten. Er wollte zu dem Treffen mit seiner Familie auf keinen Fall zu spät erscheinen. Doch sein Ehemann tauchte einfach nicht auf. Zornig stapfte Crocodile die Treppe hinauf. Er konnte Geräusche wahrnehmen, die vom Schlafzimmer herrührten. "Doflamingo!", knurrte er und stieß die Zimmertüre auf. Eben jener saß auf dem Bett und telefonierte. Crocodile deutete mit einer Kopfbewegung an, dass sein Ehemann das Telefonat rasch beenden sollte. Doflamingo machte eine beschwichtigende Handbewegung. Unzufrieden zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Handelte es sich etwa um ein wichtiges, geschäftliches Telefonat? "Wir haben keine Zeit mehr", sagte er im Flüsterton. "Wenn wir nicht jetzt sofort losfahren, kommen wir zu spät." "Gib mir noch fünf Minuten", erwiderte Doflamingo und lauschte mit aufmerksamer Miene den Worten seines Gesprächspartners am anderen Ende der Leitung. "Hast du mir nicht zugehört?!", gab Crocodile gereizt zurück. "Wir müssen uns auf den Weg machen. Mihawk und Hancock warten auf uns." "Nur fünf Minuten", wiederholte Doflamingo und wedelte mit der Hand. "Nein, keine fünf Minuten! Verdammt, Doflamingo! Jetzt komm endlich!" "Kommandier mich gefälligst nicht herum", zischte sein Ehemann. "Ich möchte eben noch zu Ende telefonieren. Was ist schon dabei, wenn wir ein paar Minuten später kommen? Wir gehen doch bloß in den Zoo." "Das hier ist das erste Treffen mit meinen Geschwistern seit langem", erklärte Crocodile seinem Ehemann und verschränkte die Arme. "Mir ist es wichtig einen guten Eindruck zu machen. Also komm jetzt bitte endlich." Doflamingo schnalzte genervt mit der Zunge. "Also gut", gab er von sich. Dann wandte er sich wieder seinem Handy zu: "Reiju, ich rufe dich heute Abend zurück, okay? Nein, nein, ist schon gut. Crocodile möchte los. Nein, wirklich, okay. Was Pünktlichkeit angeht, ist er ein echter Spießer. Okay, bis dann!" Crocodile konnte kaum fassen, was er so eben mitbekommen hatte. "Reiju??", sagte er und warf seinem Ehemann einen absolut entsetzten Blick zu. "Du lässt mich und unsere Familie für diese blöde Reiju warten?!" "Sie ist nicht blöd", verteidigte Doflamingo prompt seine neue Freundin. "Sie ist nett und wirklich cool drauf. Ich verstehe wirklich nicht, was für ein Problem du mit ihr hast. Du kennst sie ja kaum." "Wir sind mit meinen Geschwistern verabredet!", warf Crocodile seinem Ehemann mit wütender Stimme vor. "Nachdem wir wochenlang miteinander auf Kriegsfuß standenn, treffen wir uns endlich alle wieder. Das sollte Priorität haben! Und nicht ein blödes Gespräch mit irgendeiner blöden Freundin!" "Hör auf sie ständig blöd zu nennen!" Nun klang auch Doflamingos Stimme gereizt. "Und tu nicht so als hätte ich die Verabredung mit Mihawk und Hancock vergessen!" "Warum telefonierst du blöd herum, anstatt unten im Foyer deinen Mantel anzuziehen, wenn du das Treffen nicht vergessen hast?!" "Weil es doch völlig egal ist, ob wir fünf Minuten früher oder später am Zoo sind! Die Giraffen werden nicht weglaufen, während ich eben noch telefoniere!" "Es geht nicht um den verdammten Zoo! Sondern um meine Geschwister!" "Na, die werden auch nicht weglaufen!" "Du blödes Arschloch!", schimpfte Crocodile und warf seinem Ehemann einen giftigen Blick zu. "Kannst du dich denn nicht einmal zusammenreißen und pünktlich sein? Nur ein einziges Mal! Dieses Treffen ist für mich eine wirklich wichtige Sache!" "Nenn mich gefälligst nicht Arschloch!", erwiderte Doflamingo und ballte die