Angelo von Maginisha ================================================================================ Kapitel 23: Eine neue Richtung ------------------------------ „Wo ist er?“ Mit einem Handtuch in der Hand stand Michael in ihrem Wohnzimmer. Er war gerade aus der Dusche gekommen und hatte sich nur schnell ein T-Shirt und eine Jogginghose angezogen, um wieder zu den beiden anderen zurückzukehren. Gabriella saß in einem ähnlichen Aufzug auf einem der Barhocker. Vor ihr stand ein Teller mit einem halb gegessenen Sandwich. „Wo soll er schon sein?“, antwortete sie mit einem Seufzen in der Stimme. Michael schloss sich ihr an, während er fortfuhr, seine Haare trockenzurubbeln. „Schon wieder?“ Sie nickte und schüttelte im nächsten Moment den Kopf. „Nein, dieses Mal ist es anders. Er ist anders. Er hat gegessen – oder sagen wir besser geschlungen – und dann …“ Sie brach ab und zuckte mit den Schultern. Michael ging zu ihr, legte die Arme um sie und sah ihr in die Augen. „Und du? Bist du okay?“ „Ja, mir geht’s gut. Den Umständen entsprechend. Ich mache mir nur Sorgen um Angelo. Das Ganze, es hat … Es hat etwas mit ihm gemacht. Ich glaube, er gibt sich die Schuld am Tod des anderen Engels. Und dann diese Nachricht.“ Sie wies auf das Handy von Agent Hawthorne auf dem Küchentresen. Gabriella hatte es gereinigt und jetzt lag es dort wie ein stummes Mahnmal. Michael seufzte erneut. „Hat er gesagt, was es mit diesem Rückzugsbefehl auf sich hat? Ich meine, 'Die Engel verlassen die Erde'. Was bedeutet das?“ Gabriella verzog den Mund. Sie schien zu überlegen. „Gesagt hat er nicht viel, während du weg warst. Aber aus dem wenigen lässt sich ein bisschen was vermuten.“ „Und was?“ „Es ist so. Die Dämonen versuchen, die Menschen zu verderben, um sich ihre Seelen anzueignen. Die Engel sind da, um sie aufzuhalten. Eine Art Friedenstruppe, wenn man so will. Sie tun ihr Möglichstes, um die Menschen vor den Attacken der Dämonen zu schützen und ihnen ein normales Leben zu ermöglichen. Das tun sie aus dem Verborgenen heraus, damit niemand von ihrer oder der Existenz der Dämonen erfährt.“ „Mhm“, machte Michael. So etwas hatte er sich bereits gedacht. „Und was bedeutet es jetzt, wenn sie abgezogen werden?“ „Nun ja, für den Abzug von Friedenstruppen gibt es in der Regel drei Gründe. Entweder der Konflikt wurde beigelegt, die um Hilfe bittende Partei hat um den Abzug gebeten oder aber …“ „Oder aber das Gebiet wurde als zu unsicher eingestuft und deswegen aufgegeben.“ Michael atmete tief durch. „Da die ersten beiden Gründe mit ziemlicher Sicherheit ausscheiden, heißt das dann wohl, dass hier demnächst alles von Dämonen überrannt werden wird.“ „Das weiß ich nicht. Als ich Angelo danach gefragt habe, ist er mir ausgewichen.“ Michael seufzte noch einmal. „Dieser sture Hund. Manchmal denke ich, ich sollte ihn doch mal übers Knie legen. Schaden kann es jedenfalls nicht.“ Gabriella lachte leise. „Ich bezweifle, dass er das mit sich machen lässt. Hast du gesehen, wie er mit diesem Ding fertig geworden ist? Der reine Wahnsinn. Obwohl ich zu gerne wüsste, wo er auf einmal das Schwert herhatte. Es lag doch im Auto.“ „Ist vielleicht so eine Art Fähigkeit von Engelskriegern. Spontane Schwertbeschwörung oder so.“ „Du bist albern.“ „Alberner als feuerspeiende Spinnen und eine Uniprofessorin, die mich bei lebendigem Leib auffressen will? Ich glaube, der Punkt für Albernheiten geht definitiv an die andere Seite.“ Er hob den Blick in Richtung der Treppe. „Ob ich mal nach ihm sehen sollte?“ „Tu das.“ „Und du? Bist du gar nicht müde?“ Gabriella lächelte und schüttelte den Kopf. „An Schlaf ist definitiv nicht zu denken. Ich bin viel zu aufgekratzt. Ich denke, ich werde mal meine Mutter anrufen.“ „Um diese Uhrzeit?“ „Zeitverschiebung, Schatz. In Italien ist es jetzt ungefähr neun Uhr morgens.“ „Ach ja.“ Er grinste. „Dann grüß sie ganz herzlich von mir und richte ihr aus, dass ich mich dummerweise immer noch nicht zu dem Schwiegersohn entwickelt habe, den sie sich immer gewünscht hat. Ich liege ihrer Tochter also weiterhin auf der Tasche.“ Gabriella lachte auf. „Ich werde es ausrichten.“ Sie erhob sich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Na los. Schau mal nach unserem Engel. Nicht, dass er wieder Dummheiten macht.“     Michael hörte, wie Gabriella unten in ihr Büro ging, während er selbst die Treppe hinaufstieg. Die Tür des Gästezimmers war nur angelehnt und der Raum offenbar leer. Er ging daher zum Schlafzimmer und klopfte leise an. Als von drinnen keine Antwort kam, öffnete er die Tür. Angelo saß auf dem Bett. Neben ihm lag eine geöffnete Tüte Gummibärchen. Es knisterte, als er hineingriff und sich eine Handvoll herausnahm, um sie in den Mund zu schieben. „Hey, kann ich reinkommen? Ich wollte mal nach dir sehen.“ Michael ging um das Bett herum und setzte sich neben Angelo. „Alles in Ordnung mit dir?“ Die Antwort bestand aus einer weiteren Hand voll Gummibärchen, die in Angelos Mund wanderte. Er kaute dreimal und schluckte die süße Masse dann herunter. Als er erneut zugreifen wollte, hielt Michael seine Hand fest und schob die Tüte beiseite. „Komm schon, Angelo, rede mit mir. Was ist los?