Kampf gegen das Schicksal von Faylen7 (Wunden der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Dunkles Dämmerlicht fiel hinein in ein gemütliches Zimmer, wo abgenutzte Kleidung müffelnd und unordentlich auf dem Boden lag. Schläfrig öffnete Will seine smaragdgrünen Augen, als die böswillige Kuckucksuhr mit ihren Scherzen anfing. Und obwohl er dachte, dieses Teufelsinstrument hätte den Geist aufgegeben, so folterte es erneut seine empfindlichen Hylianerohren. Will hüpfte murrend aus dem Bett, als ihm aber etwas anderes auffiel. Link wälzte sich in seinem Bett hin und her, brachte beinahe schaurige Töne aus seinem Mund und murmelte ständig Worte der Vergebung vor sich hin. Er wimmerte, bettelte gerade zu um Erbarmen, was den jungen Laundry irgendwie stutzig machte. Noch nie hatte der komische Kauz sich schwächlich verhalten, irgendwem gezeigt, was mit ihm innerlich los war... Geschwind und neugierig zündete Will eine Kerze an und tapste bedacht zu dem wimmernden Kerl hinüber. Er hielt die Kerze sorgsam und nicht zu nah an das kreidebleiche Gesicht eines Heroen, der vergessen wurde. Sein Gesicht schimmerte vor Schweiß. Seine Augen waren zusammengekniffen, als ob er nicht sehen wollte und durfte, was man ihm in den Träumen zeigte. Plötzlich zuckte er von einer Seite auf die andere und ließ einen Schrei aus seiner Kehle dringen. Was folgte war wieder ein unhaltbares Wimmern, wie das eines kleinen Kindes. Was beim Triforce träumte er? Link jedoch befand sich in seinen schicksalhaften Träumen erneut auf der alten Farm Lon-Lon. Der Boden unter seinen Füßen ausgedorrt und verwittert. Eine kalte Nachtluft wehte streng und bedrohlich um seine Ohren und die Farm schien leer. Das alte Lehmhaus war zerstört, der Stall und die kleinen Schuppen, wo das Futter für die Tiere lag, heruntergebrannt. Und inmitten des großen Auslaufgeheges für die kräftigen, muskulösen Pferde der Farm stieß ein bodenloser Krater in die Tiefe. Er sah die dunkle Wirklichkeit in erschreckender Erkenntnis, das wusste und fühlte Link in seinen Träumen. Er sah das, was andere nicht konnten. Seine müden, schweren Beine trugen ihn inmitten eines Ortes des Schicksal, dort wo eine Truhe, vielleicht auch ein Sarg, etwas noch Größeres und Gefährlicheres, das Antlitz der Lebenden vor demselben schützte. Stimmen wurden laut, schnalzend zogen sich ihre erbärmlichen, beißenden Laute über das staubige Steppengras. Geister wüteten vor seinen trübsinnigen Augen. Sie tanzten über das Gras, beachteten Links Anwesenheit nicht, als ob er tot wäre, ein Geist unter jenen, die selber vor dem Tode flohen, als ob sein Daseinsgrund nicht mehr zählte. Und da fegten jene an ihm vorbei, die dem neuen Bösen zu Diensten waren. Hylianer mit schwarzgefleckten Kutten und einem blutroten Dreieck auf der Stirn. Sie labten sich an Macht und Dummheit, sangen das letzte Leben aus dem einst so blühenden Lon-Lon. Sie sangen hetzend, umschmeichelt von schwarzer Magie und einem glühenden Atem der Macht, die ihnen versprach, wonach sie gierten. Die schwarzen Mäntel tanzten vor seinen Sinnen, entsetzlich und giftige Dämonensprache jaulend. Schwarze Mäntel brannten sich in seine unschuldige Seele, die doch schon lange mit Moblinblut befleckt auf Erlösung hoffte. Und die kindliche Seele weinte, während die schwarzen Mäntel sich ihrer annäherten und absurd kichernd um ihn tänzelten wie Clowns einer neuen Lächerlichkeit lobpreisend. Sie tanzten verachtend und kichernd, bis der junge Heroe gequält auf die Knie brach. Und die Finsternis auf der Farm nahm zu, lief wie Nebel aus dampfendem Pech über das verdorrte Gras, wo der junge Heroe wie ein Kind winselte... Plötzlich fühlte Link einen unangenehmen Druck auf seiner rechten Wange und hörte von irgendwo im Nebel eine Stimme nach ihm rufen. Er wollte aufwachen, wusste aber nicht, ob er wirklich in einer gewöhnlichen Traumwelt weilte. Und William Laundry bekam beinahe eine Krise, während er neben dem knarrenden Bett stand und dröhnend auf den schlafenden Kerl einredete und dieser lediglich wimmerte und sich hin und her wälzte. „Link! Verdammt noch mal, was treibst du denn in deiner Traumwelt!“, brüllte er und gab dem schlafenden die zweite Ohrfeige. „Scheiße, was mache ich denn jetzt?“, fluchte Will und kratzte sich an seinem Stoppelbart. Er wollte gerade losstürmen, um Newhead zu holen, als Link plötzlich, und auch das musste ein Außenstehender erst mal begreifen, in ,Dunklem Hylianisch’ redete. Will verstand nur ein paar Brocken dieser alten Sprache, die die Hylianer damals sprachen, als die Epoche der Kriege vor Tausenden Jahren, begann. Und Link redete wie ein Wasserfall in jener Sprache. Wo, beim heiligen Dreieck der Macht, hatte er das gelernt? Dann urplötzlich, genauso schnell wie es angefangen hatte, unterbrach er sein Wimmern, die Worte blieben in seiner Kehle und die heftigen, schreckhaften Ruderbewegungen mit den Armen und Beinen endeten. Benommen öffnete Link die tiefblauen Augen, fühlte sich dreckig und verdammt... Wie hypnotisiert starrte er an die Decke und schon wieder war das, was seine Augen preisgaben, so untypisch für ihn. Da lag grenzenloser Schmerz, Wut und Hass auf das ungerechtfertigte, dumme Schicksal, welches auf seinen Schultern lastete. Will schaute mit prüfendem Blick nieder und meinte belustigt: „Gut geschlafen?“ Sicherlich, er meinte es nur gut, aber sein Kommentar erzielte genau die gegensätzliche Wirkung. Link starrte ihn mit einem so hasserfüllten, beißenden Blick an, sodass Will zurückwich. „Hör’ auf mit deinen nutzlosen, idiotischen Scherzen!“, brüllte Link und drehte sich gen Wand. „Du machst mich krank damit!“ Doch so hatte sein Mitbewohner ihn noch nie angefahren, geschweige denn in diesem lauten, dröhnenden Tonfall. Verstummt ging Will zu seinem Schrank und zog sich graue Strumpfhose, schwarze Tunika und die Stiefel an. Als Will die Tür öffnete um sich in einen Badesaal zu begeben, kam ein leises: „Sorry“, über Links Lippen. Ein Seufzen entkam Wills Mund begleitet von einem Kopfschütteln. „Du solltest aufstehen, der Unterricht beginnt in einer halben Stunde.“ Aber Link reagierte lethargisch und starrte benommen und unwirklich an die Zimmerdecke. Erneut ein Alptraum, der von Gefahr und Verdammnis erzählte. Den Dingen, vor denen Link in den letzten Monaten ständig weggelaufen war... Er hasste es... bei Farores grünem Blut, er hasste es einfach... und er wollte es einfach nicht mehr... Damit verschwand Will und Link, so krank wie er sich fühlte, nickte noch einmal ein... Inzwischen zählte die Zeit kurz vor sieben, der Unterrichtsbeginn war nun gekommen, und Link lag immer noch erstarrt und leblos in seinem Bett. Seine Gedanken waren leer und ohne Sinn, sie schirmten ihn vor jeglichem Gefühl für die Realität in Hyrule ab... Verärgert tapste William Laundry einen langen Gang entlang. Verärgert über diese verdammte Ignoranz und Eigensinnigkeit dieses komischen Kauzes, mit dem er sich ein Zimmer teilte. Er hatte bloß versucht zu helfen. Warum musste Link ihn gleich so anfahren und so mies behandeln? So eine Gemeinheit... Grummelnd folgte der junge, schlanke Kerl einigen Treppenstufen in das Erdgeschoss, wo sich der große Vorlesungssaal für den Unterricht bei Lord Aschwheel befand. Beim Triforce, Will war so aufgeregt und freute sich beinahe heißblütig auf den Unterricht. Auch, wenn das Fach ziemlich interessant sein sollte, weil man vieles über alte Zeiten in Hyrule und vor allem Kriege erfuhr, so war dies nicht der einzige Grund, weshalb Will das Blut in den Adern kochte. Lord Aschwheel war ein geachteter Ritter mit einer langen beispiellosen Tradition und sein Wissen bezüglich der Historie Hyrules war schon fast legendär... Der einzige Nachteil war wohl das Gerücht, dass Aschwheel in seinen Unterrichtsmethoden mehr als streng sein sollte... Und ausgerechnet heute musste sein mürrischer Mitbewohner wieder auf einem seiner komischen Trips sein und lethargisch im Bett liegen, denn Will hatte den jungen, unbekannten Heroen weder im Badesaal, noch beim Frühstück angetroffen. Link musste wieder eingepennt sein, dachte Will und lief zielstrebig einen Gang entlang. Gedankenvoll lief er um eine Ecke, als ihn jemand provokant, vielleicht auch bloß unaufmerksam anrempelte. Wills Pergamentblätter, die magische Schiefertafel, die ihm seine hexende Großmutter vermacht hatte, und eine Feder purzelten aus seinen Händen. Er zankte sofort los und achtete erst gar nicht auf die Gestalt, die bedauernd aus zwei ungleichen Augen zu ihm blickte. Will schimpfte, nahm die Dinge wieder an sich und hatte erst jetzt das Bedürfnis die Person anzublicken, die beinahe seine Unterrichtsmaterialien ruiniert hätte. Großer Drache Volvagia, dachte er. Was war das denn? Verwundert musterte er ein junges, dürres Mädchen mit langem gekräuselten Haar, das in den rostroten Farben der Gerudo aufleuchtete. Ihre Augen waren unentschlossen und wässrig. Aber Will interessierte sich nicht für den Kummer, der in ihren Augen stand, sondern für die zwei gegensätzlichen Farben. Das rechte Auge erstrahlte in reinem, hellen Gold. Das andere aber zeugte von der finstersten Nacht überhaupt. Und noch etwas passte nicht in das Erscheinungsbild einer Gerudo... ihre spitzen Ohren... „Kannst du das nächste Mal nicht aufpassen, wo du hinläufst?“ Sie schaute ängstlich zu Boden und erst da bemerkte Will, wie sie zitterte. „Was machst du eigentlich hier?“ Ihre Augen verengten sich, als jemand danach fragte. Sicherlich, sie war eine Gerudo und sie war weiblich... zwei Gründe, für die man sie hier in der Schule belächelte. Sie war eine der Dirnen, die dem ein oder anderen Ritter hier eine Freude bereiten sollte, auch wenn es sie anwiderte, auch wenn sie es hasste. Es war die einzige Möglichkeit für sie zu überleben, da sie ohne Stand und Respekt von den Gerudo verstoßen wurde, und nichts gelernt hatte, was ihr helfen konnte, ihren Alltag zu bewältigen. „Entschuldigung. Ich wollte Euch nicht im Weg stehen“, meinte sie sachlich und ausgesprochen höflich, in der Hoffnung dieser Jugendliche würde nicht wie andere sich das Recht herausnehmen, ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Ihre Stimme war voll und führend wie die Wellen des großen Ozeans, der Hyrule umgab. Sie war selbst erst siebzehn und trotzdem war es für sie Gang und Gebe, dass Jungs von irgendwelchen eingebildeten Rittern, die noch nicht einmal das dreizehnte Lebensjahr erreicht hatte, auf sie einprügelten... „Schon gut... ich habe auch nicht wirklich aufgepasst. Sorry“, murmelte Will und trat dann an ihr vorbei, in Richtung einer großen Tür, die ihn sogleich verschluckte. Die Halbgerudo jedoch schaute irritiert drein... Schwermütig blickte der junge, vergessene Heroe in seinem Schlafzimmer an das dunkle Deckengewölbe. Immer noch hingen seine Gedanken in den Wirbeln der prophezeienden Träume seines Schicksals. Er konnte es ignorieren, er könnte es vergessen... aber damit war die Sache einfach nicht gegessen. Er steckte die Hände hinter den Kopf und grübelte verbissen über den Sinn dieser komischen Geschundenen der Macht. Und was war mit der Farm geschehen? Jeder, der die stolzen Gebäude der berühmten Lon-Lon-Farm erblickte, sah doch nicht das, was Augen in der Wirklichkeit sollten. Link wusste, dass Flammen meterhoch schlugen an jenem Tage, wo Verräter dieses Königreiches eine dunkle Truhe ausgegraben hatten. Und dann noch diese biestigen Moblins. Absurd war der Gedanke jener Dämonenunrat war einigen Hylianern zu Dienste gewesen. Nicht auszuhalten war jener Gedanke, ein Hylianer würde sich mit unreinem Moblinaas verbinden... einfach nur widerlich, dachte Link. Er warf einige Blicke auf die Uhr, wo es fünf vor sieben stand. Er wusste, dass es Zeit war aufzustehen, aber er wollte einfach nicht. Zum einen langweilte ihn sicherlich der Unterricht und zum anderen... fühlte er sich so schlapp... Gerade da öffnete jemand die Tür und trat unvermittelt und ungesittet in den Raum. „Was wollt Ihr hier?“, murrte der junge Heroe und richtete sich auf, indem er sich auf die wackligen Ellenbogen stützte. Das Licht in dem Zimmer war noch so trüb, dass er nicht erkennen konnte, wer da in den Raum hineintrat. Und ein Umhang, vielleicht hellbraun, war das einzige, was er in der Düsternis erkennen konnte. „Du dummer Junge, es wird Zeit, dass du aufstehst!