Die Farben Schneewittchens von DieLadi ================================================================================ Kapitel 10: Hoffende -------------------- Sie flogen zu dritt zu des Grafen Schloss. Dort führte sie der Graf in seine Bibliothek. Er platzierte sie in gemütlichen Sesseln und entzündete ein Feuer im Kamin. Dann verschwand er kurz und kam mit einer reichlich verstaubten Flasche Wein an. „Wein ist das einzige, was ich euch anbieten kann“, sagte er zu den beiden jungen Männern. „Ich hab die letzten paar Jahrhunderte die meiste Zeit geschlafen, und war nur einige Male ganz kurz wach, wenn irgendetwas besonderes war.“ Er sah beide fragend an, aber sie lehnten ab. Immerhin hatten sie gerade gefrühstückt. André fand es besser, nüchtern zu bleiben, denn in Gegenwart eines ihm unbekannten Vampirs wollte er Herr seiner Sinne sein. Jakob wollte ebenfalls nüchtern bleiben, denn er wollte sich so schnell wie möglich wieder mit André auf den Heimweg machen. Und angeheitert fliegen war, nun, nicht so gut. „Moment mal“, sagte André, dem plötzlich bewusst wurde, dass er jedes Wort verstanden hatte. „Sie haben gerade deutsch geredet? Wieso können Sie das einfach so? Und du, Jakob, hast mir das auch noch nicht beantwortet?!“ Jakob sah verlegen drein. „Na ja, weißt du, André, es ist so, dass ein Vampir automatisch mit dem Blut seines Opfers auch dessen Sprache aufnimmt ...“ Er senkte den Kopf beschämt zu Boden. „Aha“, sagte André, „Du hast also, als du schon in Deutschland warst...“ Jakob seufzte und nickte. Er wollte nicht lügen. „Ein ganz alter Mann in einem Krankenhaus“, sagte er, „der sich den Tod herbeiwünschte....“ André schauderte, aber er sagte nichts weiter. Was sollte er auch sagen. Wichtig war, wie Jakob jetzt war. Und hier und heute war er anders, und genau das brachte ihn ja so sehr in Schwierigkeiten. „Nun“, sagte der Graf, „Ihr braucht nichts weiter zu sagen. Ich weiß, was euer Begehr ist. Ihr braucht Hilfe.“ Er wandte sich an Jakob. „Du bist der fehlfarbige Sohn des Vampirkönigs. Der J.O.I.K.O., richtig?“ Jakob nicke. „Und du hast einen menschlichen Freund bei dir. Lebst bei ihnen. Willst sie nicht mehr als Beute sehen und hast dich für den Weg der blutlosen Neumonde entschieden.“ „Ja.“ „Und du hast von Schneewittchens Legende gehört, und willst nun wissen, ob es für dich einen Ausweg gibt.“ „Ja.“ Der Graf stand auf, und begann, im Raum auf und ab zu wandern. „Und ja, es ist so, dass ich dir dabei helfen kann. Ja, es gibt einen Ausweg.“ Er blieb vor Jakob stehen. „Hör zu, Königssohn, ich werde dir sagen, was ich weiß. Aber damit ist das Problem für dich noch nicht gelöst, denn erstens enthält meine Weisheit an dich ein Rätsel, dass du lösen musst. Und zweitens, selbst wenn du dann weißt, was zu tun ist, wird es immer noch nicht selbstverständlich sein, ob du es schaffst, das auch umzusetzen.“ Jakob nickte. „Ich bin bereit, es zu versuchen. Ich hab doch auch keine andere Wahl, oder?“ „Nun, du könntest ...“ „Nein!“ Jakob hatte es geradezu herausgeschrien. „Nein, ich werde nie wieder einen Menschen beißen! Das steht völlig außer Frage!“ Der Graf begann wieder mit dem herumwandern. Doch er nickte und sagte: „Gut, du bist also fest entschlossen. Dann höre.“ Er schloss die Äugen und rezitierte: „Deine wahre Liebe muss dich finden. Und deine wahre Liebe muss dich küssen. Und wenn du dann erwachst, wird deine wahre Liebe dich erkennen. Und wenn das geschieht, ist dir das Leben eines Menschen geschenkt.“ „Meine wahre Liebe?!“, fragte Jakob. Der Graf nickte und fragte: „Gibt es da jemanden...?“ Jakob schwieg einen Augenblick. „Könnte sein ... ich weiß nicht. Es gibt jemanden, den ich ... aber ich weiß nicht ob ... die Person mich auch ... so mag.“ „Nun“, sagte der Graf, „da du so unbestimmt von 'der Person' redest, gehe ich davon aus, dass es sich nicht um eine Frau handelt? Habe ich recht?“ Jakob wurde wieder rot und nickte. „Und, Jakob Joiko, wer ist es? Der junge Mann hier, der dich begleitet hat?“ „Nein!“ Jakob wehrte ab. „André ist ein treuer Freund, aber ... nein. Das ist jemand anderes.“ André sah erleichtert aus. Jakob schwieg einen Moment, dann sagte er leise: „Es ist mein anderer Mitbewohner. Felix.“ „Felix?!“, schnappte André erstaunt. Jakob nickte. Dann sah er den Grafen an. „Aber, ich verstehe eine Sache nicht: was hat das mit dem Erkennen auf sich? Die Reihenfolge ist doch unlogisch: erst soll meine wahre Liebe mich finden und küssen, und dann erkennen? Da macht doch keinen Sinn!“ Der Graf zuckte mit den Schultern. „Das darf ich dir nicht verraten. Das ist das Rätsel, von dem ich sprach. Das musst du selber lösen.“ André hatte sich inzwischen von der Überraschung erholt, dass Jakob offensichtlich in Felix verliebt war. „Wenn ich es recht bedenke, könntest du bei Felix sogar Chancen haben. Mir ist nämlich aufgefallen, wie er dich ansiehst, wenn er glaubt, dass es niemand bemerkt.“ Jakob staunte. „Und wie schaut er mich an?“ André grinste. „Wie ein waidwundes Reh.“ „Nun, wenn das so ist“, sagte der Graf, „dann solltet ihr beide euch einfach wieder auf den Weg machen. Wenn dieser Felix Jakobs wahre Liebe ist, dann gehört ihr genau dort hin, und dann seid ihr schon ein großes Stück weiter. Und ich bin sicher, dass ihr das Rätsel lösen werdet, wenn ihr alle zusammen die Köpfe anstrengt. Und ich“, er gähnte, „würde mich dann gerne noch mal ein paar Jahrhunderte schlafen legen.“ Also verabschiedeten sich Jakob und André und machten sich auf den Weg zurück nach Berlin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)