Eine erbarmungslose Entscheidung von Sharry ================================================================================ Kapitel 39: Kapitel 37 - Verständnis ------------------------------------ Kapitel 37 - Verständnis   -Mihawk- „Ich verstehe immer noch nicht was da passiert ist.“ „Wie oft soll ich es dir noch erklären, Jirou? Muss ich es dir etwa aufschreiben?“ „Könntest du aufhören dich über mich lustig zu machen? Heute Morgen wollte ich einfach nur dich und Loreen besuchen und nun wurde ich von einem tollwütigen totgeglaubten Lorenor Zorro angegriffen!“ „Wir haben ja ganz hervorragende Laune.“ Mit der gleichen missmutigen Miene schritten sie nebeneinander her, Richtung Schloss.  Dulacre hatte sich den bewusstlosen Jungspund über die Schulter geworfen. Erst vor wenigen Minuten hatte Lorenor seinem Wahnsinn nachgegeben und dann versucht Jiroushin anzugreifen. Der Samurai war eingeschritten. Dieses Mal war es ihm noch deutlicher aufgefallen als beim ersten Mal. Die Schnelligkeit, die rohe Kraft und die unberechenbaren Bewegungen. Lorenor war nicht der erste Berserker, dem er begegnete; im Gegenteil, Lorenor war ein absolutes Musterbeispiel. Der Verstand schaltete aus und wurde von simpelsten Instinkten überlagert. Ein primitives Verlangen nach Schmerz und Blut verdrängte alles andere. Diesbezüglich unterschied sich Lorenors Manie wenig von anderen, einzig der Auslöser war anders und Dulacre zerbrach sich bereits den Kopf darüber, wie er Lorenor bezüglich dieses Monsters helfen konnte. „Das war ziemlich unfair von dir“, murrte Jiroushin als sie dem Schloss immer näherkamen. „Hakiabsorbtion, ich hätte nicht gedacht, dass das überhaupt möglich ist.“ „Du warst schon immer ein schlechter Verlierer, mein lieber Freund. Gib doch zu, dass Lorenor dich bereits vorher überzeugt hatte. Sein Talent ist einzig, so etwas hast selbst du noch nicht vorhergesehen.“ Der andere zuckte nur wortlos mit den Schultern. „Wie bitte? Du stimmst mir nicht zu?“ Sie hatten das Schloss erreicht und Jiroushin öffnete ihm die Türe. „Ich glaube du trägst eine rosarote Brille“, urteilte er milde und brachte sich direkt ein ärgerliches Zungenschnalzen des Samurais ein. „Tze, du wirfst mir vor nicht objektiv zu sein?“ Nun schnaubte sein Freund leicht lachend auf und folgte ihm durchs Schloss, ohne jedoch etwas zu entgegnen. Doch seine Schweigsamkeit war Antwort genug und Dulacre ärgerte sich darüber. „Sag bloß du hast nicht bemerkt, dass er im Laufe eures Kampfes immer besser geworden ist, Jirou? Wenn ich nicht eingeschritten wäre und ihm verboten hätte weiter dein Haki zu absorbieren, hätte er dich mittlerweile besiegt.“ Er hatte das Zimmer seines Jungspunds erreicht und trat die Tür einfach auf. „Glaubst du das wirklich?“, fragte der Blondschopf hinter ihm. „Glaubst du wirklich, dass dieser Mistkerl eines Piraten mir schon ebenbürtig ist.“ Vorsichtig ließ Dulacre seinen Wildfang in die weichen Laken sinken. „Du nicht?“, entgegnete er, ohne aufzusehen. Wieder schwieg der andere und gesellte sich zu Dulacre ans Bett während er Lorenors Stiefel auszog, bald würde sein Wildfang sich wohl verwandeln. „Er ist gut“, lenkte der Vizeadmiral schließlich ein. „Wenn ich bedenke, dass du ihn erst ein halbes Jahr trainierst und er bis dahin noch nicht mal wusste was Hak ist, bin ich wirklich beeindruckt. Er wird dich zweifelsohne in ein paar Jahren übertreffen.“ „Warum also klingst du so unzufrieden?