“, sagte eine tiefe Stimme. Ein wenig kratzig. Ein wenig streng. Es musste eine ältere Frau sein, die hier missbilligend seine Leier begutachtete. Dann trat sie näher. Ihre Holzschuhe klapperten stetig auf dem Steinboden. „Lass’ dich nicht so hängen, dummer Junge. Willst du dein eigenes Schicksal beleidigen?“ Wie von Sinnen starrte er die Gestalt an. Dunkelblaue Augen stachen vom Umhang hervor. Tiefsinnig und ehrfürchtig... „Was wollt Ihr von mir? Schert Euch vom Acker“, murrte der Heroe. Aber das hätte er lieber unterlassen sollen. „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Ihre Stimme war alt und doch unleugbar gewaltsam. Sie packte den mürrischen Kerl unsanft und grob an einem Arm und zerrte ihn aus dem Bett heraus. „Du beschmutzt mit deinem schwächlichen Getue den Namen, den Ruf und die Würde deiner Ahnen.“ Link landete schockiert auf dem Teppich vor seinem Bett und starrte verwundert in die dunkelblauen Augen jener alten Dame. Das einzige, was er von ihrem faltenreichen Gesicht sehen konnte. „Dein Vater würde sich für dich schämen, dummer Junge.“ Links Augen wurden immer größer angesichts dieser Worte und bekam keinen Laut mehr aus dem Mund. „Steh’ auf!“, brüllte sie. Link wollte sich soeben rechtfertigen und dieser Dame eine ordentliche Standpauke vermitteln, weil sie ihre Nase nicht in seine Angelegenheiten stecken durfte. Die hatte von nichts eine Ahnung, wusste schließlich nicht, was mit ihm geschehen war, außerdem war sie eine Fremde. Was also wollte sie von ihm? Link schloss nur kurz die Augen und öffnete sie wieder. Aber er lag wieder in seinem Bett, auf dem Rücken, die Arme hinter den Kopf geschlagen. Er sah irritiert um sich... Eine Vision? „Steh auf und kämpfe... deine Ahnen würden sich für dich schämen...“, erklang es in seinen Gedanken. Er atmete tief ein und plötzlich stand er auf den torkelnden Beinen. Also schön, dachte er. Reiß dich zusammen, du angeblicher Held... Er trank einen Schluck Wasser vom dem Tonkrug, begann schon wieder zuzittern und rieb sich über die schmerzende Stirn. „Warum... kann... das... nicht... aufhören!“, brummte er. Er sprach jedes Wort einzeln und genervt. Er trampelte verbittert an das Bett und trat dann an den Schrank. Es dauerte ewig, ehe er mit der Schulkleidung aus dem Zimmer kroch. Mit hängenden Schultern lief er hechelnd die Stufen hinab und wollte am liebsten seinen Schädel in das neben ihm befindliche Steingemäuer schlagen. Und was war der Grund neben den Kopfschmerzen? Der einst so orientierungsvolle Held, der immer wusste, wo Westen und Osten waren, der immer eine ausgefuchste Vorstellung der Architektur von Orten verinnerlichte, die er betrat, wusste einfach nicht mehr, wo der Vorlesungssaal war... William saß in dem Augenblick heißblütig auf seinem Platz in der dritten Reihe, hatte eine Feder hinter das Elfenohr gesteckt und starrte zu der großen dunklen Tür. In dem Moment ging die Glocke, trällerte eine alte hylianische Morgenbegrüßung herunter und der einseitig gelähmte Aschwheel kam schleichend in den Raum. Und noch keine Spur von Link... Schon am ersten Tag zu spät zu kommen, war echt das dümmste, was er tun konnte... In dem Moment schlug Aschwheel geräuschvoll ein dickes Buch vor seiner Nase auf und setzte eine einarmige Lesebrille auf die Nase. Seine Augen beherrscht und stechend wanderten respektschaffend durch die tratschenden Reihen. Ian, der möglicherweise geachtetste bei vielen Jungs in der Schule, hatte wie immer seine schmierigen, schwarzen Lederstiefel lässig auf die Schreibfläche der hintersten Reihe gelegt und wartete grinsend auf Aschwheels Belehrung. Aber dieser ignorierte ihn vorerst, auch wenn es ihn wunderte jenen Nervenzwerg schon wieder hier anzutreffen. Denn eigentlich hatte dieser niedrigrangige Junge den ersten Teil der Vorlesung schon besucht. Dann blickte der alte Greis interessiert in die Reihen der neuen Gesichter. Er sah William Laundry, dessen Vater ein guter Ritter war. Guter Mann und guter Hylianer. Aber das Gesicht, welches er wirklich suchte, welches ihn verwunderte und irgendwie erstaunte, das war noch nicht hier. „Ruhe!“, ertönte es schließlich vom Vorlesungspult aus, da das nervtötende Getratsche der künftigen Ritter unter der hylianischen Flake unerträglich schien. Und sofort verstummte ehrfürchtig der Saal. Aschwheel stemmte seine linke Hand, denn die rechte war gelähmt, auf das Pult. „Geht doch“, sagte er und begann mit einem ausführlichen Plan zu dem Stoff für das erste Trimester. „Beginnen werden wir in Hyrules ausführlicher Geschichte mit der alten Legende der Göttinnen. Und der verwunschenen Vermählung Destinias, der Göttinnenmutter, mit den Sternen. Weitere wichtige Hauptabschnitte, die sich um die Dunklen Zeiten drehen, um die Kriege der Alten, sowie die Vernichtung des Dämonenvolkes der Chadarkna, möchte ich hier als Einblick anmerken. Den ausführlichen Plan...“ Damit nahm Aschwheel seinen Krückstock und humpelte zu einer Tafel, die an einer Backsteinwand stand. „...werde ich hier anbringen.“ Und er heftete die langen Liste von Themen mit Magneten an die Tafel. „Gibt es Fragen?“, sagte er laut und streng. Seine alte Stimme dröhnte durch den Saal. Sofort meldete sich ein Knirps des ersten Schuljahres. „Bitte!“ Eine unsichere Kinderstimme piepste von oben herab: „Werden wir auch die Legende der Helden Hyrules behandeln?“ „Ja, aber erst im dritten Trimester.“ „Weitere Fragen?“ Und Aschwheels gesunder Arm wanderte zu einem älteren Jungen, der verbissen und übertrieben seinen Arm in die Höhe reckte. „Stimmt es, dass der Held der Zeit existiert und an der Schule ist?“ Und plötzlich ging ein lautes Tuscheln durch den Vorlesungssaal. Jeder diskutierte. Jeder war außer Rand und Band. In dem Augenblick öffnete jemand mühevoll und schon fast erbärmlich die hohe Pforte in den Vorlesungsraum und das Tratschen verstummte wieder. Ein blonder Schopf kam zum Vorschein und ein müder Ausdruck stach aus einem blassen Gesicht. „Verzeihung... ich habe den Raum nicht gefunden“, hechelte der Spätkommende und wartete auf eine Predigt Aschwheels. Hoffentlich erinnerte dieser alte Kerl sich nicht daran, dass Link mit Schwindler vor wenigen Tagen in der Zelle saß... Aschwheel nickte, entgegen aller Erwartungen, entgegen aller Gerüchte über seine angebliche Strenge und meinte in ruhigem Tonfall: „Dann setz’ dich, Link.“ Verblüfft schaute der junge Heroe auf und nahm sofort auf der ersten Reihe Platz, wo niemand saß außer ihm. Und es passte zu ihm... abgesondert und allein saß er in der ersten Reihe. Ein Ausdruck von Besonderheit. Ein Ausdruck von Ungewöhnlichkeit. Lord Aschwheel blätterte ungeduldig in seinem Buch, als sich wieder jemand meldete. „Sir, ihr habt die Frage noch nicht beantwortet.“ Seine lebenserfahrenen, weisen Augen drangen umher und landeten schließlich bei Link, der sofort den Schädel neigte und lieber auf seine Pergamentblätter starrte. „Eine Frage, die ich nicht beantworten werde. Wenn euch interessiert, ob der Held der Zeit an der Schule ist, oder wenn ihr wissen wollt, wer er ist, dann müsst ihr das schon selber herausfinden. Ihr seid schließlich junge Ritteranwärter. Beweist Eure Tugenden und erfahrt selbst“, sprach er und verweilte mit den Augen auf Link, der bewusst die Hände zu Fäusten ballte. Da meldete sich William Laundry zu Wort und fragte ohne sich zu melden: „Ist es wahr, dass er einer der Schüler ist?“ Aschwheel funkelte ihn streitsüchtig an. „Ich sagte, ich beantworte keine Frage zu diesem Thema mehr. Und das nächste Mal wartest du, bist du aufgefordert wirst.“ Will wich zurück und ließ sich ernüchtert in den Platz sinken. „Andere Fragen?“ Und diesmal meldete sich niemand mehr. „Nun, dann zu dem wichtigsten: den Prüfungen in diesem Fach.“, meinte der Alte. „Am Ende des Trimesters werden immer schriftliche Prüfungen stattfinden, die sich auf den behandelten Abschnitt in der Literatur beziehen. Wer die Prüfung verpasst oder nicht besteht, wird von mir persönlich geprüft.“, erläuterte er und schaute mit seiner Lesebrille herausfordernd zu Ian. „Das gilt auch für dich Ian“, meinte Aschwheel mit verengten Augen. Wie oft hatte dieser Möchtegernritter schon die Prüfungen wiederholt. Wenn es nach Aschwheel ginge, wäre jener untalentierte Kerl schon lange der Schule verwiesen worden. Aber der Direktor hatte immer ein gutes Wort für Ian vorgewiesen. Kein Wunder... die beiden passten charakterlich ja auch zusammen wie Pech und Schwefel, dachte der Lehrende. „Also gut. Literatur zu den Vorlesungen findet ihr zusammengefasst in dem ,Lebensbuch Hyrules’. Aber leider sind unsere Ausgaben jenes Buches beim Brand vor fünf Monaten vernichtet worden. Daher müsst ihr auf die Schlossbibliothek zurückgreifen.“ Sofort hob sich Wills Arm in die Höhe und diesmal platzte er nicht einfach herein. „Ja?“ „Aber das sind zu Pferd drei Stunden zum Schloss.“ „Wo ist das Problem, William?“ „Und zu Fuß mehr als die Hälfte.“ „Wenn du dich schon zu Beginn über zusätzliche Arbeit beschwerst, hättest du mal lieber nicht mit dem Studium an der Ritterschule beginnen sollen“, murrte Aschwheel und alles an ihm, seine gereizte Tonlage, die Langeweile in seinem beißenden Blick machten seine Einstellung zu Wills bescheidenen, unüberlegten Fragen deutlich. Beschämt schaute Will auf die magische Schreibtafel seiner Großmutter und schwieg. „Gut. Dann möchte ich jetzt mit der Vermählung Destinias mit den Sternen beginnen.“ Und Aschwheel erzählte in wenigen Sätzen einen alten Mythos über die Göttinnenmutter, die sich an dem Antlitz der Sterne so erfreut hatte, dass sie ihnen mit Leib, Seele und Macht verfallen war und ihr Dasein in tausend Stücke riss, um mit jedem Stern am weiten Himmelszelt verbunden zu sein. Es hieß, sie hätte sich mit dem Licht der Sonnen vermählt und aus jener Vereinigung wäre in einem Regen aus Licht und Macht die Göttinnendreiheit entstanden. Farore, Din und Nayru waren es, die schließlich voller Gnade und Schöpferwille das große, gigantische Hyrule mit all seinen Völkern und auch Schattenseiten- denn jede Welt brauchte Licht und Dunkelheit- erschaffen hatten. Während einige junge Kerle erstaunt und fasziniert zu hörten, war Link dabei einzupennen. Wie oft hatte er diese Geschichte schon gehört... Zelda hatte sie ihm einige Male erzählt und Rauru, der Weise des Lichts, hatte den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als jedem Besucher diesen Mythos unter die Nase zu reiben. Etwas, was Nerven kostete und Link davon abhielt länger als einige Minute in der geistreichen Gesellschaft Raurus - geistreich in vielen Hinsichten- zu verbleiben. Inzwischen entkam ein Gähnen dem Mund des vergessenen Heroen und die Augen tränten voller Druck, weil sie ihm zufallen wollten und er sie angestrengt offen hielt. Er streckte sich, gähnte herzhaft und versuchte den Eindruck zu erwecken, aufmerksam mitzuschreiben... Die Hälfte der Stunde war vorüber, als plötzlich jemand mehrmals und in merkwürdigen Abständen an das Tor klopfte. „Schon wieder?“, murrte der Alte, tapste näher und öffnete mühselig das quietschende Tor. Als es zur Hälfte offen stand, wurde mit großer Wucht, das Tor ganz aufgedrückt und den einseitiggelähmten Aschwheel, welcher knapp daneben wankte, schlug es an die Steinmauer. Ein aufgeregter, dürrer Lehrer mit rosa Wams unter einer kupferfarbenen Rüstung rannte wie angestochen in den Raum und schielte aufgeregt zu dem Pult. Wie ein begossener Pudel lief er um das Pult herum, knisterte mit den Zähnen, sonderte merkwürdige Stottergeräusche ab und streichelte sich selbst andauernd über die rechte Wange. Jedem Schüler, der ihn kannte, huschte ein Grinsen über das Gesicht, denn diese Witzfigur war alles andere ein Grund zum Ernstnehmen. Lius Lorraux war sein Name und der eitle Kerl, der es sogar pflegte sich seine Fingernägel zu lackieren, hatte wohl keinen ungewöhnlicheren Namen verdienen können. Gewiss, jener ungeschickte Ritter, der so etwas wie zwei mehr als linke Füße und Hände hatte, war einer der hylianischen Lehrkräfte, aber man hatte ihm kein unwichtigeres Fach als den Tanzkurs und das Höfische Benehmen- welches sowieso kein Ritter als Tugend ansah- zuweisen können. Man munkelte sich sogar, der Kerl wäre einer jener, die ein wenig vom anderen Ufer stammten... Link wich zurück, als der komische Kerl ihn mit bräunlichen Augen fixierte und dabei wieder über seine eigene rechte Wange streichelte. „Wo ist denn nur Aschwheel? Es ist so viel passiert...