Die Farben Schneewittchens von DieLadi ================================================================================ Kapitel 6: Reisende ------------------- Jakob und André waren inzwischen an ihrem Ziel angelangt. Sie landeten auf einer kleinen Lichtung in einem ziemlich düsteren Waldstück. Jakob flatterte ein bisschen und berührte André mit seinen Flügeln. Es knisterte komisch, und schon standen beide in ihrer ursprünglichen Gestalt voreinander. Nun, zumindest bei André konnte man das so sagen. Bei Jakob lag der Fall nicht so klar. Weise Vampire philosophierten seit Jahrhunderten, was denn nun die ursprüngliche Form der Vampire sei: die fledermausartige oder die menschenähnliche. Aber wir schweifen ab. André jedenfalls streckte seine Glieder und sagte: "Mann, das war so ziemlich das coolste, was ich jemals erlebt habe." Dann sah er ein wenig unsicher zu Jakob hinüber. "Ähm ... du hast mich doch nicht ... ich meine, ich bin doch jetzt nicht auch ..." "Ein Vampir?" Jakob grinste. "Nein, keine Sorge. Ich hab eine einfache Form von Magie angewandt. Die ist harmlos." André atmete beruhigt aus. Dann sah er sich erst einmal interessiert um. Der Wald wirkte düster und unheimlich in der gerade erst heraufziehenden Morgendämmerung. Ein Weg führte von der Lichtung in sich windendem Verlauf einen Hügel hinauf, auf dessen Spitze ein ziemlich finster aussehendes Schloss thronte. "Ein paar Nummern weniger klischeehaft gings nicht, oder?", knurrte André. "Nö", sagte Jakob. "Wenn wir Vampire was machen, dann hauen wir so richtig auf die Klischee-Kacke." André verdrehte die Augen. "Jetzt weiß ich wenigstens, warum du so ne Drama Queen bist.“ "Blödmann", motzte Jakob. Doch dann mussten sie beide lachen. "Also", sagte André. "Was tun wir jetzt?" Jakob deute mit dem Kopf hügelaufwärts. "Da müssen wir hin." Er sah André in die Augen. "Du hast Fragen, oder?" Der nickte. "Ja. Also zuerst mal ... ist das nicht gerade ein ungünstiger Zeitpunkt? Ich meine, die Sonne geht gerade auf ...?" "Nein. Das ist nur Legende. Klar, für unsere Jagd sind wir lieber des Nachts unterwegs, weil es einfacher ist." Jakob sah beschämt zu Boden. "Na ja, aber schaden tut uns das Sonnenlicht nicht." "Nächste Frage. Ich ... bin nicht in Gefahr?" "Nein. Du stehst unter meinem persönlichen Schutz. Und solange das der Fall ist, darf dich kein anderer Vampir auch nur schräg ansehen. Uraltes Gesetz. Dagegen verstößt niemand. Auch nicht der, zu dem wir gleich gehen werden." "Gut. Nächste Frage. Wer ist ER?" "Er ist so eine Art Stammvater. So alt, dass es Gerüchte gibt, er hätte diese Gesetze gemacht. Er ist deshalb so alt, weil er immer mal wieder ein paar Jahrhunderte schläft." Jakob schniefte. "Diesen Vampirschlaf können wir theoretisch alle schlafen, wenn wir das Schlafgift zu uns nehmen. Nur mit dem Unterschied, dass wir daraus erweckt werden müssen. Er jedoch kann erwachen." "Das heißt, ihr müsst jemanden haben, der euch aus dem Schlaf holt, und er kann das allein?" "Genau. Und deswegen weiß auch niemand, wie alt er denn nun genau ist." "Komm", sagte Jakob und zog André hinter sich her. "Warte mal“, sagte André. „Können wir nicht erst mal irgendwo was frühstücken?“ „Du hast Nerven“, sagte Jakob. „Mann“, maulte André. „Ich hab Hunger.“ Jakob überlegte. „Na ja, wenn wir den Weg ungefähr eine halbe Stunde in die andere Richtung gehen ... da ist ein Dorf. Vielleicht kriegen wir dort etwas. Soweit ich weiß, gibt es da nen kleinen Bäckerladen. Ich weiß nur nicht, wie willkommen wir da sind.“ Sie zögerten eine Augenblick. Dann sagte André: „Ach was, wir sind einfach nur zwei ganz normale junge Männer auf der Durchreise.“ „Ja klar“, stöhnte Jakob genervt. „Was meinst du, wie oft hier wohl zwei ganz normale junge Männer auf der Durchreise auftauchen? Noch dazu offensichtlich ohne Fahrzeug und Gepäck? Und was die Leute in einem Dorf direkt unterhalb des Vampirschlosses über uns denken werden?“ André schluckte. „Also glauben die Leute hier an euch? An Vampire?“ „Hallo – wir sind hier in Transsylvanien! Die Leute glauben nicht, sie wissen!“ „Ach was solls“, sagte André und begann, trotz alledem entschlossen den Weg in der von Jakob angegebenen Richtung zu marschieren. „Ich hab halt Hunger. Wir gehen da jetzt hin, holen uns was zu essen und sind wieder weg, bevor irgendwer auf dumme Gedanken kommt, okay?“ Jakob seufzte und trottete hinter ihm her. Der Wald war wirklich düster, und die Sonne fiel kaum bis auf den Boden. Seltsame Laute drangen aus dem Dickicht hervor. Jakob kannte das, es störte ihn nicht weiter. André dagegen war ganz entgegen seiner eben noch an den Tag gelegten Selbstsicherheit absolut unwohl zumute. Wenn man es recht bedachte, war die Situation ziemlich beängstigend. Er war in einem finsteren Wald in Transsylvanien unterwegs, dem Landstrich, in dem Horrorgeschichten ihr Zuhause haben, und das obendrein mit einem Vampir im Schlepptau. Na toll. Jakob allerdings vertraute er voll und ganz. Da machte er sich keine Sorgen,. Aber was ihn hier erwarten würde, im Dorf, und später im Schloss des Stammvaters ... da fühlte er sich keineswegs mutig oder zuversichtlich. Andererseits ging es hier um Jakobs Leben. Und Jakob war sein Freund, Vampir hin oder her. Er würde das mit ihm durchstehen und alles versuchen, um ihn zu retten. Er holte tief Luft, als sie den Waldrand erreichten, und der Weg in einen steinigen Bergpfad überging, der hinunter ins Tal und damit ins Dorf führte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)