Mein zweites Leben von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 9: Vergleiche --------------------- Das Schweigen, welches sich nach dem Gespräch zwischen Taichi und seiner Schwester, zwischen uns ausgebreitet hatte drückte auf mein Gemüt. Ich sah immer noch die Trauer und den Schmerz in seinem Gesicht. Was auch kein Wunder ist, bei dem was er durchmachen musste. Das er seine Frau immer noch liebt zeigte mir sein ganzes Verhalten. Auf der einen Seite freue ich mich für ihn, dass er das Glück hatte jemanden zu finden den er aufrichtig geliebt hat und er aufrichtig geliebt wurde. Andersherum muss es für ihn die Hölle auf Erden nach dem Unglück gewesen sein. Jedenfalls tut es verdammt weh, ihn so zu sehen. Von dem was er mir erzählt hatte muss sie die Liebe seines Lebens gewesen sein. Kyoko durfte sie selbst sein, etwas was ich verlernt habe. Sie durfte arbeiten, hatte sogar eine eigene Kampfsportschule. Sie hatte so viel in ihrem kurzen Leben erreichen können. Die beiden haben sich immer gegenseitig unterstützt und sich nie als Paar aus den Augen verloren. Sie haben sich gegenseitig respektiert, vertraut und geliebt. Wichtige Entscheidungen wurden als Paar getroffen. Wie sah es in meiner Ehe aus? Haben Noriaki und ich uns jemals so geliebt, wie Taichi und seine Frau? Meine Antwort ist ganz klar: Nein! Und diese Erkenntnis ist ein wahrer Faustschlag in mein Gesicht, die mehr weh tat, als die ganzen Schläge, die ich von ihm einstecken musste. Er hatte mir so viel genommen und was habe ich zurückbekommen? Im Grunde gar nichts. Ich habe sogar meine Träume aufgegeben. Ach Scheiße, sei endlich ehrlich zu dir Mimi: Ich habe meine Freunde im Stich gelassen, meiner Familie den Rücken gekehrt. Praktisch habe ich den Menschen, die mir wichtig waren in den Arsch getreten. Letztendlich habe ich mich selbst aufgegeben. Alles nur, weil er es so wollte. Ich war so naiv, blöd, blauäugig, bequem, verpeilt. Taichi hatte Recht, ich habe mein Leben durch eine rosarote Brille gesehen. Die einzige Entscheidung die ich getroffen hatte, die unsere Ehe beeinflusst hatte war die, als er mich das erste Mal geschlagen hatte. In der Nacht hatte ich mich bewusst gegen Kinder mit ihm entschieden. Ich wollte nicht, dass meine Kinder das gleiche durch machen mussten wie ich. Am nächsten Morgen bin ich zu meiner Frauenärztin und hatte mir sofort die Pille verschreiben lassen. Diese hatte ich jeden Morgen mit meiner ersten Tasse Tee heimlich genommen, wenn er das Haus verlassen hatte. Ich frage mich, ob ich jemals das Glück haben werde, dass ich so aufrichtig von einem Mann geliebt werde, wie Taichi seine Kyoko. Ob ich jemals eine Beziehung führen werde, in der es keine Geheimnisse gab? Ob ich jemals das vollkommene Glück haben werde und mein Kind in den Armen halten kann? Eine weibliche Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Wann hatte er jemanden angerufen? „Hey Tai!“ „Hallo Sora! Wie geht es Yuna?“ „Gut, Matt spielt gerade mit ihr.“ Im Hintergrund waren schiefe Töne eines Klaviers zu hören. „Ich glaube, sie treibt ihren Patenonkel gerade in den Wahnsinn. So wie sie sein Klavier bearbeitet“, lachte Taichi. Ach du heiliger Buddha, Yunas Patenonkel ist Yamato? Gleichzeitig schlug ich mir meine Hand vor die Stirn. Was mir einen komischen Seitenblick von Taichi einbrachte. Die Beiden waren schon immer Freunde gewesen. Klar, dass er der Patenonkel von Yuna ist. Das hieß wohl für mich, dass ich heute nicht nur Taichis Tochter kennen lernen, sondern auch Sora und Yamato wiedersehen werde. „Ach, du weißt, dass er ihr nicht böse sein kann.“ „Das schon, aber seine feinen Musikerohren tun ihn bestimmt weh. So wie Yuna auf die Tasten haut. Mimi wurde heute aus dem Krankenhaus entlassen, deshalb sind wir auch ein wenig spät dran.