Insecurity von kleines-sama (Dofladile) ================================================================================ Kapitel 1: Zweifel ------------------ Gelangweilt nippte Sir Crocodile an seinem Wasserglas. Er ließ den Blick über seine Umgebung schweifen: In dem festlich dekorierten Saal tummelte sich eine Vielzahl von Menschen. Unweit von ihm entfernt konnte er seine Sekretärin Robin ausmachen. Sie trug ein kurzes, schwarzes Kleid, das ihr außerordentlich gut stand. Dieser Umstand schien auch ihrem Verlobten, Franky, nicht zu entgehen. Crocodile beobachte, wie sein Vorgesetzter seiner Sekretärin etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin Robin schelmisch grinste. Wahrscheinlich war es irgendeine Sauerei gewesen. Crocodile musste an Doflamingo denken. Anstatt sich bei dieser öden Firmenfeier zu langweilen, hätte er den Abend viel lieber mit seinem Ehemann im Bett verbracht. Leider wurde von ihm als Manager erwartet, dass er bei Anlässen wie diesem mit Anwesenheit glänzte. Kiwi ließ sich geräuschvoll auf dem Stuhl neben ihm nieder. "Was ist los?", fragte sie ihn und nahm einen Schluck von ihrem Krabben-Cocktail. "Du siehst so mies gelaunt aus." Crocodile zuckte mit den Schultern und senkte den Blick. "Es ist nichts", erwiderte er. "Ich bin bloß kein großer Freund von solchen Feiern." "Du solltest versuchen dich zu amüsieren." Kiwi bot ihm einen Schluck von ihrem Cocktail an, den Crocodile dankend ablehnte. "Immerhin gilt diese Feier auch dir. Du hast maßgeblich zu Toms Workers Erfolg beigetragen. Deinen Talenten als Manager haben wir es zu verdanken, dass die Messe dieses Jahr wieder so ein großer Erfolg geworden ist." Damit hatte Kiwi durchaus Recht. Crocodile war kein eingebildeter Mensch, doch ihm war klar, dass die Erfolge der Firma vielfach auf ihn zurückzuführen waren. Zum fünften Mal in Folge brach die Elektronik-Messe Toms Workers alle Rekorde. Seit Franky Crocodile als Manager eingestellt hatte, erlebte die Firma ein unglaubliches Hoch. "Ich freue mich für Franky und alle Mitarbeiter", stellte Crocodile hastig klar. "Es ist nur..." "Was ist?", wollte Kiwi wissen. Doch Crocodile wusste auf die Frage selbst keine Antwort. Schließlich wiederholte er: "Ich fühle mich auf solchen Feiern einfach nicht wohl. Ich wäre jetzt gern bei meinem Mann. Ich habe ihn die ganze Woche nicht gesehen, weil er auf Geschäftsreise im Ausland war. Heute Abend ist er endlich zurückgekommen und ich sitze hier fest." "Ihr zwei seid wirklich ein wahnsinnig süßes Paar", kicherte Kiwi und schlürfte ihren Cocktail. "Warum erklärst du Franky nicht die Situation und verabschiedest dich früher? Er hätte sicher Verständnis. Sieh nur, wie Robin und er strahlen!" Das entging auch Crocodile nicht. Sein Vorgesetzter und seine Sekretärin waren ein sehr glückliches Paar. Letzte Woche hatte er die Einladung für die Hochzeit der beiden erhalten. Crocodile freute sich für Robin. Als er sie vor sieben Jahren kennengelernt hatte, hätte er niemals darauf gesetzt, dass eine so kühle und unnahbare Person wie sie sich für die Ehe entscheiden würde. Franky schien ihr gut zu tun. "Ich bin der Manager", seufzte Crocodile. "Da gehört es sich nicht als Erster zu gehen." "Du bist nicht nur ein Manager, du bist auch ein Ehemann", sagte Kiwi mit zärtlicher Stimme. "Geh nach Hause, verbring den Abend mit Doflamingo. Franky wird es dir nicht übel nehmen. Crocodile, du gibst für Toms Workers immer einhundert Prozent. Es ist nicht falsch auch mal an sich selbst zu denken." "Vielleicht hast du Recht", hörte Crocodile sich selbst sagen. "Danke, Kiwi. Du bist die Beste." Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und erhob sich. Es war als wäre Crocodile eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Lächelnd saß er in seinem Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive und gab Gas. Den Wagen hatte Doflamingo ihm letztes Jahr zu seinem Geburtstag geschenkt. Crocodile hatte sich sehr gefreut. Nicht weil sein Ehemann so viel Geld für ihn ausgegeben hatte (für Doflamingo handelte es sich dabei bloß um Peanuts), sondern weil er sich für ihn dazu überwunden hatte einen Mercedes zu kaufen. Crocodile wusste, dass Doflamingo die Automarke nicht leiden konnte, weil er sie für spießig hielt. Endlich Zuhause. Crocodile kletterte eilig aus dem Mercedes und hastete hinüber zum Fahrstuhl der Tiefgarage. In den sechs Jahren, die sie beide nun ein Paar waren, waren sie nur selten getrennt gewesen. Deswegen hatte er sich in den letzten Tagen wahnsinnig einsam gefühlt. Der Aufzug bewegte für Crocodiles Geschmack viel zu langsam. Er konnte es kaum erwarten seinen Ehemann endlich wieder in seine Arme zu schließen. Irgendetwas in seinem Magen flatterte nervös, als Crocodile sich im Eingangsbereich ihrer kleinen Villa umschaute. Alles lag still und dunkel da. Weder in der Küche noch im Wohnzimmer brannte Licht. Crocodile versuchte die Enttäuschung zu unterdrücken, doch es fiel ihm wahnsinnig schwer. War Doflamingo etwa noch nicht wieder da? Aber er hatte ihm doch gesagt, spätestens um zweiundzwanzig Uhr wäre er Zuhause. Oder hatte er sich schon ins Bett gelegt? Eigentlich dürfte er es ihm das nicht verübeln. Sicherlich war Doflamingo erschöpft. Er hatte sich eine erholsame Mütze Schlaf redlich verdient. Leise schlich Crocodile die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Sich an den warmen Körper seines Liebsten zu pressen und neben ihm einzuschlafen war immer noch besser als seine Zeit auf dieser frustrierenden Firmenfeier zu vergeuden. Schwaches Licht schien durch den Spalt unter der Türe in den Flur. Crocodile konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Doflamingo war doch noch wach! Seine Hand berührte schon beinahe die Türklinke, als er Doflamingo stöhnen hörte. Crocodile erstarrte in seiner Bewegung. Wenige Sekunden später war auch das Stöhnen einer Frau zu hören. Crocodile ließ seine Hand sinken. Sein Hirn war wie leergefegt. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Völlig hilflos stand er vor seiner eigenen Schlafzimmertüre und lauschte den Lustgeräuschen, die sowohl sein Ehemann als auch die ihm fremde Frau ungehemmt von sich gaben. Als er halbwegs wieder zu sich fand, war der erste Gedanke in seinem Kopf: Ich hätte es wissen müssen. Im Gegensatz zu ihm war Doflamingo bisexuell. Früher, mit Anfang zwanzig, hatte Crocodile es hin und wieder mal mit bisexuellen Männern probiert. Leider war jeder Kontakt daran gescheitert, dass die Männer immer irgendwann ihr Glück bei seiner gutaussehenden, jüngeren Schwester Hancock versucht hatten. Schließlich hatte Crocodile den Bisexuellen abgeschworen und beschlossen sich nur noch auf Männer einzulassen, die so wie er homosexuell waren. Dass sein Partner Doflamingo, der die Farbe Rosa liebte, auf beiden Seiten Ohrringe trug und ein hemmungsloser Romantiker war, auch etwas für das weibliche Geschlecht übrig hatte, hatte Crocodile schließlich nicht ahnen können. Erst nach über einem halben Jahr Beziehung hatte sich herausgestellt, dass auch Doflamingo der Gruppe der Bisexuellen angehörte, die Crocodile eigentlich zu vermeiden versuchte. Und nun musste er die Rechnung zahlen. Zu der Enttäuschung gesellte sich Wut. Wie konnte Doflamingo es wagen?! Er hatte diese Beziehung gewollt. Er hatte ihn wochenlang umgarnt, bis er einem ersten Date zugestimmt hatte. Er hatte ihm schon nach neun Monaten Beziehung einen Antrag gemacht und ihn zu einer schnellen Hochzeit gedrängt. Und nun, kaum dass sie sich eine mickrige Woche nicht gesehen hatten, ließ er sich auf irgendein billiges Flittchen ein. Dieser Bastard! Crocodile öffnete die Schlafzimmertüre – und erstarrte. Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte ihn. Doch anders als erwartet. Zu seiner Verwunderung war nirgendwo der Körper einer hübschen, jungen Frau zu sehen – abgesehen von dem großen Bildschirm, der gegenüber ihrem Bett an der Wand montiert war. Dort spielten sich nämlich sehr eindeutige Szenen zwischen einer Frau und einem Mann ab. Doflamingo lag auf dem Bett. Ausnahmsweise trug er einen dunkelroten Anzug. Wobei das vielleicht das falsche Wort war, denn das Sakko hatte er abegelegt und die Hose mitsamt Unterwäsche hing bloß noch lose um seinen rechten Fußknöchel. Crocodile brachte kein Wort heraus. Mit offenem Mund starrte er seinen Ehemann an, der von seinem plötzlichen Auftauchen völlig ungerührt zu sein schien. Er unterbrach nicht einmal die Masturbation, sondern widmete sich weiterhin seinem erigierten Glied. Beschämt senkte Crocodile den Blick. Er spürte, dass ihm die Röte ins Gesicht schoss. Wie üblich amüsierte das Doflamingo bloß. "Schön dich zu sehen, Wani", grinste er und fixierte ihn mit seinen grünen Augen. Seine Sonnenbrille lag auf dem Nachttischschränkchen. "So früh habe ich dich gar nicht zurückerwartet. Hattest du nicht gesagt, dass Franky euch alle zu einer Hotelparty einlädt?" "Ich bin früher gegangen", murmelte Crocodile und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er brachte es nicht über sich den Blick mit seinem Ehemann zu kreuzen. Plötzlich fühlte er sich furchtbar, weil er so schlecht über seinen Partner gedacht hatte. Ihn plagte die irrationale Angst, dass Doflamingo seine Gedanken erraten würde, wenn er ihm ins Gesicht sah. Dieser verfügte nämlich über die unheimliche Gabe ihm das Gefühl zu geben geröntgt zu werden, wenn er ihn mit seinen stechend grünen Iriden anblickte. "Du hättest Bescheid sagen sollen", meinte Doflamingo mit amüsiert klingender Stimme. Er leckte sich über seine Lippen. "Dann hätte ich etwas Anderes für den