Angelo von Maginisha ================================================================================ Kapitel 30: Engelsfeuer ----------------------- Fackellicht huschte über die dunklen Wände, als sie eine versteckte Treppe in das Untergeschoss hinabstiegen. Alejandro hatte gezögert, diesen Weg zu nehmen. Es erschien ihm nicht richtig. All das hier lief überhaupt nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte, nachdem er der Abmachung mit dem Engel zugestimmt hatte. Noch immer spürte er den Blick der kristallblauen Augen auf sich. Nie hatte er gedacht, noch einmal einer Kreatur zu begegnen, die derart perfekt war. Fast so wie Be… sein Herr. So gleich und doch vollkommen anders. Es war wundervoll und verstörend zugleich. „Wo sind die Wachen?“ Misstrauisch sah er sich um. Normalerweise hätten hier einige der gehörnten Riesen herumstehen müssen. Sturmtruppen, die die meisten Ein- und Ausgänge bewachten. Heute jedoch war die Residenz wie ausgestorben. Dass sie oben in der Halle und vor der Tür keine Wachen gefunden hatten, hatte er noch akzeptiert, da es ihm geholfen hatte, den Engel so schnell wie möglich zu seinem Herrn zu bringen. Jetzt jedoch erschien ihm diese Tatsache mehr als merkwürdig. „Die habe ich weggeschickt“, antwortete Delilah und grinste ihn an. „Du hast was?“ Alejandro bleckte die Zähne. „Wie kannst du es wagen?“ „Reg dich wieder ab. Diese Schläger hätten uns nur unnötig Scherereien gemacht.“ „Aber du hast keine Befehlsgewalt über sie. Sie gehorchen nur dem Meister.“ Delilah seufzte. „Hast du es mal ausprobiert? Mal ehrlich, die meisten von denen sind strohdoof. Du sagst ihnen, dass du in Belials Auftrags kommst, und schon fressen sie dir aus der Hand.“ Alejandro zischte. „Sag seinen Namen nicht!“ „Warum denn das nicht? Hast du Angst, dass er uns hört? Keine Sorge, dagegen habe ich auch was gemacht. Außerdem ist er ja beschäftigt.“ Sie grinste und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen. Alejandro knurrte und ballte die Fäuste. „Verräterin.“ Der Sukkubus schnalzte mit der Zunge. „Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute. Schon mal an die eigene Nase gefasst, Köter?“ „Nenn mich nicht so.“ „Wie denn, Köter?“ „Ich warne dich.“ „Ach ja? Was willst du denn machen? Mich ankläffen? Oder dein Beinchen an der nächsten Ecke heben? Jetzt hab ich aber Angst.“ Alejandros Hände ruckten zu der Pfeife an seinem Hals. Er war kurz davor, die anderen zu rufen, als ihm plötzlich einfiel, dass nur noch Hugo von seinen Brüdern übrig war. „Ich kann dich immer noch hier und jetzt in Stücke reißen lassen.“ Die Finger des Sukkubus legte sich wie zufällig auf die Peitsche an ihrer Hüfte. „Ach ja? Versuch's doch mal. Mit euch werde ich noch spielend fertig. Ihr vier seid keine Herausforderung für mich.“ „Zwei“, sagte der Engel und legte beruhigend die Hand auf ihren Arm. „Es sind nur noch zwei. Und Alejandro ist unser Verbündeter. Er war es, der uns hierher gebracht hat. Wir brauchen euch beide, Crystal.“ „Crystal?“ Alejandros Ausruf war nicht mehr als ein heiseres Keuchen. Der Sukkubus stöhnte auf und rollte mit den Augen. „Ja, du Blitzmerker. Als Wachhund taugst du aber echt nicht viel. Ist dir wirklich immer noch nicht aufgefallen, dass ich nicht Delilah bin?“ Sie nahm die Maske ab und sah ihn herausfordernd an. Als er nicht reagierte, begann sie plötzlich, sich die Schuhe von den Füßen zu zerren. „Man, die Dinger regen mich eh schon die ganze Zeit auf. Bloß weg damit. Ich frage mich echt, wie Delilah darauf laufen kann. So und dann noch …“ Der Körper des Sukkubus begann sich zu verändern. Die Haare krochen zurück in den Schädel, während die Zehen ineinanderflossen und sich schwarz verfärbten. Fell spross aus ihren Beinen, die sich in einem schier unmöglichen Winkel knickten. Ihre Gestalt schrumpfte insgesamt etwas und unter dem mehr als knappen Rock ringelte sich ein dünner Teufelsschwanz hervor. Als sie aufsah, waren ihr Augen gelb und hatten geschlitzte Pupillen wie die einer Ziege. Sie passten zu den Hufen an ihren Füßen und den kleinen Hörner, die aus den kurzen, schwarzen Haaren mit der violetten Ponysträhne herausstaken. „Uff“, machte sie und grinste von einem spitzen Ohr zum anderen. „Man, ist das gut, endlich wieder ich zu sein. Dieses ständige Getue macht einen ja ganz vogelig.“ Alejandro konnte nicht glauben, was er da sah. „Du … du bist …“, stammelte er. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. „Ach, keine Sorge, ich verrat’s keinem, dass du mich und Marcus hast direkt vor deiner Nase herumspazieren lassen, ohne was zu merken.