“ Der erste Stiefel fiel ab. Diese Aufgabe war trotz vielfacher Anwendung immer noch nicht einfacher für ihn geworden. „Weil ich es nicht verstehe“, murrte der andere hinter ihm. „Du hast gesehen wie er eben war; das war gefährlich. Ich sehe zwar nicht ein, dass Lorenor Zorro schon bereit ist mich zu schlagen, aber dieses Monster da gerade, das könnte sogar dir gefährlich werden.“ Dulacre nickte als der zweite Schuh abkam. „Ich weiß“, bestätigte er und zog sein Hemd leicht zur Seite, offenbarte die feinen Linien, die so gut wie verblasst waren. Schwere Schritte ertönten hinter ihm und Dulacre wehrte sich nicht als der andere von hinten seinen Hemdkragen griff und grob zur Seite zog. „Pass bitte auf“, murrte Dulacre kühl, „du reißt es noch kaputt.“ „Das war er?“, fragte Jiroushin fassungslos, ohne eine Antwort zu erwarten. „Er hat es tatsächlich geschafft dich zu verletzen?“ „Natürlich nicht. Solange Lorenor solche Fähigkeiten nur abrufen kann, wenn er den Verstand verliert, ist es keine Verletzung, sondern nur ein Missgeschick.“ „Tze, Ausrede.“ Der andere ließ ihn los. „Aber genau das meine ich. Wieso trainierst du ihn? Warum in Gottes Namen hilfst du einem aus der untersten Kategorie Verbrecher dabei noch stärker zu werden, wenn er schon so zu einem unberechenbaren Monster werden kann, welches sogar dir gefährlich ist?“ „Er ist mir nicht gefährlich. Es war ein unglücklicher Zwischenfall, das ist auch schon alles.“ Nun stöhnte der andere auf. „Aber das beantwortet meine Frage nicht. Warum bist du so scharf darauf in dieser Welt voller Gefahren auch noch eine weitere selbst heranzuzüchten?“ Langsam drehte Dulacre sich zu Jiroushin herum. „Du denkst viel zu kurzsichtig, Jirou. Hast du dir das von deinen Vorgesetzten abgeguckt?“ Dulacre redete direkt weiter als der andere widersprechen wollte: „Du hast Recht, diese Manie ist eine Gefahr für Lorenors Umfeld – mich nicht einbezogen, natürlich – aber selbst, wenn ich ihn nicht trainieren würde, Lorenor will mich besiegen und daher wird er stärker werden. Also frage ich dich was ist dir lieber? Ein unbesiegbarer Feind, der aber über Vernunft und Barmherzigkeit verfügt oder ein unberechenbares Monster, welches nicht Freund von Feind unterscheiden kann?“ „Deswegen trainierst du ihn?“, meinte der Soldat dann schließlich nachdenklich. „Damit er lernt die Kontrolle über dieses Ding zu erhalten?“ Dulacre warf eine Decke über seinen Wildfang. „Es geht um viel mehr als nur Kontrolle.“ „Und das ist der Grund, warum du ihn damals verschont hast?“ „Nein, von Lorenors speziellen Fähigkeiten habe ich erst vor ein paar Monaten erfahren. Mir war schon vorher bewusst, dass ich ihn trainieren will und es schockiert mich, dass du sein Talent nicht wahrnimmst.“ Jiroushin schwieg für einen Moment. „Es ist nicht so, dass ich sein Talent nicht sehe, Dulacre“, meinte er dann ernst, „aber es haut mich einfach nicht so vom Hocker wie dich. In meinen Augen ist er nicht unbedingt so übermenschlich begabt wie du ihn darstellst.“ „Was? Was redest du denn da, Jiroushin? Haben die Tage in der Kadettenakademie dich um den Verstand gebracht? Hast du nicht gesehen wie er sich über die letzten Stunden entwickelt hat? Am Anfang eures Kampfes hättest du ihn ausradieren können und eben war er dir bereits ebenbürtig.“ „Doch, Hawky, natürlich habe ich seine Leistung gesehen, aber glaub mir, das hat nicht unbedingt etwas mit Talent zu tun.