Hände zu Fäusten. "Ich verstehe, dass deine Geschwister dir viel bedeuten. Aber es geht hier um fünf Minuten! Fünf Minuten! Warum musst du immer so ein Spießer sein, wenn es um Pünktlichkeit geht?" "Weil Pünktlichkeit etwas mit Wertschätzung zu tun hat! Wertschätzung, die du offenbar eher irgendeiner blöden Partybekanntschaft entgegen bringst als deinem eigenen Ehemann!" "Was ist dein verdammtes Problem mit Reiju?! Ich kapiere es wirklich nicht, Crocodile! Du hast sie höchstens zwei- oder dreimal gesehen. Ihr habt kaum jemals ein Wort miteinander gewechselt. Ihr kennt euch kaum!" "Nun, wenigstens weiß sie inzwischen über mich, dass ich ein Spießer bin, der dich ständig nur nervt!", zischte Crocodile und warf seinem Partner einen vernichtenden Blick zu. "Redest du mit anderen Leuten immer so nett über mich?" "Du übertreibst!", warf Doflamingo ihm prompt vor. "Das ist doch bloß eine ganz harmlose Aussage gewesen. Und es ist nicht mal gelogen. Du bist wirklich spießig, wenn es um Pünktlichkeit geht!" "Und du bist ein egoistischer, unreifer, rücksichtsloser Bastard!", brüllte Crocodile. "Soll ich das vielleicht auch gleich meinen Geschwistern mitteilen, wenn wir uns sehen? Es ist ja schließlich nicht gelogen!" "Hör auf mich in einer Tour zu beleidigen!", brüllte Doflamingo zurück. "Verdammt, was ist los mit dir, Crocodile?!" "Was bei mir los ist? Ich sage dir, was bei mir los ist: Ich bin nach wochenlanger Funkstille mit meinen Familie verabredet und komme zu spät, weil du lieber mit dieser dummen Reiju telefonierst!" "Es ging um fünf Minuten! Fünf verdammte Minuten!" "Inzwischen sind es schon mehr als zehn! Selbst, wenn wir jetzt sofort losfahren, kommen wir zu spät!" "Das liegt nur daran, dass du unbedingt mit mir streiten musstest! Wenn du mich nicht so aggressiv angemacht hättest, würden wir beide längst schon im Auto sitzen!" "Also ist es jetzt meine Schuld?! Ich bin pünktlich fertig, warte unten im Foyer auf dich und trotzdem ist es meine Schuld, wenn wir zu spät kommen!?" "Ja! Weil du in letzter Zeit einfach nur streitsüchtig bist! Du regst dich wegen jeder Kleinigkeit auf und wirst sofort beleidigend!" "Ach, ist das so? Waum rufst du nicht gleich Reiju an und teilst ihr das mit? Meine Charakterschwächen scheinen ja ein beliebtes Thema zwischen euch beiden zu sein!" "Ich ziehe nicht mit Reiju über dich her", zischte Doflamingo mit fest aufeinandergepressten Zähnen. "Das würde ich niemals tun." "Seltsam, dann muss ich mir euer Gespräch gerade eben wohl eingebildet haben!" "Das war bloß ein einziger Satz! Zu einer total unwichtigen Sache! Du sagst auch oft zu anderen Menschen, dass ich keinen Geschmack habe oder verschwenderisch bin oder was auch immer!" "Das ist etwas Anderes!" "Und wieso ist das etwas Anderes?" "Weil diese verdammte Reiju auf dich steht! Und ihr solche Aussagen gelegen kommen, um einen Keil zwischen uns beide zu treiben!" Angesichts dieser Aussage hielt Doflamingo für einen Augenblick inne. Mit verdutzter Miene musterte er Crocodile. "Das ist also dein Problem", stellte er anschließend mit verächtlicher Stimme fest. "Du bist auf Reiju eifersüchtig!" "Und wenn es so wäre?!" Crocodile fühlte sich ertappt. Unangenehm berührt verschränkte er die Arme vor der Brust und wandte sich ab. "Du hast kein Recht dazu eifersüchtig auf sie zu sein", hörte er seinen Ehemann sagen. "Kein Recht?" Crocodile glaubte sich verhört zu haben. "Du, ausgerechnet du, sagst mir, dass ich kein Recht habe, um