“ „Du … der Sklave … das war …“ „Ach, na toll. Jetzt fällt’s dir auf. Ja, das Pony war Marcus. Ich hatte echt Bammel, dass ihr Cadejos was merkt, aber wie es scheint, seid ihr in eurer menschlichen Form ganz schön blind. Keine Ahnung, was sich Belial dabei gedacht hat, nun noch mehr von euch machen zu wollen. Aber vielleicht nimmt er beim nächsten ja auch ne intelligentere Spezies zum Reinmixen.“ „Es reicht jetzt.“ Die Stimme des Engel war leise, aber Alejandro erzitterte ob der Kraft, die er dahinter spüren konnte. Auch der Sukkubus senkte betreten den Blick. Es dauerte allerdings keine zwei Sekunden, bevor sie den Kopf wieder hob und den Engel anblitzte. „Ey, was soll das denn? Mach das nie wieder, sag ich dir. Ich steh nich so auf dieses Master and Slave Zeug. Wenn du was von mir willst, kannst du mich darum bitten und musst nicht die Befehlsstimme rausholen, klar?“ Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht des Engels. „Ich werde es mir merken.“ „Na das will ich auch hoffen, Schnucki, sonst wird das hier ne kurze Allianz.“ Alejandro wandte sich abrupt ab und ging weiter die Treppe herunter. Er fing einen kurzem Blick der Menschenfrau auf, aber er kümmerte sich nicht weiter darum. Sie war nicht mehr als Anhängsel des Engels. Sie hatte keine Bedeutung. „Wir kommen jetzt in den Keller. Noch ein Stück, dann erreichen wir den Durchgang. Ihr solltet euch bereithalten.“   Sie durchquerten die dunkle Halle, die ein Abbild der Eingangshalle im Erdgeschoss war und bogen in einen Gang, der sie zu einer zweiten, etwas kleineren Ausbuchtung im schwarzen Fels führte. All das hier unten war von seinem Herrn künstlich geschaffen worden. Er hatte ein ganzes Dutzend Cherufe dafür herbeordert, die ihm die Festung und die darunter liegenden Katakomben nach seinen Wünschen geschaffen hatten. Einer von ihnen stand jetzt als ewige Statue oben in seiner Sammlung. Die Geschichte hinter der erstarrten Kreatur aus lebendiger Magma zu hören hatte Alejandro einmal mehr bewiesen, wie groß die Macht seines Herrn war. „Wir sind da“, verkündete er, als sie vor der Felswand standen, hinter der sich der geheime Trakt des Kellers befand. Er trat nach vorn und legte seine Hand gegen den Stein. Er war warm und Alejandro spürte ein leichtes Prickeln, bevor sich das massive Hindernis einfach in Luft auflöstet und den Blick auf einen weiteren Gang freigab. „Kommt“, sagte er und hob die Fackel. „Wird das auch wirklich gutgehen?“, fragte der Mann und hielt den Engel am Arm zurück. Der Engel bedeckte die Hand des Mannes mit seiner eigenen. „Du hast doch gehört, was Crystal erzählt hat. Solange ich ein Mensch bin, wird mir nichts geschehen. Und ich glaube nicht, dass Belial dort drinnen Fallen aufgestellt hat. Warum sollte er? Allein an dieser Wand sind hunderte von ihnen platziert. Ich werde nicht in Gefahr sein.“ Der Mann murrte noch, bevor er den Arm des Engels losließ und dieser an die Barriere trat. Er hob den Kopf, straffte sich und trat dann auf die andere Seite. Dort angekommen drehte er sich um und lächelte. „Siehst du, alles in Ordnung.“ Der Mann atmete noch einmal tief durch und folgte dem Engel. Die Frau und der Sukkubus gingen ebenfalls hindurch, sodass Alejandro der Letzte war, der den Durchgang passierte, bevor sich der Fels hinter ihm wieder schloss.   Auch auf der anderen Seit erwartete sie ein in den schwarzen Stein gegrabener Gang. Allerdings waren hier Lampen an den Wänden befestigt, sodass er die Fackel beiseite legte, bevor er sich wieder an die Spitze des kleines Zugs setzte. Als sie an einer ihm nur zu bekannten Tür vorbeikamen, blieb der Sukkubus plötzlich stehen und rümpfte die Nase. „Hey, das ist doch der Raum, in dem diese Höllenmaschine steht. Echt eklig das Ding.“ „Ich würde sie gerne sehen“, sagte der Mann und Alejandro horchte auf. „Meinst du, dass das klug ist?“, antwortete die Frau. Sorge stand auf ihrem Gesicht. „Ja, ich … Jeff musste wegen diesem Ding sterben. Ich habe das Gefühl, dass ich ihm das schuldig bin.“ Der Engel nickte langsam. „Ich denke auch, dass wir uns das einmal ansehen sollten.“ Er wandte sich an Alejandro. „Würdest du uns bitte einlassen?“ Alejandros Hände zuckten. Er wusste, dass die Bitte nur eine Farce war. Der Engel hätte einfach eintreten können, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Und doch tat er es. Warum? „Natürlich“, antwortete er und hoffte, dass seine Zweifel nicht allzu deutlich erkennbar waren. Er öffnete die Tür, trat hindurch und machte anschließend den Durchgang für die Nachfolgenden frei. Einer nach dem anderen betrat die große Kammer.   