“ Nun wurde Dulacre doch langsam wütend. Immer und immer wieder hatte Lorenor seine Erwartungen Lügen gestraft, war über sich selbst hinausgewachsen und hatte Dulacre sein ekelhaftes Talent beinahe unter die Nase gerieben und nun wollte sein Kindheitsfreund ihm weismachen, dass er doch gar nicht so talentiert war? „Oh, das regt dich wirklich auf, o…?“ „Natürlich!“ Er warf den Schuh seines Wildfangs zu Boden. „Wie kommst du dazu Lorenors Talent so kleinzureden? Meinetwegen ist er der schlimmste Bösewicht deiner Geschichte und meinetwegen hasst du ihn aus der Tiefe deiner Seele aber selbst du kannst nicht abstreiten, dass er herausragend ist! Und ich rede nicht von dieser seltsamen Begabung. Hast du ihn je wirklich kämpfen sehen, in einem richtigen Kampf meine ich? Seine Fähigkeiten mit dem Schwerte sind beeindruckend und du hast ihn noch nicht mit drei...“ Er unterbrach sich als Jiroushin sich neben ihm vor Lachen krümmte. „Du findest das lustig?“ Den Lachtränen nahe nickte der Vizeadmiral und versuchte sich vergebens zu beruhigen. Dulacre spürte wie Zorn in ihm aufstieg, Zorn, den er selten so fühlte. Er mochte es nicht, wenn man sich über ihn lustig machte, ihn nicht ernst nahm. Gerade bei Jiroushin nicht, nicht nach dem gestrigen Tag. Nicht nachdem sich erst Nataku und dann auch noch Lorenor über ihn lustig gemacht hatten. Plötzlich hörte Jiroushin auf zu lachen. „Du nimmst das ganze ja wirklich ernst“, murmelte er während der Samurai sich darauf konzentrierte seine eigenen Gefühle im Zaum zu halten. Beide atmeten sie tief durch. „Also um das klar zu stellen“, murrte Jiroushin dann und der Witz von vorher war verschwunden, „ich streite nicht ab, dass er gut ist. Ich streite noch nicht einmal ab, dass er talentiert ist, aber ich habe dich gesehen als du ausgebildet wurdest, ich habe Sharak gesehen, Nataku, Shanks und noch so viele mehr. Es ist nicht sein Talent, das ihn von der Masse abhebt.“ Langsam legte sich sein Zorn wieder als Dulacre sah, dass sein Kindheitsfreund nun ernsthafter mit seinen Gedanken umging, wobei er es vehement ablehnte den roten Shanks als talentiert zu bezeichnen. „Ich glaube tatsächlich nicht, dass sein Talent so überragend ist. Der Grund warum dieser Pirat so gut ist, ist schlicht und einfach sein kompromissloser Ehrgeiz.“ „Wovon redest du…?“ „Ich liege richtig, Dulacre und das weißt du. Er ist nicht talentierter als du, nicht mal unbedingt talentierter als ich. Sein Oberservationshaki ist für ein halbes Jahr Training zwar wirklich gut aber nicht herausragend, von übernatürlichem Talent kann da keine Rede sein. Nein, der Grund warum du dich so über ihn aufregst und gleichzeitig so fasziniert von ihm bist ist einzig und allein sein Ehrgeiz und dieses unbändige Verlangen besser zu werden.“ Nun sah Jiroushin ihn ungewohnt ernst an und verschränkte die Arme. „Lorenor Zorro ist kein Wunderknabe und doch ist wohl die Fähigkeit alles andere zu überdauern nur um sein Ziel zu erreichen wohl sein größtes Talent. Und je mehr Zeit du mit ihm verbringst, je länger du ihm beim Training zusiehst und beim Kämpfen, desto mehr fragst du dich, wie gut du wohl heute sein könntest, wenn du damals so wie er gewesen wärest. Wenn du damals einen Rivalen wie ihn gehabt hättest, der dich dazu zwingt immer über dich hinauszuwachsen, immer diesen einen Schritt mehr zu gehen.