“, jammerte er und doch konnte niemand ihn ernstnehmen. Denn Lorraux ganzer Tagesablauf bestand aus einem unersättlichen, angeblichen Trubel. Lord Aschwheel kam angehumpelt, schenkte Lius einen müden Blick und schüttelte den Schädel. „Wie kommt Ihr dazu, meinen Unterricht zu stören?“ „Aber... es ist doch... so viel passiert!“, jammerte er wieder und klimperte mit den Wimpern. Er faltete seine Hände in der Gebetshaltung der Göttinnen und meinte: „Ich muss doch die Anmeldungen für den Tanzkurs herumreichen.“ „Das könnt Ihr auch in Eurem Fach.“ „Aber da weiß ich doch noch nicht, wer kommt.“ „Das wisst ihr jetzt auch nicht. Verschwindet aus meinem Vorlesungssaal!“, murrte Aschwheel und konnte einfach nicht fassen, wie dümmlich dieser Lorraux doch war. Aus welchem Grund nur war dieser Ritter ein Lehrer an der Schule? Man müsste ihn eigentlich zu einer leichteren, dümmeren Arbeit verdonnern! „Aber deswegen bin ich nicht hier... es ist doch so...“ Aschwheel unterbrach ihn: „Ja, soviel passiert.“ „Der Direktor meinte, ich soll diesen Link dort holen, weil so viel passiert ist.“ Und Aschwheel, wie auch Lorraux schauten zu dem verwunderten Kerl, dessen Name so eben fiel. Erneut ging ein Tuscheln durch die Bänke. „Wieso das?“, wisperte Aschwheel, sodass es nicht einmal die erste Reihe hörte. „Man will ihn verhören wegen dem Mord des Hausmeisters.“ „Aber der Junge dort hat doch nichts damit zu tun!“, sagte Aschwheel lauter. „Möglicherweise doch. Möglicherweise doch“, flüsterte der schräge Typ. Aber der Alte ließ sich nicht darauf ein. „Nicht jetzt. Wir sind im Unterricht. Er kann ihn in der Pause befragen, die nach der Vorlesung ist.“ Das Gesicht des Tanzlehrers wurde ängstlicher und verriet mehr Jämmerlichkeit. Als ob zehn Gibdos um ihn standen, schielte er in jede Ecke des Raume. „Aber Viktor wird das nicht gefallen.“ „Es ist mir gleich, was ihm gefällt und was nicht. Unterricht bleibt Unterricht und Pause bleibt Pause. Und jetzt verzieht Euch, Lorraux.“ Jener aber schüttelte nur dem Kopf, wo sich die braunschwarze Perücke beinahe löste. Er schaukelte mit dem Kopf hin und her und rieb sich wie eine Katze erneut seine Wange, als er den Saal verließ. Verärgert trat Aschwheel wieder an das Pult und las weitere Geschichten und eindrucksvolle Mythen über Hyrules Ursprung vor... Am Ende der Vorlesung stürmten einige frohstimmend in ihre Pause, nachdem Aschwheel noch kurz ein Fest am Sonntag erwähnte, welches auf dem Innenhof zu Ehren der neuen Schüler stattfand. Link saß immer noch grüblerisch auf seinem Platz, sah William ihm zuwinken und dann aus dem Saal treten. Als der junge Heroe der letzte Schüler im großen Saal war, tapste er zu Aschwheel nach vorne. Ganz versunken in seiner Lektüre bemerkte er zunächst nicht den Blondschopf vor ihm und sah überrascht auf, als Links tiefblaue Augen das alte, zerflederte Buch musterten. „Noch Fragen, Link?“ Und Aschwheel zuckte mit den schokoladenbraunen, dicken Augenbrauen. „Ähm... ja. Wisst Ihr, wann die Trauerfeier Hopfdingens stattfindet?“ „Soweit ich weiß ist sie für Morgen Mittag angesetzt. Darf’ man fragen, was dich das interessiert?“ Link blickte schräg an dem Lehrer vorbei und meinte ehrlich: „Ich wollte daran teilnehmen.“ „Soso.“, murmelte Aschwheel skeptisch. Was kümmerte sich ein junger Ritteranwärter wie Link darum? „Ist es falsch, jemandem zu verabschieden, der einen solch grausamen Tod erleiden musste?“, rechtfertigte sich Link, der den Argwohn in dem alten Lehrergesicht sehr gut zu deuten wusste. Aber der Alte lächelte. „Du bist edelmütig, fast schon blaublütig, genau wie Nicholas sagte...“ Doch das wiederum erstaunte Link in vollem Maße. Er nickte scheu und lief langsam auf das Tor zu. „Noch ein Tipp“, sagte Aschwheel im Hintergrund und Link blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Wenn du von Viktor verhört werden solltest, lass’ dich nicht herausfordern.“ Schweigsam verschwand der Heroe aus dem Saal. Der gewitzte Laundryjunge wartete währenddessen neben der Tür auf seinen Mitbewohner und musste ein lautes ,Hey’ über die Lippen gleiten lassen, dass Link ihn überhaupt bemerkte. So sehr war er in seine Gedanken versunken. So sehr lastete der sogenannte Vorfall in den Jungtoiletten an seinem Gemüt. Und obwohl er so viele abscheuliche Dinge in seinem Heldendasein gesehen hatte, war ihm irgendetwas an dem ganzen Schrecken neu. Irgendetwas verunsicherte ihn. Irgendetwas störte. „Hat dir die Vorlesung gefallen?“, meinte Will. „Ja, aber ich kannte die Mythen schon...“ „Tatsächlich?“ Und der großgewachsene, kräftige Laundry war schon wieder verwundert über diesen Waisen ohne Nachnamen. Link nickte nur und ging nicht darauf ein. „Du musst zu Sir Viktor, was?“ „Genau, das hätte ich beinahe vergessen. Ich frag’ mich bloß, was der von mir will“, murrte Link, der sich ärgerte, dass dieser Mistkerl ihn um die Pause bringen wollte. Will klopfte seinem Kumpel auf die Schulter und meinte belustigt: „Nun ja, ich sehe dich dann beim Tanzunterricht. Bei dem schrägen Lorraux.“ „Bis dann. Und wegen heute früh... entschuldige noch mal.“ „Kein Thema.“ Und Link machte sich auf den Weg sich einem Gespräch, oder was auch immer, mit dem Direktor zu unterziehen, erleichtert, dass Will nach seiner üblen Aktion heute früh überhaupt noch mit ihm redete. Genervt klopfte der Held der Zeit an die große wengefarbene Tür und knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken Viktor, das falschgeratene Elend, würde ihm irgendetwas in die Schuhe schieben wollen. Denn das, so nahm Link an, konnte der einzige Grund sein, dass man ihn hierher beorderte. In dem Moment hörte er einen heftigen Schlag, ein Weinen und ein heulendes, rothaariges Mädchen stürmte aus dem Raum. Sie hielt sich ihre linke, wunde Wange, blickte kurz zu Link und rannte den Gang entlang. Sicherlich, der junge Heroe kannte das Mädchen nicht und hatte keine Ahnung, was Viktor ihr eigentlich angetan hatte, aber er kam nicht umher Viktor aus irgendeinem Grund noch mehr zu hassen. Frauen und Mädchen schlug man nun mal nicht, das entsprang immer schon seinen Idealen. Die Tür stand sperrangelweit offen, Viktor saß lässig in seinem breiten Sessel und hatte die schweren, mit Eisen beschlagenen Dreckstiefel auf den Schreibtisch vor seiner Nase gelegt. Er stocherte mit einem Stück spitzen Holz in seinem vernarbten Mund herum und quietschte plötzlich laut auf. Zur Freude Links hatte sich dieser Kerl das Stück Holz in unangenehme Partien seines Zahnfleisches gerammt. „Ich hatte dich vor einer Stunde bestellt!“ Und Viktor ließ seine schweren Stiefel niederkrachen. „Und nicht jetzt. Warte gefälligst bis du aufgerufen wirst.“ Viktors schwarze Augen verengten sich missbilligend. Murrend lief der junge Heroe dann eine Ewigkeit vor dem geschlossenen Tor entlang. Die Pause verging... und der Tanzunterricht musste auch schon angefangen haben... Zu genau jenem Zeitpunkt trat Prinzessin Zelda gedankenvoll in ihre luxuriösen Gemächer ein. Sie war in Eile, so wie immer die letzten Tage, trug weder eine Tiara noch irgendwelchen anderen königlichen Schmuck und sie genoss es, sie kostete es aus, einfach mal wieder das Prinzessinnensein zu verschmähen. Die Dämmerung brach herein und Zeldas warmherzige Augen beobachteten mit ungeduldiger Angespanntheit, preisgegeben durch silbrige Schimmer in ihrer Regenbogenhaut, die roten Fühler der Sonne, welche in alle Richtungen strebten. Einzigartig und magisch war jeder Morgen für sie. Ein Genuss, wenn man die schwärzeste Nacht sieben Jahre lang überlebt hatte... Ein Geschenk, dachte sie. Sie schnippte mit den Fingern und erinnerte den Grund für ihre aufgeregte Stimmung. Sie war auf der Suche nach einem bestimmten Gegenstand, den die Königin Hyrules ihr einst vermacht hatte. Zeldas Lächeln wurde milder als sie eine alte, nach Lack muffelnde Truhe öffnete und sie in allen möglichen Krimskrams herumwühlte. Jener Gegenstand, den sie suchte, war vor einigen Jahren noch, vielmehr ein Kinderspielzeug für Zelda gewesen, bis sie an einem bedeutenden Tage mit Entzücken und einer erschreckenden Erkenntnis die Wahrheit über jenen merkwürdige Gegenstand herausgefunden hatte. Alles nur, weil Link ihr einst über das Auge der Wahrheit erzählt hatte. Eine nützliche Waffe, mit der man das sichtbar machen konnte, was nicht gesehen werden wollte. Und das Geschenk ihrer Mama bestand ebenso aus einer besonderen Linse, die sich im Inneren eines Kaleidoskops verbarg. Und wenn man durchblickte, so bildeten sich in jenem Kaleidoskop nicht verschiedene Muster, zusammengesetzt aus bunten Steinchen, sondern eine fremde, beängstigende Wahrheit, die ebenso wie das Auge der Wahrheit, Dinge sichtbar machen konnte. Es machte das den Hylianern zugänglich, was zwar gesehen werden will, aber nicht darf. Das Kaleidoskop der Erkenntnis durchbrach die Schleier der Unwirklichkeit, die man manchen Orten, Menschen und Dingen auferlegt hatte... und vielleicht brach es ebenso Flüche... Denn die junge Prinzessin kannte einige Flüche, mit denen man die Wirklichkeit auf herabwürdigende Art und Weise vernebeln konnte, vor den Sinnen und vor dem Schicksal... Sie lachte laut auf, als ihr das weißliche, porzellanartige Kaleidoskop wieder in die Hände fiel. Von außen her sah es aus wie ein kleines Rohr, vielleicht ein Fernrohr, aber es war abgenutzt. Ein Klopfen an die große, dunkle Tür in Zeldas geschmackvoller Wohnstube riss sie aus ihren Gedanken und sie murmelte sogleich: „Bitte?“ „Ich bin es, Valiant. Du wolltest mich sprechen?“ „Ja, tritt’ herein.“ Und die große Tür öffnete sich beinahe geräuschlos. Valiant von Hyrule trat ein, bekleidet in seiner schwarzen Tunika und den vielen Abzeichen an seiner Brust. „Was gibt es denn, Cousinchen?“ Zelda wand sich lächelnd zu ihm. Ein wunderbarer Ausdruck in ihrem ebenmäßigem Gesicht. Zauberhaft... vielleicht ein wenig verträumt. Jeder junge Bursche im hylianischen Lande würde seinen Kopf herhalten, wenn ihm dieses Lächeln gelten würde. Aber jener, dem eine Geste so voller Wärme und Mitgefühl geschenkt wurde, hatte nur Mitleid als Grund und Ursache ihres Blickes akzeptiert. Und es war dumm, dachte Valiant. Nur dem Helden der Zeit galt dieser Blick und er war zu stur, zu stolz um die Wärme darin anzunehmen oder zu erwidern. Es mochte vielleicht ein Wunder sein, dass Zelda stetig darauf vertraute, dass Link eines Tages wieder der sein würde, der er einst für sie war. Ein Wunder, dass die Prinzessin dem Mut für diesen ehrlichen Blick nicht abgeschworen hatte. „Das tut dir nicht gut, Cousinchen.“ Und Valiant trat näher, legte ihr die Hände auf die Schultern, nur um ihr Verständnis zu schenken, aber Zelda ließ das hübsche Haupt sinken. „Ich weiß...“, flüsterte sie und legte eine Hand auf ihr Herz. „Aber ich kann ihn mir nicht einfach aus der Seele reißen...“ Sie wich zurück und rieb mit allen Fingerspitzen an ihren Schläfen. „Und was willst du stattdessen? Dich verletzen lassen?“ Trübsinnig sah sie auf. „Er wird dich verletzen, Zelda.“, sagte Valiant. „Das nennt man ausgleichende Gerechtigkeit“, sagte Zelda kühl und einer nie da gewesenen Halbherzigkeit. „Wie oft habe ich ihn verletzt, im Stich gelassen und sein Vertrauen enttäuscht. Alles nur, weil das Schicksal es verlangte. Nimmst du wirklich an, ich würde gerade jetzt, in dieser herben Zeit, nicht mehr zu ihm stehen wollen? Nach all’ den Ereignissen?“ Da war Empörung in ihrem Blick, belegt mit der wenigen Hoffnung an Links einstige Stärke... „Aber du verlangst mehr als er dir jemals geben kann.“ Zeldas Augenbrauen zogen sich hinab und ihre Augen formten sich zu Schlitzen. Sie schüttelte missbilligend den Kopf und sagte beflissen. „Bitte schweig’, Valiant.“ „Den Teufel werde ich tun, Zelda. Er ist nicht in der Lage zu lieben, das weißt du, das wusstest du immer schon, weil er unter ganz anderen Umständen aufgewachsen ist. Er hätte niemals so bestialisch töten können, wenn sein Herz nicht aus Stein wäre...