eifersüchtig zu sein?! Du bist doch selbst ständig eifersüchtig aus den nichtigsten Gründen! Deine verdammte Eifersucht hat sogar einmal zu unserer Trennung geführt! Und du willst mir sagen, ich hätte kein Recht dazu selbst einmal eifersüchtig zu sein?!" "Meine Eifersucht ist eine Krankheit", rechtfertigte Doflamingo sich. "Eine auf Verlustängsten basierende psychische Störung, die ich erfolgreich habe behandeln lassen. Aber deine Eifersucht ist einfach nur ungerechtfertigt. Reiju ist bloß eine Freundin! Darf ich keine Freunde mehr haben?" "Keine Freunde, die auf dich stehen! Keine Freunde, die mit dir flirten!" "Wie kommst du darauf, dass sie mit mir flirtet? Du kennst sie doch kaum!" "Ihr habt schon bei eurem allerersten Aufeinandertreffen miteinander geflirtet!", warf Crocodile seinem Ehemann vor. "Ich habe genau mitbekommen, wie ihr euch gegenseitig Komplimente gemacht habt! Schicke Ohrringe, schicke Klamotten, schicke Haarfarbe und so weiter! Also erzähl mir nicht, dass ihr nicht flirten würdet!" "Das ist doch bloß normaler Smalltalk auf einer Party", verteidigte Doflamingo sich sofort. "Verdammt, Crocodile, du siehst Dinge, die nicht da sind. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich ein rein freundschaftliches Interesse an ihr habe!" "Genauso wie an Monet?" "Jetzt kram nicht diese alte Geschichte wieder hervor! Crocodile, ich bin dir während unserer Beziehung immer treu geblieben und habe dir nie irgendeinen Grund gegeben, um eifersüchtig zu werden. Es ist absolut nicht fair, dass du mir diese Freundschaft nicht gönnst, weil es dir im Moment selbst schlecht geht!" "Mir geht es nicht schlecht", erwiderte Crocodile automatisch. Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, waren die Worte über seine Lippen gekommen. "Ich bin okay." "Nein, du bist nicht okay", sagte Doflamingo mit ruhiger, aber klarer Stimme. "Deine Mutter ist gestorben. Dein Vater möchte auf einmal wieder Kontakt zu dir. Deine Geschwister haben wochenlang kein Wort mit dir gesprochen. Nun setzen sie dich auf einmal unter Druck euren Eltern zu vergeben. Und dazu kommt noch, dass wir demnächst selbst Eltern werden. Eventuell sogar von Zwillingen. Dir geht es nicht gut, Crocodile! Und das kann ich verstehen. Ich liebe dich und gebe jeden Tag mein Bestes, um für dich da zu sein. Aber du verhälst dich nicht fair, wenn du mir neue Freundschaften missgönnst, weil du selbst unsicher und ängstlich bist." Das saß. Völlig erschlagen ließ Crocodile seinen Blick sinken. Aus dieser Perspektive hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet. Auf einmal kam er sich furchtbar egoistisch und rücksichtslos vor, weil er gar nicht bedacht hatte, wie sehr auch sein Ehemann unter seiner angespannten Lebenssitiation litt. Es war sicher nicht leicht für Doflamingo jeden Tag aufs Neue mit seiner Gereiztheit und seinen Ängsten umzugehen. Und anstatt ein wenig Dankbarkeit zu zeigen, nutzte Crocodile die erstbeste Gelegenheit, um ihn anzugreifen und sogar zu beleidigen. Plötzlich kam er sich wie der schlechteste Ehemann auf der ganzen Welt vor. Doflamingo spürte seinen Stimmungswechsel sofort. "Aber du hast Recht damit, dass es blöd von mir gewesen ist so lange mit Reiju zu telefonieren", lenkte er mit tröstender Stimme ein. "Das Treffen mit deinen Geschwistern ist dir verständlicherweise sehr wichtig. Komm, wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren." Er packte ihn sanft am Arm und zog ihn in Richtung Treppe. "Ich werde