“ Dulacre schwieg. „Du hast mir mal gesagt, dass ich mehr Talent im Observationshaki besäße als du, da ich es schneller erlernt hätte. Das ist Schwachsinn. Ich war nie so begabt wie du oder deine Schwester, aber ich wollte euch beeindrucken; ich musste doch die Jahre die du mir voraus warst aufholen und wollte bei deinem Training dir keine Last am Bein sein. Deswegen habe ich Tag und Nacht trainiert. Im Unterricht, Privatunterricht, selbst beim Abendessen. Ich habe die Grundlagen nicht schneller als du erlernt, weil es mir leicht viel, sondern einfach nur weil ich nichts anderes damals getan habe bis ich es konnte.“ Verwundert betrachtete er seinen Kindheitsfreund.  Tatsächlich hatte Dulacre zusammen mit seiner Schwester damals Jiroushin unter seine Fittiche genommen, nachdem sie angefangen hatten sich anzufreunden, und ja, bis zum heutigen Tage war er überzeugt gewesen, dass er einfach nur das Talent in seinem Freund erkannt hatte. „Du bist ein Mensch dem vieles zufliegt, Hawky. Du musstest nie wirklich für irgendetwas lernen. In der Schule warst du Klassenbester obwohl du die meiste Zeit gepennt hast, im Privatunterricht hast du die Bücher einmal gelesen und konntest dann den Lehrern was erklären. Selbst im Kampftraining musste man dir nur einmal etwas zeigen und du konntest es sofort nachahmen. Du hast dich nie für irgendetwas anstrengen müssen, ganz anders als der Rest der Welt. Dein Vater war meist sehr unzufrieden mit dir, weil du dich nie bemüht hast und trotzdem zu den Besten gehörtest. Aber dir war alles immer zur mühselig, zu anstrengend, alles was keine schnellen Ergebnisse brachte war eine Zeitverschwendung für dich.“ „Worauf willst du hinaus, Jirou? Ich bin nicht in der Stimmung mich von dir belehren zu lassen.“ Jiroushin neigte den Kopf leicht zur Seite. „Nur sehr selten hast du dich wirklich für etwas interessiert, nur sehr selten war dir etwas der Mühe wert. Die wenigsten Kämpfe konnten dir auch nur ein Lächeln abringen. Seit Shanks weiß ich gar nicht...“ „Jiourshin!“ Hart schnalzte er mit der Zunge. Dieses Gespräch missfiel ihm sehr. Am vergangenen Tag hatte er sich gar nicht so unähnliche Worte von Nataku anhören müssen und nun meinte Jiroushin ihm das gleiche vorkauen zu müssen? Als wüsste er nicht selbst wer er war und wie er sich benahm. „Du liebst die Kunst des Schwertes. Ich habe nie jemanden getroffen, der den Schwertkampf so ehrt, bewundert, genießt und verfolgt wie du. Es ist mehr als eine Passion oder eine Leidenschaft, dein ganzes Leben wird durch deine Liebe zu deinen Schwertern und ihrer Kunst bestimmt und anscheinend ist ausgerechnet dieser Mistkerl Lorenor Zorro dir da sehr ähnlich.“ In langsamen Schritten ging der Vizeadmiral um das große Bett herum, die Augen auf den schlafenden Piraten gerichtet. „Gleichzeitig jedoch ist er so anders als du. Du genießt den Schwertkampf, aber eigentlich lässt du dich nur dazu herab, du mit all deinen Talenten hast dich für das eine entschieden, welches dich am wenigsten Zeit verschwenden lässt. Er jedoch, er nimmt alles in Kauf um dennoch ein Schwertkämpfer zu werden. Er steht seinem Gegner aber auch sich selbst kompromisslos gegenüber wenn es darum geht der Beste zu werden und ich glaube, dass du das kaum begreifen kannst; kaum nachvollziehen kannst, wie jemand bereit ist alles zu geben, selbst wenn es nichts bringen könnte, nur um seinen Traum zu verfolgen.