“ Jetzt endlich hob Angelo den Kopf. In seinen Augen lag ein Ausdruck, der Michael das Herz abschnürte. Wortlos legte er ihm den Arm um die Schultern und zog ihn an sich. Seine Finger strichen durch das weiche, noch ein wenig feuchte Haar, während er seinen Kopf gegen Angelos lehnte. „So schlimm?“ Er spürte ein leichtes Nicken. „Willst du es mir erzählen?“ Erst schüttelte Angelo den Kopf, aber dann sagte er leise: „Da gibt es nichts zu erzählen. Ich habe versagt.“ „Versagt?“ Michael glaubte, sich verhört zu haben. „Du hast dieses Vieh doch besiegt.“ Angelo gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Und wofür? Jemand ist gestorben, Michael. Vor meinen Augen. Und ich konnte es nicht verhindern.“ „Wie hättest du das verhindern sollen? Dieses Vieh hat uns in eine Falle gelockt. Es war auf alles vorbereitet und hat uns total ausmanövriert. Agent Hawthorne ist einfach in die Schusslinie geraten. Wäre er nicht gewesen, wären wir vielleicht alle draufgegangen. Wäre dir das lieber gewesen?“ Statt einer Antwort stand Angelo auf und begann, im Zimmer umherzulaufen. Auch er hatte nur ein T-Shirt und eine bequeme Hose an. Seine bloßen Füße machten auf dem Teppich keinerlei Geräusch. Irgendwann blieb er stehen und starrte stumm aus dem Fenster. Michael stand auf und ging zu ihm. Er hob die Hand und strich ganz sanft über Angelos Rücken. Als der nicht reagierte, trat er näher und schmiegte sich von hinten an ihn. Er hörte, wie Angelo scharf einatmete, als er die Arme um ihn schloss und seinen Kopf auf den blonden Schopf legte. Eine Weile lang standen sie so da, bis Angelo sich plötzlich herumdrehte und ihn von unten herauf ansah. „Küss mich!“, forderte er und legte gleichzeitig die Hände um Michaels Nacken, um ihn zu sich herabzuziehen. Als sich ihre Lippen trafen, stieß Angelo sofort seine Zunge in Michaels Mund. Der nahm das überrascht zur Kenntnis, ging aber auf den unausgesprochenen Wunsch ein und erwiderte Angelos begierigen Kuss auf die gleiche Weise. Der Zug auf seinen Nacken erhöhte sich und Angelo drängte sich stärker an ihn. Offenbar wollte er mehr als das hier. Michael kam auch dieser Bitte nach und ließ seine Hände über Angelos Rücken bis zu seinem Po wandern. Als er ihn erfasste und an sich drückte, stöhnte Angelo leise in den Kuss. Das Geräusch ließ Michaels Blut schneller fließen. Er begann hart zu werden. „Bett“, verlangte Angelo und fing im gleichen Augenblick an, ihn nach hinten zu drängen. Michael ließ es zu. Einen Moment später lag er auf der Matratze, während Angelo über ihn kletterte und sich direkt auf seinen Schritt setzte. Er rieb sich an ihm wie eine Katze, während seine Zunge weiterhin Michaels Mund erforschte, als hoffe sie dort einen versteckten Schatz zu finden. So abgelenkt merkte Michael kaum, das Angelos Hand sich bereits auf dem Weg in seine Hose befand. Er keuchte auf, als sich die schlanken Finger um sein Glied legten und sofort zu pumpen begannen. „Angelo“, wimmerte er und brach den Kuss. Verdammt, was war nur mit ihm los? So kannte Michael ihn gar nicht. Lippen wanderten seinen Hals entlang und heißer Atem strich über sein Ohr. „Schlaf mit mir“, flüsterte Angelo und sein Ton hatte etwas Dringliches. „Bitte Michael, ich brauche das jetzt. Ich brauche dich. In mir.“ Erneut konnte Michael nur ein Keuchen statt einer Antwort hervorbringen. Die geschickten Finger hatten begonnen, seine Hose nach unten zu schieben, während warme Lippen seinen Hals liebkosten. Zu gern hätte er diese jetzt auch noch woanders gespürt, aber Angelo hatte anscheinend andere Pläne. Er entledigte sich in Windeseile seiner Hose und saß bereits wieder auf Michael, bevor der seinem Beispiel folgen konnte. Als er seinen hungrigen Blick bemerkte, zog er auch noch sein T-Shirt aus und ließ es achtlos zu Boden fallen. Anschließend griff er hinter sich. Erneut begann er, die Erektion zu massieren, während er seinen Hintern dagegen presste. Michael konnte fühlen, wie er zwischen die festen Backen gedrückt wurde. Er schluckte hörbar. Angelo beobachtete ihn genau. Als er sah, dass sein Blick tiefer wanderte, nahm er seine zweite Hand und begann sich selbst anzufassen. Er biss sich auf die Lippen, schloss die Augen und ließ den Kopf nach hinten sinken. Dabei bewegte er sich derart aufreizend auf Michaels Schoß, dass der glaubte, allein davon kommen zu können. Er wollte gerade nach Angelo greifen, als dieser plötzlich sein Becken hob und Anstalten machte, sich selbst auf den harten Schaft herabzusenken. Schnell hielt Michael ihn auf. „Halt, warte! Du bist nicht vorbereitet und wir haben kein …“ Angelo öffnete die Augen. Darin glühte blaues Feuer. „Ich bin ein Engel, Michael. Ich halte das aus.“ Wieder wollte er nach Michaels Erektion greifen, aber der nahm seine Hand und hielt sie fest. „Nein“, sagte er leise aber bestimmt. „Du wirst dir wehtun. Ich werde dir wehtun. Lass uns erst noch das Gleitgel …“ „Warum?“, fauchte Angelo plötzlich. Er machte sich aus Michaels Griff los und blitzte ihn wütend an. „Warum müssen wir es unbedingt immer auf deine Art machen. Zählt denn nicht, was ich will?“ „Aber …“ „Kein Aber, Michael. Ich bin kein Spielzeug und ich bin auch nicht aus Zucker. Also fick mich endlich.“ Plötzlich verstand Michael. Er ließ die Hände sinken, mit denen er Angelo gerade noch hatte festhalten wollen. Traurig schüttelte er den Kopf. Er merkte, wie seine Erregung schwand. „Ich werde dir nicht helfen, dich dafür zu bestrafen, dass du ihn nicht retten konntest.