Abend geplant." Gierig ließ er seinen Blick über Crocodiles Körper wandern. Bei Donquixote Doflamingo handelte es sich um eine wahnsinnig sexuelle Person. Obwohl er bereits Mitte dreißig war, besaß er das Libido eines Siebzehnjährigen. Crocodile war sich sicher, dass er absolut ausgehungert war. Während er sprach, hörte er nicht auf sein steifes Glied zu streicheln. "Aber so ist es auch gut. Ich hatte sowieso gerade erst angefangen. Warum ziehst du dich nicht aus, Baby, und legst dich neben mich? Ich bin mir sicher, ich kann auch dich ganz schnell in die richtige Stimmung bringen." Wie hypnotisiert kam Crocodile näher. Er hatte mit Sicherheit keinen so starken Trieb wie Doflamingo, aber auch er hatte seinen Ehemann eine Woche lang vermisst. Sein schlechtes Gewissen rückte plötzlich ganz nach hinten in seinen Kopf. Gegen Sex hätte er jetzt nichts einzuwenden. Doflamingo packte mit beiden Händen die Vorderseite seines Hemdes und zog ihn nah zu sich heran, kaum hatte er die Bettkante erreicht. Sofort presste er seine warmen, süßen Lippen auf seinen Mund. Doflamingo begann an seiner Unterlippe zu saugen und auch wenn Crocodile sich ein klein wenig schämte, konnte nicht anders als sehnsüchtig in den Kuss hinein zu stöhnen. Verdammt, er hatte seinen Ehemann wirklich vermisst. Crocodile unterbrach den Kuss, als wieder das laute Stöhnen der Frau im Porno zu hören war. Unwillig schaute er zum Bildschirm hinüber. Gerade war sehr deutlich zu sehen wie der männliche Darsteller mit seinem Glied in der Löffelchen-Stellung in die Frau eindrang. "Können wir das ausschalten?", bat Crocodile. "Warum?", erwiderte Doflamingo, der versuchte mit einer Hand die Hemdknöpfe seines Partners zu öffnen, während er mit der anderen weiterhin sein Glied bearbeitete. "Sei nicht so verklemmt, Croco. Komm, zieh deinen Gürtel aus. Ich kümmere mich um dich, während du die Show genießt." Er schob das geöffnete Hemd von Crocodiles Schultern und zog ihm auch das Tshirt, das er darunter trug, über den Kopf. Ohne auch nur eine kostbare Sekunde zu vergeuden, stürzte Doflamingo sich wie ein ausgehungertes Raubtier auf seinen Partner. Er umschloss eine Brustwarze mit seinem Mund und begann heftig daran zu saugen. Seine Hände fuhren gierig über Crocodiles Oberkörper; berührten seinen Bauch, seinen Rücken, seine Arme. "Ich bin nicht verklemmt", erwiderte Crocodile und schob seinen Ehemann von sich. Doflamingo fixierte ihn mit einem amüsierten, aber auch ungeduldigen Blick. Seine Hände umschlossen Crocodiles Taille. "Du willst dir keinen Porno reinziehen, während ich dir einen blase", meinte sein Ehemann. "Was ist bitteschön verklemmt, wenn nicht das? Komm schon, Wani, sei kein Spielverderber. Das macht Spaß!" Und wie um ihn überreden zu wollen, präsentierte er Crocodile seine feuchte, zuckende Zunge. "Darum geht es gar nicht. Mich stört es nicht mit dir zusammen einen Porno anzuschauen", verteidigte sich Crocodile entrüstet und verschränkte die Arme vor der Brust. Trotzdem ließ er zu, dass Doflamingos Hände sich von seiner Taille entfernten und sich stattdessen an seinem Gürtel zu schaffen machten. "Und was ist dann das Problem?" Sie beide wandten sich dem Fernsehbildschirm zu. Gerade in diesem Moment wurde das feuchte Geschlecht der Frau in einer Nahaufnahme präsentiert. Angewidert schloss Crocodile die Augen. Bei diesem Anblick spürte er sofort, wie seine Lust abnahm. Doflamingo schien zu begreifen, was die Ursache für sein untypisches Verhalten war. "Ehrlich?" Sein Blick war ungläubig, beinahe entsetzt. Als hätte Crocodile ihm erzählt, dass er darauf abfuhr, kleine Hundewelpen zu treten. "Dich turnt die Frau im Porno so sehr ab?" "Falls du es vergessen hast: Ich bin schwul", erinnerte ihn Crocodile pikiert. Doflamingo half ihm dabei aus seiner Hose und seinen Boxershorts herauszuschlüpfen. "Mach den Fernseher einfach aus. Oder schalte wenigstens auf einen Film mit Männern um." "Aber in dem Porno ist doch auch ein Mann zu sehen", hielt Doflamingo dagegen und umfasste Crocodiles nicht-erigiertes Glied. "Und er ist sogar blond", neckte er ihn. "Das spielt keine Rolle", meinte Crocodile. "Doffy, glaub mir bitte, wenn ich dir sage: Ich kriege keinen hoch, wenn ich mir dabei ständig diese... diese... ihr... ich kann mir das einfach nicht anschauen." Doflamingo drückte ihn in eine liegende Position, sodass er freie Sicht auf den Fernseher an der gegenüberliegenden Wand hatte. Sich selbst positionierte er mit dem Kopf zwischen Crocodiles gespreizte Beine. "Ich finde, du steigerst dich da ein bisschen zu sehr rein", erklärte Doflamingo ihm, während er Crocodiles Glied rieb. "Ich verstehe ja, dass du im Gegensatz zu mir wirklich ausschließlich auf Männer stehst. Aber du tust ja glatt so als wären Frauen ekelhaft." "Ich finde Frauen nicht ekelhaft." Crocodile musterte die nackte Frau im Pornofilm. Sie sah durchaus hübsch aus. Lange, dunkelbraune Haare. Leicht gebräunte Haut. Crocodile würde sie nicht als hässlich oder widerlich beschreiben. Dann zoomte die Kamera auf ihre mithilfe von zwei Fingern gespreizte Vagina... und Crocodile spürte, wie sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. "Ich kann nur nicht verstehen.... dass man... jemand... Ich meine, es sieht wirklich nicht schön aus." Doflamingo arbeitete immer noch vergeblich an seinem nicht-erigierten Penis. "Du übertreibst", ermahnte er ihn erneut. "Mal ehrlich, welches Geschlechtsorgan sieht denn wirklich schön aus, ich meine jetzt aus ästhetischer Perspektive? Keiner von uns hat dort unten ein Ölgemälde hängen. Aber eine Vagina ist doch trotzdem nicht eklig. Wenn man in der richtigen Stimmung ist, sieht sie auch auf einmal viel interessanter aus. Und genau das gleiche gilt für das männliche Pendant." Noch immer hatte Crocodile keine Erektion. "Schalt den Fernseher einfach aus", bat er erneut. Vielleicht gab es die Möglichkeit, dass er diese abturnenden Bilder irgendwie aus seinem Kopf bekam und dann endlich heißen Sex mit seinem Ehemann haben konnte. Er begriff sowieso nicht, warum Doflamingo plötzlich so stur war. "Konzentrier dich einfach auf den Mann", erwiderte Doflamingo, der allmählich einen frustrierten Eindruck erweckte. Wahrscheinlich weil er normalerweise weniger als eine Minute brauchte, damit sein Partner einen Ständer bekam. "Das geht nicht, wenn ständig diese eklige Fotze eingeblendet wird", hielt Crocodile zornig dagegen. Es war untypisch für ihn, dass er solche Worte in den Mund nahm, doch allmählich machte sich auch bei ihm der Frust breit. Er wollte doch bloß eine schöne Nacht mit Doflamingo verbringen. Warum konnten sie diesen blöden Fernseher nicht einfach ausmachen und loslegen? Sein Ehemann war manchmal wirklich ein sturer Esel. "Das kann doch nicht wahr sein, dass du keinen hochkriegst, bloß weil im Fernsehen eine nackte Frau zu sehen ist!", zischte Doflamingo, der immer noch vergebens an Crocodiles Penis herumwerkelte. "Und ihre Fotze ist nicht eklig. Sie sieht ganz normal aus!" "Es sieht aus wie eine Wunde", murmelte Crocodile. Diese Worte ließen Doflamingo innehalten. Mit einem Blick, der pures Entsetzen ausdrückte, musterte er seinen Ehemann. "W-was hast du gerade gesagt?" "Was Frauen da unten haben", sagte Crocodile im Flüsterton und mit gesenktem Blick, "sieht aus wie eine schlimme Wunde. Als hätte jemand ein Messer in ihr Fleisch gestoßen. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie man auf die Idee kommen kann, da seinen Penis reinzustecken." Er hatte es nicht beabsichtigt, doch diese Worte runierten die Stimmung vollkommen. Doflamingo ließ von ihm ab und drehte sich zum Fernseher um. Nun konnte man sehen, wie die Frau in der Hündchen-Stellung vom Mann penetriert wurde. Sein Ehemann zog eine Augenbraue hoch und schüttelte dann den Kopf. "Tut mir leid", meinte Crocodile und griff nach Doflamingos Handgelenk. "Ich wollte dich nicht erschrecken. Komm, mach den Fernseher einfach aus und dann haben wir beide ein bisschen Spaß miteinander." Doch zu seiner Überraschung schüttelte Doflamingo erneut den Kopf. "Vielleicht sollten wir uns einfach schlafen legen", erwiderte und riss sich von seiner Hand los. "Ich gehe kurz duschen. Leg du dich ruhig schon hin, ich komme dann gleich zu dir." Während sein Partner sprach, breitete sich ein unangenehmes Gefühl in Crocodiles Magengegend aus. In den sechs Jahren, die sie beide nun schon zusammen waren, war es noch nie vorgekommen, dass Doflamingo den Sex mit ihm verschmähte. Doflamingo hatte nicht einfach nur gern Sex; er brauchte ihn regelrecht. Lediglich wenn es Crocodile nicht gut ging, hielt sein Ehemann sich zurück. Crocodile presste seine Lippen aufeinander und beobachtete wie Doflamingo ins angrenzende Badezimmer verschwand. Er fühlte sich hundeelend. Warum nur musste er ihren ersten gemeinsamen Abend seit einer Woche so verderben? Crocodile bedeckte die Augen mit seiner rechten Hand. Verdammt, wieso hatte er überhaupt so etwas Blödes gesagt? Hielt sein Ehemann ihn jetzt für geisteskrank? Fragte er sich, was mit ihm nicht stimmte? Crocodile verkroch sich unter die Bettdecke. Als Doflamingo zurückkehrte, tat er so als wäre er bereits eingeschlafen. In Wirklichkeit lag Crocodile die halbe Nacht wach. Erst in den frühen Morgenstunden übermannte ihn der Schlaf. Als er aufwachte, zeigte der Wecker auf seinem Nachttisch elf Uhr dreißig an und die andere Hälfte des Bettes war verwaist. In seinem Magen bildete sich ein Knoten, als er auf die zerwühlte Decke und das Kopfkissen blickte. Offenbar hatte Doflamingo fluchtartig das Bett verlassen. Hab ich im Schlaf etwa davon gesprochen, dass