Hancock anrufen und ihr erklären, dass die Verspätung allein wegen mir zustande gekommen ist." Der Zoobesuch mit seiner Familie war wie Balsam für Crocodiles Seele. Es tat ihm unwahrscheinlich gut wieder Zeit mit seinen Geschwistern zu verbringen. Er hatte das Gesicht und die Stimme seiner Schwester wirklich wahnsinnig vermisst. Genauso wie das strahlende Lächeln seiner kleinen Nichte. Nozomi stürzte sich sofort auf ihn, um ihm ihre neueste Zahnlücke zu präsentieren. "Die Zahnfee hat zwei Berry unter mein Kissen gelegt", erklärte sie ihm mit strahlenden Augen. "Und Mama hat gesagt, ich darf davon hier im Zoo ein Eis kaufen!" Obwohl seine Nichte längst kein Kleinkind mehr war, ließ Crocodile sich dazu hinreißen sie hochzunehmen. Nozomi war nun mit ihm auf Augenhöhe. Stolz blickte sie ihn aus blauen Iridien heraus an. Sie hatte die Augen ihrer Mutter geerbt; Hancock wiederum hatte sie von ihrem Vater. "Das hört sich gut an", sagte Crocodile. "Darf ich dann auch mal probieren?" Nozomi kicherte. "Du darfst doch gar kein Eis essen", ermahnte sie ihn. "Mama sagst, dass du dann Bauchweh bekommst." "Schade aber auch." Er setzte Nozomi wieder ab, die als nächstes sofort zu Doflamingo hinüberhuschte. Mittags machten sie im Zoocafe eine kleine Pause. Nozomi verputzte genüsslich ihr Eis, ehe sie fragte, ob sie hinüber auf den angrenzenden Kinderspielplatz spielen gehen dürfte. Hancock, Mihawk und Doflamingo bestellten sich jeder einen Cappucino und ein Stück Kuchen. Lediglich Crocodile begnügte sich mit einem Glas Wasser. Schon von frühester Kindheit an hatte er immer sehr streng auf seine Ernährung achten müssen, um seinen chronisch empfindlichen Magen nicht zu reizen. Vor allem süße oder scharfe Speisen und Getränke vertrug er sehr schlecht. Manchmal hatte er allerdings auch scheinbar grundlos sehr starke Magenschmerzen. "Es gibt hier auch Obstkuchen", sagte Hancock, die bemerkte, dass er nichts für sich bestellt hatte. "Der besteht aus einem Mürbeteig, der nicht sonderlich süß ist. Bestimmt würdest du ihn vertragen." Crocodile lehnte dankend ab. Der Stress der letzten Wochen war ihm buchstäblich auf den Magen geschlagen. Gestern hatte er sich im Büro sogar übergeben müssen, bloß weil er eine Saftschorle getrunken hatte. Da wollte er lieber kein unnötiges Risiko eingehen. "Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass eure Kinder deine Magenprobleme erben werden?", fragte Mihawk plötzlich mit nachdenklicher Stimme. Crocodile zuckte mit den Schultern. Darüber hatte Dr. Raffit bisher noch kein Wort verloren. "Dafür müsste man wissen, ob es genetisch bedingt ist", warf Hancock ein. "Aber soweit ich weiß, ist ja nie herausgefunden worden, was genau mit Crocodiles Magen los ist." "Es gibt bestimmt keine genetische Ursache", erwiderte Crocodile und winkte ab. "Ihr seid schließlich auch nicht betroffen." "Aber das heißt doch deshalb nicht zwingend, dass deine Magenprobleme nicht genetisch bedingt sein können", gab Hancock mit irritiert klingender Stimme zurück. "Aber wenn es mit der Genetik zu tun hätte, dann hättet ihr als meine Geschwister doch auch empfindliche Mägen." Hancock warf ihm einen ungläubigen Blick zu. "Es kann trotzdem genetisch bedingt sein, Crocodile." "Lass gut sein, Hancock, fufufufu", mischte sich nun Doflamingo kichernd ein. "Wani hat, was Biologie angeht, ungefähr den Wissensstand eines Zweitklässlers." "Das stimmt doch gar nicht", verteidigte Crocodile sich sofort. Biologie war in der