“ Angelo funkelte ihn noch einen Augenblick lang an, bevor das Feuer plötzlich erlosch und er den Blick abwandte. Als er Anstalten machte von ihm herunterzusteigen, hielt Michael ihn fest und zog ihn gegen seinen Willen auf sich herab in eine feste Umarmung. „Wenn du willst, knackse ich dir gerne ein paar Rippen an, indem ich dich so lange knuddele, bis dir deine Lunge zu den Ohren rauskommt. Aber ich werde dich nicht vergewaltigen. Ich will dir nicht wehtun.“ Er spürte, wie Angelos Gegenwehr erlahmte. Schicksalsergeben lehnte er sich an ihn.   „Tut mir leid“, sagte Angelo nach einer Weile und atmete tief durch. „Du hast recht. Ich hätte dich nicht dafür missbrauchen dürfen. Aber ich … ich hatte Angst, dass es vielleicht das letzte Mal sein könnte.“ Michael runzelte die Stirn. „Das letzte Mal? Warum das denn?“ Als ihm klarwurde, dass Angelo ihm offenbar schon wieder etwas verschwieg, hob er den Kopf und sah den Engel auf seiner Brust eindringlich an. Der versuchte ihm auszuweichen, aber Michael fing sein Kinn ein und drehte es sanft zurück. „Raus mit der Sprache. Was genau hat es mit dieser Nachricht auf sich? Du wärst kaum so blass geworden, wenn da nicht mehr dahinter stecken würde. Also was ist es? Haben wir mit einer Dämoneninvasion zu rechnen oder was?“ Angelo sah ihn an und da war wieder dieser Ausdruck in seinen Augen. Als würde er alles Leid der Welt auf den Schultern tragen. „Es ist viel schlimmer als das,“ sagte er leise. Michael stieß ein freudloses Lachen aus. „Schlimmer als brandschatzende Dämonenhorden, die die Erde mit Angst und Schrecken überziehen?“ Angelo nickte. Michael hätte gerne an einen Scherz geglaubt, aber dazu war Angelos Gesicht viel zu ernst. „Also jetzt sag schon endlich. Was ist es?“ „Armageddon.“ „Was?“ Er kam hoch und sah Angelo entgeistert an. „Sagtest du gerade Armageddon? So wie in 'The end of the world as we know it'?“ Angelo lächelte schmal. „Eher so wie in 'Krieg am großen Tage Gottes, des Allmächtigen'. Aber das, was du gesagt hast, trifft ebenfalls zu. Die Erde, wie du sie kennst, wird ausgelöscht werden und mit ihr alles Leben, das in dieser Schöpfung existiert.“ „Aber …“ Michael fehlten die Worte bis auf eines. „Warum?“ Angelo senkte erneut den Kopf. „Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass es so sein wird. Wenn die Engel die Erde verlassen, um sich für die Schlacht zu versammeln, steht das Ende direkt bevor. Über die Gründe dafür kann ich nur mutmaßen.“ Er drehte sich herum und schmiegte sich mit dem Rücken an Michaels Bauch. Der drapierte seinen Arm erneut um den schmalen Körper und zog ihn an sich. Er vergrub seine Nase in Angelos Haaren und atmete den Duft seines eigenen Shampoos ein. „Schöne Scheiße“, murmelte er und spürte, wie Angelo anfing zu lachen. „Du findest doch immer wieder die richtigen Worte.“ „Ich bin eben ein talentierter Mann“, grinste Michael in einem Anfall von Galgenhumor. Er biss Angelo sanft in den Hals. „Wolltest du es Gabriella deswegen nicht sagen?“, fragte er, während er die malträtierte Stelle küsste. „Ich wollte sie nicht beunruhigen.“ „Sie wird es ohnehin herausfinden.“ „Nicht, wenn wir es ihr nicht erzählen.“ Jetzt war es an Michael zu lachen. „Du willst wirklich versuchen, etwas vor Gabriella geheimzuhalten? Sie ist ein Bluthund. Sie wird es herausfinden. Und dann werden wir uns wünschen, die Erde wäre ein kleines bisschen schneller untergegangen.“ Er legte seine Lippen auf Angelos Nacken. „Außerdem ist das die Basis einer gesunden Beziehung. Ehrlich zu einander sein. Miteinander sprechen. Wir müssen es ihr sagen.“ „Jetzt sofort?“ „Nein. Sie telefoniert mit ihrer Mutter. Das kann dauern. Ihr Rekord liegt bei über zwei Stunden.“   Für eine Weile schwieg Angelo, aber Michael konnte hören, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. „Woran denkst du jetzt schon wieder?“ „Daran, wie ich dich dazu kriege, trotz dieser blöden Sache von vorhin noch mit mir zu schlafen.“ Er rieb seinen Hintern ein wenig an Michaels Schritt. „Besteht da eine Chance?“ „Du willst jetzt wirklich Sex?“ „Ja, ich … ich möchte mich bei dir entschuldigen. Und ich …“ Er drehte sich herum und begann, mit dem Zeigefinger über Michaels Brust zu streichen. „Mir ist heute klar geworden, dass es eben doch einen Unterschied zwischen Menschen und Engeln gibt. Als ich gekämpft habe, war es … Es war anders. Ich war anders. Es war das, was ich in dem Moment gebraucht habe, um uns zu retten, aber …“ „Aber es hat dir nicht gefallen, wer du warst“, schloss Michael. „Ja. Nein. Es ist kompliziert.“ Angelo seufzte leise. „Du hast die Jorō-Gumo doch gehört. Engel fühlen keine Begierde. Das ist etwas, dass vollkommen menschlich ist. Und ich … ich hätte momentan gerne das Gefühl, dass ich ein Mensch bin. Ein echter Mensch. Ein Mensch, den du … lieben kannst.“ Angelo blickte mit großen Augen zu ihm auf und für einen Moment sah Michael in ihm wieder den Jungen, den er damals auf diesem Hinterhof aufgegabelt hatte. Der sich in fiebriger Ekstase gewunden und an ihn gepresst hatte. Der so unschuldig gewesen war und doch ohne jegliche Angst. Der ihm vertraut hatte, obwohl er ein vollkommen Fremder gewesen war. Er lächelte, als er sich zu Angelo beugte und ihn sanft küsste. „Ich würde dich auch lieben, wenn du eine lila gestreifte Kuh wärst. Wenn es dir hilft, mit mir zu schlafen, werde ich mich nicht dagegen wehren. Aber entweder wir machen es richtig oder wir machen es gar nicht.