Mein zweites Leben von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Der Anker in meinem Leben ------------------------------------ Ich betrachtete mich im Spiegel. An meiner rechten Gesichtshälfte sah man nur noch minimal, dass mein noch Ehemann mich geschlagen hatte. Nur eine kleine Narbe an meiner Augenbraue erinnerte mich an den schwärzesten Tag meines Lebens. Der gleichzeitig meinen Start in mein zweites Leben gewesen war. Sachte strich ich mir über meine Narbe. Diese prangte wie ein Mahnmal in meinem Gesicht. Das Ding wird mich wohl oder übel immer an meinen noch Ehemann erinnern und an das, was er mir angetan hatte. Joey meinte, dass die Narbe nur noch blasser werden, aber nicht mehr weggehen würde. Die ganzen anderen Blessuren sind auch am Abklingen, oder schon ganz verschwunden. Was den Ärzten ein wenig Sorgen bereitete war mein Handgelenk. Es schwoll bei Belastung immer an und tat immer noch tierisch weh. Vielleicht muss ich einfach nur Geduld haben. Immerhin ist der Vorfall erst eine Woche her. Seufzend verließ ich das Badezimmer und ging an das Fenster von meinem Krankenzimmer. Ich horchte in meinen Körper, irgendwie war heute etwas anders. Aber was? Als ich den Grund bemerkte musste ich lächeln. Heute war der erste Tag, an dem ich beim Aufwachen keine Kopfschmerzen mehr spürte. War das ein tolles Gefühl. So gut wie keine Schmerzen zu verspüren. Kurz gesagt, mein Körper war dabei die Misshandlungen zu vergessen. Mein Lächeln verschwand. In meiner Seele sah es anders aus. Ich schlief kaum eine Nacht durch. Falls ich doch mal in die Tiefschlafphase gefunden hatte, wachte ich kurze Zeit später schweiß gebadet wieder auf. In meinen Träumen sah ich immer diese eiskalten Augen, die gierig meine Figur musterten. Ich fühlte seine groben rauen Hände auf meinen Körper. Schmeckte seine von Alkohol getränkten Küsse, spürte jeden einzelnen Schlag, den er mir verpasst hatte. Ich bemerkte seinen harten Ständer, der immer brutal gegen meine Mitte drückte. Ich könnte jedes Mal kotzen bei diesen Erinnerungen. Immer wieder fragte ich mich, wie ich so naiv durch mein Leben gehen konnte. Eigentlich konnte ich gar keine Tränen mehr weinen, trotzdem liefen sie mir heiß über meine Wangen. Vor allem, wenn ich erzählen musste, was er mir angetan hatte, oder wenn ich nachts alleine war. Seitdem ich im Krankenhaus bin, habe ich weder etwas von meinem Ehemann gehört, oder gesehen. Was wahrscheinlich daran liegt, dass Taichi und mein Vater den Ärzten in dem Pflegepersonal erzählt hatten, dass er keinen Kontakt zu mir aufbauen durfte. Der andere Grund war, dass Noriaki meine Handynummer nicht hatte. Taichi und mein Vater haben mir mein altes Handy abgenommen und mir gesagt, dass ich den Vertrag kündigen sollte. Dies habe ich natürlich gemacht. Kurze Zeit später kam Taichi mit einem neuen Handy und überreichte es mir. Es waren alle wichtigen Handynummern eingespeichert. Nachdem mir das Mobiltelefon überreicht wurde und ich alleine in meinem Zimmer war betrachtete ich das bronzefarbene Smartphone. Wieder ein Schritt in mein neues Leben. Als Hintergrundbild war eine kleine Fee abgebildet. Sie war rosa und hatte grüne Flügel. Ihr Kopf erinnerte mich an eine Rose. Die Ärmel sahen aus, wie eine Blüte und die Hände waren die Kelche. Ich musste lächeln, als Kind liebte ich Feen. Damals dachte ich, dass diese Wesen mich immer beschützen würden. Nun ja, beschützt hatten die Feen mich nicht. Dafür hatte ich heute einen superheißen Typ, der auf mich aufpassen soll. Moment! Was dachte ich da gerade? Falsche Gedanken! Schnell an etwas anderes denken. Ähm, welche Nummer waren abgespeichert? Ich öffnete das Telefonbuch, dabei hätte ich das Ding fast fallen lassen. Es waren nicht nur die Nummern von meinem Vater, meiner Mutter und Taichi eingespeichert. Ich konnte auch die Namen von Sora, Yamato und Joey lesen. An Soras Nachnamen erkannte ich, dass sie mit Yamato verheiratet war. Jedenfalls