Eine Weile lang stand der Mann einfach nur da und starrte die Konstruktion an, die sein Herr hatte errichten lassen. Als er endlich zu sprechen begann, schwankte seine Stimme. „Sie ist … abscheulich.“ Der Sukkubus schnaubte laut. „Oh, das kannst du laut sagen, Hase. Und das ist noch gar nichts im Vergleich dazu, wenn du da drin bist. Das fühlt sich an, als wärst du ein lebendes Nadelkissen.“ Auch der Engel trat näher. Sein Blick glitt über die Maschine, die wie ein lauerndes Tier aus Leder und Stahl in seiner Ecke stand und auf ein neues Opfer wartete. Als er seine Inspektion beendet hatte, wandte er sich an Alejandro. „Wie funktioniert sie?“ Alejandro zuckte die Achseln. „Ich … ich weiß nicht. Man hat es mir nicht erklärt.“ „Bist du sicher?“ Die blauen Augen durchbohrten ihn förmlich. Er wusste es. Er wusste, dass Alejandro log. Gleich würde er ihn bestrafen; er konnte den Schlag schon spüren. Doch der erwartete Hieb blieb aus. Stattdessen trat der Engel näher an die Regler und Hebel heran, die sich auf dem Pult an der Seite befanden. „Dann werde ich es wohl selbst herausfinden müssen.“ Alejandros Herz begann schneller zu schlagen. Er begann zu schwitzen. „Nein, halt, ich … es ist mir eingefallen. Man befestigt einen Sukkubus mittels der Riemen in der Maschine. Dann drückte man auf diesen Knopf, um die Nadeln zu platzieren, und mit diesem Regler bestimmt man die Intensität der Schmerzen.“ Er schluckte. „Es ist eigentlich ganz einfach.“ Jetzt … jetzt würde er ihn bestrafen. Es war zu offensichtlich, dass er ihn betrogen hatte. Wieder wurde er enttäuscht. Statt die Hand gegen ihn erheben, lächelte der Engel nur. „Ich danke dir“, sagte er. „Und jetzt wartet einen Augenblick. Ich habe da eine Idee.“   Der Engel atmete tief ein, schloss die Augen und … veränderte sich. Alejandro spürte deutlich, dass da mit einem Mal etwas Neues an ihm war. Etwas, das er vorher noch nicht gespürt hatte. Auch der Sukkubus holte tief Luft. „Wow, Feuerwerk“, sagte sie verblüfft. „Macht er das manchmal auch beim Sex?“ Alejandro hätte zu gerne gesehen, was sie meinte, doch dazu hätte er sich in seine Dämonenform verwandeln müssen und er wollte dem Sukkubus nicht noch mehr Angriffsfläche bieten. Wieder glitt seine Hand zu der Pfeife um seinen Hals. Wenn Hugo jetzt hier gewesen wäre, hätte er es ihm sicher beschreiben können. Seine Finger schlossen sich um das warme Metall. „Ich spüre die Anwesenheit mehrerer Dämonen. Sie sind hier in der Nähe. Was sie tun, kann ich nicht sagen. Allerdings scheinen sie uns noch nicht bemerkt zu haben.“ Der Engel öffnete die Augen und sah Alejandro an. „Crystal hat gesagt, hier unten gäbe es ein Labor. Stimmt das?“ Alejandro nickte vorsichtig. Er mochte diesen Teil des Kellers nicht besonders. Zuviel erinnerte ihn daran, wo er hergekommen war. Da waren Tanks, große Bäder mit Flüssigkeiten, Körper und Körperteile in Glasgefäßen. Abgetrennte Gliedmaßen zu Studienzwecken konserviert. Babys. Nicht wenige davon hatten ihm ähnlich gesehen. Er erinnerte sich an die Mischung aus Grauen und Faszination, die er als kleiner Junge empfunden hatte, als er sie zum ersten Mal sah. Das war kurz bevor er zu Mama Sita gekommen war. Sein Herr hatte ihm die misslungenen Experimente damals gezeigt und zu ihm gemeint, dass er großes Glück gehabt habe, nicht in so einem Glas gelandet zu sein. Und dass er, wenn er nicht fleißig lernte, dort immer noch landen konnte. Dass man ihn bei lebendigem Leib in Stücke schneiden und ihn bei vollem Bewusstsein bis zur letzten Faser auseinandernehmen würde, wenn er sich keine Mühe gab. Damals war er in einem Alter gewesen, dass bei Menschen etwa einem Vierjährigen entsprach. Er hatte sich gefürchtet, aber er hatte genickt. Da hatte sein Meister gelächelt und ihm über den Kopf gestrichen. Es war das schönste Geschenk gewesen, äädas er bis dahin bekommen hatte. „Wir müssen es zerstören. Es darf nichts übrigbleiben.“ „Was?“ Alejandro erschrak, als ihm klarwurde, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte. Ein unbestimmter Blick aus kristallblauen Augen traf ihn. „Ich muss das hier stoppen, Alejandro. Das verstehst du doch? Wenn ich es nicht tue, wird die Welt vernichtet werden.“ „Aber … er wird … er wird das nicht zulassen.“ Ein Lächeln. „Ich hatte nicht vor, ihn um Erlaubnis zu bitten.“ Erneut schloss der Engel die Augen, auch wenn diese hinter den geschlossenen Lidern zuckten, als suche er etwas. Mit Faszination und Grauen beobachtete Alejandro das Minenspiel auf dem perfekten Gesicht. „Ich sehe es. Da sind Leitungen, wie Adern durch den Fels gezogen. Sie führen zu einem Raum ein Stück von hier, in dem ein großer Metallkasten steht. Weißt du, worum es sich handelt?