“ Ein Lächeln erschien auf Angelos Gesicht. Es war, als würde die Sonne aufgehen. „Dann richtig. Aber könnten wir vielleicht …?“ Er verstummte und biss sich auf die Lippen. Michael schüttelte den Kopf. „Angelo, es ist schon spät und ich bin wirklich nicht in Stimmung für Ratespielchen. Sex geht klar, aber wenn du etwas willst, wirst du es mir sagen müssen.“ „Ich möchte gerne … nach oben.“ Für einen Augenblick wusste Michael nicht, wie er reagieren sollte. Es war nicht so, dass er nicht schon mit einer ganzen Reihe von Männern Sex gehabt hatte. Allerdings war er nie derjenige gewesen, der unten lag. Der Gedanke ließ ihn für einen Moment erstarren. „Was ist los?“ Angelos Stimme klang alarmiert. „Ich … also … wir müssen nicht, wenn du nicht willst.“ Michael bemühte sich schnell um ein Lächeln. „Nein, nein, alles okay. Ich war nur überrascht. Es ist nicht so, dass ich es mir nicht grundsätzlich vorstellen könnte. Du wärst allerdings der Erste, mit dem ich auf diese Weise …“ Unverständnis erschien auf Angelos Gesicht. „Mit Gabriella hattest du aber kein Problem damit.“ „Was?“ Jetzt war es an Michael, dumm aus der Wäsche zu gucken. Wovon sprachen sie hier? Er rekapitulierte das Gesagte und musste grinsen. „Du hast gar nicht gemeint, dass du mich entjungfern willst, oder?“ Angelo schüttelte entschieden den Kopf. „Was? Nein! Ich wollte nur oben liegen. So wie vorhin. Das hat mir gefallen.“ Er schlug die Augen nieder und fragte leise: „Wäre das andere denn eine Möglichkeit?“ Michael schob Angelos Kinn nach oben, sodass sie sich wieder in die Augen sahen. „Wie ich schon sagte, du wärst der Erste. Aber ja, ich würde es auch auf diese Weise mit dir tun. Ich vertraue dir.“ Er lehnte sich vor und platzierte einen vorsichtigen Kuss auf Angelos Mund. Der sah ihn noch einen Moment lang an, bevor seine Augen sich langsam schlossen und er erneut mit seinen Lippen über Michaels strich. Zart, tastend, fast so als würden sie hier etwas Neues probieren. Michael legte seinen Arm um Angelo und zog ihn näher zu sich, während sie sich weiter küssten. Nur Lippen, nicht mehr. Ein gegenseitiges Streicheln und Liebkosen, das nur sehr, sehr langsam an Intensität gewann. Als er doch irgendwann Angelos Zungenspitze über seinen Mundwinkel fahren fühlte, lächelte er. Anscheinend wurde da jemand ungeduldig. Allerdings konnte Michael nicht sagen, dass ihn das Ganze, so unschuldig es auch anmutete, kalt ließ. Er wollte Angelo. An sich, bei sich, über sich. Vollkommen egal. Er wollte ihn spüren, ihn berühren, jeden Zentimeter von ihm mit Liebe und Zärtlichkeit überschütten. Er begann, mit seinen Fingerspitzen über Angelos Körper zu fahren. Nur ganz leicht, fast schon zu wenig, um wirklich spürbar zu sein. Und doch zeigte Angelo genau die Reaktion, die er sich erhofft hatte. Seine Atmung wurde schneller, sein Kuss intensiver, die leichte Härte, die sich gegen Michaels Oberschenkel drückte, fester. Jeder noch so kleine Kontakt schien ein Feuer zu entfachen, das sich weiter und weiter ausbreitete, bis Angelo vollkommen in Flammen stand. Michael beobachtete ihn aus halb geöffneten Augen und konnte sich kaum sattsehen an diesem schlanken, jugendlichen Körper, der sich ihm in stetig wachsender Ekstase entgegenbog. Sich nach jeder seiner Berührungen sehnte. Als er schließlich die ganze Handfläche auf Angelos Rücken legte und sie beide herumdrehte, sodass Angelo auf ihm zu liegen kam, keuchten sie bereits beide vor mühsam zurückgehaltenem Begehren. Michael ließ sich von Angelo aus seiner Hose helfen, während er sich selbst seines Shirts entledigte und es kurzerhand vom Bett warf. Wieder zog er Angelo an sich und presste seine Lippen auf dessen Mund. Ihre Erektionen rieben aneinander. Das Gefühl entlockte Michael ein Stöhnen. Das fühlte sich gut an. Viel besser als es das jemals getan hatte. Als Angelo begann, sein Becken zu bewegen, spreizte Michael automatisch die Beine weiter. Es kam ihm ganz natürlich vor. Angelo ließ sich dazwischen gleiten und plötzlich spürte Michael vorsichtig tastende Finger an seinen Hoden. Sanft glitten sie darüber und noch ein Stück weiter nach hinten. Mit leichtem Druck begann Angelo, das Perineum zu massieren. Es war ein angenehmes, fast schon obszön gutes Gefühl, das Michael dazu brachte, sich noch weiter gegen die forschenden Finger zu drücken. Als noch eine Hand dazu kam, die sich um seine Erektion legte und zu pumpen begann, schlug er die Augen auf. Angelo beobachtete ihn. Seine Lippen waren leicht geöffnet und von ihren Küssen gerötet. Sein Blick, der in dieser Höhle so eisig gewesen war, war jetzt warm und voll von etwas, das Michaels Herz zum Stolpern brachte. Er schluckte und brachte seine Stimmbänder so weit unter Kontrolle, dass sie mehr als ein Krächzen von sich geben konnten. „Na, hast du es dir anders überlegt“, fragte er und brachte sogar ein Lächeln zustande. Angelo errötete. „Nein, ich … ich wollte nur mal ausprobieren, wie du es findest.