“ „Das freut mich, dann können wir sie endlich mal wiedersehen. Mach dir keinen Kopf, du weißt, wir passen gerne auf die Kleine auf. Wann seid ihr ungefähr hier?“ „Dafür bin ich euch immer dankbar. Wir sind in gut fünf Minuten bei euch.“ Taichi sah kurz zu mir rüber. Er musterte mich besorgt. Anscheint erging ihm gerade nicht, wie nervös ich mit einem Mal wurde. „Bis gleich, Sora.“ Nachdem Sora sich auch verabschiedet hatte legte er auf. „Was ist mit dir los, Mimi?“ Das waren die ersten Worte, die er mit mir gesprochen hatte, nachdem er wieder ins Auto gestiegen war. „Es ist nichts“, log ich automatisch. Dieser Satz hatte bei Noriaki immer ausgereicht um mich in Ruhe zu lassen. „Mimi, ich weiß, wann du lügst. Dein Blick, der immer an mir vorbei geht, wenn du es tuts, verrät dich.“ Nicht aber bei ihn. Himmel noch mal, war er scharfsinnig. Lag wohl an seinem Beruf. „Ich bin nur aufgeregt. Seit der letzten Woche steht mein Leben auf den Kopf. Jetzt muss ich mich nach und nach den Fehlern stellen, die ich mit achtzehn Jahren begann habe. Verdammt ich sehe gleich meine ehemals beste Freundin wieder. Anstatt mich wüst zu beschimpfen hat sie mir einen Brief geschrieben, bei dem mir die Tränen in die Augen geschossen sind. Sie hat sich die Mühe gemacht und mir dieses Outfit zusammengestellt. Und ich lerne gleich deine Tochter kennen. Sie kennt mich überhaupt nicht und trotzdem soll ich bei euch wohnen.“ „Ich dachte, dass ich dir deine Unsicherheit ein wenig nehmen kann, in dem ich die Beiden gefragt habe, ob ich ihre Nummern in dein Handy einspeichern kann. Mimi, Sora und Matt werden dir das Leben nicht erschweren. Sie sind immer noch deine Freunde. Was Yuna betrifft, sie ist ein neugieriges und wissbegieriges kleines Mädchen. Fremden ist sie etwas zurückhaltender, aber das ändert sich schnell, wenn sie diese Person öfters sieht. Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin auch da.“ „Wenn du meinst.“ Nervös war ich aber immer noch. Naja, eigentlich war ich nicht nervös, sondern es nagte mein schlechtes Gewissen an mir. Ich hatte noch gar nicht zu ende gedacht, da stellte Taichi auch schon den Motor ab. Kurz sah ich mich um. War ja klar, dass die Beiden in dieser Gegend wohnten. Wir waren in Shoto, dem Beverly Hills von Tokio, nicht weit weg von Shibuya entfernt. Hier fand man immer seine Ruhe und wenn man es Krachen lassen wollte war man in kürzester Zeit in Shibuya. Taichi stieg aus dem Auto. Kurz blickte ich ihm nach und sah etwas auf seinem Sitz aufblitzen. Ich musste schlucken, als ich eine Kette mit zwei Ringen in meinen Händen hielt. Jetzt wurde mir klar, was er krampfhaft in seinen Händen hielt, als ich ihn zur Beruhigung in meine Arme gezogen habe. Kyoko musste eine zierliche Frau gewesen sein. Ihr Ring passte perfekt in den von Taichi. Schnell steckte ich die Kette in meine Handtasche, immerhin wollte ich nicht, dass er diese verlor. Ich hatte gerade meine Tasche geschlossen, als Taichi mir wie ein Gentleman die Tür öffnete und mir die Hand reichte, damit er mir das Aussteigen erleichtern konnte. „Wir werden nicht lange bleiben können, da Yuna bald ins Bett muss. Da ich nicht weiß, wie viel Zeit wir heute Abend noch zum Sprechen haben möchte ich gleich ein paar Sachen klar stellen. Du sollst wissen, dass du alles machen kannst, was du möchtest. Wenn du Sora besuchen möchtest kannst du das tun. Willst du dir im Park die Beine vertreten, kannst du dies tun und das war nur Beispiele. Die einzigen Bedingungen die ich dir stelle sind die, dass du mir immer bescheid gibst, was du vorhast, wo du bist und wie lange du wegbleiben möchtest. Desweitern trägst du immer dein Handy bei dir und lässt auch die Standortortung aktiv, selbst wenn du nur zum Briefkasten gehst. Ich möchte dich nicht kontrollieren, ich möchte, dass du ein normales Leben führen kannst, in dem ich meiner Arbeit nachgehen kann, ohne unnötig in deine Privatsphäre einzugreifen. Ist das in Ordnung für dich?