“ Dass die letzte Frage an ihn gerichtet war, verstand Alejandro erst, als sich die Augen aller Anwesenden auf ihn gerichtet hatten. Er schluckte erneut. „Ich … ich weiß nicht.“ Es war nie notwendig gewesen, dass er sich über so etwas Gedanken machte. Alles, was er wissen musste, war ihm mitgeteilt worden. Er hatte nie Fragen gestellt. „Ich glaube, ich weiß, was das ist“, sagte plötzlich der Sukkubus. Sie zeigte auf den Engelsbrecher. „Das Ding hat jede Menge Nadeln, die sie in mich reingebohrt haben. Durch die Dinger fließt Strom.“ „Strom braucht einen Generator“, mischte sich der Mann ein. „Es muss hier unten etwas geben, mit dem Elektrizität erzeugt wird. Eine große Maschine.“ Er sah Alejandro an. „Gibt es die?“ Alejandro spürte den Drang in sich aufsteigen, ein Stück zurückzuweichen. Sich einfach umzudrehen und zu fliehen. „Ich … ich weiß nicht“, sagte er wieder. Er kam sich sehr dumm vor. „In diesem Labor … gibt es dort auch Maschinen?“, fragte jetzt die Frau. Sie lächelte freundlich. „Lichter, Schalter, Regler. So etwas wie das da?“ Sie wies auf das Bedienpult des Engelsbrechers. Alejandro folgte ihrer Geste mit den Augen, bevor sein Blick wieder zurückhuschte. Er nickte vorsichtig. Sie sah zufrieden aus. „Ein Generator muss angetrieben werden“, erklärte sie den anderen. „Er braucht Treibstoff und der ist …“ „Brennbar.“ Der Mann sah seine Frau an. „Du bist genial.“ Sie lachte. „Ich hab in der Schule aufgepasst. Außerdem hatte ich schon Häuser, die über eine eigene Notstromversorgung verfügen. Die Leute wollen unabhängig sein für den Fall, dass etwas passiert.“ Der Mann wandte sich an den Engel. „Es muss etwas geben, dass den Generator antreibt. Wenn ich raten müsste, würde ich auf Gas oder Erdöl tippen. Viel davon. Kannst du das finden?“ „Ich kann es versuchen.“ Wieder folgten einige Augenblicke, in denen der Engel schwieg. „Ja“, sagte er dann. „Ich sehe es. Das könnte funktionieren.“ Er trat noch ein Stück näher an den Engelsbrecher heran, der hoch über ihm aufragte. „Ich werde die Maschine benutzen“, sagte er. „Mit ihrer Hilfe sollte ich in der Lage sein, die Anlage zu zerstören.“ Als er Anstalten machte, sich in das Innere des Engelsbrechers zu begeben, schürzte Sukkubus die Lippen. „Also ich will ja nicht meckern, aber das Ding ist echt ne fiese Nummer. Bist du sicher, dass du das tun willst?“ Ein schmales Lächeln glitt über das Gesicht des Engels. „Ich will nicht, aber ich werde es trotzdem tun. Weil es unsere einzige Chance ist.“ Der Sukkubus schnaubte nur. „Man, bin ich froh, dass ich keiner von den Guten bin. Nur Arbeit und kein Spaß? Würde mich an deiner Stelle ja echt ankotzen.“ Sie warf einen Blick auf den Mann. „Obwohl man mit dem bestimmt ne Menge Spaß haben kann, oder? Verleihst du den auch? Dann machen wir es uns mal zu dritt nett.“ „Hey“, protestierte die Frau und der Sukkubus grinste breit. „Du kannst natürlich auch mitmachen. Oh und wir holen Marcus dazu, dann krieg ich doch noch mein Fuckfest.“ Der Engel lachte nur und schüttelte den Kopf. „Du bist unglaublich, Crystal. Aber meinst du, du könntest mir helfen, mich richtig zu positionieren? Ich möchte genau dorthin, wo du letztes Mal gelegen hast.“ Der Sukkubus blies die Backen auf und ließ geräuschvoll die Luft entweichen. „Na gut, wenn du meinst. Aber sag nicht, dass ich dich nicht gewarnt hätte. Das macht wirklich, wirklich dolles Aua.“   Alejandro beobachtete, wie der Sukkubus dem Engel in die Maschine half und ihn mit Hilfe der Riemen darin festschnallte. Dabei gab der Sukkubus allerlei Anzügliches von sich, doch kein Wort des Tadels kam über die Lippen des Engels. Stattdessen wirkte er dankbar für das, was der Dämon tat. Wie konnte das sein? Hätte er nicht Abscheu und Ekel empfinden müssen, von so einer Kreatur berührt zu werden? Stattdessen gehorchte er widerstandslos, als der Sukkubus ihm befahl, sich auszuziehen und mit freiem Oberkörper auf der Liege zu platzieren. Er ließ sich binden und akzeptierte sogar den Kuss, den sie ihm einfach auf den Mund drückte, bevor sie wieder von der Plattform stieg. „Alles klar, wir können loslegen.“ Der Blick des Engels glitt zu Alejandro. „Wenn du so freundlich wärst, die Maschine zu bedienen? Ich möchte, dass du sie anstellst und auf die maximale Stufe bringst. Danach wendet du dich ab. Ihr anderen ebenso. Das, was ich vorhabe, könnte euren Augen schaden.