Schule immer ein sehr schwaches Fach von ihm gewesen, das gab er durchaus zu. Aber er war sicher nicht auf dem Niveau eines Zweitklässlers. "Es muss dir nicht peinlich sein", neckte sein Ehemann ihn. "Jeder hat in irgendeinem Bereich einen blinden Fleck. Ich bin zum Beispiel total schlecht in Geschichte. Konnte mir nie merken, wann was passiert und wann wer gestorben ist. Und bei dir ist es eben Biologie." "Ich kenne mich mit Biologie aus! Schau doch mal: Wenn ein dunkelhäutiger Mann und eine hellhäutige Frau Kinder bekommen, dann ist es doch so, dass nicht ein paar Kinder komplett weiß und ein paar Kinder komplett schwarz werden. Sondern alle sind eine Mischung von beiden Elternteilen und bekommen eine Hautfarbe, die irgendwo in der Mitte liegt. Und wenn mein empfindlicher Magen genetisch bedingt wäre, würde es doch genauso ablaufen wie mit den Hautfarben. Es kann ja nicht sein, dass es nur mich betrifft und meine Geschwister dagegen ganz normal funktionierende Mägen haben." Für seine Erklärung erntete Crocodile leider bloß eine Reihe fassungsloser Gesichtsausdrücke. Während seine Geschwister ihn absolut entgeistert musterten, erweckte Doflamingo einen eher amüsierten Eindruck. "Ich habe es euch ja gesagt, fufufu", meinte er und nahm grinsend einen Schluck Cappucino. "Was meinst du damit?!", herrschte Crocodile seinen Ehemann an. "Was ist denn an meiner Erklärung verkehrt?" "Genetik funktioniert nicht so simpel wie du es dir vorstellst", sagte Mihawk kopfschüttelnd. "Wie kann ein Mann, der über einen erstklassigen Universitätsabschluss verfügt, bloß so wenig Ahnung von Biologie haben?", warf Hancock ein. Sie wirkte ehrlich schockiert. "Crocodile, jetzt mal ehrlich, das gehört doch zur Allgemeinbildung! Das lernt man spätestens in der Mittelstufe! Wie hast du es bloß geschafft den Kurs zu bestehen?!" Er hatte meistens von seiner Sitznachbarin abgeschrieben, doch diesen Umstand wollte Crocodile seiner Schwester nicht auf dem Silbertablett servieren. "Was ist denn falsch an meiner Erklärung? Wieso soll es so nicht funktionieren?" Doch Hancock machte sich nicht die Mühe ihn aufzuklären. "Versprich mir bloß, dass du Nozomi später niemals bei ihren Biologie-Hausaufgaben helfen wirst", seufzte sie kopfschüttelnd. "Bestimmt hat die Kinderwunsch-Klinik darauf geachtet nur Embryonen einzusetzen, die negativ auf Erbkrankheiten getestet wurden", mutmaßte Mihawk und kehrte somit zum ursprünglichen Thema zurück. "Das ist ja immerhin ein großer Vorteil der künstlichen Befruchtung. Dass man auf diesem Weg schlimme Krankheiten vermeiden kann." "Nun ja, eine Garantie hat man nie", wandte Doflamingo ein. "Mein Bruder ist auch mit einer Erkrankung des Nervensystems zur Welt gekommen, obwohl er künstlich gezeugt worden ist. Er konnte seine Bewegungsabläufe nicht immer richtig kontrollieren und ist furchbar ungeschickt gewesen. Aber er hatte trotzdem ein schönes Leben." "Dein Bruder ist auch durch künstliche Befruchtung entstanden?", hakte Hancock mit neugieriger Stimme nach. "Ich selbst bin es auch", erklärte Doflamingo ihr. "Unsere Eltern sind schon älter gewesen, als sie sich kennengelernt haben. Deswegen hat es auf natürlichem Wege nicht funktioniert." "Schade, dass du zu deinem Bruder gar keinen Kontakt mehr hast", sagte Hancock mit leiser Stimme. "Corazon heißt er, oder? Ich kann mir ein Leben ohne Mihawk und Crocodile gar nicht vorstellen. Es wäre wirklich wahnsinnig traurig, wenn einer von ihnen weit weg ziehen