mich eine Vagina auffrisst?, dachte er zynisch und biss sich auf die Unterlippe. Verdammt, wie sollte er seinem Ehemann bloß unter die Augen treten. Bestimmt hielt Doflamingo ihn jetzt für einen debilen Idioten. Seufzend erhob Crocodile sich und schleppte sich hinüber ins Badezimmer. Vielleicht würde eine heiße Dusche seine Stimmung aufheitern. Es war fast ein Uhr mittags, als Crocodile das Aufeinandertreffen mit seinem Ehemann nicht weiter hinausschieben konnte. Mit klopfendem Herzen öffnete er die Türe zum Wohnzimmer. Der Raum bildete das Herzstück ihrer kleinen Villa; hier hielten sie sich die meiste Zeit über auf. Doflamingo saß im Schneidersitz auf dem Sofa; er musterte mit angestrengter Miene den Bildschirm seines privaten Laptops. Seine Sonnenbrille hatte er hochgeschoben. Nervös räusperte Crocodile sich. Doflamingo, der ganz vertieft ins Internet gewesen war, schreckte auf. Als er seinen Ehemann neben sich stehen sah, schenkte er ihm ein breites Lächeln. "Guten Morgen, Baby", zwitscherte er. Sein unverschleierter Blick war freundlich und liebevoll. Crocodile fiel eine Wagenladung Steine vom Herzen. "Morgen", erwiderte er. "Möchtest du auch einen Kaffee?" Doflamingo nickte und wandte sich wieder seinem Laptop zu. "Das wäre herzallerliebst, Wani." Crocodile rollte mit den Augen, machte sich aber kommentarlos auf den Weg hinüber zur Küche. Seit sie nicht mehr in Doflamingos Villa der Superlative wohnten, sondern sich in ein schönes Haus am Ende einer baumreichen Straße zurückgezogen hatte, pflegten sie einen ruhigeren Lebensstil. Es schwirrten nicht andauernd irgendwelche Angestellten um sie herum. Ihr Abendessen wurde nicht länger von einem Fünf-Sterne-Koch in der hauseigenen Großküche zubereitet. Ihr Zuhause war gemütlich geworden. Und Crocodile mochte es so viel lieber, auch wenn er sich seinen Kaffee nun hin und wieder selbst zubereiten musste. Crocodile stellte das kleine Tablett mit den beiden dampfenden Kaffeetassen auf dem Couchtisch ab und ließ sich neben seinem Ehemann nieder. "Was machst du da?", fragte er und nippte an seiner Tasse. "Mir geht nicht aus dem Kopf, was du gestern Abend gesagt hast", antwortete Doflamingo mit unverfänglich klingender Stimme. "Deswegen recherchiere ich ein bisschen im Internet zu diesem Thema." Beinahe hätte Crocodile seinen Kaffee wieder ausgespuckt. "Was?! Wie kommst du auf so etwas, Doffy? Bitte, vergiss einfach, was ich gesagt habe, okay? Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es hat nichts zu bedeuten." Doch Doflamingo schüttelte den Kopf. Er wandte den Blick vom Bildschirm des Laptops ab und musterte stattdessen Crocodile. Es war ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Die stechend grünen Augen seines Ehemannes schienen ihn förmlich zu durchbohren. "Das war nicht einfach nur so dahin gesagt", widersprach er ihm. "Deine Worte waren absolut ernst gemeint. Du... du bist wirklich der Meinung, dass eine Vagina wie eine Messerverletzung aussieht." "Na und?!" Nun wurde Crocodile wütend. "Und wenn schon? Ich bin nun mal homosexuell. Da ist es doch irgendwie logisch, dass ich das weibliche Geschlechtsteil nicht wirklich anziehend finde, oder nicht? Ich verstehe nicht, was es da zu googlen gibt." "Du findest es nicht bloß nicht anziehend, du findest es regelrecht abstoßend. Das habe ich gestern gemerkt. Ich glaube, es war für dich wirklich so als hättest du einen hochkriegen sollen, während du dir im Fernsehen... eine blutige Not-Operation anschauen müsstest... So in der Art muss es für dich gewesen sein." "Ich will dir nicht zu nahe treten, Doffy", zischte Crocodile empört. "Aber ich denke, ich kann besser als du beurteilen, wie die Situation für mich gewesen ist. Du bist bisexuell, deswegen schaust du dir gerne Pornos mit Frauen an. Ich bin homosexuell, deswegen schaue ich mir nicht gerne Pornos mit Frauen an. So einfach ist das." Doch wieder schüttelte Doflamingo den Kopf. Er warf ihm einen eindringlichen Blick zu und meinte: "Du hast dich vor der Vagina der Frau geekelt. Es war eine echte körperliche Reaktion." "Welchen Teil von Homosexualität willst du nicht verstehen?!" Inzwischen war Crocodile so aufgebracht, dass er sich am liebsten Doflamingos Laptop geschnappt und aus dem Fenster geschmissen hätte. Er fühlte sich von seinem Partner regelrecht in die Ecke gedrängt. Wieso wollte Doflamingo seine Erklärung einfach nicht akzeptieren? "Das hat nichts mit Homosexualität zu tun", hielt Doflamingo dagegen. "Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und bin auf den interessanten Beitrag einer Sexualtherapeutin gestoßen." "Einer... einer was? Sexualtherapeutin? Soll das ein Witz sein?" "Sie schreibt, dass sie schon mit sehr vielen Patienten zu tun hatte, die sich vor Vaginas ekeln. Auch heterosexuelle Männer. Einige davon sind -so wie du- der Meinung gewesen, dass Vaginas Fleischwunden ähneln. Laut dieser Sexualtherapeutin hat dieser schlimme Ekel vor dem weiblichen Geschlecht nichts mit Hetero- oder Homosexualität zu tun." "Oh, und womit dann?" Crocodiles Stimme trotze nur so vor Zynismus. Er konnte seinen Ehemann im Moment absolut nicht ernst nehmen. Was war bloß in ihn gefahren? Das Gespräch, das sie gerade führten, war doch völlig absurd. "Nun..." Plötzlich wurde Doflamingo untypisch leise. Er wich Crocodiles Blick aus, als er erklärte: "Eine Theorie besagt, dass Männer oft einen Ekel vor weiblichen Geschlechtsteilen empfinden, weil sie als Kinder auf brutale Art damit konfrontiert wurden. Zum Beispiel bei sexuellem Missbrauch durch eine Lehrerin oder..." "Stopp! Halt!", unterbrach Crocodile seinen Partner. Er starrte Doflamingo völlig entgeistert an. "Du hast wohl nicht mehr alle Latten am Zaun, Mister Donquixote! Ich mag Vaginas nicht, weil ich schwul bin. Punkt. Das hat nichts, absolut rein gar nichts, mit irgendwelchen pädophilen Übergriffen in meiner Kindheit zu tun. Ich glaube, du tickst nicht mehr ganz richtig!" "Das ist ein ernstes Thema", erwiderte Doflamingo. Er schien sich um eine ruhige Stimmlage zu bemühen. "Vielleicht könntest du ja auch mal eine Sexualth..." "Nein, sicher nicht!" Crocodile ließ Doflamingo gar nicht erst aussprechen. "Ich muss zu keiner Therapie, vielen Dank, mir geht es gut. Du steigerst dich bloß in irgendwelche Berichte rein, die du in einem unseriösen Internet-Forum gefunden hast! Dabei solltest du längst wissen, dass im Internet ganz schön viel Mist steht!" "Das hat nichts mit Unseriösität zu tun! Das ist ein ernstes Thema!" "Aber nicht für mich!" Allmählich hatte Crocodile wirklich genug. "Dann finde ich Vaginas eben eklig, was soll`s! Anbetracht der Tatsache, dass ich schwul bin, dürfte das für mich ja wohl kaum zu einem Problem werden." "Aber bist du denn auch wirklich schwul?" Diese Frage traf Crocodile völlig unvorbereitet. Er starrte seinen Ehemann an als hätte dieser ihm so eben eröffnet, dass er gerne Steine vom Gehwegrand aufhob und ableckte. "Was?" "Diese Sexualtherapeutin", erklärte Doflamingo ihm und rückte näher an ihn heran, "vertritt die Theorie, dass kein Mensch einhundertprozentig homo- oder heterosexuell ist. Man bewegt sich immer in einem Spektrum. Und bei dir gibt es womöglich eine Einschränkung, weil du als Kind Opfer..." Crocodile stand vom Sofa auf. "Jetzt ist aber wirklich Schluss!", zischte er mit scharfer Stimme. "Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Doffy, aber du redest wirres Zeug. Es mag nicht viele Dinge in meinem Leben geben, derer ich mir absolut sicher bin. Aber du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich definitiv homosexuell bin. Und zwar nicht nur ein bisschen oder größtenteils, sondern komplett. In mir schlummert nicht das allerkleinste bisschen Verlangen einer Frau sexuell näherzukommen. Und zweitens: Ich wüsste es ja wohl, wenn sich in meiner Kindheit eine pädaphile Lehrerin an mir vergriffen hätte! Also lass uns dieses bescheuerte Thema jetzt beenden, bevor ich mir deinen Laptop greife und gegen die Wand schmeiße!" Doflamingo, der nicht mit einem solchen Wutausbruch gerechnet zu haben schien, hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. "Ist ja gut." Er sprach in derselben Tonlage, in der er sicherlich auch mit einem verängstigten Hund sprechen würde. "Ich wollte dich nicht so aufregen, Crocodile. Wenn du möchtest, dann lassen wir diese Sache auf sich beruhen." Das vorerst, das Doflamingo diesem Satz anfügte, blieb unausgesprochen. "Komm, setz dich wieder hin und trink deinen Kaffee, bevor er kalt wird." Crocodile ließ sich zähneknirschend wieder neben seinem Ehemann nieder. Er wurde das Gefühl nicht los, dass dies nicht ihr letztes Gespräch zu diesem verrückten Thema sein würde. Doflamingo war manchmal ein wahnsinniger Sturkopf. In dieser Hinsicht waren sie beide sich leider sehr ähnlich. * Überraschenderweise kam Doflamingo tatsächlich fast zwei Wochen lang nicht mehr auf diese absurde Sache zu sprechen. Erst als sie eines abends bei Crocodiles älterem Bruder Mihawk im Garten saßen und das spätsommerliche Wetter genossen, begann sein Ehemann wieder seltsame Fragen zu stellen. Eigentlich schien es sich bloß um harmlosen Small-Talk zu handeln, doch Crocodile wurde sofort hellhörig. "Wie kommt Nozomi in der Schule zurecht?", fragte Doflamingo seine Schwägerin. Hancock saß ihnen gegenüber auf einem gemütlichen Gartensessel; in der Hand hielt sie ein Glas Rotwein. Nozomi übernachtete heute bei einer Freundin und Hancock nutzte die Gelegenheit, um ganz ungestört den Abend mit ihren Brüdern und ihrem Schwager zu verbringen. "Oh, sehr gut", antwortete Hancock. "Um ehrlich zu