“ Doch dies ließ Zelda sich nicht mehr bieten. Diese Einstellung teilte sie einfach nicht. Was waren das für billige Argumente, die Valiant vorbrachte? Sie wusste, dass sich ihr Heroe immer nach Wärme und Zuneigung gesehnt hatte. Und nur weil er nicht unter gewöhnlichen Umständen aufgewachsen war, nur weil er dem Tod in die Augen gesehen hatte, mehr als einmal, so hieß das nicht, dass er kein Herz hatte. Ganz im Gegenteil... Sie spürte die Güte in Links Seele, sie spürte unermessliche Bedürfnisse nach Frieden und Innigkeit. Dinge, die ein Herz auszeichneten, welches lieben und begehren konnte. Und in den nächsten Wochen würde sie die Beweise dafür erbringen, dass selbst ein Held, der möglicherweise durch tragische Momente im Krieg abgestumpft war, lernte zu hassen, lernte zu vergessen, in der Lage war ehrlich und aufrichtig zu lieben. Sie würde es beweisen, mit allem Mitteln, egal wie... „Doch... Link ist in der Lage zu lieben, anders und reiner als du es dir vorstellen kannst“, sagte sie trotzig und setzte erneut das markante Lächeln auf, wenn sie an ihn dachte. „Und irgendwann wirst du sehen können, was in ihm schlummert. Er ist kein Unmensch und er ist nicht so kalt, wie er es jedem beweisen will. Sein Herz ist voller Sehnsucht und Güte... bitte verschone mich mit deinen Ratschlägen, Valiant. Ich weiß, was ich tue...“, endete Zelda und blickte erneut in das strahlende Rot der Morgendämmerung. „Dann sag’ mir aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt... Denn er wird dir das Herz brechen.“ ,Das ist es doch schon lange...’ , setzte sie in Gedanken hinzu. ,Seit Links Abreise nach Termina...’ Eigentlich schade, dass Zelda so wenig über seine Abenteuer in der sagenumwobenen Parallelwelt wusste... aber sie würde eines Tages schon herausbekommen, was damals geschehen war... „Zelda?“ „Ja? Möchtest du mir weiterhin raten, mich von Link fern zu halten?“ „Nein... aber ich möchte, dass du wenigstens ein wenig Abstand hältst. Ich möchte, dass du an deine eigenen Kräfte denkst, denn Hyrule braucht dich.“ „Genauso wie es seinen Helden der Zeit braucht...“ Valiant seufzte angesichts Zeldas steinharten Dickschädel. Und wie sie trotzen konnte... Schon damals, als sie beide noch Kinder waren, hatte die junge Prinzessin immer ihren Kopf durchgesetzt, wenn nötig war sie damit sogar durch die Wände gegangen. Und vermutlich würde es immer so bleiben. „Was war nun der Grund, dass du mich hierher bestellt hast?“, fragte Valiant und schüttelte mit dem Kopf, ignorierte diese Hartnäckigkeit, die Zelda fast vollständig umhüllte, wenn sie an Link dachte und ärgerte sich über sich selbst und seinen eigenen Einfallspinsel. „Ich möchte, dass du Link etwas überreichst, sobald du ihn wiedertriffst.“ „Aber warum ich? Gibt es dafür nicht Boten?“ „Ja, aber ich möchte, dass du als Vertrauter und als Mitglied der königlichen Familie ihm etwas überreichst.“ Und Zelda drückte das Kaleidoskop in die rauen Hände Valiants. „Das ist ja... das Kaleidoskop deiner Mutter...“ „Richtig, aber Link wird es in Zukunft gebrauchen können. Sag’ ihm bitte, dass es nicht wie das Auge der Wahrheit arbeitet, sondern sichtbar macht, was zwar gesehen werden will, aber nicht darf, okay?“ Valiant seufzte: „Na gut, Cousinchen...“ „Danke!“ Und Zelda drückte einen kleinen Kuss auf Valiants Wange, grabschte nach einem dunkelgrauen Mantel und warf sich diesen um. „Entschuldige, ich bin in Eile.“ Valiant nickte und verabschiedete seine Cousine... Derweil stieg dem jungen Link vor Wut das Blut in den hitzigen Kopf. „Und was bitte schön soll’ ich hier?“, äußerte der Heroe bissig als er stur und genervt in das Büro Viktors gebeten wurde. Der Direktor legte seine Arme auf den Tisch und sagte streng: „Du warst einer der ersten, die den toten Hausmeister gesehen haben.“ „Und? Macht mich das verdächtig?“, sagte er sarkastisch. Und die Lehrkraft strich sich mit überheblichem Blick über die Aknenarben in seinem hochmütigen Gesicht. Er lachte hämisch und ließ sich knarrend in seinen Sessel zurücksinken. „Wo hast du ihn versteckt!“ „Was habe ich versteckt?“ „Hopfdingens Ring.“ „Ich habe keinen Ring!“ „Du brauchst gar nicht so unschuldig zu tun. Mondrik Heagen wurde schon befragt. Also bleibst nur du.“ „Aber ich weiß nichts von einem Ring.“ „Das werden wir sehen. Ich veranlasse eine Zimmerdurchsuchung. Wenn wir den Ring des Hausmeisters dort finden, fliegst du. Und dann hilft dir dein angeblicher Titel oder eine noch so gute Beziehung zur Königstochter Hyrules auch nicht aus der Patsche, Heldchen.“ Links Blick durchbohrte den Direktor wie ein Speer, bevor der Heroe aus dem Raum tapste. Und die zweite Unterrichtsstunde, bei der sich der Heroe entschuldigen müsste... Verärgert stand er vor dem Tanzsaal dieses Lorraux, aber als Link eintrat, war der Saal bereits leer. ,Na wunderbar’, dachte er. Er hatte seine erste Stunde geschwänzt und das nicht mal absichtlich... Es folgte der Schwertunterricht, wo Link und William die einzigen älteren Schüler zwischen einer Horde von unerfahrenen Dreizehnjährigen waren. Die Sonne lachte, ein Grund mehr, dass Viktor seinen Unterricht nach draußen verlagerte. Aufgereiht standen sechsundzwanzig junge Burschen vor dem Direktor, der jeden von oben herab beäugte und sofort über den ein oder anderen urteilte. Sechsundzwanzig junge Anwärter, denen bald das Schwertkämpfen keinen Spaß mehr machen würde... Viktor klapperte mit seiner Rüstung und lief von einem Ende der Reihe zur nächsten, bedacht den ersten Schweißtropfen der Angst von einem der Bengel zu bemerken. Link verzog nicht eine Miene und sah kampfbereit drein. Sein Blick hätte jeden Moblin im Umkreis zu Stein erstarren lassen können, so gefährlich und doch über die Maßen beherrscht war jener Blick. Ein Ausdruck von Macht, den nicht einmal Viktor deuten konnte. Das Klappern der teuren Silberrüstung des Lehrers stoppte und jener stand herausfordernd, wie auch herablassend vor Link, der nicht einen Mucks machte. „Langweilt dich dieser Unterricht denn nicht, Heldchen?“ Aber Link schwieg und fühlte seine eigene Macht brodeln, und manchmal schlug die Energie des Helden der Zeit über die Ufer... und wenn jener Moment käme, würde sich Viktor verbieten solche Äußerungen zu halten. William neben Link jedoch ließ sich durch diese Bemerkung aus der Reserve locken und schwenkte seinen Kopf zu Viktor, erstaunt, dass jener Kerl ,Heldchen’ zu Link sagte. Aber auch wenn William nicht von schlechten Eltern war und eine Menge Grips vorweisen konnte, so käme er nicht einmal beim Tag des letzten Vollmondes auf den Dreh, dass der legendäre Held der Völker Hyrules direkt neben ihm stand. Viktors Mundwinkel zogen sich nach oben. Bellend sagte er: „Na bitte, da haben wir ja unseren ersten Freiwilligen.“ Und er ließ Will vortreten, der nun die Belehrung seines Lebens erhalten würde. Gefasst hielt Will ein abgenutztes Holzschwert in der Hand und stand furchtvoll vor Viktor. Grinsend musterte Viktor Wills kindlichen Ausdruck mit dem Schwert und schien angesichts seiner krankhaften Vorfreude zu explodieren. Der Freude, dem ersten Jungspund beizubringen, wie unfähig er war. Er leckte sich über die Oberlippe und forderte William mit einer provokativen Handbewegung heraus. Aber Will zögerte und schaute ratsuchend zu Link. Es war der Blick des unbekannten Heroen, der dem jungen Laundry schon wieder nur Rätsel aufgab... „Was ist? Muss man dir erst Feuer unterm Hintern machen?“, reizte Viktor und trat einen Schritt näher. Das Übungsschwert fest umfasst stürmte Will näher und spürte sofort den Gegenschlag des anderen Schwertes, welches Viktor mit übermäßig viel Kraft führte. Will verschlug es aufgrund der Wucht meterweit nach hinten und er landete auf dem schmerzenden Hosenboden. Viktor lachte und stützte sich zufrieden auf das Holzschwert. Den Kopf hängend trat William zurück in die Reihe und schaute gedemütigt zu Boden. Link neben ihm gab ihm einen gutgemeinten Stups. „Wer will der nächste sein?“ Keiner antwortete. „Auch gut“, quiekte der Kerl und hielt sich vor Lachen den Wanst fest. Alsdann forderte Viktor die jungen Burschen auf, sich zu setzten und aufmerksam seine Bewegungen mit dem Schwert zu folgen. Überaus stolz auf seine eigene Eleganz brachte er den baldigen Rittern die Grundlagen bei... Link kratzte währenddessen genervt undefinierbare Buchstaben mit dem Zeigefinger in den Sand, hörte Viktors trockene Stimme nur noch von Weiten und hoffte auf ein Ende dieser Stunde, zumal sich Viktors angebliche Erfahrungen im Umgang mit dem Schwert als ein guter Scherz herausstellten... Der Held der Zeit sah auf, sah Viktors Bewegungen langsam... wie in Zeitlupe... träge und lahm... ablaufen. Viktors einzige Stärke war für Link schnell ersichtlich... Kraft... Kraft... lediglich Kraft... Links Gedanken wurden schwerer... während er den Bewegungen Viktors zusah, der kraftvoll sein Langschwert führte. Die scharfe Klinge sauste zischend durch die stumme Luft, kitzelte den Nerv der Luftgeister, die das unsichtbare Blut daran leckten... Die Klinge glitzerte im heißen Sonnenlicht begleitet von den schrillen Kampfgeschrei aus Viktors belegter Kehle. Und doch, obwohl jeder Schüler einschließlich Will gebannt zusah, war es nichts. Nichts für den Helden der Zeit. Es war der Kern der Bewegungen, jede Kleinigkeit, die Link nun ins Auge fiel. Und sie waren hinkend, hässlich... unelegant, ohne Ehrgeiz und Mut... Prüde sah der junge Heroe zu dem Sandboden, schaute auf das, was er selbst ohne Wissen in den Sand geschrieben hatte. Ein hylianisches, altes Zeichen, welches für den Buchstaben ,F’ stand... Der weitere Unterricht bei Viktor gestaltete sich als eine Belehrung über den Gebrauch von Schwertern, und als Spitze des Eisberges durften die jungen Schüler einige ermüdende, trockene Übungen mit einem Holzschwert durchführen, wobei Link sich schauspielerisch so dämlich wie möglich anstellte... Link verfluchte den Schwertunterricht jetzt schon... Am Ende des Schwertunterrichts, stürmten gerade einige Mädchen der naheliegenden Schule aus einem hohen Tor und platzierten sich im Park mit bunten Decken auf der saftiggrünen Wiese. Die meisten hatten Sticksachen und einige Schalen mit einer Salatmischung in den Händen. Träumerisch schaute der junge Heroe zu ihnen hinüber und wunderte sich, dass unter dem Haufen Mädchen Ariana nicht auszumachen war. Aber was interessierte ihn eigentlich der Verbleib dieser kleinen Hexe? Ariana Blacksmith war nicht nur hinterhältig und streitsüchtig, sondern konnte einem anständigen Hylianer mit ihren unabsehbaren Handlungen das ganze Leben kaputt machen, dachte er. Also konnte es ihm doch total egal sein, was dieses Biest so trieb... „Suchst du mich?“, sagte eine freche Stimme hinter ihm. „Eher würde ich die Hölle aufsuchen...“, murrte Link und drehte sich um zu ein paar bernsteinfarbenen Augen, die ihn fast trübsinnig musterten. „Dann pass’ bloß auf, dass du den Weg aus der Hölle wiederfindest“, muckte sie und schüttelte verbittert den Schädel. „Das ist ja wohl nicht dein Problem.“ „Es ist mehr mein Problem als du heute und hier vermutest, Link.“ Sie trat einen Schritt näher und blickte direkt in seine tiefblauen Augen, als würde sie etwas darin erforschen wollen. Link wich zurück. Aber Ariana rückte um so näher. „Und genau das ist eines deiner Probleme. Du bist nicht in der Lage Nähe zuzulassen.“ Baff sah er drein und suchte nach einer entsprechenden Fluchtmöglichkeit. „Du hast überhaupt keine Ahnung von meinen Problemen, du billige Pute“, schimpfte er. Was nahm sich diese Ariana überhaupt heraus? „Zähme deine verdammten Schimpfwörter, sonst bleibt dir das nächste tückisch im Hals stecken!“ „Was soll das denn sein? Denkst du, ich lass’ mir von dir Rede und Antwort stehlen?“ „Ja, alles in allem, denke ich das.“ Verärgert breitete der Heroe seine Arme auseinander und einige Muskeln in den Armen und Händen spannten sich an. Ariana wich wieder näher, sodass sie nur wenige Millimeter von seiner Nasenspitze entfernt schien. „Wenn jemand versucht dir zu helfen, zu dir durchzudringen, wirst du grantig und herzlos. Ein weiteres deiner sogenannten Probleme. Du weist andere ab, obwohl du dir wünschst, geachtet und respektiert zu werden.“ Link starrte sprachlos zu Boden. Entsetzlich, wie viel Ariana über ihn wusste, obwohl sie ihn noch nicht lange kannte. „Obwohl du dir wünschst, geliebt zu werden...