“ „Gut. Definitiv gut. Meinetwegen kannst du weitermachen. Ich hätte nichts dagegen.“ Angelo sah nach unten, wo seine Hände ihr Tun nicht unterbrochen hatten. Er leckte sich über die Lippen und beugte sich plötzlich vor. Michael konnte gar nicht so schnell reagieren, wie sich auf einmal ein feuchter, warmer Mund um seine Eichel legte. Er keuchte auf. „Fuck, Angelo. Kannst du mich nicht vorwarnen?“ Er spürte, wie Angelo um ihn herum grinste. „Gut?“, fragte er leise. „Mehr als das. Mach weiter.“ Michael ließ seinen Kopf zurücksinken und schloss die Augen. Angelo setzte seine Administration fort und Michael wusste bald nicht mehr, wo oben und unten war. Der verführerische Strudel aus Streicheln und Küssen, Fingern, Lippen und sogar Zähnen, sowie einer Zunge, die immer wieder tastend über seine gesamte Länge strich, bevor sich wieder ein beständiges Saugen um die empfindliche Spitze legte, während schlanke Finger seinen Schaft und die Hoden massierten, zog ihn immer weiter hinab und katapultierte ihn gleichzeitig in ungeahnte Höhen. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Er wollte Angelo. Jetzt! „Angelo“, brachte er stammelnd hervor. „Bitte! Nimm mich oder komm zu mir, aber lass mich nicht länger warten.“ Sofort verschwanden sämtliche Berührungen und ließen ihn zitternd und bebend zurück. Er öffnete die Augen und sah, wie Angelo neben ihm auf dem Bett nach oben rutschte. Seine Wangen zeigten einen wunderbaren Rotschimmer und seine blauen Augen glänzten fast schwarz. „Hast du Gleitgel?“ „Im Schrank. Da müssten auch die Kondome sein.“ Angelo biss sich auf die geschwollenen Lippen. „Brauchen wir denn unbedingt eines?“ Michael zögerte einen winzigen Augenblick, bevor er antwortete. „Nein. Brauchen wir eigentlich nicht. Es ist praktisch, aber …“ Er ließ den Rest des Satzes offen. Vermutlich hätte er ihn eh nicht zu Ende bringen können, denn Angelo stürzte sich mit neuem Enthusiasmus auf seinen Mund und küsste ihn halb besinnungslos, bevor er endlich in die Schublade griff und die kleine Tube herauszog. Mit Erstaunen sah Michael, wie er erneut ein Bein über ihn schwang. „Was wird das? Ich dachte …“ Der Rotton auf Angelos Wangen verdunkelte sich noch ein wenig. „Nein, ich … ich will es lieber so herum. Vielleicht beim nächsten Mal.“ „Beim nächsten Mal? Ich dachte, die Welt geht unter. Das hier könnte deine letzte Gelegenheit dafür sein.“ Einen Moment lang schien Angelo zu überlegen, doch dann schüttelte er den Kopf. „Nein, trotzdem. Ich will dich in mir spüren.“ Michael lächelte. „Na gut, wie du willst. Aber ich habe es dir angeboten. Das gibt doch bestimmt Karmapunkte beim Jüngsten Gericht, oder?“ „Bestimmt“, gab Angelo mit leichtem Grinsen zurück und öffnete endlich die Tube. Er ließ etwas von dem Gel auf seine Finger tropfen, verrieb es kurz und griff dann nach Michaels Erektion. Sorgsam bestrich er die ganze Länge, bevor er Anstalten machte sich zu erheben. Schnell legte Michael eine Hand gegen seinen Bauch. „Ich dachte, das hätten wir besprochen. Nicht ohne Vorbereitung.“ Angelos Gesichtsfarbe wurde einer Tomate noch ähnlicher. „Ich hab das schon erledigt“, murmelte er. "Während ich dich …“ Michaels Erektion zuckte bei dem Gedanken. Die Vorstellung, dass Angelo sich selbst gefingert hatte, während sich Michaels Schwanz in seinem Mund befunden hatte, ließ noch mehr Blut in seine Erektion strömen. Beinahe hätte er sich aufgerichtet, um Angelo aufs Bett zu werfen und ihn endlich zu nehmen, aber er hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Seine Belohnung bestand in dem Anblick von Angelo, der jetzt wieder nach ihm griff, sich über ihm platzierte, um sich dann langsam aber stetig auf ihn herabzusenken. Michael sah genau, dass er sich dabei bewusst entspannte. Es schien seine ganze Konzentration zu beanspruchen. Trotzdem hielt er nicht an, bevor er Michael nicht vollkommen in sich aufgenommen hatte. Als es soweit war, öffnete er die Augen wieder und sah Michael an. Ein Lächeln huschte über Michaels Lippen. Sein Angelo. Er war so schön, so perfekt trotz der Narben. Trotz seiner Launen und Macken oder vielleicht gerade deswegen. Er war perfekt wegen allem, was er war. Mensch, Engel oder beides zusammen. Es spielte keine Rolle. Nicht für Michael. „Ich liebe dich“, sagte er, bevor er sich recht überlegt hatte, was er tat. Ein leichtes Erstaunen huschte über Angelos Züge, bevor sein Mund ebenfalls ein Lächeln formte. „Ich dich auch“, wisperte er. „Und ich hätte mir niemals verziehen, wenn dir etwas passiert wäre.“ „Dann ist es ja gut, dass ich dich hatte, um mich zu beschützen.