sein, war ich am Anfang ein bisschen besorgt, weil Nozomi wirklich sehr an ihren Erzieherinnen aus dem Kindergarten hing. Sie hat sich dort immer wohl gefühlt. Aber zum Glück geht sie auch sehr gern in die Schule." "Bist du selbst als Kind eigentlich auch in einen Kindergarten gegangen?", wollte Doflamingo mit neugieriger Stimme wissen. Unwigerlich verengte Crocodile seine Augen zu schmalen Schlitzen. Womöglich zog er voreilige Schlüsse. Doflamingo war schon immer sehr am Wohlergehen ihrer einzigen Nichte Nozomi interessiert gewesen. Am besten bemühte er sich einfach darum gelassen zu bleiben. Hancock nickte. "Klar", antwortete sie. "Ich bin in einen kleinen Kindergarten in der Nähe unseres Elternhauses gegangen. Wir waren alle Drei nacheinander dort." Da Crocodile fünf Jahre jünger als Mihawk und fünf Jahre älter als Hancock war, hatte sich ihre Kindergarten-Zeit nicht überschnitten. Sie hatten alle dieselbe Gruppe besucht, aber waren niemals gemeinsam dort gewesen. "Und wie waren dort die Erzieherinnen? Nett? Aber bestimmt ist man auch mal gestresst, wenn man jeden Tag so viele Kinder um sich herum hat." Hancock legte den Kopf schief. "Ich habe fast nur gute Erinnerungen an meine Kindergarten-Zeit", meinte sie und schwelgte ein wenig in alten Erinnerungen. "Im Kindergarten habe ich auch Marigold und Sondersonia kennengelernt. Wir sind sozusagen Sandkasten-Freundinnen. Die Erzieherinnen waren auch nett. Natürlich haben sie hin und wieder mal geschimpft. Aber gut, ich muss ja auch manchmal mit Nozomi schimpfen. Aber wie kommst du plötzlich auf dieses Thema?" "Genau", murrte Crocodile und warf Doflamingo einen warnenden Blick zu. "Wie kommst du plötzlich darauf?" "Ach, nur so", versuchte sein Ehemann sofort zu beschwichtigen. "Ich selber war als Kind nicht im Kindergarten, sondern hatte eine Nanny. Deswegen bin ich neugierig." "Dass du nie einen Kindergarten besucht hast, erklärt einiges", murmelte Crocodile. Kein Wunder, dass sein Ehemann so ein Egoist war und immer seinen Willen durchsetzen wollte. Wahrscheinlich war er als kleines Kind hoffnungslos verhätschelt worden. "Wenn wir beide mal ein Kind haben, wird es definitiv in einen Kindergarten gehen." Die Worte waren ihm über die Lippen gekommen, ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können. Erst einen Augenblick später wurde ihm klar, was er da gerade eben gesagt hatte. Doflamingo wirkte erstaunt, doch schnell legte sich ein verschmitzter Ausdruck auf sein Gesicht. "Klar", meinte er und gab Crocodile hingebungsvoll einen Kuss auf den Mund. "Da hätte ich nichts gegen." Es war nach Mitternacht, als sie beide sich von Mihawk und Hancock verabschiedeten. Kaum hatte Crocodile sich hinter das Steuer seines Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive gesetzt, warf er seinem Ehemann einen vernichtenden Blick zu. "Was sollte das?" "Was sollte was?" Doflamingo verschränkte die Arme hinter dem Kopf und tat ganz unschuldig. "Du weißt genau, was ich meine", zischte Crocodile. "Und? Bist du enttäuscht, dass meine Erzieherin im Kindergarten offenbar keine pädophilen Neigungen hatte und sich nicht vor mir entblößt hat? Wie erklärst du dir jetzt meine angebliche Vagina-Phobie?" "Es war nur eine Idee", gab Doflamingo schulterzuckend zurück. "Die Sexual-Therapeutin hat auch andere Ansätze..." "Davon will ich nichts hören", erwiderte Crocodile sofort und trat stärker als nötig auf die Bremse. "Nun, ich bin nicht der einzige von uns beiden, der heute Abend ein Tabu-Thema angesprochen hat", meinte sein Ehemann und grinste breit. "Was sollte dieser Kommentar bezüglich eines Kindes von uns? Hm?" "Das war rein hypothetisch", erklärte Crocodile sofort. "Ich wollte nur darauf hinaus, dass man dir definitiv anmerkt, dass du nie im Kindergarten warst." "Oh, und woran machst du das fest?" "An deiner absolut mangelhaft ausgebildeten Sozialkompetenz", meinte Crocodile schnippisch. "Du kannst es kaum ertragen, wenn das Verhalten anderer Menschen nicht deinen Wunschvorstellungen entspricht. Du bist ganz oft grenzüberschreitend und aufdringlich. Und du musst auf Gedeih und Verderb immer deinen Kopf durchsetzen. Außerdem bist du total ungeduldig und hasst es, wenn du auf etwas warten musst. Insgesamt bist du ein ziemlich großer Egoist." "Ich würde das gern abstreiten, aber leider hast du in allen Punkten absolut Recht", erwiderte Doflamingo lachend. "Aber ob das daran liegt, dass ich nicht im Kindergarten gewesen bin? Corazon war ein unglaublich lieber und rücksichtsvoller Junge, obwohl er genauso erzogen worden ist wie ich. Vielleicht ist es also einfach nur Charaktersache." "Vielleicht", seufzte Crocodile. "Aber keine Sorge: Wenn es dir so wichtig ist, kann unser Kind später gerne in einen Kindergarten gehen", neckte sein Ehemann ihn. "Weißt du, ein bisschen Kompromissbereitschaft habe ich mir mit deiner Hilfe ja doch angewöhnt. Autsch!" Crocodile hatte ihm einen schmerzhaften Stoß mit seinem Ellenbogen verpasst, der es aber leider nicht vermochte Doflamingos blödes Grinsen aus dessen Gesicht zu wischen. * "Geht es dir nicht gut? Du bist ganz blass im Gesicht", meinte seine Sekretärin Robin und legte einen Stapel Aktenordner auf seinen Schreibtisch ab. Crocodile, der keine große Lust auf tiefgründige Gespräche verspürte, antwortet mit seiner Standard-Erwiderung: "Ich bin immer blass." Genervt ließ er seinen Blick über die dicken Ordner schweifen. Am liebsten würde er sie einfach aus dem Fenster werfen. Robin ließ nicht locker. "Mal ehrlich, was ist los?" Sie setzte sich auf den Schreibtisch und warf Crocodile einen eindringlichen Blick zu. "Ich bin nun schon seit sieben Jahren deine Sekretärin. Ich denke, ich kenne dich gut genug, um beurteilen zu können, ob bei dir etwas nicht in Ordnung ist." "Es ist wirklich nichts", meinte Crocodile. Das war nicht einmal gelogen. Abgesehen von Doflamingos abstruser Theorie, er hätte irgendein pschisches Problem mit weiblichen Geschlechtsteilen, war in den letzten Wochen nichts vorgefallen. Es gab überhaupt keinen Anlass für Frust. "Ich fühle mich einfach nur ein wenig..." Er suchte nach einem passendem Wort, doch ihm fiel nichts ein. "Keine Ahnung. Vielleicht brüte ich etwas aus." Robin wirkte nicht überzeugt. "Wann hattest du eigentlich das letzte Mal Urlaub?", wollte sie wissen. "Bestimmt würde dir ein bisschen Erholung guttun. Einfach mal die Seele baumeln lassen. Du hast dich mit der Organisation der Messe dieses Jahr wieder selbst übertroffen. Aber das hat natürlich auch seinen Preis." "Du denkst, ich bin überarbeitet?" Darüber konnte Crocodile nur den Kopf schütteln. "Robin, ich bitte dich. Du hast selbst gesagt, dass du mich gut kennst. Hast du jemals erlebt, dass ich überarbeitet gewesen wäre?" "Mir ist klar, dass du ein Workaholic bist", wandte Robin ein. "Aber du bist auch nicht mehr Anfang dreißig, Crocodile. Kein Mensch kann jahrelang einhundertzwanzig Prozent geben, ohne dass es Spuren hinterlässt." "Du tust glatt so als wäre ich ein alter, abgekämpfter Mann", murrte Crocodile. Er beäugte noch einmal den Stapel mit den Aktenordnern und nahm schweren Herzens den obersten herunter. Lustlos blätterte er in den abgehefteten Seiten. Robin musterte ihn unzufrieden. "Du solltest dich nicht selbst so kasteien", riet sie ihm schließlich. "Es ist okay, wenn man sich mal ein wenig Zeit für sich nimmt. Warum bittest du Franky nicht um Urlaub und fährst mit Doflamingo weg? Du hättest es dir wirklich verdient." "Ich werde darüber nachdenken." Und das war Crocodiles Standard-Erwiderung, wenn er in Wirklichkeit ausdrücken wollte, dass er genug ungebetene Ratschläge gehört hatte. Natürlich kannte Robin ihn gut genug, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Augenrollend wandte sie sich von ihm ab und kümmerte sich stattdessen um wichtigere Angelegenheiten. Seine Niedergeschlagenheit hielt mehrere Wochen lang an. Crocodile erkannte sich selbst kaum wieder. Er war immer gern zur Arbeit gegangen. Er mochte seinen Chef, Franky, und auch seine Arbeitskollegen sehr gern. Seine Sekretärin Robin und er waren schon seit vielen Jahren ein eingespieltes Team. Er leistete herausragende Arbeit, die zu großem Erfolg führte, und wurde daher von allen wertgeschätzt. An seiner Stelle bei Toms Workers war rein gar nichts auszusetzen. Warum nur ging er dann plötzlich nicht mehr gerne dorthin? Schon morgens, bevor er überhaupt losfuhr, spürte Crocodile diesen Unwillen. Dann saß er in der Küche, nippte unglücklich an seinem Kaffee und malte sich Dinge aus, die er viel lieber tun würde als die nächsten Stunden im Büro zu verbringen. Es war nicht so als würde das Niveau seiner Arbeitsleistung absinken. Wenn Crocodile auf dem teuren Ledersessel hinter seinem Schreibtisch saß, erledigte er alles absolut gewissenhaft und korrekt. Er tat es nur mit viel weniger Elan als früher. Diese Lustlosigkeit frustrierte Crocodile. Er versuchte die Ursache auszumachen. Warf einen schärferen Blick auf die Menschen und auf seine Aufgaben bei Toms Workers. Doch er fand nichts, woran es etwas auszusetzen gäbe. Alle waren nett, schätzten ihn wert. Und sein Arbeitspensum war auch nicht zu hoch. Crocodile kam gut zurecht. Insbesondere jetzt, wo die Messe erst vor kurzem wieder zu Ende gegangen war, war es eher entspannt als stressig. Robin lag definitiv falsch, er war alles andere als überarbeitet. Als er sich eines abends mit ein paar Freunden in Shakkys Bar traf, brachte Crocodile sein Problem vorsichtig zur Sprache. Doflamingo hatte an der Theke einen alten Bekannten ausgemacht, mit dem er sich rege unterhielt. Im Moment saßen bloß