“ Nachdenklich betrachtete Dulacre nun auch seinen Wildfang. Es überraschte ihn, wie viele Gedanken sein Kindheitsfreund an Lorenor bereits verschwendet hatte. „Da hast du vollkommen Recht“, gestand er ruhig ein, ehe er sich abwandte. „Es macht mich so wütend, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Ich hatte die besten Lehrmeister, das nötige Talent und alle Freiheiten, die man gebrauchen kann. Er auf der anderen Seite, mit einem Zweitklassigen Lehrmeister, zweitklassigen Talent und Kind aus der Arbeiterklasse, er hat das eine was mir immer gefehlt hat, verbissener Ehrgeiz.“ Er bückte sich nach dem zu Boden geworfenen Stiefel und klaubte auch den anderen vom Boden, räumte sie weg. „Allerdings irrst du dich, wenn du denkst, dass ich damit hadere. Das Vergangene ist vergangen und auch wenn ich damals vielleicht mein Potential nicht voll ausgeschöpft habe, so bin ich doch der Beste und das Zurecht und was Lorenor betrifft, unter meiner Führung wird er bald schon die verpassten Möglichkeiten aufgeholt haben und dann noch weit über sich hinauswachsen.“ Er schwieg einen Moment. „Nein, was mich wütend macht ist, dass weder er noch ich diese Perfektion sind, nach der ich suche. Ich bin nahe dran und Lorenor wird noch besser sein, aber dennoch, dennoch können wir das fehlende Etwas aus unserer Jugend nicht ausmerzen, egal wie viele Jahre vergehen werden, nicht bei ihm und nicht bei mir.“ Leise lachte Jiroushin auf. „Was redest du denn da? Diese Perfektion, von der du da sprichst, die gibt es nicht. Menschengeschaffenes kann nicht perfekt sein und es gibt keine Perfektion in der Schwertkunst, deswegen heißt es Kunst, weil sie unendlich, unvollständig ist und immer sein wird.“ Dulacre entgegnete nichts. „Aber du hast Recht, ich kenne niemanden der näher an dieser unerreichbaren Perfektion dran ist als du und wer weiß, vielleicht wird dieser Bengel dich tatsächlich übertreffen.“ „Du verstehst es nicht, Jiroushin. Du verstehst mich nicht.“ Der andere lächelte sanft. „Nein, das tue ich nicht. Niemand versteht dich diesbezüglich.“ Wieder entschied sich der Samurai darauf nicht zu antworten. „Diesen Schüler, den deine Schwester gesucht hat, den du gesucht hast, den gibt es nicht, Dulacre, das weißt du. Niemand könnte diesen Ansprüchen gerecht werden, denen du noch nicht einmal Folge leisten konntest. Ich halte nicht viel von diesem Piraten hier, aber selbst ihm gegenüber ist es nicht fair was du da sagst. Er ist nicht das Talent, welches du in ihm sehen möchtest, aber dennoch sehe ich das Potential in ihm dich zu übertreffen, das gestehe ich ein.“ Mit einem leichten Kopfschütteln verschränkte Dulacre die Arme und seufzte leise. Sie sprachen aneinander vorbei, wie so oft, wenn er versuchte dem anderen zu erklären was er wirklich dachte, wenn es um die Schwertkunst ging. Jiroushin hatte Recht, noch nie hatte jemand seine Ansichten, sein tiefes Verlangen nach Perfektion und nach diesem… diesem Mehr verstanden. „Hast du ihn deshalb als Schüler akzeptiert? Weil du dachtest er wäre derjenige welche?“ Erneut schüttelte Dulacre den Kopf. „Ich habe es dir doch gerade bereits gesagt, Jirou. Er ist es nicht und ich habe es nie von ihm erwartet, er muss nicht perfekt sein, um mich zu übertreffen, schließlich bin ich es auch nicht. Lorenor wird der beste Schwertkämpfer der Welt, da bin ich mir ganz sicher.