“ Alejandro zögerte. Wenn dem Wunsch des Engels entsprach, würde die Arbeit seines Herrn vernichtet werden. Alles, wovon er geträumt hatte, wäre dahin. Aber wenn es es nicht tat, würden sie alle sterben. Die Erde würde untergehen. Der Engel hatte es gesagt. Langsam trat er auf das Pult zu. Er bestätigte den Schalter, der alles zum Leben erweckte und drückte den Knopf, der die silbernen Spitzen aus dem Dunkel herabfahren ließ. Lückenlos schlossen sie sich um den Engel, der dazwischen gefangen war wie ein unglücklicher Vogel in den Fängen eines Raubtiers. Ein Opfer. Wehrlos. Machtlos. Alejandro zitterte. „Beginne.“ Das Wort traf auf sein Ohr und fuhr direkt in seine Glieder. Sein Körper gehorchte ohne sein Zutun. Ohne es verhindern zu können, wanderten seine Finger zu dem runden Regler und er begann ihn nach oben zu drehen. Die Nadeln senkten sich weiter herab und duchbohrten die helle, perfekte Haut des Engels. Blaue Blitze tanzten daran entlang und ein Aufkeuchen entwich der schönen Kreatur, als sie seinen Körper erreichten. „Weiter. Und beeil dich. Ich muss …“ Der Rest des Satzes ging in einem gequälten Stöhnen unter. Alejandro sah, wie die Frau ihren Mann zurückhielt, damit er dem Engel nicht zur Hilfe eilte. Der Sukkubus hielt sich längst die Augen zu und summte vor sich hin und der Engel … Alejandro sah das Strahlen, das sein Körper auszusenden begann. Heller und heller wurde es, je höher er den Regler schob. Das Licht brannte in seinen Augen und auf seiner Haut. Tränen verschleierten seinen Blick. „Weiter!“, schallte der Ruf des Engels zu ihm. „Alejandro, bitte!“ Mit einem Laut, der irgendwo zwischen einem Stöhnen und einem Schluchzen lag, ergriff er den Regler und drehte ihn bis zum Anschlag auf. Die Gestalt des Engels, deren Umrisse in der gewaltigen Lichtkorona verschwammen, bäumte sich auf. Einer der ledernen Riemen zerbarst mit einem Knall, als sich der Engel instinktiv zu befreien versuchte. Er ballte die Fäuste, öffnete den Mund und schrie. Ein Laut so voller Leid und Zorn, dass es Alejandro beinahe das Trommelfell zerriss. Reines, blauweißes Feuer raste durch den Raum. Es setzte die Konstruktion des Engelsbrechers in Brand und fraß sich von dort aus weiter und weiter durch die Wände. Die Konsole vor Alejandro explodierte und ging in Flammen auf. Der Boden wankte. Steine fielen von der Decke. Irgendjemand rief seinen Namen. Er glaubte innerlich zu verbrennen. Die Schmerzen waren unvorstellbar. Seine Augen kochten, sein Gesicht war nass von Tränen. Trotzdem konnte Alejandro seinen Blick nicht von der Gestalt abwenden, die ihm Zentrum des Infernos stand. So rein und schön und gleichzeitig so unglaublich schrecklich, das es ihn bis ins Mark erschütterte. Das da war der Feind. Die absolute Vernichtung. Der Tod von allem, was Alejandro kannte. Er würde nicht zu stoppen sein. In seiner Wut würde er alles niederbrennen, was ihm in den Weg kam. Niemand wäre vor ihm sicher. Niemand. Auch er nicht. Mit einem letzten Blick auf den brennenden Engel, wirbelte er herum und rannte. So schnell, wie er noch nie in seinem Leben gerannt war.       Marcus’ Hand lag auf dem schwarzen Satin. Er fühlte den glatten, kühlen Stoff unter seiner Haut, während er seine Finger betrachtete. Ein Anblick, der sicher war. Sicherer als das, was hinter ihm lag. Oder wer. Sicherer als die Empfindungen, deren Echo noch immer durch seinen Körper hallte wie der ferne Donner eines vorbeigezogenen Gewitters. Erneut meinte er, die sengende Hitze in seinen Adern zu spüren. Die Einschläge, die näher und näher kamen, bevor sie ihn hatten in Flammen aufgehen lassen. Jetzt jedoch löschte der Regen der Scham die letzten, ersterbenden Glutnester und der Gestank von verbranntem Holz und verkohlten Vögeln lag in der Luft. Das Gefühl ließ ihn beinahe würgen. Körperlich ging es ihm gut. Seine Selbstheilungskräfte hatten bereits die wenigen Spuren ihres … Liebesspiels beseitigt. Marcus verzog das Gesicht ob des Worts, das ihm unweigerlich in den Sinn kam. Denn nichts anderes war es gewesen. Belial hatte sich als überraschend … zärtlich erwiesen. Auch hier mangelte es Marcus an einem anderen Wort. Der Dämon hatte ihn nicht, wie er befürchtet hatte, mit Gewalt genommen, sondern ihn nach allen Regeln der Kunst verführt. Eine Tatsache, die Marcus jetzt, da die Wirkung der Droge langsam abklang, einen bitteren Geschmack in den Mund spülte. Wieder fühlte er den Drang in sich aufsteigen, sich seines Mageninhalts zu entledigen. Allein der Gedanke, wie er sich hatte füttern lassen. Wie er gierig die Nahrung direkt aus Belials schlanken Fingern angenommen hatte. Finger, die nur wenig später vollkommen ungeahnte Empfindungen in ihm ausgelöst hatten. Es war gut gewesen und das machte es nur umso schlimmer. Als er eine Bewegung hinter sich spürte, versteifte er sich instinktiv. Es war nicht auszuschließen, dass Belial ihn noch einmal … wollte. So war es beim zweiten und auch beim dritten Mal gewesen. Zuerst hatte Marcus sich gesträubt, bevor er doch wieder von dem vergifteten Wein getrunken hatte. Er hatte sich davon betäuben lassen, um sich erneut dem Rausch hinzugeben. Einem Rausch ohne Sinn und Zweck, wie er erstaunt hatte feststellen müssen, als Belial das Ergebnis seiner Bemühungen einfach fortgewischt hatte. Marcus hatte seine Verblüffung darüber nicht verbergen können, doch Belial hatte nur gelächelt. „Du wirst mir noch dienlich genug sein. Dies hier ist rein zu deinem Vergnügen. Sieh es als Belohnung an.