Law und dessen fester Freund Kid mit bei ihm am Tisch. "Sag mal, Law", begann Crocodile zögerlich. Er wusste nicht so recht, wie er sich ausdrücken sollte. "Du bist ja Chirurg. Ähm, gab es eigentlich irgendwann mal einen Zeitpunkt, an dem du die Nase voll von deiner Arbeit hattest?" Law warf ihm einen skeptischen Blick zu. Er war ein verdammt kluger, scharfsinniger Mann und er begriff sofort, dass es sich bei Crocodiles Worten nicht einfach bloß um bedeutungslosen Smalltalk handelte. "Nun ja", erwiderte zögerlich, "du kannst dir sicher vorstellen, dass man im OP-Saal immer unter Druck steht. Es ist nicht leicht damit zurechtzukommen. Aber alles in allem bin ich sehr gerne Chirurg. Um ehrlich zu sein, könnte ich mir gar nichts anderes vorstellen." "Also ich hatte schon zig Jobs", warf Kid ein und nahm einen Schluck Starkbier. "Bevor ich mit meinem Tattoo-Studio Erfolg hatte, habe ich ständig gewechselt. Nach der Schule habe ich eine Weile als Umzugshelfer gearbeitet. Danach war ich Barkeeper. Türsteher. Ein paar Jahre habe ich auch als Roadie gearbeitet, hauptsächlich für die Band Rumbar Pirates. Irgendwann wurde es mir aber immer zu blöd und ich habe mir was anderes gesucht." "Meinst du, das passiert dir irgendwann auch mit deinem Tattoo-Studio?", fragte Crocodile interessiert nach. "Also, dass es dir langweilig wird und du es aufgibst?" Kid zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung", antwortete er mit ehrlich und unbefangen klingender Stimme. "Mir macht das Tätowieren Spaß und ich bin wirklich gut darin. Aber ich nagle mich nicht darauf fest. Wenn ich irgendwann keinen Bock mehr darauf haben sollte, höre ich eben auf. Ich meine, das Leben ist kurz. Man sollte es nicht verschwenden, indem man jeden Tag etwas tut, worauf man eigentlich keinen Bock hat." "Da hast du natürlich Recht", pflichtete Crocodile ihm bei. "Wie kommst du auf dieses Thema?", hakte Law nach. "Hast du Probleme bei der Arbeit?" "Das kann man so nicht sagen", erwiderte er ausweichend. "Es läuft gut. Die Messe war dieses Jahr wieder ein riesengroßer Erfolg." "Aber..." "Nun..." Crocodile senkte den Blick. Es fiel ihm nicht leicht über dieses Thema zu sprechen. Er war seit jeher ein Mensch, der seine Probleme grundsätzlich lieber im Alleingang löste. Aber bei Law und Kid handelte es sich um langjährige Freunde, denen er komplett vertraute. "Ich denke, ich kann aus meinem Job nicht mehr viel rausholen", erklärte er den beiden. "Ich bin jetzt schon seit sechs Jahren als Manager bei Toms Workers tätig... Und im Grunde ist es jedes Jahr dieselbe Arbeit. Langsam ... langsam hängt es mir ein bisschen zum Hals raus, glaube ich." Es tat gut diese Worte auszusprechen. Crocodile spürte sofort, wie er sich ein klein wenig leichter fühlte. "Vielleicht bist du unterfordert", mutmaßte Law. "Du bist ein intelligenter und ehrgeiziger Mann, Crocodile. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dich nervt, wenn sich die Arbeit jedes Jahr wiederholt. Auch wenn du Erfolg hast." "Such dir doch eine andere Stelle", schlug Kid leichthin vor. "Etwas Neues, was dich wieder fordert. Man wird sicher nicht glücklich, wenn man Jahr für Jahr mehr versauert." Crocodile seufzte. "Ich werde darüber nachdenken." Doflamingo hatte sein Gespräch mit seinem Bekannten beendet und kehrte zu ihnen an den Tisch zurück. "Worüber redet ihr?", fragte er mit neugieriger Stimme nach und saugte am Strohhalm seines Cocktails. "Ach, dies und das", antwortete Crocodile schnell. "Wusstest du, dass Kid früher mal ein Roadie der Rumbar Pirates war?" Doflamingo verschluckte sich an seinem Pina Colada. "Was? Ehrlich?" Sofort richtete er seinen Blick auf Kid. "Warum hast du davon noch nie erzählt?! Ich liebe die Rumbar Pirates! Dann hast du doch sicher schon oft mit den Mitzuka Zwillingen gesprochen, oder?" Kid schien sich ein wenig überfahren zu fühlen. "Klar", meinte er, "wir sind immer noch ganz gut miteinander befreundet. Ich wusste gar nicht, dass du ein Fan bist." Später am Abend kehrten sie nach Hause zurück und ließen sich auf dem Sofa im Wohnzimmer nieder, um noch ein wenig Musik zu hören. Obwohl sie über ein modernes Sound-System verfügten, legte sein Ehemann eine Schallplatte auf. Doflamingo liebte Plattenspieler. Lag vermutlich an seiner altmodisch-romantischen Ader. Er ließ die Nadel des Geräts los und setzte sich neben Crocodile. Auf dem Couchtisch standen zwei Gläser Wasser. Sie hatten sich beide in der Bar nicht gerade zurückgehalten, was alkoholische Getränke anging. Es war klüger vor dem Zubettgehen ein paar Schlücke Wasser zu trinken, um einen schlimmen Kater am nächsten Morgen zu verhindern. "So....", begann Doflamingo. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. "Du bist also unzufrieden mit deiner Arbeit bei Toms Workers." Crocodile verschluckte sich am Wasser. Er warf seinem Ehemann einen entsetzten Blick zu. "Woher weißt du...." Doch eigentlich konnte er sich die Frage selbst beantworten. "Law und Kid. Diese Bastarde!" So viel also zum Thema Vertrauen. "Sei ihnen nicht böse", meinte Doflamingo in einem beschwichtigend klingenden Tonfall. "Ich habe sie darum gebeten dich ein wenig auszuhorchen." "Aha, und warum das?" Misstrauisch verengte er seine Augen zu schmalen Schlitzen. "Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten Wochen ziemlich deprimiert gewirkt hast. Ich habe angefangen mir Sorgen zu machen. Und weil du meine Fragen immer bloß abtust, dachte ich, dass die beiden vielleicht eine bessere Chance haben." "Eigentlich ist es nichts", seufzte Crocodile und senkte den Blick. "Ich würde dir ja gerne glauben, Crocodile, aber das letzte Mal, als du Probleme bei der Arbeit hattest, hast du mir ein Jahr lang verheimlicht, dass dir gekündigt worden ist. Nimm es mir also nicht übel, wenn ich skeptisch bin." Crocodile verzog das Gesicht. "Die Geschichte ist fünf Jahre her", murmelte er verlegen. "Wir sollten das langsam mal auf sich beruhen lassen." "Dann tu deinen Ehemann, der dich über alles liebt, einen Gefallen und vertrau dich ihm an." Selbst durch die getönten Gläser der Sonnenbrille hindurch konnte Crocodile den stechenden Blick seines Partners spüren. Schließlich überwand er sich und meinte: "Ich habe im Moment irgendwie eine schlechte Phase. Keine Ahnung. Aber es ist nichts Dramatisches." "Ist der Leistungsdruck zu hoch?", wollte Doflamingo wissen. Er rückte näher an ihn heran und legte seinen Arm um seine Schulter. Crocodile legte den Kopf auf die Brust seines Ehemannes. Überdeutlich konnte er sein Herz schlagen hören. "Nein, das ist es nicht", meinte er rasch. "Die Messe ist ja gerade erst wieder zu Ende gegangen. Im Moment ist es eigentlich sehr entspannt." "Hast du Probleme mit irgendjemandem? Mit Franky? Oder einem Kollegen?" Wieder verneinte Crocodile. "Sie sind alle sehr nett und fürsorglich. Und Franky schwebt sowieso auf Wolke 7. Ich dachte ja schon du wärst eine Nervensäge gewesen, was die Vorbereitungen für unsere Hochzeit anging. Aber Franky ist noch schlimmer." Leider schluckte Doflamingo den Köder nicht. Anstatt auf Frankys und Robins Hochzeit zu sprechen zu kommen, fragte er mit ernster Stimme: "Was ist es dann?" Crocodile verzog den Mund. "Ich weiß es nicht genau", gab er schließlich zu. "Irgendwie ... nervt mich meine Arbeit. Es ist jedes Jahr dasselbe. Wir organisieren die Messe... sie findet statt... sie wird ein Erfolg... und dann geht es wieder von vorne los. Ich mache das jetzt seit sechs Jahren und ich spüre, dass es mir nicht mehr so viel Spaß macht wie am Anfang." "Na, dann such dir doch einfach eine andere Stelle", schlug Doflamingo vor. "Ich denke, du bist ein Mensch, der immer neue Herausforderungen braucht. Weiter, höher, besser. So bist du einfach. Ein ehrgeiziger Mensch. Wenn du aus deiner Arbeit bei Toms Workers nichts mehr rausholen kannst, wird es vielleicht an der Zeit etwas Anderes zu machen." "Das haben Kid und Law auch gesagt", seufzte Crocodile. Er windete sich aus Doflamingos Umarmung und setzte sich gerade hin. "Aber...?" "Aber ich bin mir nicht sicher, ob es einfach nur daran liegt, dass ich gelangweilt bin", meinte er schließlich. Er warf seinem Ehemann einen verunsicherten Blick zu. "Ich meine... Ich hatte so eine Phase noch nie zuvor in meinem Leben. Ich bin immer gerne arbeiten gegangen. Habe mich zeit meines Lebens für einen Workaholic gehalten. Mir war Arbeit immer wichtig und es wurde mir nie zu viel. Aber seit ein paar Wochen ... kommt mir alles so bedeutungslos vor." Plötzlich begann Doflamingo amüsiert zu kichern. Crocodile warf ihm einen verärgerten Blick zu und schlug ihm halb-ernst gegen den Oberarm. "Das ist nicht witzig, Doffy!" "Naja", allmählich kriegte Doflamingo sich wieder ein, "ein bisschen witzig ist es schon. Für mich klingt das nach einer Art Midlife-Crisis." Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Midlife-Crisis", wiederholte er. "Ich weiß ja nicht... Meinst du das ernst?" Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Du wirst dieses Jahr vierzig", erklärte er ihm schließlich. "Du hast seit Jahren einen festen Job. Bist glücklich mit einem super heißen Kerl verheiratet. Dein Leben verläuft in geregelten Bahnen. Also sagt dein Unterbewusstsein dir, dass es an der Zeit ist Bilanz zu ziehen." Das klang gar nicht so verrückt wie man am Anfang denken würde. Crocodile kam ins Grübeln. "Und was will mir mein Unterbewusstsein sagen?", fragte er schließlich. "Offenbar ist deine Arbeit der Knackpunkt", erwiderte Doflamingo. "In der Hinsicht solltest du also etwas ändern, damit du wieder glücklich wirst." "Aber ich kann doch nicht einfach meinen Job kündigen, bloß weil ich mal ein paar Wochen lang schlecht drauf bin", hielt Crocodile dagegen. "Das ist doch unvernünftig! Immerhin habe ich eine gute Arbeitsstelle. Mit netten Kollegen und einem tollen Chef. Es ist ja nicht so als wäre ich bei Toms Workers unglücklich!" "Offenbar versauerst du dort", meinte sein Ehemann. "Und ich denke nicht, dass man langfristig irgendwo glücklich sein kann, wo man bloß seine Zeit absitzt." "Damit hast du natürlich nicht Unrecht", räumte Crocodile ein, "es ist nur..." "Du musst ja nicht sofort eine Entscheidung fällen", sagte Doflamingo. Er legte beide Arme um ihn und drückte ihn an sich. "Und ich möchte dich auch zu nichts drängen. Letztendlich musst du für dich selbst entscheiden. Aber ich denke es ist nicht verkehrt, wenn du dir ein paar Gedanken machst. Ich möchte, dass du glücklich bist, Crocodile." "Weiß ich doch", murmelte er und schloss für einen kurzen Moment die Augen, genoss die Wärme, die Doflamingos Körper ausstrahlte. * Am Samstag besuchten sie Crocodiles jüngere Schwester Hancock. Sie servierte ihnen Kaffee und selbst gebackene Plätzchen. Nozomi brannte natürlich darauf ihren beiden Onkels von ihrer ersten Zeit in der Grundschule zu erzählen. "Meine Lehrerin heißt Miss Valentine", erzählte seine sechsjährige Nichte aufgeregt. "Sie ist sehr, sehr nett. Und sie bringt uns ganz viele tolle Sachen bei! Schaut mal, welche Wörter wir schon gelernt haben!" Sofort stürzte sie los, um aus ihrem Schulrucksack ein Heft hervorzukramen. "Ganz ruhig, Nozomi", ermahnte Hancock das kleine Mädchen. "Lass die beiden doch bitte erst einmal in Ruhe ankommen. Es ist nicht höflich sie gleich so zu überfallen." "Ach, ist schon gut", winkte Doflamingo sofort ab. Er brachte es nur selten über sich seiner einzigen Nichte etwas abzuschlagen. Neugierig blickte Crocodile in das Heft, das Nozomi ihnen unter die Nase hielt. Links waren kleine Kinderzeichnungen zu sehen; auf der rechten Seite in unsicherer Kinder-Handschrift die entsprechenden Wörter. "Haus, Wolke, Ball", las Doflamingo vor. "Oh, und dieses Wort hier hat ja ganz viele Buchstaben!" "Sonnenblume", krakeelte Nozomi mit stolzer Stimme. "Siehst du, ich habe daneben auch eine Sonnenblume gemalt!" "Du kannst ja wirklich schon sehr gut schreiben", lobte Doflamingo seine Nichte und tätschelte ihren Kopf. Nozomi hatte dunkles Haar und schöne, blaue Augen. Sie sah ihrer Mutter zum Glück sehr ähnlich und hatte nur wenig von ihrem Vater geerbt. "Wir lernen jeden Tag neue Wörter", erklärte Nozomi ihm. "Vielleicht wirst du ja irgendwann Schriftstellerin", murmelte Crocodile lächelnd. Er mochte seine kleine Nichte ebenso gerne wie Doflamingo. Nozomi war ein sehr liebes Kind. "Was ist eine Schriftstellerin?", wollte sie sofort wissen und blickte ihn aus zwei neugierigen Augen heraus an. "Ein Schriftsteller ist jemand, der Bücher schreibt", erklärte Crocodile ihr. "Oder Gedichte. Erinnerst du dich an die Geschichte über die kleine Hexe, die ich dir mal vorgelesen habe?" Nozomi nickte. "Nun, auch diese Geschichte hat sich ein Schriftsteller ausgedacht. Er hat sie aufgeschrieben und dann in Büchern drucken lassen, damit alle Menschen sie lesen können." "Ich glaube, das ist eine gute Idee", meinte Nozomi. Ihre blauen Augen funkelten. "Mama, Mama! Hast du Onkel Croco gehört? Ich werde Schriftstellerin!" Hancock lachte und strich ihrer Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Erst einmal musst du in der Schule fleißig alle Wörter lernen", meinte sie. "Das ist kein Problem", erwiderte Nozomi breit grinsend und entblößte dabei eine Zahnlücke. "Wörter zu lernen macht ja Spaß." "Es gibt aber auch schwierige Wörter", warf Doflamingo neckisch ein. "Zum Beispiel Amylmetacrasol oder Tyrothricin." "Trio... Titri..." "Tyriothricin", wiederholte sein Ehemann grinsend. "Und Amylmetacrasol. Das sind beides Wirkstoffe für Halstabletten." "Diese Wörter brauch ich nicht", winkte Nozomi nach reiflicher Überlegung ab. "Weißt du, ich werde einfach keine Geschichte über Halsschmerzen schreiben." Diese Aussage ließ Doflamingo in lautes Gelächter ausbrechen. "Nozomi", meinte er grinsend und nahm sie in den Arm. "Bitte werd niemals groß, mein Mädchen." Dieser Anblick versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Er ließ seinen Blick über seinen lachenden Ehemann und seine einzige Nichte schweifen. Nozomi ließ sich von Doflamingos Gelächter anstecken. Crocodile konnte ganz deutlich ihre Zahnlücke erkennen. Sie war jetzt schon sechs Jahre alt und ging in die Schule. Von dem kleinen Baby, das sie einmal gewesen war, war nichts mehr zu erkennen. Kein Babyspeck. Keine unsicheren, staksigen Schritte. Keine Windeln und kein Schnuller mehr. Wehmütig fragte Crocodile sich, wie es sein konnte, dass diese Zeit so schnell vergangen war. Während bei ihm alles beim Alten geblieben war, er Jahr für Jahr die Toms Workers Messe organisierte, hatte seine kleine Nichte sich zu einem völlig anderen Menschen entwickelt. Sie lernte jetzt sogar schreiben und rechnen. Crocodile spürte einen schmerzhaften Knoten in seinem Magen. "Ist alles in Ordnung bei dir, Wani?", hörte er seinen Ehemann mit besorgter Stimme fragen. Rasch nickte Crocodile. "Klar", winkte er ab, "sind nur wieder meine Magenschmerzen. Nichts weiter." Weil er diese Ausrede in letzter Zeit nur sehr selten gebraucht hatte, schien ihm Doflamingo zum Glück zu glauben. "Du hättest lieber die Finger von Hancocks Plätzchen lassen sollen", ermahnte er ihn. "Sie backt für mich immer eine zuckerfreie Variante", entgegnete Crocodile besserwisserisch. Sein empfindlicher Magen hatte sich in den letzten Jahren nicht gebessert. Noch immer musste Crocodile sehr stark darauf achten, was er aß. Trotzdem plagten ihn hin und wieder schlimme Magenschmerzen. So war es schon seit seiner Kindheit gewesen. Wahrscheinlich würde sich das Zeit seines Lebens auch nicht mehr ändern. Aber damit hatte Crocodile kein großes Problem. Er kannte es ja nicht anders. Sie verbrachten den ganzen Nachmittag bei Hancock. Tranken Kaffee, aßen Gebäck und schwatzten miteinander. Doch das unangenehme Gefühl in Crocodiles Magengend verschwand nicht. * In den folgenden Wochen bemerkte Crocodile seltsame Veränderungen an sich. Plötzlich starrte er in jeden Kinderwagen, an dem er vorbeikam. Und als seine hochschwangere Arbeitskollegin Kalifa ihn fragte, ob er ihren Bauch berühren wollte, zögerte er nicht lange und legte neugierig seine rechte Hand auf die dicke Wölbung. Er war irritiert von seinem eigenen Verhalten. Früher, bevor er Onkel geworden war, hatte er nie viel mit Babies oder Kleinkindern anfangen können. Es war nicht so, dass es sich bei ihm um einen eingeschworenen Kinderhasser gehandelt hätte. Kinder zu haben war für ihn viel mehr eine Art abstraktes Konzept gewesen. Zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, wie ein leibliches Kind von ihm aussehen würde. Bei Hancocks Tochter hatten sich definitiv die Gene ihrer Mutter durchgesetzt. Ob er wohl auch ein Kind mit seiner eigenen Haar- und Augenfarbe bekäme? Crocodile verstand nicht allzu viel von Genetik; in der Schule war Biologie nie ein starkes Fach von ihm gewesen. Obwohl ihn wochenlang kein anderes Thema beschäftigte, erzählte Crocodile niemandem davon. Er hielt seine absonderlichen Gedanken unter Verschluss. Besonders in Doflamingos Nähe achtete er darauf nicht zu offensichtlich fremden Kleinkindern hinterherzuschauen. Nicht dass sein Ehemann irgendwelche falschen Schlüsse zog. Das ist bloß eine Phase, versuchte Crocodile sich einzureden. Vielleicht befindest du dich gerade wirklich in einer Art Midlife-Crisis und suchst nach einem höheren Sinn im Leben. Das hat mit Sicherheit nichts zu bedeuten. Doch noch im selben Moment begann er an seinen eigenen Gedanken zu zweifeln. Crocodile war kein Mensch, der irgendwelche emotionalen Phasen durchlebte. Bei ihm handelte es sich um eine abgeklärte, bodenständige Person. Er war kein gefühlsverliebter Idiot, dem es heute so und morgen so erging. Wochenlang versuchte Crocodile den einzigen Schluss, den diese Situation zuließ, zu verdrängen. Er stürzte sich in die Arbeit; versuchte bei Toms Workers seinen alten Elan wiederzufinden. Wenn in seinem Job wieder alles in Ordnung war, dann würden sicherlich auch diese komischen Anwandlungen verschwinden. Doch obwohl er sich alle Mühe gab seine Arbeit mit guter Laune zu erledigen und sich außergewöhnlich viel Zeit nahm, um mit seinen Arbeitskollegen zu schwatzen, gelang es ihm nicht sich von diesen Gedanken zu lösen. Stattdessen manifestierten sie sich immer mehr zu einer fixen Idee. Eines abends (Doflamingo hatte sich mit seiner besten Freundin Monet fürs Kino verabredet) erwischte Crocodile sich sogar dabei, wie er bei Google Suchanfragen wie Adoption und Leihmutterschaft abschickte. Teils neugierig, teils beschämt klickte Crocodile sich durch verschiedene Seiten. Er kam sich vor wie ein Teenager, der zum ersten Mal im Internet nach Pornos suchte. Obwohl er wusste, dass es nicht richtig war und er ernste Schwierigkeiten bekäme, wenn er aufflog, konnte er es nicht lassen. Nach ausgiebiger Recherche brachte Crocodile schließlich in Erfahrung, dass man als homosexuelles Paar die Möglichkeit hatte eine Frau zu bezahlen, damit sie ein leibliches Kind austrug. Dafür ließ man eine Eizelle im Labor mit Spermien befruchten und setzte sie anschließend in den Uterus ein. Man konnte sogar die Eizelle einer fremden Frau verwenden, sodass die Mutter mit dem Kind, das sie austrug, selbst gar nicht verwandt war. Im Grunde fungierte sie bloß als