“ Seufzend ließ Dulacre sich auf seinen Stuhl neben dem Bett nieder und griff nach dem Büchlein auf Lorenors Nachttisch; es war der dritte Band, den Lorenor derzeit übersetzte. „Warum dann, Hawky? Ich begreife einfach nicht warum du ihn damals verschont hast. Du warst so beeindruckt von ihm. Ich weiß noch genau wie du mich vor einem Jahr angerufen und von ihm erzählt hast. Er ist gut, keine Frage, aber selbst als Loreen, nein selbst damals schon hat er deinen Kampfgeist erweckt, hat dieses Feuer bei dir entfacht, welches selbst Shanks nur mühselig am Brennen halten konnte. Ich verstehe einfach nicht… Oh.“ Während seiner Monologe war der Vizeadmiral im kargen Raum auf- und abgewandert, hatte dem Samurai immer wieder mal einen Blick zugeworfen aber die meiste Zeit mit verschränkten Armen zu sich selbst gesprochen. Nun war er endlich zu einem Ergebnis gekommen und sah zu Dulacre hinüber, der versuchte die unbekannten Runen vor sich zu entziffern. „So ist das also, er versteht es? Er versteht dich?“ Ohne aufzuschauen nickte Dulacre langsam. So unterschiedlich oder ähnlich sie einander auch sein mochten, das alles war nicht von Bedeutung. Selten führte er solche Gespräche mit Lorenor, aber es war auch nicht notwendig; selbst, wenn er die Worte nicht finden konnte, um zu beschreiben wonach es ihm sehnte so wusste er, dass Lorenor es verstand, es genauso verfolgte und suchte. Lorenor mochte noch so schlicht gestrickt sein und hatte eine naive Weltansicht, doch in der Schwertkunst war er der erste der verstand, der selbst ohne Worte verstand was Dulacre fühlte, wenn er ein Schwert hielt. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, dass Lorenor diese Dinge noch viel einfacher begriff als er selbst und oh wie ihn das aufregen konnte. „Weißt du“, murmelte er und sah über die runenbedeckten Seiten hinweg auf den schlafenden Piraten, „du hast Recht. Damals als er mir gegenüberstand im East Blue kam er mir nicht furchtbar talentiert vor; er konnte noch nicht einmal seine Schwerter davor bewahren zu zerbrechen. Mit fast zwanzig Jahren konnte er noch kein Haki anwenden. Nein, sein Gehabe hat mich gleichermaßen erheitert als auch beeindruckt. Seine Technik belustigt und verwundert. Aber du hast Recht, ich habe schon bedeutend stärkeren Gegnern gegenübergestanden, und trotzdem war der Kampf meist langweilig und meiner Zeit nicht würdig.“ „Und doch hat dieser Junge aus dem East Blue dein Blut in Wallung gebracht.“ Ein leises Grinsen schlich über seine Züge. „Ja.“ Nun seufzte Jiroushin leise. „Du bist unverbesserlich und so egoistisch. Du trainierst ihn nur damit du endlich einen würdigen Gegner hast, nicht wahr?“ „Natürlich. Warum sonst sollte ich es auch tun?“ Der andere schnaubte auf und ließ sich auf der Bettkante nieder. „Ich will mit ihm kämpfen, Jiroushin, ich will mit ihm kämpfen ohne Rücksicht auf Verluste, bis die Insel unter uns zerbricht und ich meinen Körper vor Schmerzen nicht mehr bewegen kann. Ich will mit ihm kämpfen, immer und immer wieder. Ich will endlich wieder richtig kämpfen, Jiroushin.“ Der Blondschopf betrachtete ihn kopfschüttelnd. „Du bist unmöglich. Seit wir damals auf Shanks trafen habe ich dich nicht mehr so wild reden hören. Ich wusste gar nicht, dass du dieses kindliche Verlangen immer noch in dir trägst.