würde. Manchmal denke ich auch, dass es schade für Nozomi ist als Einzelkind aufzuwachsen." "Nun ja, in ein paar Monaten bekommt sie wenigstens zwei Cousins dazu", meinte Crocodile hastig und versuchte auf diese Weise von Corazon abzulenken. Er konnte nur schwer einschätzen wie Doflamingo auf ein Gespräch über seinen verstorbenen Bruder reagieren würde. Es war ein sehr sensibles Thema. Sofort leuchteten Hancocks Augen auf. "Was sagst du da!? Bedeutet das etwa, dass die künstliche Befruchtung erfolgreich verlaufen ist? Ist Rebecca schwanger?" Sie erhob sich von ihrem Stuhl, beugte sich über den Tisch und strahlte ihren Bruder und ihren Schwager förmlich an. Doflamingo nickte. "Sie ist in der achten Woche schwanger mit Zwillingen", erklärte er ihr mit stolzer Stimme. Hastig umrundete Hancock den Tisch, fiel ihnen in die Arme und beglückwünschte sie zu der Schwangerschaft. (Mihawk hatten sie -wie versprochen- bereits direkt nach Dr. Raffits Anruf informiert.) "Sind es eineiige oder zweieiige Zwillinge?", wollte Hancock sofort mit aufgeregter Stimme wissen. "Keine Ahnung", antwortete Crocodile schulterzuckend. "Wir wissen das Geschlecht noch nicht. Das kann man so früh noch nicht feststellen." Müsste Hancock das nicht eigentlich wissen? Immerhin war sie selbst schon einmal schwanger gewesen. Doch Hancock warf ihm bloß einen abschätzigen Blick zu. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Es können doch trotzdem zweiige Zwillinge sein, auch wenn es zwei Jungs oder zwei Mädchen werden!" "Es sind zweieiige Zwillinge", erklärte Doflamingo ihr. "Beide Embryonen entwickeln sich bisher gut. Es sieht danach aus, dass beide Kinder gesund zur Welt kommen werden." "Worauf hofft ihr denn? Ich fände ja ein Pärchen total süß! Aber zwei Jungs oder zwei Mädchen könnte man identisch anziehen; das ist natürlich auch niedlich." "Ich glaube, es werden ein Junge und ein Mädchen", sagte Crocodile mit leiser Stimme. "Wie gesagt, Crocodile, auch bei zweieiigen Zwillingen kann es sein, dass ihr zwei Jungs oder zwei Mädchen bekommt. Sie würden nur nicht komplett identisch aussehen, sondern wie ganz normale Geschwister." "Das meine ich nicht! Es ist nur... Ich habe irgendwie im Gefühl, dass es ein Pärchen wird. Schon seit ich davon erfahren habe. Ich kann nicht genau erklären, wieso. Es ist einfach eine Art Intuition." "Die Instinkte einer Mutter liegen meistens richtig, fufufu", zog ihn sein Ehemann auf, woraufhin Crocodile ihm prompt einen Hieb mit dem Ellenbogen verpasste. "Nun ja, ihr müsst euch nicht mehr lange gedulden", sagte Hancock. "Dann habt ihr Gewissheit. Ich kann mir vorstellen, dass Doflamingo es kaum erwarten kann endlich alle Klamotten für die Babies zu kaufen." "Da liegst du goldrichtig", erwiderte Doflamingo lachend. "Wenn es nach mir ginge, würde bei uns Zuhause bereits bergeweise Kinderspielzeug herumfliegen, fufufu." Auf dem Heimweg sprach Crocodile seinen Ehemann noch einmal auf dieses Thema an. "Was hältst du für einen guten Zeitpunkt, um mit der Ausstattung des Kinderzimmers anzufangen?", fragte er ihn mit ruhiger Stimme. "Ich weiß, wir haben gesagt, dass wir eine Weile warten möchten... Aber inzwischen ist Rebecca in der achten Woche schwanger. Ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas schief geht, wirklich immer noch so hoch?" Doflamingo legte den Kopf schief. "Ich halte es für sinnvoll noch ein paar Wochen abzuwarten. Dann wissen wir auch die Geschlechter der Babies und können farblich passende Sachen besorgen. Das wäre doch das Klügste, oder nicht?" Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es gibt ja nicht bloß blau und rosa", wandte er ein. "Man könnte die Einrichtung und erste Kleidungsstücke ja auch in neutralen Farben besorgen. Als wir damals den Kinderwagen für Nozomi ausgesucht haben, haben wir es ja schließlich auch so gemacht." Doflamingo rutschte auf dem Beifahrersitz herum. Crocodile spürte, dass seinem Ehemann etwas auf der Zunge lag. "Was ist los?", fragte er, als Doflamingo mit der Sprache nicht herausrücken wollte. "Ich würde lieber noch eine Weile warten", gab er schließlich zu. "Eine Schwangerschaft von acht Wochen ist nicht in Stein gemeißelt. Es kann viel passieren. Ich möchte nicht, dass du dir einen schicken Zwillingskinderwagen aussuchst, wir am Ende aber mit nur einem Kind nach Hause kommen. Das wäre eine absolut grauenhafte Vorstellung. Wenn wir noch ein paar Wochen warten, sind wir auf der sicheren Seite. Und wir könnten farblich passende Sachen aussuchen. Es spricht wirklich alles dafür noch etwas zu warten." Crocodile nickte. Er wusste, dass Doflamingo höchstwahrscheinlich Recht hatte. Trotzdem war er nicht ganz einverstanden. "Mir kommt Rebeccas Schwangerschaft noch ganz unwirklich vor", gab er schließlich zu. "Ich meine... Als wir sie letzte Woche getroffen haben, hat sie ausgesehen wie immer. Ich weiß, dass meine Kinder... buchstäblich meine leiblichen Kinder in ihr heranwachsen... aber Rebecca wirkt so unschwanger." "Ich weiß, dass du nicht viel von Biologie verstehst", meinte Doflamingo mit neckischer Stimme, "aber sogar dir dürfte klar sein, dass eine Frau nicht von Anfang an einen dicken Schwangerschaftsbauch hat, oder nicht? Der Bauch wird meistens erst im letzten Drittel der Schwangerschaft so wirklich groß." "Das ist mir klar", erwiderte Crocodile hastig. "So ist es ja auch bei Hancock gewesen damals. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass diese ganze Sache... die Schwangerschaft und dass ich Vater werde... irgendwie greifbarer für mich wird. Bisher kommt mir alles so vor wie eine Geschichte, dir mir erzählt wird." "Ich verstehe, was du meinst", sagte sein Ehemann. "Für mich ist es auch eine abstrakte Vorstellung. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass Rebecca nicht bei uns lebt und wir sie nur selten treffen. Unsere Babies sind im Moment immer sehr weit weg. Aber das wird sich alles bald ändern. In ein paar Monaten wird Rebeccas Bauch aussehen wie ein Ballon, der jeden Moment platzt, fufufufu. Und dann fahren wir mit unseren beiden Schätzchen nach Hause. Wir werden zwei Bettchen haben, einen Zwillingskinderwagen und mehr Anziehsachen als hundert Babies jemals tragen könnten. Du musst ich nur noch ein klein wenig gedulden, Wani." Crocodile bog in ihre Straße ein. "Vielleicht könnten wir uns solange anderweitig vorbereiten", schlug er vor. "Es geht schließlich nicht bloß um die Ausstattung des Kinderzimmers. Wir müssen uns auch informieren. Du weißt schon, über die Pflege und Entwicklung von kleinen Kindern. Wann sie normalerweise durchschlafen, wann sie anfangen zu laufen und so weiter." "Das hört sich nach einer guten Idee an", stimmt sein Ehemann ihm zu. "Wir könnten gleich direkt mal nach einem passenden Kurs suchen", sagte Crocodile. "Es gibt viel zu lernen und es schadet sicher nicht gut vorbereitet zu sein. Ob wir nun ein oder zwei Kinder bekommen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)