eine Art Brutkasten. Crocodile schwirrte der Kopf. Es kam ihm komisch vor, dass in der heutigen Zeit eine Frau ein Kind zur Welt bringen konnte, ohne mit diesem ihre Gene zu teilen. Auf der anderen Seite war die Vorstellung, dass es sich um eine Art bezahlte Dienstleistung handelte, auch irgendwie beruhigend. Es gab sogar gleich in ihrer Nähe eine private Kinderwunschklinik, die diesen Service anbot. Crocodile überflog das auf der Homepage dargestellte Leistungsspektrum. Wenn er es richtig verstand, dann konnte er sich dort eine Frau aussuchen, die sich bereit erklärte sein Kind auszutragen. In-Vitro würde sie dann befruchtet werden und sein Kind zur Welt bringen. Für Doflamingo bestünde dann die Möglichkeit das Kind zu adoptieren, sodass dieser aus rechtlicher Sicht ebenfalls ein Elternteil war. Ein bisschen als würde man ein Auto kaufen, dachte Crocodile und spürte gleichzeitig wie ihm dieser Gedanke einen Stich versetzte. War es wirklich in Ordnung auf diese Weise ein Kind zu bekommen? Doflamingo und er müssten nicht bloß sämtliche Krankenhausrechnungen übernehmen, sondern auch die Leihmutter für ihre Dienstleistung bezahlen. Crocodile brachte schnell in Erfahrung, dass es sich insgesamt um Beträge im hohen fünfstelligen Bereich handelte. Natürlich stellte diese Summe kein Problem für sie beide dar. Doch trotzdem blieb der unangenehme Beigeschmack ein Kind zu kaufen. War vielleicht Adoption die ethisch bessere Variante? Crocodile suchte im Internet nach Informationen über Adoptionsverfahren. Offenbar war es üblich sich bei mehreren Agenturen anzumelden. Die schwangere Frau suchte sich dann ein passendes Elternpaar aus und überließ diesem ihr Kind. Natürlich bestand auch die Möglichkeit erst nach vielen Jahren oder sogar niemals ausgewählt zu werden. Crocodile verzog das Gesicht. Wie standen wohl die Chancen, dass sie beide von einer schwangeren Frau als Eltern für ihr Kind ausgesucht werden würden? Doflamingo erfüllte mit seinem schrillen Kleidergeschmack und aufgedrehten Verhalten jedes Klischee für einen Schwulen. (Ironisch, dachte Crocodile, immerhin war sein Ehemann ja nicht einmal homo-, sondern bisexuell). Und Crocodile wirkte mit der fehlenden Hand und der Narbe im Gesicht sicher auch nicht gerade einladend. Auf der anderen Seite waren sie extrem wohlhabend; das war in den Augen vieler verzweifelter Mütter sicher ein Pluspunkt. Nachdenklich zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann behagte ihm der Gedanke nicht ein Kind aufzuziehen, mit dem er überhaupt nicht verwandt war. Lieber hätte er ein eigenes Kind. Das aussah und tickte wie er. Ein kleines Mädchen oder ein Junge mit seiner Haarfarbe oder seinen Augen. Es war nur natürlich, dass man sich ein Kind wünschte, das einem selbst ähnlich war, oder nicht? Crocodile rief noch einmal die Seite der privaten Kinderwunschklinik auf. Der Vorgang der Zeugung wiederum war alles andere als natürlich. Heterosexuelle Paare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können, tun genau dasselbe, dachte er sich. Warum sollte es also bei Doflamingo und ihm als homosexuellem Paar falsch sein? Letztendlich war es lautes Schlüsselklirren im Eingangsbereich, das Crocodile aus seinen Gedanken riss. Verdammt, war Doflamingo schon wieder zurück?! Anscheinend hatte Crocodile die Zeit völlig vergessen. Hastig schloss er alle Browsertabs. Er wollte vermeiden, dass sein Ehemann etwas von seinen seltsamen Anwandlungen mitbekam. Nicht bevor... er sich absolut zweifelsfrei darüber im Klaren war, was er sich wünschte. Doflamingo betrat das Wohnzimmer. Wie üblich war er gekleidet wie ein Zirkusclown. Orangefarbene Caprihose und ein weißes Hemd mit Schlangenprint. "Wie war der Film?", fragte Crocodile, der sich um keinen Preis irgendetwas anmerken lassen wollte. "Schlecht", antwortete Doflamingo breit grinsend. "Wie fast alle modernen Hollywood-Streifen. Aber der Abend war trotzdem nett." Sein Ehemann setzte sich neben ihn. "Was hast du gemacht?" "Ach, nur ein bisschen im Internet gesurft", erwiderte Crocodile ausweichend und vermied es seinem Gegenüber ins Gesicht zu sehen. Leider kannte Donquixote Doflamingo ihn inn- und auswendig. Nach sechs Jahren Beziehung war es für ihn ein Leichtes seinen Ehemann zu durchschauen. "Nur ein bisschen im Internet gesurft, hm", wiederholte er und setzte eine spöttische Miene auf. Es war klar, dass er ihm diese Ausrede nicht abkaufte. Crocodile seufzte leise. "Ich habe nach Jobangeboten geschaut", log er schließlich. "Dachte ich mir schon", meinte Doflamingo und streckte sich. "Deine Situation bei Toms Workers hat sich nicht verbessert, oder? Man spürt, dass du dort immer unzufriedener wirst." "Ehrlich?" Doflamingo nickte energisch. "Ich habe den Eindruck, dass du bloß noch deine Zeit absitzt. Das tut dir nicht gut. Ich denke es wäre besser, wenn du dich nach einer anderen Arbeitsstelle umzuschaust. Hast du schon an etwas Bestimmtes gedacht?" "Nun ja..." Crocodile zögerte. "Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es auch an der Zeit, dass ich mich neu orientiere." "Willst du nicht mehr als Manager arbeiten?" Doflamingos Stimme klang erstaunt. "Ich weiß nicht... Ich habe die Befürchtung, dass, wenn ich mir eine neue Stelle als Manager suche, sich dasselbe Spiel bloß wiederholt. Dann wäre ich in ein paar Jahren wieder genauso frustriert wie jetzt. Vielleicht ist es klüger sich nach einer Tätigkeit umzuschauen, die langfristig ... nun ja... die mich mehr erfüllen würde." "Und woran hast du dabei gedacht?" Crocodile zuckte mit den Schultern. Er brachte es nicht über sich seinem Ehemann von den geheimen Wünschen, die ihn seit Wochen plagten, zu berichten. Erst wollte er seine Gefühle ordnen, bevor sich Doflamingo einmischte. "Schau dich ganz in Ruhe um", riet dieser ihm schließlich. "Lass dich nicht unter Druck setzen. Wenn du etwas Anderes machen möchtest, unterstützte ich dich natürlich. Von mir aus kannst du auch freischaffender Künstler werden, fufufufu." Seit Doflamingo vor ein paar Wochen zufällig erfahren hatte, dass Crocodile als Student mal einen Kunstkurs besucht hatte, riss er ständig solche blöden Witze. "Hauptsache du bist glücklich." Es war ein ganz gewöhnlicher Dienstagmorgen, als Crocodile schließlich seine finale Entscheidung traf. Um ehrlich zu sein, hätte er nicht sagen können, wo seine plötzliche Entschlossenheit herrührte. Nichts war anders als sonst. Gemeinsam mit Doflamingo saß Crocodile am Frühstückstisch. Dadan, ihre Haushälterin, hatte Kaffee gekocht und Pfannkuchen zubereitet. Anschließend setzte er sich in sein Auto und machte sich auf den Weg zur Arbeit. Während der Fahrt driftete Crocodile gedanklich ab. Er fuhr diese Strecke täglich und kannte sie inn- und auswendig. Als er an einer roten Ampel anhielt, wurde ihm plötzlich unmissverständlich klar, dass es ein Herzenswunsch von ihm war Vater zu werden. Gründlich durchforstete er sein Inneres nach Zweifeln, doch er konnte keine mehr finden. Noch ehe die Ampel auf grün wechselte, hatte Crocodile sich entschieden. Plötzlich war ihm bewusst geworden, dass es für ihn nur einen einzigen Weg gab. Am Vormittag desselben Tages bat er seinen Vorgesetzten Franky um ein Gespräch unter vier Augen. Crocodile teilte ihm mit, dass er Toms Workers verlassen wollte. Aus persönlichen Gründen. "Keine Sorge", versuchte Crocodile seinen überraschten und enttäuschten Chef zu trösten, "ich werde euch nicht im Stich lassen. Was hältst du davon, wenn wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem passenden Nachfolger für mich machen, Franky? Ich könnte ihn selbst ausbilden, wenn du möchtest." Eine Schwangerschaft dauerte neun Monate. Crocodile hatte also genug Zeit, um sein Wissen und seine Erfahrungen an einen neuen Kandidaten weiterzugeben. Er käme sich schäbig dabei vor Toms Workers ohne Vorwarnung den Rücken zu kehren. Schließlich war er hier viele Jahre lang sehr zufrieden gewesen. Dass er sich selbst um einen kompetenten Nachfolger kümmerte, hielt er für einen guten Kompromiss. Abends saß er gemeinsam mit Doflamingo am Esstisch. Dadan hatte ihnen ein leckeres Abendessen gekocht und sich danach verabschiedet. Es gab Kabeljau-Saltimbocca mit Kartoffelpüree. "Ich habe heute mit Franky gesprochen", teilte Crocodile seinem Ehemann zwischen zwei Bissen mit. "Ich habe ihm erklärt, dass ich Toms Workers verlassen werde. Nicht von heute auf morgen, das ist klar. Wir haben ausgemacht, dass wir gemeinsam nach einer Neubesetzung für meine Stelle suchen, bevor ich endgültig gehe." Doflamingo setzte eine erstaunte Miene auf. "Du scheinst ja wirklich Nägel mit Köpfen zu machen. Wie hat Franky denn reagiert?" "Er war alles andere als begeistert", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Aber anbetracht der Tatsache, dass die Messe Jahr für Jahr zu einem größeren Erfolg wird, ist das wohl auch kein Wunder. Ein neuer Manager stellt für ihn natürlich auch ein Risiko dar." "Nicht nur für ihn", gab Doflamingo zurück. Leichte Zweifel schwangen in seiner Stimme mit. "Bist du dir wirklich ganz sicher, dass das die richtige Entscheidung gewesen ist, Crocodile?" Crocodile warf seinem Ehemann einen empörten Blick zu. "Du bist doch derjenige gewesen, der gesagt hat, dass ich dort bloß noch meine Zeit absitze", verteidigte er sich. "Du hast gesagt, du würdest mich unterstützen, wenn ich bei Toms Workers nicht mehr glücklich bin!" "Weiß ich doch", versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. "Und natürlich liegt mir dein Glück am Herzen. Mich wundert nur... nun ja... es ist ziemlich heftig einfach so seine Arbeit hinzuschmeißen. Ich möchte nicht, dass du überstürzt Entscheidungen triffst, die du später womöglich bereust." "Keine Sorge, Doffy, es war alles andere als eine überstürzte Entscheidung", erklärte Crocodile seinem Ehemann kopfschüttelnd. "Ich habe mir wochenlang um nichts Anderes Gedanken gemacht. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher den richtigen Weg einzuschlagen." Doflamingos Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. "Dann ist ja gut. Und weißt du schon, wo die Reise hingehen soll? Hast du vielleicht wirklich deine künsterlische Ader entdeckt und möchtest dich von nun an der Malerei widmen, fufufufufu?" "Sehr lustig", gab Crocodile augenrollend zurück. Er verfluchte Mihawk dafür, dass diesem rausgerutscht war, dass er sich als Student eine Zeit lang für Malerei interessiert hatte. Für seinen neckischen Ehemann waren solche Informationen stets ein gefundenes Fressen. "Um ehrlich zu sein, weiß ich tatsächlich schon, wie es weitergehen soll. Ich habe mir alles ganz genau überlegt." "Ach ja?" Doflamingos Gelächter erstarb abrupt. Durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch warf er ihm einen neugierig-skeptischen Blick zu. "Und was hast du vor, Crocodile?" "Ich möchte ein Kind", antwortete er mit ruhiger Stimme. Plötzlich wurde es im Esszimmer so still, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Doflamingo war normalerweise ein redseliger und schlagfertiger Mensch, den man nicht leicht mundtot bekam. Crocodile war es in all den Jahren, die sie beide sich nun kannten, höchstens drei- oder viermal gelungen. Dieses Mal mit eingeschlossen. Die Stille wurde mit jeder Sekunde, die verging, immer drückender. Doflamingo starrte ihn einfach bloß mit offenen Mund an. Es war als hätte irgendjemand den Moment eingefroren. Die Reaktion seines Partners begann Crocodile zu verunsichern. "Ich dachte, du würdest dich freuen", sagte er im Flüsterton, als Doflamingo immer noch kein Wort über die Lippen gebracht hatte. "Du... du, ähm, hast schließlich schon vor Jahren davon gesprochen, dass du gerne Vater werden würdest." Hatte er sich getäuscht? Crocodile biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. War es zu voreilig von ihm gewesen seinen Job hinzuschmeißen ohne vorher mit seinem Ehemann über seine Pläne zu sprechen? Um ehrlich zu sein, war Crocodile einfach davon ausgegangen, dass Doflamingo sofort absolut begeistert sein würde. Er liebte Kinder. Nicht nur ihre Nichte Nozomi. Früher hatte er ständig mit ihm über Kinder gesprochen. Hatte sich seine Sichtweise in den letzten Jahren womöglich geändert? Plötzlich kam Crocodile sich naiv und dämlich vor, weil er bereits einen so großen Schritt gegangen war, ohne Doflamingos mögliche Einwände zu berücksichtigen. "Ich freue mich!", stieß sein Partner plötzlich mit schriller Stimme aus. Doflamingo wedelte aufgeregt mit seinen Händen. Er stand von seinem Stuhl auf, umrundete hastig den Esstisch und stürzte sich praktisch auf Crocodile. "Natürlich freue ich mich! Oh, Crocodile! Meinst du das wirklich ernst? Du versucht nicht bloß mich zu ärgern wegen den ganzen blöden Kunst-Kommentaren?!" "Ich meine es absolut ernst", bestätigte Crocodile, der sich mit Doflamingos plötzlichem Gefühlsausbruch ein wenig überfordert fühlte. "Ich habe mir wochenlang Gedanken gemacht und lange gezweifelt. Aber jetzt bin ich mir vollkommen sicher, dass ich gerne ein Kind haben möchte." Doflamingo drückte seinen Ehemann so fest, dass dieser kaum noch Luft bekam. "Das ist ja Wahnsinn! Oh Mann! Wani! Baby! Du kannst dir nicht vorstellen wie glücklich du mich gerade machst! Ich glaube, ich träume! Du möchtest wirklich endlich ein Kind mit mir?!" Doflamingos Stimme, die vor Aufregung ganz schrill klang, verursachte bei Crocodile Kopfschmerzen. Er versuchte seinen Ehemann, der ihm immer noch die Luft abschnürrte, von sich zu schieben. Noch nie hatte er ihn dermaßen begeistert erlebt. Doflamingo ließ vorerst von ihm ab, allerdings nur in physischer Hinsicht. "Wie hast du dir die Sache vorgestellt? Möchtest du gerne ein Kind adoptieren? Weißt du schon, ob du lieber einen Jungen oder ein Mädchen hättest? Oh, ich hätte so gern eine süße, kleine Tochter!" Er sprach so schnell, dass Crocodile ihn kaum verstehen konnte. "Ich möchte unbedingt ein leibliches Kind", erklärte Crocodile seinem Ehemann. Endlich beruhigte sich Doflamingo ein wenig. Jedenfalls wippte er nicht mehr wie verrückt mit den Füßen. Stattdessen warf er Crocodile einen neugierigen Blick zu. "Ich möchte nicht adoptieren", meinte Crocodile. "Sondern dass eine Leihmutter mein Kind austrägt. Mir ist wichtig, dass wir blutsverwandt sind." Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er hinzufügte: "Es gibt nicht weit von hier entfernt eine Klinik, die sich darauf spezialisiert hat." "Du scheinst ja schon alles genau geplant zu haben, fufufu", neckte ihn Doflamingo breit grinsend. "Ich habe es dir doch schon gesagt: Ich habe mir viel Zeit genommen, um nachzudenken", erklärte Crocodile ihm schnippisch. "Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass für mich nur ein leibliches Kind infrage kommt. Du kannst es dann nach der Geburt adoptieren. Dann sind wir beide die Eltern." Doflamingo zuckte mit den Schultern, ohne dass das breite Grinsen in seinem Gesicht um nur einen Millimeter schrumpfte. "Wie du magst", erwiderte er leichthin. "Du möchtest ein leibliches Kind – soll mir recht sein. Ich habe gegen ein Baby, das deine hübschen Augen erbt, nichts einzuwenden, fufufu." "Wir wissen doch überhaupt nicht, welche meiner Attribute mein Kind erben würde", sagte Crocodile augenrollend. "Immerhin werden die Hälfte seiner Gene auch von einem anderen Menschen stammen. Vielleicht sieht es mir am Ende gar nicht wirklich ähnlich." Wenn Crocodile ganz ehrlich zu sich selbst war, dann war das eine heimliche Angst, die er hatte. Dass er womöglich ein Kind bekam, das rein gar nichts von ihm an sich hatte. "Nozomi sieht Hancock auch sehr, sehr ähnlich", hielt Doflamingo dagegen. Er schien instinktiv zu spüren, dass seinem Ehemann dieses Thema wichtig war. "Bestimmt hast du auch so dominante Gene. Aber wenn unser Kind eben eine andere Haar- oder Augenfarbe bekommt, ist das doch auch nicht schlimm." "Ich hätte schon gerne ein Kind, das mir ähnlich ist", gab Crocodile kleinlaut zu. "Ich meine... das ist doch einer der Gründe, wieso man überhaupt Kinder bekommt oder nicht?" Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Also mir ist das ganz egal", gestand er. "Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn... unser Kind", er sprach dieses Wort abslut ekstasisch aus, "nach dir kommt. Aber von mir aus könnten wir auch adoptieren. Mir ist Familienähnlichkeit nicht wirklich wichtig." Crocodile senkte den Blick. Plötzlich kam er sich ziemlich mies vor, weil für ihn die genetische Verwandtschaft so eine große Rolle spielte. Doflamingo wiederum schien sich einfach bloß über die Vorstellung, mit ihm gemeinsam ein Kind großzuziehen, zu freuen. Hauptsache war doch, dass es dem Kind gut ging und es gesund war, oder nicht? "Wenn unser erstes Kind dir nicht allzu ähnlich sieht", meinte Doflamingo und streckte ihm die Zunge raus, "bekommen wir einfach noch ein zweites. Und wenn auch unser zweites Kind nichts von dir erbt, versuchen wir es eben noch ein drittes Mal, fufufufu." "Ich möchte ein Kind!", stellte Crocodile rasch klar, ehe sein Ehemann auf falsche Gedanken kommen konnte. "Wir sprechen hier ausschließlich von einem einzigen Kind! Nicht zwei oder drei! Eins!" "Und wenn es Zwillinge werden? Oder sogar Drillinge?", fragte Doflamingo mit hoch gezogener Augenbraue. "Du weißt doch bestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft bei künstlicher Befruchtung ziemlich hoch ist, oder?" Ja, das hatte Crocodile auch gelesen. Trotzdem wollte er verhindern, dass Doflamingo auf eine fixe Idee kam. "Nun, dann wäre das natürlich so. Da kann man wohl kaum etwas gegen machen. Aber grundsätzlich sprechen wir hier über ein Kind!" Schon allein bei der Vorstellung, sich um Drillinge kümmern zu müssen, brach Crocodile in Panik aus. Wie viele Windeln musste man denn dann täglich wechseln? Wie viele Fläschchen geben? Wann konnte man denn dann überhaupt schlafen? Er betete dafür, dass Doflamingo und er in den Genuss einer ganz regulären Schwangerschaft mit nur einem Kind kämen. "Wenn du nichts dagegen hast, würde ich morgen bei der Kinderwunschklinik anrufen und einen Termin für uns ausmachen", sagte Crocodile, um wieder auf ernstere Themen zu sprechen zu kommen. "Du willst wohl wirklich keine Zeit vergeuden", kommentierte Doflamingo seine Aussage lachend. "Nun, ich wüsste nicht, aus welchem Grund wir warten sollten", gab Crocodile pikiert zurück. "Immerhin scheinen wir uns beide ja einig zu sein. Und außerdem dauert eine Schwangerschaft ja schließlich auch neun Monate. Ich würde also annehmen, dass wir frühestens in einem Jahr unser Kind im Arm halten könnten." "Ich kann es kaum abwarten", hauchte Doflamingo überglücklich. "Ehrlich gesagt, Wani, warte ich nur darauf, dass ich endlich aufwache. Mir kommt das Ganze hier wie ein Traum vor. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du deine Meinung noch mal ändern würdest. Das Thema Kinder hatte ich innerlich schon abgehakt." "Ich habe nie explizit ausgeschlossen irgendwann mal Vater zu werden", verteidigte Crocodile seinen Sinneswandel. "Ich war nur nicht von Anfang an so begeistert wie du. Aber jetzt bin ich soweit. Es ist der richtige Zeitpunkt. Denke ich." bye sb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)