trugen beide den gleichen Nachnamen. Oh man, wieder erkannte ich, dass ich viel vom Leben meiner Freunde verpasst hatte. Aber was wollte mir mein Vater und Taichi damit sagen? Sollte ich mich bei Sora und Yamato melden? Würden sie mir überhaupt zuhören? Wollten die Beiden mich überhaupt noch sehen? Schnell schob ich den Gedanken zur Seite, als ich hörte, wie sich die Zimmertür öffnete. Ich brachte mich nicht umzudrehen, um zu wissen wer das Zimmer betreten hatte. Ich hatte es am Öffnen der Tür gehört. Außerdem hat mir mein Körper verraten, dass es Taichi war. Immer wenn er in meiner Nähe war spürte ich es. Mein Körper verriet es mir immer. Die erste Zeit war ich irritiert, dass ich plötzlich eine Wärme in mir spürte und ich unruhig wurde. Die Unruhe verschwand immer, wenn er in meiner Nähe war. Bis ich erkannt hatte, wer der Grund für dies Gefühlsregung war. Zwar konnte ich mir nicht erklären, was mein Körper mir damit sagen wollte, aber ich fing an, diese Reaktion auf ihn zu genießen. Er hatte immer ein Talent, mich aus meinen düsteren Gedanken zu holen. Er schaffte es, dass ich wenigstens für ein paar Stunden ohne Alpträume schlafen konnte. Er hörte mir immer geduldig zu, wenn ich über mein noch Ehe sprach. Ohne, dass er es wusste half er mir meine Vergangenheit zu verarbeiten. Wie sehr ihn das Gesagte beschäftigte sah ich jedes Mal an seinen wunderschönen schokobrauen Augen. Diese wirkten dann immer schwarz und sein Blick war eiskalt. Ich wusste mit der Zeit, dass dieser Blick nicht mir galt. Auch die Scheidung war ein Thema. Diese hatte ich mit der Hilfe meines Vaters in die Wege leiten lassen. Falls mein Vater mit seinen Begründungen durchkommt bin ich schneller geschieden, als ich ‚Mimi Tachikawa‘ sagen konnte. Er behaarte nämlich auf eine Härtefall Scheidung. Wir alle waren guter Hoffnung, dass dies auch klappen würde. Gemeinsam gingen Taichi und ich oft im Krankenhauspark spazieren. Dort unterhielten wir uns über unsere Jugend. Was den ein oder andern Lacher verursachte. Manchmal war es auch ein entrüstendes knuffen in die Seite des jeweils anderen. Oft fielen die Wörter ‚Idiot‘ und ‚Prinzessin‘. Kurz gesagt, war Taichi der Anker in meinem Leben. Als er das grüne Licht von Joey bekommen hatte, hat er mir einen Laptop mitgebracht. Ich wollte mich erkundigen, wie es mit einem Studium als Ernährungswissenschaftlerin aussah. Oje, dass wird verdammt schwer ein Studienplatz zu ergattern. Gleichzeitig versuchte ich einen Job zu finden, der meinen nichtvorhandenen Fähigkeiten entsprach. Auch hier sprach mir Taichi immer Mut zu. Er meinte, wenn ich nichts Passendes finden würde, dann würde er einen Freund fragen, der eine kleine Kampfsportschule hatte, ob ich dort am Empfang arbeiten könnte. Job hin, Job her, vielleicht sollte ich mal überlegen, ob ich einen Selbstverteidigungskurs machen sollte. Immerhin konnte Taichi nicht immer in meiner Nähe sein. Auch wenn ich immer noch nicht verstanden hatte, wieso mein Vater und er so auf meine Sicherheit bedacht sind. „Hallo Mimi, wie geht es dir heute?“ Mit dieser Frage riss mich Taichi aus meinen Gedanken. Ohne mich umzudrehen antworte ihm. Da ich eine Person die mir sehr vertraut vorkam im Krankenhauspark sah. Ich bemerkte, wie meine Hände nass wurden und sich mein Herzschlag rasant erhöhte. Die mir so verhassten Bilder sah ich wieder vor meinem geistigen Auge. Mir wurde schlecht. So schnell ich konnte rannte ich ins Badezimmer. Was machte diese Schnepfe hier? „Dir sind schon klar, dass deine Aussage in krassen Gegensatz zu deinem Handeln stehen, Prinzessin?“ Verständnislos stand er im Rahmen des Badezimmers und sah zu wie ich mich übergab. Mal wieder wollte ich im Erdboden verschwinden. Ich putze mir schnell die Zähne um den pelzigen Geschmack aus meinem Mund zu bekommen. „Ich … Sie …“ Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Kurz sammelte ich mich, bevor ich ihm mein Verhalten erklärte: „Saori ist hier“, kam es leise über meine Lippen. Ich sah, wie es in ihm arbeite. Er versuchte die Information zu verarbeiten. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er das Puzzle zusammengesetzt hatte. „Du meinst seine Sekretärin?“ „Ja! Nein! Ich meine das Flittchen, dass sich schamlos auf seinen Schreibtisch von ihm vögeln ließ. Die Beiden hielten es noch nicht einmal für notwendig, die Tür abzuschließen.“ „Deswegen bist du damals so Kopflos in mich reingelaufen?“ „Ich bin in dich reingerannt, weil du mitten im Weg gestanden warst. Außerdem hatte ich dich erst gesehen, als du meine Hand festgehalten hattest, damit ich nicht hinfalle.“ Er kam auf mich zu und strich mir sanft über die Wange. „Mache dir keine Sorgen. Ich gehe dir Lage checken und du packst deine Sachen zusammen. Ab heute wohnen wir zusammen.“ „Heißt das, dass ich heute entlassen werde?“ Irgendwie löste diese Nachricht ein komisches Gefühl in mir aus. Ich freute mich, keine Frage, aber ich hatte auch Angst. Immerhin wohnte ich wieder mit einem Mann zusammen. Alleine! Ich war wirklich verrückt geworden. Ich hatte durch den Aufprall gegen die Wand deinen Dachschaden bekommen. „Genau das soll es heißen. Ich bin gleich zurück. Tue mir einen Gefallen und lasse außer den Ärzten und dem Pflegepersonal keinen in dein Zimmer. Die einzige Ausnahme ist dein Vater.“ Taichi zog in einer geschickten Handbewegung sein Handy aus der Jackett Innentasche und wählte eine Nummer. Danach drehte er mir den Rücken zu und verließ schnellen Schrittes das Zimmer. Ich hörte nur noch den Namen meines Vaters, als er auch schon die Tür schloss. Tief atmete ich einmal durch. Wieder gingen meine Gedanken zu meiner derzeitigen Wohnsituation. Wieso fingen diese Gedanken wieder von vorne an? Ich vertraute Taichi, er war ein ganz anderer Mensch als dieses Arschloch von noch Ehemann. Außerdem hat er mir versprochen nie diese Grenze zu überschreiten wie es der andere Arsch getan hatte. Ich holte die kleine Reisetasche aus meinem Kleiderschrank. In der kleinen Seitentasche suchte ich nach einem Gegenstand, der mir schon immer sehr viel bedeutet hatte. Leider konnte ich diesen in den letzten Jahren nicht tragen. Dies würde sich ab heute ändern. Ich lächelte, als ich die Kette gefunden hatte. Viel hatte ich nicht einzupacken. Alle meine Sachen die ich jetzt hier hatte, hatten Taichi und mein Vater aus der Wohnung geholt. Den Wohnungsschlüssel habe ich nie wiedergesehen. Traurig war deswegen nicht gewesen. Eher war das Gegenteil der Fall – ich fühlte mich wieder ein Stücken freier. Die Klamotten wollte ich gerade in die Reisetasche tun, als mir ein rosa Rock, ein weißes Top und eine blaue Jacke auffielen. Diese Sachen kannte ich gar nicht. Wie kamen die hierher? An der Jacke war ein kleiner Brief auf dem Umschlag stand mein Name. Um diesen zu lesen setzte ich mich auf das Bett. Schon nach den ersten Zeilen traten mir die Tränen in die Augen. Wieder einmal mehr war ich erstaunt, dass auch sie mich nicht vergessen hatte. Vorsichtig strich ich der den weichen Stoff es Rockes. Sie hatte instinktiv meinen Geschmack getroffen. Ich zog mir die neuen Sachen an und machte mir ein dünnes Haarband in die Haare. Kleine Creolen steckte ich mir in die Ohrläppchen und band mir meine feine Kette um. Der Anhänger war der Anfangsbuchstabe meines Namens. Diesen Halsschmuck hatte ich schon ewig nicht mehr getragen. Mit dem Anlegen des Schmuckstücks fühlte ich mich vollkommen. Im Spiel betrachtete ich mich. Nur doch der Verband um ein Handgelenk und die kleine Narbe an der Augenbraue erinnerten an die körperliche Gewalt, die mir angetan wurde. Gerade wollte ich nach meinem Handy greifen, als ich die Tür öffnete. Da ich schon gespürt hatte, wer in mein Zimmer trat erschrak ich auch nicht. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um. Ich sah, wie ihm die Gesichtszüge englitten, als er mich sah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)