“ Wie lange es wohl dauern würde, bis das Zuckerbrot wieder durch die Peitsche ersetzt werden würde. „Schon wieder so in Gedanken?“, raunte es an seinem Ohr. Er spürte die Hitze von Belials Körper in seinem Rücken, dessen Lippen an seinem Ohr, seinem Nacken. Finger, die über seine bloße Hüfte strichen. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, aus dem Bett zu springen, um sich in der hintersten Ecke des Raumes zu verstecken. Durchhalten, wies er sich selbst an. Du schaffst das. Wenn du einmal begonnen hast, geht es doch wie von selbst. „Man sollte meinen, dass du inzwischen aufgehört hast zu zweifeln.“ „Wenn das eine Frage sein soll, ob du gut warst …“, entfloh es Marcus, bevor er es verhindern konnte. Ein leises Lachen antwortete ihm. „Oh, das brauche ich nicht zu fragen. Ich habe es gesehen und gehört.“ Marcus’ Gesicht wurde warm. Ja, das hatte er wohl und das nur allzu deutlich.   Ein dumpfes Krachen unterbrach seine Grübelei. Er fuhr auf und auch Belial war mit schier unmenschlicher Geschwindigkeit auf den Beinen. „Was ist das?“, knurrte er mehr zu sich selbst. „Was geht hier vor?“ Er warf noch einen Blick auf Marcus, der immer noch nackt auf seinem Bett saß und funkelte ihn an. „Du bleibst, wo du bist. Ich werde das untersuchen.“   Binnen kürzester Zeit war er in seine Hose geschlüpft und zur Tür gelaufen, als diese bereits aufgerissen wurde. Alejandro stürzte herein, die Augen groß, das Gesicht eine blasse, schweißbedeckte Grimasse. Von draußen konnte man Kampflärm hören, das Knurren eines großen Hundes und das Geräusch von splitterndem Holz. „Herr, ruft die Wachen zurück. Sie töten Hugo.“ „Was?“ Belial wirkte für einen Moment überrascht, bevor er ein einzelnes, fremdartige Wort rief. Der Lärm vor der Tür verstummte schlagartig. Im nächsten Moment stürmte ein Cadejo in seiner Dämonenform herein. Die Zunge hing ihm aus dem Hals und er humpelte leicht. Jemand hatte seinem linken Hinterlauf eine lange, blutende Wunde zugefügt. Als Belial das sah, fuhr er zu Alejandro herum „Was ist hier los?Was soll das? Erkläre dich!“ „D-der Engel, Herr. Er ist hier.“ „Was? Wo? Und warum wurde ich nicht umgehend informiert?“ „Ich … ich habe …“ Alejandros Stimme versagte. Sein Gesichtsausdruck wurde gequält. Belial hingegen zögerte nicht. „Wo ist er?“, verlangte er zu wissen. „I-im Keller. Der Engelsbrecher. Er …“ „Was? Wie ist das möglich? Die Mauer hätte ihn aufhalten müssen.“ „Das müsst Ihr den Nephilim fragen. Er hat all das hier geplant.“ Marcus’ Herz setzte für einen Schlag aus, bevor es mit doppelter Geschwindigkeit wieder zu schlagen begann. Woher wusste Alejandro das? Hatte er Crystal erwischt? Ging es ihr gut? Hatte Angelo Erfolg gehabt? Würde der Plan aufgehen? Belials schwarze Augen richteten sich auf ihn. Er fragte nicht, ob Alejandro die Wahrheit gesagt hatte. Das Einzige, was er sagte, war: „Tötet ihn. Ich kümmere mich um den Engel.“ Im nächsten Augenblick war er fort und Marcus allein mit Alejandro und dem zweiten Cadejo, der knurrend und mit gebleckten Zähnen auf ihn zukam. Marcus ignorierte ihn und wandte sich an Alejandro. „Siehst du? Ich habe es dir gesagt. Er wird uns beide umbringen lassen. Wir sind für ihn nur Spielzeuge.“ Alejandro antwortete nicht. Er sah Marcus nur an, bevor sein Blick langsam über das zerwühlte Bett glitt, die Dinge, die am Boden lagen, Marcus’ Kleidung und nicht zuletzt die kleine Phiole mit Sukkubus-Essenz, die neben der halbleeren Weinkaraffe stand. Als er den Kopf wieder hob, war etwas in seinem Blick, das Marcus nicht entziffern konnte. War es Enttäuschung? Wut? Trauer? Was immer es war, es spielte keine Rolle mehr, denn in diesem Augenblick setzte der andere Cadejo zum Sprung an. Sein fellbedeckter Körper flog durch die Luft und hätte Marcus nicht blitzschnell reagiert, hätten er seine Zähne in Marcus’ Kehle versenkt. So trafen jedoch sie nur seine Schulter und bohrten sich schmerzhaft in das schutzlose Fleisch. Marcus schrie auf. Ohne zu überlegen griff er nach dem Hundedämon und versuchte ihn von sich herunterzudrücken. Die Hufe des Tieres