“ setzte sie leise hinzu und legte eine Hand auf Links rechte Wange. „Du weißt überhaupt nichts!“, fauchte er, schlug ihre Hand weg. Er stapfte irritiert von dannen und hörte Ariana noch hinter ihm herrufen. „Lauf’ bloß weg, du Feigling. Aber es kommt der Tag, wo du dich an meine Worte erinnern wirst.“ Ihre Stimme laut und eindringlich. Ariana blickte dem verärgerten Heroen noch eine Weile hinterher, bis er in der Ritterschule verschwand und dachte leise, ihre Hände über dem Herzen. ,Irgendwann wirst du auch meine Nähe zulassen.’ Wutentbrannt starrte Link auf das Essen seines Tellers. Der wohlige Hähnchenduft, das rahmige Gemüse und die dampfenden Kartoffeln interessierten ihn im Moment nicht. Das bunte Getratschte im prallgefüllten Speisesaal hörte er nicht. Seine Gedanken waren bei Ariana, dem unverschämten Trampel, das ihn ,Feigling’ genannt hatte. Bei Farore, wie er dieses Wort verabscheute, wie er es hasste. ,Feigling. Du Feigling...’ Das konnte er doch nicht auf sich sitzen lassen. Will neben ihm stocherte gerade in seinem Essen herum, als Link ihn ansprach: „Sag’ mal, denkst du... ich bin ein Feigling?“ Doch das wunderte William, wo Link doch immer so verschwiegen war. Eines der ersten Male, wo er wissen wollte, was andere von ihm hielten. „Wie kommst du denn darauf?“, meinte Will. Nun war es Link, der im Essen herumstocherte. „Ariana nennt mich einen Feigling.“ Ein markantes Grinsen kam zum Vorschein, gespeist von Bewunderung in ein paar grünen Augen. „Na das nenn’ ich ja mal ne Leistung.“, lachte Will. „Was ist daran denn so komisch?“ „Die Tatsache, dass sich Ariana wagt, dich zu beleidigen. Ich würde mir das nicht wagen.“, entgegnete Will. „Wie meinst du das denn?“ „Nun... zumal du besser kämpfen kannst als ich“, entgegnete er. „Und sobald Ariana herausfindet, was du kannst, dann wird sie das sicher unterlassen.“ Und der junge Laundry stand auf. „Lass’ uns draußen essen. Hier versteht man ja sein eigenes Wort nicht mehr.“ Und das Getratsche in dem Saal dröhnte schon fast schmerzhaft in empfindlichen Hylianerohren. Sodann schlängelten sich die beiden durch weitere hungrige Mäuler und platzierten sich auf eine Wiese außerhalb. Link lag lässig auf seinem Bauch und aß zufrieden das Mahl. Seine Augen wanderten erneut ungewollt zu Ariana, einem Mädchen, von dem er nicht wusste, was er von ihr halten sollte. Gestern Abend zum Beispiel war sie so zuvorkommend und freundlich gewesen und heute zeigte sie ihm die kalte, hartherzige Schulter. Sie hätte ihn nicht beleidigen müssen und sie hätte dieses böswillige Schimpfwort nicht sagen müssen... „Du magst sie, oder? Sonst würde es dir nicht so an die Nieren gehen, dass sie dich beleidigt hat.“ Und auch William schaute zu der eleganten, eigensinnigen Dame hinüber. „Hübsch ist sie jedenfalls, dafür, dass sie bloß eine Schmiedstochter ist.“ Tatsächlich war sie das und es schien, als bemerkte Link ihre Schönheit gerade erst in diesem Augenblick. Ihre Haut war ziemlich weiß, fast blass, und schön, als ob sie in Milch baden würde. Das lange, gewellte Haar hatte sie geflochten über ihrer rechten Schulter liegen und lief bis über die Brust. Das dunkelgrüne Samtkleid, welches sie trug, mit aufwendiger Schnürung betonte ihre Maße. Nur eines störte. Ein paar lederne Stiefel, die sonst kein Mädchen in der berühmten, fabulösen Mädchenschule trug, stachen unter dem Saum ihres Kleides hervor. „Ich weiß eigentlich nicht, warum mich das überhaupt ärgert... Zumal sie mich nicht kennt“, sagte Link. „Na ja, dich kennt ja wohl auch niemand“, bemerkte William und ließ den Kopf schief hängen. „Ich meine, ich weiß jetzt ein paar Dinge über dich, aber was du zum Beispiel in der Schule willst, das begreife ich nicht.“ „Ich habe doch gesagt, dass mir jemand dazu geraten hat.“ „Ja, das hast du gesagt, aber man erfährt von dir kein Sterbenswörtchen über das Warum, Wieso, über deine Motive, oder über deine Vergangenheit.“ Link gab ihm einen müden, ehrlichen Blick. „Da gibt es nichts interessantes...“, meinte der Held und belog sich einmal mehr selbst mit seinen eigenen Worten... Aber es würde der Tag kommen, da jeder wusste, was in ihm schlummerte. In wenigen Monaten müsste er sich seinem eigenen Schicksal stellen, er müsste sich offenbaren, weil die Zukunft Hyrules daran geknüpft sein würde... „Was ich dir noch sagen wollte... wegen Viktor...“, begann Link und biss genüsslich von seinem Hähnchenschenkel. Das saftige Fleisch tropfte von seinen Lippen. „Für eine Niederlage gegen Viktor braucht sich keiner hier schämen“, meinte er und erinnerte gestochen scharf dessen Kampfstil. „Auf einem Schlachtfeld zählt nicht nur Kraft! Sondern so viel mehr, wie Geschicklichkeit, Taktik, Mut. Mit Viktors Techniken und seinem billigen Kampfstil kommt man nicht sehr weit.“ „Woher weißt du das denn?“ Und Link grinste beinahe. „Sagen wir es so... ich weiß es einfach... “ ,Denn der Held der Zeit muss es wissen’, setzte er in Gedanken hinzu. In dem Augenblick tapste Ian mit seinem Schwarm von untergebenen Kerlen an Link vorbei, zielstrebig auf Ariana zu, die ein Buch in der Hand hatte und gedankenversunken darin blätterte. Sie saß alleine auf einer dunkellackierten Parkbank, direkt unter einer alten Linde und bemerkte nicht, wie Ians Gruppe direkt in ihre Richtung marschierte. Erst als die fünf Kerle zu lachen anfingen, blickte Ariana auf. Sofort ein temperamentvoller, feuriger Ausdruck voller Macht und Erhabenheit in ihren bernsteinfarbenen Augen. „Hey, Schönheit“, sagte Ian, trat direkt vor sie, während die anderen Kerle wie Geier um Aas um sie herumschlichen. „Meinst du nicht, dass Bücher zu anstrengend und zu hoch für ein Mädchen sind?“ Und Ian zerrte schnell und ruppig das Buch aus Arianas Händen. Empört hüfte das schwarzhaarige Mädchen auf ihre Beine und grabschte nach dem Buch, aber Ian wich zurück und zwei andere Kerle aus seiner Gruppe packten Ariana an den Armen, beförderten sie zurück auf die Parkbank. „,Allmächtige verzagen nie?’ Was ist das denn für ein Buch?“ Giftig fauchte Ariana: „Überfordert dich dieser Titel, du mieser Kerl.“ Überrascht funkelten Ians rabenschwarze Augen zu ihr herunter. „Sieh’ einer an. Du bist ja eine gang, ganz Rebellische, was?“ „Nein“, giftete sie. „Ich bin nur intelligenter als du, Trampel.“ Sie streckte die Hand und forderte ihr Buch zurück. „Her damit!“ Ians Grinsen war schmierig und uneinsichtig. „Wozu? Du bist schließlich nur ein Mädchen und Weiber wie du haben nichts mit Büchern am Hut. Lesen ist was für Kerle und Bücher haben in deiner Welt nichts verloren. Beschäftige dich lieber mit dem Kinderkriegen, dem Sticken und Nähen und dem Ballett.“ Ariana sah gedemütigt auf. „Was nimmst du dir eigentlich raus, du Schwein.“ „Sieh’ einer an. Schimpfwörter kennst du wohl alle sehr gut, was?“, sagte Ian belustigt, während die anderen Kerle ebenso zu lachen anfingen. „Nun sei’ nicht so zickig, Schönheit“, schleimte Ian. „Ich will dich doch nur kennen lernen.“ „Ich dich aber nicht!“ Standhaft blickte sie in sein unbeeindrucktes Feixen. „Und was sagst du jetzt?“ Genießend riss Ian das handgeschriebene Buch in der Mitte entzwei und die Zettel flogen durch die Lüfte. Entsetzt sah Ariana zu, hetzte auf und krallte sich die Zettel, als wären sie das Kostbarste überhaupt. Ihre bernsteinfarbenen Augen sahen auf und nun lag mehr als Verachtung darin. Es war eine Spur Verzweiflung. Dieses Buch war ihr wichtig gewesen, nicht nur, weil eine vertraute Handschrift darin stand. Es war das Buch ihrer Mutter. „Haha... seht sie euch mal an. Wie ein Moblin auf der Streckbank zappelt sie herum“, quakte Ian. „Alles nur wegen ein paar dummen Zetteln.“ Gerade da sah Ariana auf. Ihr Blick voller Macht sprach das Ungesagte. Das, was sie im Moment nicht aussprechen konnte. Verachtung und Hass. Splitternde Muster in dem bernstein funkelten darin, als ob sich die Farbe bewegen würde. „Verschwinde und geh’ mir aus den Augen, Mistkerl“, fauchte sie und krallte sich die restlichen Zettel, bis auf drei Papiere. Ian trat mit seinen dreckigen Schuhen darauf herum. Erneut ein giftiger Blick, den Ian anstachelte, sich weiterhin mit Ariana anzulegen. „Geh’ runter, Ekel, oder ich hetzte dir einen Fluch auf den Hals, den du dein Leben lang nicht vergessen wirst.“ Sie zerrte an den Zetteln unter Ians Stiefeln, aber er sah es einfach nicht ein, seine Füße anzuheben. Inzwischen war ihr zum Weinen zumute, aber sie würde bestimmt nicht einen Hauch von Verzweiflung nach außen zugeben. Entschlossen stand sie auf, schmetterte weitere Schimpfworte an den Kerl mit den dünnen, aschblonden Haaren und spukte ihm ins Gesicht. Ungläubig wischte er sich die Spuke aus dem Gesicht, hob die Hand langsam und verpasste der schwarzhaarigen Schönheit eine bittere, gewaltige Ohrfeige. Ein heller Schrei donnerte über den Innenhof. William und Link sahen entgeistert zu, bis der junge Heroe die Sache nicht mehr mit ansehen konnte. Schnell wie der Blitz rannte er näher, packte Ian kräftig und schmerzhaft am Arm, drückte ihn herum, sodass jener überrascht aufschrie und innerhalb von Sekundenbruchteilen schlug das hochnäsige Gesicht Ians auf den harten Boden auf. Erbarmungslos hielt der Held der Zeit den Arm des Schülers hinter den Rücken gedrückt, während Ian kreischte. Und keiner seiner Leute wollte sich einmischen. Alle standen sie gaffend daneben und hörten vielleicht das erste Mal ihren Anführer um Gnade schreien. „Na? Tut das weh?“, brüllte Link. „Nur ein bisschen mehr Druck und dein Arm ist ausgekugelt.“ „Was willst du?“, winselte Ian am Boden. „Entschuldige dich auf der Stelle bei Ariana.“ „Was? Bei einem Weibsbild? Niemals!“, kreischte Ian. „Dann habe ich wohl keine Wahl.“ Und Link drückte den Arm weiter und weiter in die schmerzende Richtung. Ian winselte vor Schmerz, kreischte und verdammte Link auf’s Übelste. Währenddessen stand auch William in der Runde und blickte zu Ariana, die sich ihre schmerzende Wange hielt. „Okay, okay, ich tu’s. Hör’ auf, ich tu’s“, wimmerte Ian. In dem Augenblick ließ Link ihn los. Gedemütigt ließ sich Ian von seinen Kumpels aufhelfen, murmelte ein undeutliches ,Entschuldigung’ vor sich hin. Er warf rachsüchtige Blicke zu Link und Ariana und lief mit seiner Gang aus dem Park hinaus. Mit fahlem Gesicht schaute Ariana auf die Zettel in ihrer Hand. Was sollte sie jetzt damit? Ihr Buch war kaputt... Sie war den Tränen nahe, das sah Link ihr an. Er hob die restlichen Zettel, sowie den rotgoldenen Buchband auf und reichte sie ihr. Sie nahm sie wortlos entgegen... und hielt sich erneut mit der anderen Hand die Wange fest. Verärgert schaute Link auf ihre Geste, nicht sicher, warum er sich ein wenig schuldig dafür fühlte. „Ich bin gleich wieder da“, sagte er und hetzte durch den Innenhof, verschwand dann durch die Hintertür der Großküche. „Jetzt ist das Essen kalt...“, maulte Will. Mit den Händen über dem Kopf lief er hinüber zu den Tabletts mit dem Mittagsmahl, die auf der Wiese standen. Ariana folgte ihm schweigsam mit den vielen Zetteln auf ihren Armen. „Ian ist ein Schweinehund“, meinte Will, und dachte, er könnte so mit ihr ins Gespräch kommen. Aber Ariana schaute nur trübsinnig auf ihre Blätter. „Was ist mit den Zetteln?“ „Meine Mutter hat dieses Buch geschrieben... als eine Belehrung für mich, dass ich nie vergesse, welche Verantwortung auf mir liegt.“ „Verantwortung?“ „Als Hylianerin“, sagte sie ablenkend und sortierte die Zettel nach den Seiten. „Deine Mutter ist eine Erzählerin?“ Ariana sah verwundert auf und schüttelte leicht den hübschen Kopf. „Nein... das war sie nicht.“ „Oh... sie lebt nicht mehr?“ „Sie starb kurz vor meinem sechsten Lebensjahr.“ „Das tut mir leid.“ „Braucht es nicht.“ Will nickte mitfühlend und aß seine kalte Mittagsspeise zu ende. In dem Augenblick kam Link wieder, mit einem kleinen Stoffbeutel in den Händen. Er war irgendwie verlegen rot im Gesicht, als er Ariana den Beutel reichte. Sie sah verwundert darauf. „Das ist kaltes Morgenblau... ein Kraut mit kühlender Wirkung für deine Wange...“, murmelte er scheu und kratzte sich an dem blonden Hinterkopf. Sie lächelte und nahm das Päckchen freudig an sich. „Danke.“ Ariana blickte ihn nur lächelnd an und Link bekam das verlegene Rot nicht mehr aus seinem Gesicht... Der Heroe stürzte sich zur Ablenkung auf sein kaltes Essen und verschlang die restlichen Petersilienkartoffeln. „Ist es okay, wenn ich bei euch sitzen bleibe?