“ Wir gingen während dem Gespräch weiter auf ein Wohnhaus zu. Taichi sagten dem Portier welche Familie wir besuchen wollten und dieser nickte uns zu. Aufmerksam hatte ich ihn zugehört. Gut so ganz schmeckte mir die ganze Sache nicht, aber ich gab ihm zu verstehen, dass ich einverstanden war. Wir gingen einen langen Gang entlang. Ich wollte ihn gerade noch etwas fragen, als sich plötzlich eine Tür öffnete und ein kleines Mädchen kam auf uns zu gerannt. „Papa! Papa!“ Kurz bevor das Mädchen Taichi erreichte stolperte sie und fiel auf ihre vier Buchstaben. Er ging in die Hocke und breitete seine Arme aus. Sie quietschte kurz auf und krabbelte die letzten Meter auf ihren Vater zu. Als Yuna ihn erreicht hatte nahm Taichi seine Tochter in die Arme und stand auf. Er gab ihr einen zarten Kuss auf die Wange und sie patschte mit ihren kleinen Händen in seinem Gesicht herum. So als wollte sie sich vergewissern, ob es auch wirklich ihr Vater war. „Papa“, gluckste sie wieder vor Freude und drückte ihr Gesicht, mit geschlossenen Augen, an seine Schulter. Ihre kleinen Hände krallten sich in seinem schwarzen Jackett. „Ja Yuna, ich habe dich auch lieb.“ Zärtlich strich er ihr über ihre Haare. Diese Stimmlage, so sanft hatte ich ihn noch nie sprechen gehört. Sie jagte mir einen angenehmen Schauer über meinen Rücken. Ich betrachtete Vater und Tochter. Im Gesicht konnte ich fast keine Ähnlichkeit zwischen den Beiden feststellen, außer die Form der Nase. Was auch sofort erkennen ließ, dass Taichi ihr Vater war waren ihre braunen Haare. Yuna trug zwar zwei winzige Zöpfe, trotzdem konnte man erkennen, dass ihre Haare praktisch ein Eigenleben führten. Jedenfalls sprachen die Strähnen die ihr locker ins runde Gesicht fielen dafür. Ich merkte, wie ich lächeln musste, als ich das Bild der beiden in mir aufsog. Von diesem Anblick war ich so gefesselt, dass ich nichts um mich herum wahrnahm. Mit einem Mal fühlte ich mich beobachtet. Kurz drehte ich mich um, konnte aber niemanden sehen. Wer sollte mich hier nach mir suchen? Mein Blick fiel wieder auf Taichi und seine Tochter. Jetzt war mir klar, wer mich beobachtet hatte. Mich sahen große braungrüne Augen an. Ich zuckte bei diesem intensiven Blick zusammen, da ich das Gefühl hatte, dass mir das kleine Mädchen bis in meine Seele schauen konnte. „Da Papa.“ Yuna patschte wieder aufgeregt Taichi im Gesicht herum, dabei zeigte sie auf mich. „Aua Yuna, das hat weh getan.“ Sanft hielt er die kleine Hand seiner Tochter wieder fest, als sie wieder in sein Gesicht patschen wollte. „Papa, da!“ Die kleine zappelte so stark auf seinen Armen herum, dass er sie auf dem Boden absetzte. „Yuna, das ist eine Freundin von mir. Sie heißt Mimi.“ Ich ging in die Hocke, damit Yuna mich besser sehen konnte. Sie legte ihren Kopf schief und sah mich einfach an. Unwillkürlich musste ich an Taichi denken, da er mich früher auch mit dem gleichen Blick so gemustert hatte. Sofort wusste ich, dass sie mir mit diesem Blick mein Herz gestohlen hatte. „Hallo Yuna.“ Das kleine Mädchen zuckte zusammen, als ich sie angesprochen hatte. Sie sah zu ihrem Vater, der ihr kurz zu nickte, dann sah sie wieder zu mir. Drehte sich von mir weg und lief auf die Wohnungstür von Sora und Yamato zu. Ergeben seufzte ich auf und stand wieder auf. War ja klar, das Yuna nichts mit mir zu tun haben wollte. Wenigsten eine… Nanu, was war das? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)