traten nach ihm und trafen seinen Bauch, seine Oberschenkel. Er fühlte quasi schon den Schmerz, wenn sie noch empfindlichere Teile erwischen würden. Der Gestank des Dämons nahm ihm zusätzlich den Atem, während sich dessen Zähne immer tiefer gruben. Mit dem Mut der Verzweiflung griff Marcus nach dessen Kehle und drückte zu. Er krallte seine Finger in das weiche Gewebe, bis der Griff des Kiefers sich lockert. Sofort riss er den Cadejo von sich herunter und brachte ihn unter sich. Er schlang den Arm um den Hals des strampelnden Tieres und hielt es unbarmherzig fest. Der Cadejo wehrte sich, er knurrte und jaulte, aber Marcus ließ nicht los und drückte erneut zu. Er wusste, wenn er den Halt verlor, war er tot. Die Gegenwehr des Tier wurde stärker. Ein Teil von Marcus betete, dass er nicht auf die Idee kam, sich zu verwandeln. Plötzlich fiel sein Blick auf das Messer, als Belial zuvor benutzt hatte, um Fleischstücke für ihn kleinzuschneiden. Die silberne Klinge blitzte im Licht der unzähligen Kerzen. Mit einem Keuchen warf Marcus sich zur Seite und auf den Rücken. Beinahe hätte er den Halt verloren, als der Cadejo plötzlich über ihm lag. Dessen Pfoten durchschnitten wirkungslos die Luft. Er warf sich hin und her, um der tödlichem Umklammerung zu entkommen. Marucs’ Hand tastete nach dem Messer. Er erwischt den Griff, aber er glitt ihm wieder aus den Fingern, als der Cadejo sich aufbäumte und sich zu verändern begann. Mit letzter Kraft ließ Marcus locker, angelte nach der Klinge, ergriff sie und stach zu. Ein Laut, der irgendwo zwischen einem menschlichen und einem tierischen lag, entwich dem Cadejo. Er hustete, knurrte, versuchte sich herumzudrehen, doch Marcus hatte ihn bereits wieder im Würgegriff. Er schloss die Augen und ließ die silberne Klinge wieder und wieder auf den zappelnden Leib in seinen Armen niedergehen, bis dessen Bewegungen endlich erlahmten. Ein letztes Zittern ging durch den massigen Leib, bevor er mit einem Mal zu einer schwarzen, stinkenden Pfütze zerfloss. Schwer atmend sah Marcus auf seine Hände, die jetzt schwarz besudelt waren ebenso wie das Messer, das er noch darin hielt. Angeekelt ließ er es fallen. Sein ganzer Körper klebte von den Überresten des Cadejo. Er würgte. Wegen des Gestanks. Wegen des Gefühls des sterbenden Körpers in seinem Armen. Vor seinen Augen tanzten flimmernde Punkte und er fühlte eine Ohnmacht herannahen. Mit purer Willenskraft drängte er sie zurück und sah auf. Das Raum war leer.       Er hetzte durch die Gänge. Vor seinem inneren Auge noch das Bild, wie der Nephilim Hugo erstach. Wieder und wieder hatte er die Klinge im Körper desjenigen versenkt, der wie ein Bruder für Alejandro gewesen war. Oder ein Cousin vielleicht. In jedem Fall Familie. Seine Familie war tot. Nur er allein war noch übrig und der Einzige, der ihm noch etwas bedeutete, lief genau in die Arme des schrecklichen Engels. Er musste ihn warnen, er musste ihn aufhalten. Wie von selbst wurden Alejandros Hände und Füße zu Pfoten, während er schneller ausgriff. Er musste sich beeilen.       Geblendet schloss Michael die Auge, aber das Licht drang selbst durch die zusammengekniffenen Lider und ließ ihn Angelo sehen, wie er brannte. Das Engelsfeuer, das seine Körper einhüllte, fraß sich durch die Wände, folgte den Leitungen immer ihrem Ziel entgegen. Als sie es erreichten, erschütterte eine gewaltige Explosion die steinerne Halle. Steine regneten von der Decke und unter Michaels Füßen barst der Fels. Er hörte Gabriella erschrocken aufschreien und öffnete die Augen. Das unheimliche Leuchten hatte sich wieder zurückgezogen. Crystal jammerte und lag zusammengerollt in einer Ecke. Michael hingegen hatte nur Augen für Angelo. Er hing in den Riemen des Engelsbrechers und regte sich nicht mehr. „Angelo!“ Michael wusste nicht, wie er dorthin gekommen war. Im nächsten Augenblick versuchte er erfolglos, die Schallen zu lösen, die Angelo an Ort und Stelle hielten. Er brüllte frustriert und rief nach Gabriella. „Ich bin da“, hörte er und im nächsten Augenblick wurden seine Hände beiseitegeschoben. „Lass mich das machen. Halte ihn.“ Er tat, was sie gesagt hatte, und griff nach Angelo, der, sobald Gabriella den letzten Riemen gelöst hatte, wie tot in seine Arme fiel. Michael heulte auf und drückte den leblosen Körper an sich. „Angelo! Angelo, hörst du mich?