“, meinte die junge Schönheit, als sie sich den Stoffbeutel an die Wange presste. „Natürlich“ sagte Link. In gewisser Weise mochte er ihre Anwesenheit, wusste aber nicht direkt wieso. „Ian ist ein mieser Dreckskerl, du solltest ihm aus den Weg gehen und dich nicht mit ihm anlegen, Ariana“, setzte der Heroe hinzu. „Ich weiß...“ Trübsinnig schaute sie wieder auf ihre Papierstöße. „Aber ich kann mich nun mal nicht beleidigen lassen. Ich bin nicht so erzogen worden, meinen Mund zu halten.“ „Aber das könnte dich in gefährliche Situationen bringen. Denn hier in Hyrule... ist es manchmal einfacher zu ertragen und zu schweigen, als sich zu wehren.“ „Und das sagt mir Link, der hitzköpfigste Kerl überhaupt“, lachte sie und drückte das Morgenblau wieder fester an ihre Wange. „Nun, ich kann wohl auch nicht meinen Mund halten.“ „Den Göttinnen sei Dank“, murmelte sie und nicht einmal Link begriff, was sie damit andeuten wollte. „Ich helfe dir mit den Zetteln. okay?“, sagte der junge Held, bereitwillig, Ariana die Arbeit zu erleichtern. Er schaffte es sogar beinahe zu lächeln. Sie nahm seine linke Hand und sprach ermutigend und ein wenig entschuldigend: „Weißt du... du bist alles andere als ein Feigling.“ „Den Göttinnen sei Dank“, sagte er beschämt und wiederholte unabsichtlich ihre Worte von vorhin. Wie lange war es her, dass ihm jemand geschmeichelt hatte. Es war eines der Dinge, der er nicht kannte, die er ersehnte. „Übrigens“, murmelte Link und streckte auf der grünen Wiese genüsslich alle viere von sich. „Viktor hat in unserem Zimmer eine Durchsuchung veranlasst, Will.“ „Wie bitte? Wozu?“, sagte er entrüstet. Link richtete sich langsam auf und musterte seinen Mitbewohner. „Nun... ich war einer der ersten am Ort des Geschehens, als Hopfdingen an der Decke baumelte. Und nun behauptet Viktor, ich hätte den Ring geklaut, den der Hausmeister besaß.“ „Aber dazu hat er kein Recht“, entkam es den schönen, roten Lippen des hübschen Mädchens neben Link. „Nicht einmal er in seiner Machtposition darf sich erlauben, solche Urteile zu fällen, vor allem dann, wenn sie erstunken und erlogen sind. Es wird Zeit, dass er...“ Sie brach ab, aus Angst sich in ihren Gedanken und Handlungen verdächtig zu machen. Link zwinkerte und sprach für sie weiter: „Es wird Zeit, dass er das Weite sucht.“ „Was genau ist das denn für ein Ring?“, meinte Will, worauf jeweils ein paar erstaunliche bernsteinfarbene und ein paar mutige tiefblaue Augen ihn musterten. Link kratzte sich am Kinn und versuchte seinen Erinnerungen das notwendige Wissen zu entlocken. Denn manchmal, da sah der Held der Zeit dank seines Fragmentes mehr als es einem anderen erlaubt schien. Sein Gedächtnis... vielleicht einzigartiger und raffinierter als Link es bisher erkannt hatte. Er wusste nur, dass er in der alternativen Zukunft über einen erstaunlichen, fast schon gefährlichen Orientierungssinn und eine bemerkenswerte Gabe, Dinge zu erinnern, verfügte. Doch nun war jener Sinn wie weggeblasen. Seit dem Ereignis von vor einem halben Jahr waren Links merkwürdige Fähigkeiten, die er selbst nicht einmal als eigentümlich ansah, vergessen oder abgeschwächt... Er stützte krampfhaft seinen Kopf in die Hände und zwang sich dazu, zu sehen, zu erkennen. Ein Blick aus seinen Augen genügte, das wusste er. Ein Blick und das Bild verweilte irgendwo in seinem Gedächtnis... es war im Moment nur zu schwer, es zu aktivieren... seine Fähigkeit zu aktivieren... Gerade da fühlte er seine linke Hand ein wenig pulsieren, vibrieren. Vor Schreck ließ Ariana das Kraut von ihrer Wange gleiten und der Beutel plumpste auf die Hand des Helden. Als Link sie anblickte, schüttelte sie warnend mit dem Kopf. Sie wollte ihm untersagen, eine Fähigkeit zu aktivieren, die er unter Umständen nicht einmal kontrollieren konnte. Und zudem würden einige der Anwesenden, einschließlich Will, sofort erkennen, dass Link der gesucht Heroe war. Wusste sie also wirklich über das Fragment unter seinem Handschuh bescheid? Woher? „Ist an dem Ring was Besonderes? Oder warum interessiert sich Viktor so brennend dafür?“, meinte Will und informierte sich über die fortgeschrittene Zeit auf der großen Sonnenuhr am höchsten Turm. „Sicherlich... ich nehme an, Viktor tut nichts ohne Grund“, erwiderte der Held. „Meinst du, er will den Ring, weil dieser irgendetwas besonderes kann?“ Link nickte. „Es gibt in Hyrule genügend Ringe und andere Gegenstände mit seltsamen Fähigkeiten.“ „Aber könnte es nicht sein, dass irgendwer einen Anspruch auf den Ring hat und Viktor das Schmuckstück weitergeben muss?“ Link lachte: „Du glaubst doch nicht, dass dieser Ritter irgendetwas aus blanker Gutherzigkeit tut. Da ist irgendetwas faul.“ Will runzelte die Stirn grüblerisch. „Vielleicht sollte jemand herausfinden, was es mit diesem Ring auf sich hat“, sagte Ariana und schaute erwartungsfroh in Links tiefblaue Augen. Er bemerkte diesen heimtückischen Blick, bis Ariana lächelte und nickte. „Du meinst doch nicht, ich soll...“, fing Link an und wollte sofort klarstellen, dass er sich in solche Sachen nicht mehr einmischen wollte. Sein Leben als Held war passe, er war auf einem neuen Weg. Nur unter Folter würde er sich überreden lassen, Viktor hinterher zuspionieren. Aber Arianas Blick wurde erfreuter und erfreuter. Da war ein seltsames Glitzern in dem bodenlosen bernsteinfarben. Etwas hob sich davon ab... „Oh nein...“, belehrte Link die junge Schönheit und richtete sich auf. „Bitte, Link. Du kannst das doch“, meinte sie. Aber er schüttelte den Kopf mehrmals. „Nein, ich habe nichts damit zu tun und keine Lust auf ein neues Abenteuer.“ „Aber es wäre doch wichtig das Geheimnis eines solchen Ringes zu kennen“, sagte sie sanft und tätschelte ihm die Wange. „Bitte.“ Bei Nayru, ihr Lächeln war so schön, dachte Link. Aber er konnte sich doch nicht einfach von ihr einwickeln lassen. Sie lächelte verständnisvoll und sanft... wie eine Fee, dachte er. „Aber...“, fing Link an. „Warum denn ich? Ich kann doch nicht einfach...“ „Doch, du bist genau der richtige für eine solche Aufgabe“, meinte Ariana und lächelte wieder schmuckhaft. Er schluckte den Knoten in seinem Hals herunter und ärgerte sich, dass er sich von jungen Damen immer einwickeln ließ. Er konnte gar nicht anders. Es war immer das selbe. Wenn eines dieser teuflischen Mädchen, egal ob Malon, Zelda oder Ruto, mit den Augen funkelte, dann war er erledigt. Er konnte dann einfach nicht mehr ,Nein.’ sagen... „Du brauchst dich bloß ein wenig umhören. Keiner fordert von dir, dass du Viktor aushorchst.“ „Und was hast du davon?“, mischte sich Will ein. „Was interessiert es dich eigentlich, ob ein solcher Ring Macht besitzt?“ Mit dieser Frage jedoch hatte Ariana nun nicht gerechnet und nicht aus dem Mund des jungen Laundrys. Gewitzt und raffiniert. „Will hat Recht“, sagte Link, als Ariana dazu schwieg. „Du bringst dich mit deiner Neugier in Schwierigkeiten. Lass’ das lieber.“ „Aber es interessiert mich eben. Außerdem sollte ein solcher Ring, wenn er schon etwas Besonderes ist, nicht in Viktors Hände gelangen“, sagte sie und sortierte die Zettel. „Ich sagte, du mischst dich nicht in solche gefährlichen Sachen ein und basta“, äußerte Link nun strenger. Verwundert sahen sowohl Ariana, als auch Will auf. „Machst du dir Sorgen um mich?“, lachte sie. „Du bist ja drollig, aber ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“ „Das haben wir ja vorhin gesehen, was? Gegen Ian hast du auch nicht die Hand erhoben!“, sagte Link und wusste selbst nicht, was an Ariana ihn irgendwie so tiefgehend faszinierte, dass er sie aus allen Gefahren heraushalten wollte. „Das war nur wegen meinem Buch!“, pfefferte sie zurück. „Hätte ich ihm eine runtergehauen, hätte er die Zettel noch kleiner zerrissen also ohnehin schon.“ Link zog bockig die Nase hoch und hüpfte auf die Beine. „Dann mach’ doch, was du willst“, schnaubte er und deutete auf die Sonnenuhr. „Die Pause für uns ist vorüber, wir müssen zur nächsten Stunde.“, maulte er. Und nun lag wieder Kühle in seiner Stimme. Kein Hauch mehr von Besorgnis. Ariana lief ihm unvermittelt hinterher. „Du hast versprochen mir bei dem Buch zu helfen...“, sagte sie scheu. „Samstag? Nach dem Unterricht?“, schlug Link vor. „Aber da bin ich nicht hier... Samstag Abend ist doch Neumond, oder?“ Link runzelte kurz die Stirn. Neumond... war da nicht irgendwas? „Ja da ist Neumond, aber warum bist du dann nicht hier?“ „Ich muss meinen Vater besuchen.“ „Na dann eben Sonntag Abend, nach dem Fest für die neuen Ritterjungen.“ „Gut“, lächelte sie. „Aber vergiss’ es bitte nicht.“ „Sicher nicht.“ Und Link blickte der jungen Ariana aufmerksam hinterher, besah sich einmal mehr ihre faszinierende Grazie, obwohl sie nur eine Schmiedstochter war. Neumond? War an jenem Tag nicht doch irgendetwas gewesen? Hatte Link nicht etwas vergessen, was mit Neumond zusammenhing? Gerade da bekam er von Will einen gemeinen Schlag ins Rückrat. „Na, sieh’ einer an. Du hast dein erstes Rendezvous.“ „Das ist kein Rendezvous“, rechtfertigte sich Link und kam gar nicht erst auf den Dreh aus einem Treffen mit einem Mädchen ein solches Theater zumachen. „Du bist echt ne hohle Nuss in diesem Thema, was?“, feixte Will. „Und du bist bescheuert“, murrte Link und stapfte zielstrebig hinein in das große Schulgebäude. Link stand gerade vor einem Waschbecken in den gesäuberten Jungentoiletten. Er hatte die Schultern hängen, stützte sein Körpergewicht vollkommen auf den wackligen Armen ab, die sich am weißen Waschbeckenrand festhielten. In seinem Gesicht lag gebändigte Ruhe, begleitet von unheimlicher Konzentration, sich nicht ablenken zu lassen. Er starrte leer und haftend in das raue Spiegelglas, starrte und starrte in die kühlen Augen, die sich vor dem Antlitz der Welt schämten. Blau... so blau wie der Hylia-See, der vom höchsten Punkt des Todesberges gesehen werden konnte. Tiefblau wie ein Ozean, der verschlang und nicht mehr losließ... aber finster war etwas darin, so finster wie am tiefen Grund des Meeres... Ein finstere Gedanke des Hasses auf sich selbst und sein ungerechtfertigtes Schicksal. Und nun ging der Kampf weiter, das wusste und spürte Link. Er strich über das verschwommene Spiegelglas, hauchte seinen pfeifenden Atem dagegen und wischte erneut über die Stelle. Das war es, dachte er. Hinter der Blässe, hinter dem leichten Wasserdampf lag soviel reines Spiegelglas... vermutlich war es mit den Hylianern dasselbe. Wie bei ihm. Irgendwo hinter dem Trübsinn und den stummen, leblosen Augen lag das versteckte Glück eines warmherzigen, jungen Mannes wie ihm. Irgendwo dort lag das, was er vermisste. Er atmete träge ein, klatschte ein wenig eiskaltes Wasser in sein todbleiches Gesicht, in der Hoffnung, es würde die Bitternis darin wegwischen. Aber so ein reines Element des Wassers wie es in Hyrule gab, half ihm auch nicht mehr über die Flüche und den Hass von gestern hinweg... Den Schrecken von gestern... Es war Zeit, dachte er. Es war Zeit, sich zu erinnern... Weiterhin konzentrierte er sich, das linke Handgelenk mit der rechten kräftig umfasst, als wollte er die Macht darin ersticken. Sein Blick schien lebloser mit jeder weiteren Sekunde, sein Herz und Verstand arbeiteten nur noch an einem Bild. ,Lass’ mich sehen...’, murmelte er in seinen Gedanken, verschmolzen mit der Wahrheit. Und er wusste, welche Wahrheit er suchte- jene, die vielleicht nur dem Hausmeister Hopfdingen zu teil wurde. Die Wahrheit über einen Ring. Und Links Gedanken wanderten, getragen von dem Vergessenen, begleitet von vergangenen Ereignissen. Seine Seele wanderte, beschritt die Wege hinein in das Gestern, während das Fragment in der Hand glühte, pulsierte und ein wenig schmerzte. Mut und Neugier führten ihn auf seinen Wegen, zerschnitten die Gesetze der Zeit, während seine Seele wandelte. Er sah die Ereignisse von gestern innerlich ablaufen, sah den herrlichen Laubwald schnell und blass vorüberziehen, als Hopfdingen ihm erstmalig in Gesellschaft Arianas begegnete. Er war nur noch Sekunden entfernt. Sekunden, bevor er sich in jener Vergangenheit mit dem Hausmeister unterhalten sollte. Er hörte fein und raschelnd die Blätter. Seine Nase umschmeichelt von den Düften und Gerüchen des Laubwaldes, als die Zeit langsamer rann... „Musst du dich eigentlich immer selbst belügen, Link.