“   Als Angelo anfing sich zu bewegen, wusste Michael bereits, dass es nicht lange dauern würde. Die Vorbereitung war zu gründlich und zu erregend gewesen. Außerdem war das Gefühl der heißen, pochenden Enge um ihn herum durch das fehlende Kondom noch viel intensiver als sonst. Er ließ Angelo daher seinen Rhythmus beibehalten, während er selbst nach dessen Erektion griff und begann sie im gleichen Takt zu massieren. Bald schon schien Angelo nicht mehr zu wissen, ob er lieber Michael tief ihn sich spüren oder vielmehr in die Faust stoßen wollte, die seine Erektion umschloss. Michael nahm ihm die Entscheidung ab, indem er begann, ihm sanft von unten entgegenzukommen. Er hörte ein Keuchen, als er dabei anscheinend genau den Punkt traf, den er gesucht hatte. Instinktiv begann Angelo, das Tempo zu erhöhen und brachte dabei auch Michael immer schneller dem Ende entgegen. Eigentlich hätte er das hier gerne noch weiter ausgekostet, aber als er Angelos helles Stöhnen hörte, das wilde Feuer in seinen Augen sah, die Lust, die seinen ganzen Körper erfasst hatte, gab er den Widerstand auf. Er ließ sich tragen, reiten, erhöhte noch einmal die Geschwindigkeit seiner Bewegungen, den Druck seiner Hand, bis er Angelo plötzlich über sich aufstöhnen hörte. Die Erektion in seiner Hand wurde noch einmal größer, härter und im nächsten Moment fühlte er warme Flüssigkeit auf seinem Bauch. Die zuckende Hitze um ihn zog sich fast schmerzhaft eng zusammen und Michael brauchte nur noch zwei weitere Stöße, bevor er selbst kam. Ungeachtet der Sauerei zog Michael Angelo an sich und hielt dessen bebenden Körper fest, bis sich ihr Atem einigermaßen beruhigt hatte. Er lächelte, als er warme, trockene Lippen auf seinem Mund fühlte. Träge erwiderte er den Kuss, während er bereits die Müdigkeit mit großen Schritten herannahen fühlte. Der Akt hatte ihm das Letzte abverlangt. „Ich bin gleich wieder da“, murmelte Angelo nach einer Weile und erhob sich ein wenig steif aus seiner Position. Michael hörte, wie er aus dem Schlafzimmer schlich. Kurz darauf näherten sich Schritte dem Bett. Michael streckte nur den Arm aus, um Angelo wieder in Empfang zu nehmen. Als er jedoch die Brüste und die langen Haare bemerkte, öffnete er mit sehr viel Mühe ein Auge. Gabriella grinste ihn an. „Na, hab ich was verpasst?“ „Oh ja“, bestätigte Michael. „Erzähl ich dir später.“ Er spitzte seinen Mund für einen Kuss. Gabriella berührte flüchtig seine Lippen mit ihren eigenen. „Alles klar. Schlaf gut.“ „Mhm, du auch.“ Michael schaffte es gerade noch, den anderen Arm um Angelo zu legen, als dieser wieder ins Bett kletterte, bevor ihn der Schlaf endgültig übermannte.       Gabriella wurde von einem Klingeln geweckt. Sie blinzelte verschlafen und schälte sich aus ihrer Decke. Draußen war es noch dunkel. Sie folgte dem Geräusch, bis sie in der Küche ankam. Das Klingeln kam von einem Handy, das auf dem Tresen lag. Ohne lange zu überlegen nahm sie ab. „Ja?“ Auf der anderen Seite antwortete ihr verblüfftes Schweigen. „Hallo? Wer ist denn da?“ „Das wollte ich auch grad fragen.“ Eine weibliche Stimme hatte sich offenbar überlegt zu antworten. Sie klang nicht begeistert. „So ’ne Scheiße. Ich hab doch die falsche Nummer.“ Gabriella war endlich so weit erwacht, dass ihr aufging, wessen Telefon sie hier gerade in Händen hielt. Wer auch immer am anderen Ende der Leitung war, hatte offenbar Agent Hawthorne sprechen wollen. „Nicht unbedingt“, versuchte sie die Anruferin zu beruhigen. „Er ist momentan … verhindert. Ein Glucksen war zu hören. „Oh ja, das kenne ich. Verhindert sind die Kerle ja gerne mal, wenn sie nicht schnell genug in ihre Hosen kommen.“ Es folgte eine kurze Pause und dann ein erbostes: „Jetzt hör mal zu, Bitch, ich lass mich doch von dir nicht verarschen. Der Typ, den ich hier gerade anrufen will, war nie im Leben mit dir im Bett. Und wenn doch, musst du mir verraten, wie du die Weißschwinge dazu gekriegt hast. Ich kenn da jemanden, der sich bestimmt brennend dafür interessieren würde.“ Gabriella wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Hilfesuchend sah sie zu Michael und Angelo, die gerade die Treppe herunterkamen. Anscheinend hatten sie sie gehört. Wer ist das?, formte Michael mit den Lippen. Gabriella zuckte mit den Schultern und hielt das Handy hoch, damit er sehen konnte, wem es gehörte. Als er es erkannte, machte er ihr eindeutige Zeichen, das Gespräch zu beenden. „Einen Moment bitte“, bat Gabriella die Anruferin und hielt die Hand vor den Lautsprecher. „Da ist eine Frau dran. Ich glaube, sie weiß, dass Agent Hawthorne ein Engel war. Sie hat ihn eine Weißschwinge genannt.“ Angelo drängte sich nach vorn. „Kannst du das Gespräch laut stellen?“ „Ja, Moment.“ Gabriella drückte auf das entsprechende Symbol und räusperte sich. „Hallo, hören Sie? Ich habe Sie mal auf Lautsprecher gestellt. Mein Mann und unser … ähm … Freund wollen ebenfalls mit ihnen sprechen.“ „Ménage à trois, mhm?“, schnurrte die Stimme aus dem Telefon. „Gefällt mir. Wenn ihr noch einen weiteren Mitspieler braucht, komm ich gerne mal vorbei.“ Michaels Augenbrauen schnellten in die Höhe und auch Angelo sah aus, als würde er ein wenig am Verstand der Anruferin zweifeln. Allerdings fing er sich schnell wieder. „Hallo, mein Name ist Angelo. Ich bin ebenfalls ein Engel.“ „Angelo“, zischte Michael. „Bist du wahnsinnig? Das kannst du ihr doch nicht einfach so sagen?“ „Warum nicht? Sie wollte offenbar mit einem Engel sprechen und da ich der Einzige hier bin, auf den dieses Kriterium zutrifft … “ „Ein Engel?“, fragte die Stimme am anderen Ende. Sie schien vorsichtig zu werden. „Was ist denn mit der anderen Weißschwinge? Der Typ, dem diese Nummer gehört.“ „Er wurde getötet.“ „Scheiße.“ Man konnte das Klicken des Denkapparats auf der anderen Seite förmlich hören. „Aber wie ist das denn passiert? Ihr Mistkerle seid doch eigentlich zäh.“ „Eine Jorō-Gumo. Sie hat ihn zerfetzt.“ „Ach fuck. Das wird Marcus aber gar nicht gefallen.