“ Dulacre entgegnete nichts. Wie sollte er jemandem der eine blutige Auseinandersetzung in jedem Fall verhindern wollte erklären, dass diese Gier ihn nie verließ. Oft war sie ruhig, waberte nur unter der Oberfläche, aber sie war nie fort. Das war der Preis, wenn man der Beste war, es gab niemanden mehr gegen den man sich voll entfalten konnte ohne die Gefahr eingehen zu müssen denjenigen zu töten und obwohl es Dulacre meist gleichgültig war, ob sein Feind überlebte, so lag der letzte Kampf indem er wirklich an seine Grenzen gekommen war schon viele Jahre zurück. Das war seine große Hoffnung. Das Lorenor zu einem solchen Gegner heranwachsen würde und er endlich jemanden hatte, bei dem er sich nicht mehr zurücknehmen musste. Ja, das war sein Traum, sein wahrer, egoistischer, selbstzerstörerischer Traum. Sein Blick lag immer noch auf dem bewusstlosen Jungspund. Er wusste gar nicht wann genau er begonnen hatte all seine Hoffnung in dieses Balg zu setzen, aber er wusste, dass es schon weit länger zurücklag als nur sechs Monate. Dann bemerkte er wie die klugen Augen seines Kindheitsfreundes ihn beobachteten und schaute auf. Schmunzelnd legte Jiroushin eine Hand an sein Kinn. „Er ist dir wirklich wichtig, nicht wahr?“ Herablassend lehnte er sich zurück. „Tze, was für eine unnötige Frage.“ Kopfschüttelnd erhob der andere sich. „So meinte ich das nicht. Ich meinte… du magst ihn, oder?“ Kopfschüttelnd legte Dulacre das Buch weg und verschränkte die Arme. „Geh dich duschen, Jiroushin, du riechst nach Schweiß und Dreck.“ Lachend nickte der andere, blieb jedoch stehen und sah mit vor Schreck aufgerissenen Augen aufs Bett. Dulacre folgte seinem Blick. „Immer wieder faszinierend, nicht wahr?“ Wie erwartet beeinflusste Lorenors Wahnsinn seinen Körper. Erst am Morgen hatte er als Loreen seine morgendlichen Runden absolviert, trotzdem verwandelte er sich gerade. Dulacre wusste, dass körperliche Erschöpfung die Rückverwandlung beschleunigte, ebenso wenn Lorenors Hakireserven deutlich ausgeschöpft waren. Bedeutete das, dass selbst wenn Lorenor sein inneres Monster kontrollieren lernen würde, er sich über kurz oder lang auf jeden Fall danach in Loreen verwandeln würde? Wenn ja, war das nur ein Grund mehr, dass er als Loreen deutlich stärker werden musste. „Wie ist das überhaupt möglich?“, murmelte Jiroushin fassungslos und trat einen Schritt näher ans Bett. „Ihr habt also die Wahrheit gesagt. Lorenor Zorro und Lady Loreen sind ein und dieselbe Person.“ „Was? Hast du wirklich noch daran gezweifelt? Bitte, wenn ich eine Ausrede gebraucht hätte, hätte ich mir etwas Plausibleres einfallen lassen.“ Der andere nickte abwesend. „Aber ich verstehe immer noch nicht, wie es möglich ist.“ Dulacre zuckte mit den Achseln. „Frag mich nicht. Das wenige, was Lorenor selbst über diesen seltsamen Zustand weiß, teilt er nur äußerst ungerne mit mir.“ „Konnte er das denn schon immer? Ist ja Wahnsinn, ein richtiger Gestaltwandler.“ „Nein, erst seit Senichi und erst seit dem Krieg kann er seine richtige Gestalt wieder annehmen. Es ist ziemlich nervig.“ „Ach so, das erklärt einiges“, murmelte der andere und hob die Bettdecke hoch. „Was machst du da, Jirou? Wenn das deine Frau wüsste...“ „Halt die Klappe, Hawky. Ich wollte nur etwas überprüfen.“ „Und das wäre?“ Er beobachtete wie der andere das linke Handgelenk des verzauberten Piraten vorsichtig hochhob. Es überraschte ihn nicht, dass Jiroushin im Laufe des Kampfes bemerkt hatte, dass Lorenor es geschont hatte. Er war ein äußerst aufmerksamer Beobachter und hatte mit Sicherheit sofort überlegt aus welchem Grund Lorenor gleich zu Beginn des Kampfes den Bambus aus der linken in die rechte Hand gewechselt hatte. „Seine Verletzungen bleiben also auch wenn er zu Loreen wird.