“, schallte es. Worte, aus dem süßen, roten Mund Arianas. Erstarrt harrte Link vor dem Spiegel, die Augen leer und ohne Funken Leben, geraubt von den Mächten, die er beschworen hatte um zu sehen... Und da humpelte Herr Hopfdingen in seiner braunen Kutte an jenem Tage wieder vor ihm her. Seine Hände hatten den Krückstock fest umfasst und an der rechten Hand sah Link das, was er musste. Ein großer Ring... aber nicht golden... nicht silbern... nicht gewöhnlich... ein kupferfarbenes Metall mit dunkelblauen Striemen... dunkel... dunkel und begehrt... Er sah den Ring nun in seinen Erinnerungen. Ein genaues, detailgetreues Bild in seinen Gedanken, die er zurückholte ins Hier und Jetzt. Und er kannte dieses Metall irgendwoher. Link selbst besaß einen Gegenstand, der die gleiche eigenwillige Farbe hatte... irgendwo zwischen seinem Gerümpel... Ein Stöhnen entkam den Lippen des Heroen, der die Augen zusammenkniff und sich mehr und mehr über das Becken beugte. Er hatte gesehen... Er hatte sein Fragment genutzt... Hastig atmend riss er sich den linken Handschuh ab und sah das Fragment bläulich schimmern, bis sein Licht langsam in Links Hand versank. Aber warum in der Farbe Nayrus? Warum nicht grünlich? Gerade zog er sich den Handschuh über, als Will aus einer der Kabinen stürmte und gähnend meinte: „Hey, ich habe noch was vergessen.“, fing er an. „Du musst dich bei Lius Lorraux zum Tanzunterricht anmelden.“ „Okay.“ „Morgen früh hat er gesagt. Ich habe dich nämlich entschuldigt.“ „Danke.“ Er musterte Link, der abstützend über dem Waschbecken hing. „Was hast du denn schon wieder gemacht?“ Und Wills Augen wurden größer und größer, als stünde plötzlich der Sensenmann vor ihm. „Warum?“ „Deine Augen!“, platzte es aus Wills Mund und er hob den Zeigefinger. Ungläubig schaute Link in den Spiegel und erschrak zunächst. Er taumelte zurück und wollte sich am liebsten mit den Fingerspitzen in die Regenbogenhaut fassen. „Beim Triforce! Deine Augen!“, dröhnte Wills tiefe Stimme durch die Latrinen. „Heilige Nayru!“ Und Link stand nur erstarrt und stumm vor dem Spiegel, traute seinen Sinnen nicht mehr und wollte am liebsten weglaufen. Ihm selbst entkam nichts aus den Lippen, weil er nicht verstand. Etwas stimmte nicht mehr mit dem tiefblau... Das Tiefblau war verflucht... war verschwunden... Stattdessen war seine Regenbogenhaut gräulich bis weiß und nur ein schwarzer Rahmen grenzte sie noch von dem Glaskörper ab... „Verdammt? Was hast du getan?“ Link aber verdeckte die Augen mit beiden Händen und wischte sich verzweifelt über die Stirn. „Ich weiß nicht...“ „Du hast deine Augenfarbe ver... Was überhaupt?“ Link stütze sich mit zusammengekniffenen Augen wieder ab. „Das gibt’s doch nicht. Du hast deine Augen verhext!“ William konnte sich gar nicht mehr beruhigen, so baff war er. „Was zum Teufel ist in dich gefahren?“ „Verflucht, ich weiß es nicht.“, fauchte Link. „Ich hab’ nichts weiter getan.“ Er wand sich um und fixierte Will mit den ungewöhnlichen, neuen Augen. „Was soll’ ich denn jetzt machen?“ Da lag Verzweiflung in seiner Stimme. Etwas, was Will in dieser Weise noch nie gehört hatte. „Ich kann doch nicht als Monster durch die Schule laufen!“ „Gibt es nicht jemanden, der dir helfen könnte? Vielleicht irgendeine Heilerin oder Magierin in der Nähe?“ Und Link schüttelte aussichtslos den Kopf. Die nächste Heilerin war in der Nähe des Schlosses... „Dann bleibt dir nichts anderes übrig als entweder den Unterricht zu schwänzen oder...“ Aber Link unterbrach ihn. „Nein... wegen so was laufe ich nicht weg.“ „... oder Newhead zu bitten, dass du nicht teilnehmen musst.“ Link schüttelte mit dem schüchternen Schädel. Er würde erst gar nicht damit anfangen, irgendeine Lehrkraft um etwas zu bitten. Nein, dazu war ein stolzer Bock wie der Held der Zeit nicht in der Lage. Link schlug wütend auf das Waschbecken ein und sollte froh sein, dass er es mit seiner unkontrollierbaren Macht nicht zerhauen hatte. Warum eigentlich immer er? Musste er ständig in einen solchen verdammten Mist hineingeraten? „Hach...“, fauchte er grantig. „Sollen die anderen doch tuscheln. Ich geh’ zum Unterricht und basta.“ „Du willst das wirklich wagen?“, meinte Will überrascht. „Ja, sollen sie doch über mich reden... das kenne ich schon mein Leben lang...“, murrte Link und besah sich erneut diese komische milchige Augenfarbe. Einfach nur erstaunlich, dachte er. Erstaunlich und entsetzlich... Der Versuch das Fragment für ein wenig Erinnerung zu verwenden, hatte seine Augenfarbe aus der Regenbogenhaut gesaugt... wenn das überhaupt möglich war. „Ich hoffe, das normalisiert sich wieder“, meinte er leise. Will klopfte freundschaftlich auf seine rechte Schulter. „Dann warte mal ein paar Tage und wenn es sich dann nicht ändert, kannst du ja mit deiner Stute mal zur nächsten Magierin reiten.“ „Mach’ ich“, flüsterte er. „Tut das eigentlich weh?“, meinte Will, aber Link schüttelte unvermittelt den Kopf. In dem Augenblick hatte er eine weitere Idee. Aber ja, Zeldas Heilmittel würde ihm doch sicherlich helfen können. Links Mundwinkel zogen sich hinauf, als er das kleine Fläschchen in der Hand hatte. Er tropfte eine Perle auf seine Handinnenfläche und schluckte jene hinunter. „Das hilft nicht“, sagte William. Überprüfend schaute Link wieder in den Spiegel, aber der junge Laundry hatte Recht. Es tat sich nichts. „Aber warum denn nicht?“ „Weil das, was du hast, wohl keine Krankheit ist.“ Link senkte das Haupt und verstand. Er hatte Magie verwendet... unkontrollierbar verwendet... und das war das Resultat. Die Macht des Fragmentes hatte sich gegen ihn gerichtet... und ihm etwas genommen für eine andere unbezahlbare Gabe... Als die beiden in den Gang traten, wo einige Schüler in Richtung des Klassenraumes von Newhead stürmten, bemerkte zunächst niemand, dass etwas nicht stimmte. Denn der Heroe lief mit gebücktem Rücken, hängenden Schultern und demutsvollen Kopf an anderen vorbei und keiner interessierte sich für seinen lausigen Zustand. Und er war es gewohnt... Den Kopf auf der Schulbank saß Link im Raum von Newhead neben seinem Mitbewohner. Ein eigentümlicher Raum, rund, und der in die Höhe gezogene Eingang befand sich direkt hinter dem Lehrerpult und wurde wie ein Gesicht mit Haaren von zwei aufwendigen Gardinen verdeckt. Viele Dinge standen in dem Raum. Eigentümliche Schätze aus Hyrule in Vitrinen. Wills grüne Augen wanderten fasziniert zu jedem Gegenstand. Da waren Kompasse, Tauchutensilien, Zoraschuppen, magische Hanteln mit sprechender Fähigkeit, und von den meisten Waffen in Hyrule lag auch eine in den Glasbehältern oder hing an der grauen Steinwand. Es war ein unglaubliches Grinsen mit dem Newhead vor den Schülern stand. Eine Faszination übte er aus, die jeder der Ritterjungen sofort bemerkte. Eine Faszination für sein eigenes Fach, eine Bereitschaft für den Kampf und die Liebe zum Schwert. „Herrlicher Tag draußen, was?“, war der erste Satz, den Newhead sprach, als er einen Stapel Bücher auf den Tisch fallen ließ. Alle Schüler richteten die Aufmerksamkeit gespannt auf ihn. Gepflegt sah er aus. Gekleidet in einem saphirblauen, hylianischen Waffenrock... „Einige von euch mögen mich vielleicht schon beim Namen kennen. Für diejenigen, die es nicht tun, mein Name ist ,Newhead’, klingt doppelt so streng wie ich bin“, meinte er und ließ sich gelassen mit den Armen auf dem Pult nieder. „Und nur halb so hohl wie ich bin“, setzte er hinzu, während einige der Schüler ihn interessiert und feixend musterten. Seine Art irgendwie locker und angenehm. Seine undefinierbaren Augen schwenkten erfreut durch die Bankreihen, bis sie auf Link gerichtet blieben, der noch immer sein Gesicht verbergend den Kopf auf der Bank liegen hatte. „Was gibt’s zu erzählen?“, meinte er, mehr zu sich, als zu der Klasse. „Ich selbst habe früher hier gelernt und der Praxisunterricht in allen Kampfkünsten war das Lieblingsfach der meisten, wohl, weil hier Dinge gelehrt werden, die über eure bisherigen Vorstellungen hinausgehen. Wenn ihr die höchste Prüfung hier im siebten Jahr abgelegt habt, werdet ihr mit allen Wassern gewaschen sein, soviel kann ich euch versprechen.“ Belustigt stützte er seine rechte Hand an das Kinn und murmelte: „Und auch die ein oder andere Blamage kann ich euch versprechen.“ Und Newheads Grinsen wurde breiter. „Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, hätte ich gerne einige Antworten von euch, darüber, was ihr von diesem Fach erwartet, was ihr euch versprecht.“ Aber niemand meldete sich zu Wort. Newhead runzelte die Stirn. „Na, ihr seid ja ein spontaner Haufen, was?“ Schulterzuckend hob Will seinen Arm. „Gute Noten.“, sagte er. Aber das überraschte Newhead, man sah es an seinem Blick. Denn für ihn waren jene zweitrangig. In erster Linie ging es hier um Spaß und das Abenteuer, welches in einem richtigen Ritterleben eher spärlich zufinden war. „Gute Noten...“, äußerste der Lehrer gelangweilt. „Welch’ Schrecken... ein Schüler erwartet gute Noten? Ganz was neues“, lachte er und schaute wieder durch die Reihe. „Was ist mit dir, Link. Was erwartest du von dem Fach?“, sagte Newhead und trat näher an die erste Bankreihe, wo er saß. Ohne den Kopf zu heben, murmelte der junge Heroe in den Stoff seiner Ärmel: „Eine Fähigkeit, mit der man Viktor den Kopf abhaken kann, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.“ Auf diese Bemerkung fuhr Newhead vor lauter Lachen beinahe aus der Haut und einige Schüler kicherten. „Okay, das war schon ganz gut.“ „Und du Mondrik Heagen? Was ist dein Ziel hier?“ „Ohne blaue Flecken und gebrochene Nase den Tag überstehen?“, flüsterte er nervös und sah errötet auf. „Vortrefflich. Auch das ist ein Ziel.“ Alsdann taute das Eis und die Schüler berichteten frohlockend ihre Wünsche und äußerten alle möglichen Fertigkeiten, die sie sich von dem Studium erhofften. „Nun dann, das, was dieses Fach bietet ist das Element eines jeden Abenteurers. Ihr werdet gefordert bis in die tiefsten Abgründe eurer Seele. Ihr werdet euch fürchten und ihr werdet versagen. Aber ihr werdet irgendwann auch siegen und auf die Herausforderungen stolz sein, die ihr gemeistert habt. Dieses Fach dient einem großen, allumfassenden Zweck, vielleicht dem einen Zweck, der euch auf einem Schlachtfeld gegen Horden von Feinden wirklich nutzen kann. Dem Zweck das zu stärken, was euch Hylianer von Dämonen unterscheidet. Dem Zweck euer Innerstes, eure Zielstrebigkeit, euren Einsatz und zu guter Letzt eine besondere Eigenschaft in dem Herzen eines wahren Kämpfers zu stärken. Dieses Fach ergreift Besitz, fordert und stärkt euren Mut.“ Voller Stolz gelangten jene Worte über Newheads Lippen, wie die Rede eines Königs. Erhaben und mächtig... „Dieses Trimester werden der Kurs der Höhen und das Ausdauertraining angeboten. Ausdauer- die Vorteile der Hartnäckigkeit und natürlich verschiedene Aufträge, die ihr erledigen müsst, warten auf euch.“ Damit holte Newhead eine große Schale mit Dutzenden Zetteln aus einer der Glasvitrinen. „Hier sind verschieden Aufgaben vermerkt und jeder von Euch wird einen Zettel daraus ziehen. Einige Aufträge sind schwieriger, andere leichter, aber sie alle kosten Mühe und fordern euren Ehrgeiz, sowie Erfindergeist.“ Ein Schmunzeln gelangte über die Lippen der Lehrkraft. Mit großen Schritten lief Newhead durch die Bankreihen und er hielt jedem die Schale vor die Nase, damit sie ein Röllchen zogen. Aufgeregt las sich jeder einen Auftrag durch, und achtete glücklicherweise nicht auf Newhead, der gerade dem faulenzenden Heroen die Schale vor die Nase setzte und ihm einen Stups in die Rippen gab. „Es wäre schön, wenn du ein wenig Aufmerksamkeit...“ Aber als Link den Kopf anhob und Nicholas die Augen sah, die nicht lebten, die verflucht waren, stockten seine Worte. Aufgeregt fisperte er: „Scheiße, was ist denn mit dir passiert?“ Link sah trübsinnig auf die Holzbank und schüttelte den Kopf. „Zieh’ trotzdem einen Schnipsel, ja?