“ „Marcus?“ Gabriella horchte auf. „Wir sprechen nicht zufällig von dem gleichen Marcus?“ „Weiß nicht. Ist so’n Hübscher. Groß, schlank, dunkle Haare und gar nicht mal schlecht bestückt für einen Menschen. Na ja, wenn einer zur Hälfte ein Engel ist. Da kann man ja schon ein bisschen was erwarten und … Ach Kacke!“ Man hörte die Anruferin am anderen Ende fluchen. „Okay, vergesst das mit dem halben Engel. Ich hab … also …“ „Wir wissen, was Marcus ist.“ Gabriella sah zu den anderen beiden, aber die bedeuteten ihr fortzufahren. „Und wir wissen auch, dass der Engel, den Sie anrufen wollten, sein Vater war. Ist das der Grund, warum Sie ihn sprechen wollten? Steckt Marcus in Schwierigkeiten?“ Sie hörten ein verblüfftes Geräusch. „Lady, sind Sie ne Hellseherin? Das Schätzchen hat sich tatsächlich ganz schön tief in die Scheiße geritten. Aber ich glaube nicht, dass ihr da was machen könnt. Ich meine, wenn ihr wisst, was er ist, seid ihr wohl ganz gut mit ihm dran, aber …“ „Wir haben ihn erst einmal getroffen.“ Angelo hatte sich wieder in das Gespräch eingeschaltet. „Wir sind ihm zufällig in einem Motel in Las Vegas begegnet. Er hat mir … geholfen. Ich würde diesen Gefallen gerne erwidern, wenn ich kann.“ „Sagtest du Motel? Wir reden aber nicht zufällig vom Gateway Hotel, oder?“ „Äh, doch?“ „Und du bist nicht zufällig so ein süßer Blondie mit großen, blauen Augen und einem kleinen Schmollmund? Und dein Freund so ein bulliger Schrank?“ „Schrank?“, echote Michael empört, aber Gabriella winkte ihm still zu sein. „Ja, das sind die zwei“, antwortete sie an Angelos Stelle. „Ha, ich wusste es. Man sieht sich eben tatsächlich immer zweimal im Leben. Was für ein Zufall.“ Das Grinsen auf der anderen Seite brachte fast das Telefon zum Erstrahlen. „Was treibt ihr beiden so? Das, was ich denke, dass ihr treibt?“ Sie lachte. Es klang ziemlich dreckig. „Hören Sie, ich weiß ja nicht, wer sie sind …“ Michael kam nicht viel weiter, als die Anruferin ihn schon wieder unterbrach. „Ich bin Crystal, und wir sind uns schon mal begegnet, Schnucki. Ich hab genau gemerkt, dass du mir in dem Motel auf den Arsch gestarrt hast.“ Sie schnurrte. „Hat dir gefallen, was du gesehen hast?“ „Ich bin verheiratet!“ „Hindert dich aber nicht daran, einen Engel zu poppen.“ „Was?“ „Ach bitte. Ich hab doch genau gesehen, wie du ihm im Mondschein die Zunge in den Hals gesteckt hast. Bist ’n kleiner Romantiker, was? Hast du ihn schon mal mit Rosenöl eingeschmiert oder mit Schokolade bestrichen? Ich sage dir, da fahren die Weißschwingen echt drauf ab. Solltest du mal ausprobieren.“ Michael sah aus, als würde er das Telefon gleich an die Wand werfen, während Angelo leicht rosa angelaufen war. Wenn es nicht so surreal gewesen wäre, hätte Gabriella tatsächlich darüber lachen können. „Hör mal, Crystal. Ich darf doch Crystal sagen?“ „Klar.“ „Ich bin Gabriella, Michaels Frau.“ „Du Glückliche! Lassen die zwei dich auch mitmachen? Hattest du schon mal beide gleichzeitig? In welcher Stellung? Habt ihr mal ein Sandwich ausprobiert? Zwei Schwänze sind einfach der Burner, oder?“ Gabriella merkte, wie ihr warm wurde. „Ähm, ich glaube nicht, dass das jetzt irgendwas zur Sache tut.“ „Sie kann nicht anders“, sagte Angelo plötzlich. Gabriella sah ihn fragend an. „Wenn mich nicht alles täuscht, ist Crystal ein Sukkubus.“ „Hey, der Kandidat hat hundert Punkte und gewinnt eine Waschmaschine mit Tretantrieb. Bist ja ne ziemliche Leuchte, Engelchen. Was hat mich verraten?“ „Du bist nicht besonders gut auf Engel zu sprechen und redest quasi von nichts anderem als Sex.“ „Ach echt?“ Crystal schien ehrlich erstaunt. „Ist mir gar nicht aufgefallen.“ Angelos Gesicht wurde etwas säuerlich. „Mir aber.“ „Oh, das tut mir leid. Aber wie du schon sagtest, ich kann nicht anders. Das ist einfach meine Natur. Bis jetzt hat’s auch noch keinen gestört. Wenn man mal von Marcus absieht. Man, der kann vielleicht ’ne Spaßbremse sein, sag ich euch. Hat mich echt schuften lassen für den Schuss, den ich von ihm gekriegt hab.“ „Wir haben es gehört“, warf Michael grollend ein, aber Gabriella schüttelte nur den Kopf. Wenn sie wollten, dass Crystal ihnen noch mehr verriet, würden sie geschickt vorgehen müssen. „Crystal, ich gehe doch recht in der Annahme, dass dir etwas an Marcus liegt, oder?“ „Wie kommst du drauf?“ Der Ton des Sukkubus wurde plötzlich defensiv. Gabriella schmunzelte. „Nun, sonst würdest du wohl kaum seinen Vater anrufen, wenn er in Schwierigkeiten steckt. Besonders, wenn man bedenkt, dass ihr eigentlich auf verschiedenen Seiten steht. So was tut man nicht für jemanden, der einem vollkommen egal ist.“ Crystal gab einen unzufriedenen Laut von sich. „Ist jetzt nicht so, dass ich gern gemacht hab. Immerhin hat er sich die Scheiße ja selber eingebrockt. Was musste er sich auch an Alejandro ranhängen. Mit dem Kerl hat man nichts als Ärger. Wenn er nicht der Schoßhund vom Boss wäre … Ich sag euch, ich hätte den schon längst irgendwo ertränkt.“ „Alejandro?“ Michael schien sich an etwas zu erinnern. „Das ist aber nicht so ein kleiner Mexikaner mit einem Goldzahn, oder?“ „Woher weißt du das?“ „Er ist einer der Kerle, die Angelo in der Mangel hatten, als ich ihn gefunden habe. Die, die ihm dieses Zeug gegeben haben, dass ihn so …“, er warf einen entschuldigenden Blick auf Angelo, „geil gemacht hat.