“ „Natürlich. Ist ja nicht so, als ob sie einfach verschwinden würden. Im Gegenteil, was ihm als Lorenor Zorro kaum Probleme bereitet kann ihn in dieser Gestalt leicht behindern. Allerdings verheilen die Wunden in beiden Gestalten tatsächlich unterschiedlich.“ „Hawky?“ „Hmm?“ Sie sahen einander an. „Er sagte heute Morgen doch du hättest ihn durch den Raum geworfen. Das ist äußerst untypisch für dich.“ Mit einem halben Grinsen sah er weg. Wie sollte er Jiroushin nur erklären, dass jenes Verhalten leider Gottes gar nicht so untypisch für ihn war, sobald es Lorenor betraf? Doch als er an den Grund dieser Auseinandersetzung dachte, verging ihm das Grinsen. „Nataku war zuvor zu Besuch. Es war kein angenehmes Treffen, wie du dir denken kannst. Unglücklicherweise war Lorenor zur falschen Zeit am falschen Ort.“ „Ach, er war also wirklich schneller als ich.“ „Wohl wahr. Du wusstest also von meinem Vater?“ „Ja, du weißt doch Marineklatsch verbreitet sich schnell.“ Synchron seufzten sie. „Nataku sagt er läge im Sterben.“ „Oh, also soweit ich weiß liegt er auf der Krankenstation und musste wohl auch operiert werden, so schlimm soll es jedoch wohl noch nicht sein. Aber wir wissen beide ja, dass Nataku schon mal gerne eine dramatische Wortwahl hat.“ Vorsichtig deckte der Vizeadmiral den verzauberten Piraten wieder zu. „Wirst du ihn besuchen fahren?“, fragte der Blondschopf ihn dann. „Ich habe wichtigeres zu tun als durch die Weltgeschichte zu reisen um meinen Vater in einen Krankenbett zu sehen, Lorenor trainieren zum Beispiel.“ Der andere zuckte nur mit den Achseln. „Du siehst das anders?“ „Ach ich weiß nicht, ich will dir nichts vorschreiben, es ist deine Entscheidung und Gat und du habt wahrlich kein einfaches Verhältnis.“ Erneut zuckte Jiroushin mit den Achseln. „Ich an deiner Stelle würde wohl fahren.“ „Du auch?“ Der andere legte den Kopf schief. „Ich auch?“ „Lorenor hat mir gestern in etwa das gleiche geraten“, meinte er mit einem Seufzen und rieb sich durchs Gesicht. „Nun ja, wenn er und ich übereinstimmen scheint ja etwas Wahres dran zu sein. Ist es okay, wenn ich wieder das Zimmer am unteren Ende des Flures nehme? Das hat eine Badewanne.“ Der andere schritt bereits los. „Jaja mach nur, aber Jirou kann ich dich um etwas bitten?“ Mit großen Augen drehte der andere sich zu ihm um. „Ich werde dich nicht darum bitten Lorenor für seine Taten zu vergeben, natürlich nicht. Denn ich weiß nicht ob das überhaupt möglich ist.“ Nun hob der Vizeadmiral eine Augenbraue hoch und sah ihn ernst an. „Aber versuch bitte für ein paar Tage darüber hinwegzusehen und Lorenor kennen zu lernen, für mich. Ich glaube, dass du ihn mögen konntest, schließlich mochtest du auch Loreen.“ Seufzend rieb Jiroushin seinen Nacken. „Es tut mir leid, Hawky. Das ist nicht möglich. Ich werde mein Wort dir gegenüber halten und dir helfen und ich bin bereit Hochverrat zu begehen und alles was ich auf dieser Insel erlebt habe für mich zu behalten. Aber versteh mich nicht falsch, Hawky. Ich tue das für dich und nur für dich. In dem Moment wo er dir den Rücken zukehrt oder irgendetwas passiert, in genau diesem Moment werde ich ihn höchstpersönlich zur Marinehauptquartier zerren und ihm seine gerechte Strafe zukommen lassen. Verstehst du mich?“ Der Blondschopf ging, ließ einen entnervten Samurai zurück. „Ah, so ein verdammter Moralapostel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)