“ „Leg ihn auf den Boden“, wies Gabriella ihn an. Ihre Finger zitterten, als sie sie an Angelos Hals legte, um seinen Puls zu fühlen. „Er lebt noch“, sagte sie. „Aber er ist schwach. Wenn wir nicht …“ Was immer Gabriella hatte sagen wollen, ging in einem erneuten Brüllen unter, unter das sich ein dunkles Grollen mischte. Erst jetzt merkte Michael, dass das Schwanken, das er spürte, nicht allein auf seine eigene Schwäche zurückzuführen war. Der Boden erbebte aufgrund der Explosionen, die irgendwo tief unter ihnen die Erdölvorräte in Brand gesetzt hatten. Und das Geräusch wurde lauter. „Los, hilf Crystal“, sagte er zu Gabriella, während er Angelo auf seine Arme lud. „Wir müssen hier raus.“ Gabriella nickte nur und nahm sich des Sukkubus an, der inzwischen fluchte wie ein Kesselflicker und Angelo die schlimmsste Folter androhte, sobald sie wieder etwas sehen konnte. „Ich kille ihn. Da muss sich Belial hinten anstellen“, hörte er sie lamentieren, während sie durch die Tür nach draußen in den Gang hetzten. Ein beißender Gestank lag in der Luft. Schwarzer, öliger Rauch kroch an der Decke entlang. Er kratzte im Hals und Michael duckte sich, um dem Schlimmsten zu entgehen. Aus der Richtung, aus der der Rauch kam, hörte er Schreie. Es klang, als würden Tiere verenden. Schnell wandte er sich in die andere Richtung und begann zu laufen. „Michael." Angelos Stimme war so leise, dass Michael sie eigentlich gar nicht hätte hören dürfen. Trotzdem vernahm er sie so deutlich, als wäre sie direkt in seinem Kopf. „Ich bin da“, versicherte er Angelo und drückte ihn enger an sich. „Ich bring dich hier raus.“ „Nein … ich muss … ihn aufhalten.“ „Das hast du. Es ist vorbei. Du hast es geschafft.“ „Nein, er … kommt. Ich fühle es. Er …“ Ein urtümlicher Schrei erschütterte die Halle, die sie gerade betreten hatten. Um sie herum suchten einzelne Dämonen ihr Heil in der Flucht und achteten gar nicht auf die zwei Menschen und den Engel, an denen sie vorbeistürzten. Am oberen Ende der großen Treppe jedoch, die in das über ihnen liegende Geschoss führte, tauchte in diesem Moment ein Mann auf, der genau in die entgegengesetzte Richtung lief. Gabriella atmete hörbar ein. „Das ist Belial“, flüsterte sie und deutete auf den Neuankömmling. „Wo ist er?“, fauchte der gerade und hielt einen der vorbeieilenden Dämonen an einem seiner vier Arme fest. Die Kreatur, deren Erscheinung Michael an einen behaarten Frosch erinnerte, jaulte auf und erbrach einen Redeschwall, den Michael nicht verstand. Es war jedoch unübersehbar, dass das Gesagte Belial missfiel. Es war nur eine Frage der Zeit, bevor er sie entdeckte. „Ich werde ihn aufhalten“, erklärte Michael. „Ihr seht zu, dass ihr hier rauskommt.“ Gabriella schüttelte entschieden den Kopf. „Das wirst du nicht tun. Es ist Wahnsinn. Er wird dich umbringen.“ „Aber wenn ich es nicht tue, wird er uns alle töten. Bitte, Baby, diskutier das jetzt nicht mit mir. Schaff Angelo hier raus und dann …“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte keine Ahnung, was sie dann machen sollten. Sein Blick fiel auf Crystal, die inzwischen unsicher blinzelte und zu testen schien, ob sie ihren Augen inzwischen wieder trauen konnte. „Hey. Du kennst dich doch hier aus, oder? Gibt es einen Weg, wie du die beiden hier rausschaffen kannst?“ Crystal sah mit zusammengekniffenen Lidern zu ihm auf. „Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, aber erst mal holen wir Marcus und da steht leider ein gewisser Jemand im Weg.“ Sie deutete mit einem krallenbewehrten Finger auf Belial. Michael nickte. „Okay. Dann holt ihr eben erst Marcus und dann bringst du sie alle hier raus. Kriegst du das hin?“ Der Sukkubus blies die Backen auf. „Na ich kann’s probieren. Aber nur, wenn uns vorher nicht die Decke auf den Kopf fällt.“ Michael sah noch einmal zu dem Mann, der jetzt Befehle in alle Richtungen bellte. Er hatte zwar keine Ahnung, wie er den Dämon aufhalten konnte, aber irgendetwas würde ihm dazu hoffentlich noch einfallen, wenn er erst einmal vor ihm stand. Vorsichtig setzte er Angelo auf den Boden. „Kannst du laufen?“ Angelo schüttelte den Kopf. „Geh nicht.“ „Ich muss. Und auch mit dir werde ich das nicht diskutieren.“ Er drückte Angelo einen schnellen Kuss auf den Mund, bevor er ihn an Gabriella übergab. Auch sie küsste er zum Abschied. „Ich liebe dich, Baby. Pass auf dich auf.“ „Und was ist mit mir?“, maulte Crystal und schob die Unterlippe vor. „Wer knutscht mich?“ „Du kriegst einen Kuss, wenn du die beiden heil nach Hause bringst.“ „Uh ja, aber mit Zunge“ Der Sukkubus grinste und zwinkerte ihm zu, bevor sie die andere Seite von Angelo übernahm, um ihn zu stützen. „Na los, beeilt euch. Und seht zu, dass er euch nicht sieht.“ Michael beobachtete, wie die drei sich langsam am Rand der Halle in Bewegung setzten. Wenn er es schlau anfing, würde Belial sie vielleicht nicht bemerken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)