“ „Warte, was für Zeug?“ Crystal klang aufgeregt. „Ich hab mich schon gewundert, dass das Vögelchen sich von dir vögeln lässt. Oder ist es andersrum? Hältst du deinen Hintern hin? Wie isser denn so im Bett? Hat er dir schon mal einen geblasen?“ „Crystal!“ „Ja ja, sorry, war etwas abgelenkt. Ihr drei sorgt wirklich für Kopfkino. Also du sagst, die haben deinem Schätzchen was verpasst, dass ihn rollig gemacht hat?“ „Ja. Irgendeine Flüssigkeit.“ Der Sukkubus murmelte etwas. „Wie bitte? Ich habe dich nicht verstanden.“ „Ich hab gesagt, dass das das Zeug sein muss, was die mit der Höllenmaschine aus mir rausgepresst haben. Sukkubus-Spucke macht Männer extrem rattig. Wenn sie das Zeug aufpoliert haben, könnte es vermutlich sogar einen Engel lahmlegen. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum sie mich in diesen Engelsbrecher eingespannt haben. Ich fand den Namen ja etwas eigenartig, aber jetzt ergibt er einen Sinn.“ Michael sah Gabriella und Angelo an. „Allerdings. Das ergibt sogar ziemlich viel Sinn. Diejenige, die die Maschine gebaut hat, war die Jorō-Gumo, die Marcus Vater auf dem Gewissen hat.“ „Was echt? Boah, wenn ich die erwische, kann die sich aber mal auf was gefasst machen. Hat die überhaupt eine Ahnung, wie das zeckt, wenn die da die Nadeln in einen reinpieken? Das ist echt abartig scheiße.“ „Sie ist tot. Angelo hat sie erledigt.“ „Ach wirklich? Braves Engelchen.“ „Ja, nur dummerweise scheint dieser Alejandro wegen der ganzen Sache zu denken, dass Angelo irgendwie ihm gehört. Er hat versucht, ihn von einer Cegua entführen zu lassen.“ Crystal schien auf der anderen Seite alles aus dem Gesicht zu fallen. „Das bist du?“, hörte man sie keuchen. „Du bist der verdammte Engel, den der Köter landauf, landab sucht? Das glaube ich jetzt ja nicht. Ich hab echt gedacht, Ernie verarscht mich, aber anscheinend ist an der Geschichte ja doch was dran.“ Man hörte einige Geräusche, die darauf schließen ließen, dass Crystal irgendwas mit dem Telefon anstellte. Als sie wieder zu hören war, sprach sie deutlich leiser. „Jetzt hör mir mal zu, Angelito. Wenn ich du wäre, würde ich ganz schnell Asyl bei deinen gefiederten Freunden suchen. Mein Chef ist echt scharf drauf, dich in die Finger zu kriegen, und ich übertreibe nicht, wenn ich dir sage, dass das nicht lustig für dich wird. Er hat eine Vorliebe für richtig, richtig perverse Spielchen. Da fällt selbst mir nichts mehr ein. Und er hasst Engel. Also bringst du deinen hübschen Hintern am besten in Sicherheit, bevor sich der Köter wirklich an deine Fährte hängt. Denn wenn er dich kriegt, wird das ziemlich unangenehm werden, das kannst du mir glauben.“ Angelo lächelte leicht. „Danke für den Rat, Crystal. Es gibt nur niemanden mehr, wo ich hingehen könnte. Die Engel sind weg.“ Gabriella machte große Augen, als sie hörte, wie freizügig Angelo mit dieser Information herausrückte. Immerhin war Crystal doch ein Dämon. „Und außerdem steht die letzte Schlacht bevor. Die Welt wird untergehen. Es macht also keinen großen Unterschied mehr, ob er mich bekommt oder nicht.“ Gabriella schnappte entsetzt nach Luft. Wann genau hatte Angelo vorgehabt, ihnen davon zu erzählen? Ein Blick auf Michael verriet ihr allerdings, dass der anscheinend davon gewusst hatte. Sie funkelte ihn böse an und wandte sich wieder dem Telefongespräch zu. Crystal schien von Angelos Eröffnung ebenfalls ziemlich überrascht zu sein. „Was? Ich glaub, ich hab was im Ohr. Hast du gerade gesagt, dass die Welt untergeht?“ „Ja, habe ich. Die letzte Schlacht steht bevor. Der ultimative Kampf. Gut gegen Böse. Wer am Ende gewinnt, wird in Zukunft über den Himmel regieren.“ „Kacke.“ Man hörte den Sukkubus schnaufen. „Kann man das nicht noch irgendwie verhindern?“ Angelo blickte unglücklich drein. „Ich wüsste nicht, wie. Schon allein, weil ich nicht weiß, warum das Ende einberufen wurde. Ich glaube … Ich glaube, ich bin hierher geschickt worden um es aufzuhalten. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das schaffen soll. Ich weiß nicht, was Ihn dazu bewogen hat, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Es muss irgendetwas geben, dass es ausgelöst hat. Aber wenn wir nicht wissen, was das ist, können wir auch nichts tun, um es zu beenden.“ Der Sukkubus am anderen Ende schwieg eine Weile. Schließlich schnaubte sie hörbar. „Na fein, dann geht die Welt eben unter. Wenn man sowieso nichts dagegen machen kann, such ich mir jetzt ein Dutzend knackige Kerle und lass mir von denen das Gehirn rausvögeln. Wer weiß, wie lange wir noch haben. Die letzten Tage verbringe ich auf jeden Fall nicht in Sklaverei, das sag ich euch. Der Boss kann mich mal.“ „Und Marcus?“, warf Gabriella ein. „Was ist mit ihm?“ „Der sitzt in einer Zelle tief im Bunker vom großen Chef. Ist alles hochgesichert. Da kommt kein Engel lebend rein oder raus. Supertolle Abwehrfallen und alles.“ „Und wenn ein Mensch es versuchen würde?“ „Ein Mensch?“ Crystal überlegte. „Das könnte tatsächlich klappen. Die magischen Sicherungen wirken nur gegen übernatürliche Wesen. Aber wer sollte so dumm sein, das zu versuchen?“ Gabriella grinste breit. „Ich glaube, mir würde da jemand einfallen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)