“ Der unerkannte Heroe nickte lediglich, zog einen der Aufträge und las ihn zunächst nicht. „Bleib’ nachher mal hier im Raum“, sagte Newhead so leise, dass es nicht mal Will gehört hatte. „Noch etwas. Ich fordere von Euch, dass ihr diesen ersten Auftrag alleine bewältigt. Falls ihr Hilfe braucht, wendet euch zunächst an mich, bevor ihr euren Mitschülern die Arbeit überlasst. Das war’s dann für heute soweit. Macht euch von mir aus einen schönen Nachmittag. Denn davon werdet ihr bald nicht mehr allzu viele haben.“ Die Schüler packten ihre Sachen und stürmten zufrieden aus dem Raum. Will wollte seinen Kumpel Link am Arm zerren, aber jener ließ sich nicht darauf ein. „Geh’ schon mal... ich muss mit Newhead sprechen“, nuschelte Link auf die Schulbank und traute sich nicht, seinen müden Schädel mit den unfassbaren Zombieaugen anzuheben. Will tapste aus dem runden Raum, blieb aber neugierig neben der schmalen, langen Tür stehen, lauschend seine Fühler ausstreckend... Als sich der Raum leerte, blieb Link weiterhin wie ein Häufchen Elend auf der Schulbank sitzen. Er schluchzte irgendetwas vor sich hin, begleitet von einer sich anbahnenden Wut. Newhead schob einen der Holzstühle zurecht und platzierte sich auffordernd vor dem unbekannten Heroen, der sich nicht traute jemanden mit seinen seltsamen Augen anzusehen. Der Lehrer legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. Überrascht sah Link auf, noch mehr Verwirrung in den milchigglasigen Augen. „Was ist geschehen, Link?“ Nicholas hatte vor einigen Tagen der Prinzessin persönlich versprochen, ein Auge auf den jungen Heroen zu haben... und nun hatte er zum zweiten Mal versagt... Schwindlers undefinierbare Augen glühten in einem Spektakel von Wut und Selbstverachtung auf. „Ach, verdammt...“, murrte der Junge und riss sich den linken Handschuh hinab. „Dieses Mistding... ist einfach zu nichts zu gebrauchen“, schimpfte er. In dem Augenblick sah Will durch den Türspalt, konnte die Worte zwar nicht verstehen, hörte aber Aufregung aus dem Gespräch und konnte erkennen, dass Link sich aus irgendeinem Grund den linken Handschuh abgerissen hatte. „Das Fragment?“, meinte Nicholas und verriet in dem Augenblick seine Identität, obwohl Link schon lange um Schwindlers wahres Gesicht wusste. „Was ist damit?“ Link sah trübsinnig auf und Nicholas bestaunte schockiert, aber auch irgendwie mit Bewunderung diese eigensinnige Augenfarbe, die sich nur schwach von dem umgebenden weiß abhob. Link trat an eines der Rundbogenfenster, blickte über die waldreiche Landschaft und erzählte leise: „Ich wurde heute in Viktors Büro bestellt und er glaubte, ich hätte einen Ring gestohlen... den Ring, der die Hand Hopfdingens zierte. Ich war zu versessen darauf, zu wissen, welchen Ring Viktor im Sinn hatte, welche mögliche Fähigkeit sich in dem Ring verbirgt... und so habe ich das Fragment benutzt, um mir mittels Zeitsprüngen Erinnerungen an diesen Ring zu beschaffen...“ Link drehte sich um und sah schwermütig zu Boden. „Ich habe das schon öfter ausprobiert... aber diesmal war es intensiver und dann...“ Er brach ab. Warum erzählte er Nicholas diese ganze Tragödie überhaupt? Konnte diesem Kerl doch egal sein, was mit ihm passiert war. Was kümmerte diesen Lehrer sein verfluchtes Schicksal? Als der junge Heroe aufblickte, hatte er nichts anderes als ein verständnisvolles Grinsen vor sich, genau dasselbe Grinsen wie in der stinkenden Zelle Doomrents... „Sieh’ das ganze doch nicht so dramatisch. Erst mal gibt es Schlimmeres, Kleiner. Und außerdem weißt du jetzt ein wenig mehr von deinem Fragment.“ „Na toll... Das hilft mir jetzt aber auch nicht, Nicholas“, bockte er und verschränkte die Arme. Erneut grinste der Kerl heftig. „Du hast es also herausgefunden? Mein Geheimnis?“ Link nickte. „Tja, ich hätte auch nichts anderes vom Helden der Zeit erwartet“, ergänzte Newhead und setzte ernster hinzu. „Jemand, den du sehr gut kennst, hat mir geholfen, eine neue Identität aufzubauen. Aber auch das muss Geheimnis bleiben, sonst bin ich echt am Arsch… Kann ich dir in der Hinsicht vertrauen?“ „Ich kann schweigen wie ein Grab...“ „Wenn dem so ist...“ „Aber dafür erzählst du niemandem, wer ich bin, sonst bin ich hier am Arsch!“, setze Link drauf. „In Ordnung.“ Und Schwindler gab dem jungen Kerl einen heftigen Klaps auf den blonden Schopf. „Noch eine Sache... wegen der Frau in meinem Büro...“, meinte Nicholas, auf einmal ein wenig verlegen, etwas, was überhaupt nicht zu ihm passte. Scham war es, was herausstach aus dem Bild dieses selbstbewussten Ritters. „Behalte das bitte auch für dich.“ Link zuckte unwissend mit den Schultern. „Sicher.“ Er wusste sowieso nicht, wie er das, was an jenem Abend zwischen den beiden Hylianern abging, beschreiben sollte... „Noch mal wegen dem Ring.“ „Ja?“ Und Link zog sich den Handschuh wieder über, bedeckte das im Moment blasse Fragment. „Kannst du ihn beschreiben?“ „Ja, dank des Fragmentes schon. Er passte an den Mittelfinger Hopfdingens rechter Hand, besaß eine kupferartige Farbe... aber es war kein mir bekanntes Metall, denn blaue Striemen zogen sich in dem Metall entlang. Und ich habe schon einmal einen Gegenstand gesehen, der dieses Metall hatte. Ich weiß aber im Moment nicht mehr, was es war.“ „Interessant.“ Nicholas führte bedächtig und grüblerisch eine Hand an seinen kurzen Bart. „Ich werde Informationen dazu einholen.“, meinte er. Dann wanderten seine Augen scharf und fordernd zu denen Links. „Und du solltest unverzüglich Prinzessin Zelda aufsuchen, sie weiß sicherlich, was zu tun ist, um deine Augen wieder zu normalisieren.“ Doch dazu hatte Link keine Lust. Zelda wusste einfach zuviel... und dann würde sie wieder mit diesem Thema von Einsamkeit anfangen und ihm zu irgendetwas raten. Nein, diesmal nicht. Er war nicht auf die Hilfe einer Prinzessin angewiesen, dachte er, auch wenn sie seine Seelenverwandte war und sie einst viel Zeit miteinander verbracht hatten, er konnte sich nicht von Zelda bemuttern lassen. Das konnte und wollte er nicht. Diesmal, schwor er sich, schaffte er es auch alleine... Er war ihr ja dankbar für alles, was sie getan hatte, um ihn zurück auf einen Pfad des Lichtes zu bringen und er war ihr unendlich dankbar für ihre Anteilnahme, aber wenn er der Held der Zeit war, jener Auserkorene mit dem Fragment des Mutes, dann war es einfach seine Pflicht, die Proben des Schicksals alleine zu bewältigen... ohne Hilfe... und auch ohne Zelda... „Das werde ich nicht“, sagte Link trocken und leicht bockig. „Ich bin nicht von Zelda abhängig.“ Irritiert sah Newhead drein. „Aber das hat doch niemand behauptet. Sie macht sich Sorgen um dich.“ Daraufhin verdrehte der Heroe die Augen, wo doch nur Nebel stand. „Und sie hat Angst um dich. Es ist wunderbar jemanden zu haben, der so empfindet“, sagte der Kerl. „Die Welt ist dann viel sonniger, wenn jemand da ist...“ Und Nicholas wand sich ebenso dem Fenster zu. „Wenn du ihre Zuneigung nicht willst, solltest du ihr das mitteilen. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass dies dein Wunsch ist.“ Und Link schwieg. Zelda hier... Zelda da... Link hatte während des gesamten Zeitkrieges und in Termina ständig an seine Prinzessin gedacht... Irgendwann war doch mal der Punkt angekommen, wo es reichte! „Ich schaff’ das auch alleine“, murrte Link und trat in Richtung des Ausgangs. „Aber deine wahre Stärke... bleibt dir dann untersagt, genau dann, wenn es niemanden gibt, für den du kämpfst, dem du vertraust...“ Erneut schwieg der Heroe und stand direkt vor der angelehnten Tür, wo Will dahinter hastig die Kurve kratzte. „Und dabei dachte ich immer, der Held der Zeit und die Prinzessin des Schicksals wären Liebende“, meinte er und grinste schief. „Zumal sich Zeit und Schicksal wunderbar ergänzen…“ Wie angewurzelt stand der junge Heroe vor der langen Tür, fühlte sich wie im Schwebefieber. Sein Kopf rot angelaufen, als hätte er minutenlang die Atmung unterdrückt oder sich einen Sonnenbrand geholt. Erstarrt blickte er auf die Tür, fand den Gedanken schon fast unheimlich… Er und Zelda… ein Liebespaar? Niemals! „Bist du von allen Göttern verlassen?“, schimpfte Link und breitete empört seine Arme aus. Niemals käme er auf den Dreh Zelda genauso wie andere, die sich ein Liebespaar nannten, die Zunge in den Rachen zu stecken. Das entzog sich einfach nur seinem Verständnis... Aber der einstige Schwindler lachte nur gehässig und strich die Falten auf der Brust seines Waffenrockes zurecht. „Ja ja, Kleiner… ich verstehe schon“, grunzte er. „Auch du wirst gewisse Vorzüge irgendwann zu schätzen wissen. Glaub’ mir!“ Eingeschnappt drehte sich der Held wieder um und lief gen Ausgang. „Wenn irgendetwas ist, dann wende dich bitte an mich“, sagte Nicholas noch und Link marschierte von dannen. Inzwischen war der Abend gekommen... Die Jugendlichen in der geachteten Ritterschule saßen entweder fröhlich beisammen, oder –weniger wahrscheinlich- über ihren Aufgaben... Doch wenn man genau hinhörte, dann war etwas in der Schule anders... Eine sanfte Melodie wanderte Ohren und Herz verwöhnend durch das Gemäuer, eine Melodie, welche hier noch nie erklungen war... Und der rauschende Herbstwind untermauerte jene, verschleierte sie ein wenig mit ebenso viel Magie wie die Noten sie erzählten... Unwissenheit spiegelten die Noten wieder. Unwissenheit über eigene Sehnsüchte, verborgene Wünsche, die sich in den Verstand eines fünfzehnjährigen Jungen hineingebrannt hatten, ohne, dass er es merkte. Die sanften Noten gaben mehr wieder als es der Spieler erlaubte... Neugierig, woher die einfühlsamen Töne rührten, wanderte ein unwissendes, und häufig verspottetes Mädchen über den Innenhof. Ihre ungleichen Augen fasziniert auf der Suche nach dem Ursprung. Sie trat inmitten des Innenhofs, dort, wo das Mondlicht den Schatten der vielen, alten Linden abbildete. Ihr Gehör beflügelte sie, bezaubert von der Warmherzigkeit derartiger Töne einer Flöte, so dachte sie. Ein Wunderwerk, dachte sie... und vielleicht ein Heilmittel für gebrochene Herzen... Ihre Augen, schattenhaft, wanderten zu den Türmen der Ritterschule, bis sie auf einem Dach eine dunkle Gestalt ausmachen konnte. Dort saß jemand und hatte eine Flöte in der Hand. Nur das Mondlicht offenbarte ihn, gab einen der jungen Ritteranwärter preis... sonst zeugten lediglich die dumpfen Flötentöne von seiner Anwesenheit... Die Melodie wurde unruhiger und doch wärmte sie ihr irgendwie das Herz. Wärme in einer grausamen Welt wie es Hyrule für sie war. Wärme in den dunklen Nächten, wo sie sich verkommen, verbraucht und schmutzig fühlte... Plötzlich raschelte es hinter ihrem Rücken. Reflexartig zog sie einen Dolch von ihrem Gürtel, hielt jenen schutzsuchend vor sich, aber nichts Bedrohliches, oder Unreines stand hinter ihr. Ein weiteres Mädchen musste es sein, was der schönen Melodie verfallen war. In dem Augenblick gab das silberne Mondlicht die schlanke Gestalt Arianas preis, die mit ihrem Samtkleid ebenso hier verweilte und sich an der Flöte erfreute... Sie kannte sogar das Lied, welches die jungen Kämpferhände spielten. „Guten Abend. Genießt du auch das Spiel der Okarina?“, meinte die schwarzhaarige, geheimnisvolle Ariana zu dem Mädchen mit den gekräuselten, schulterlangen Haaren. „Ja...“, meinte die andere lediglich und sah hinauf auf das Dach, wo der Junge immer noch auf seiner Flöte gedämpfte Töne erschuf. „Es ist wunderschön... ich habe noch nie jemanden so schön Flöte spielen hören.“ Ariana trat näher und besah sich das andere Mädchen, ohne dass es jener offensichtlich war. Es reichte ein rechtschaffener Blick in ein ungleiches Augenpaar, welches man andeutungsweise im hellen Mondlicht erkennen konnte, und Ariana wusste um das Elend, welches dieses Mädchen mit sich herumtrug. „Nun, es ist ja auch nicht ganz eine gewöhnliche Flöte... es ist eine Okarina“, sagte Ariana lächelnd und sie nahm an dem Blick teil, den jungen Heroen weit oben zu beobachten. „Er kann das wirklich richtig schön...“, setzte Ariana hinzu. „Wer ist er?“, meinte die Erstaunte. Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht der Schmiedstochter. „Etwas Ganz Besonderes“, sagte Ariana leise und hörte auf den Schlag ihres Herzens... Ariana trat näher und reichte der anderen die Hand. „Mein Name ist Ariana Blacksmith“, meinte sie freundlich. Verdutzt beäugte die andere jene Geste. Noch nie hatte jemand ihr die Hand gereicht, oder versucht mit ihr ins Gespräch zu kommen. „Ähm... mein Name ist... Midnehret...“ Zaghaft nahm jenes Mädchen die Hand Arianas an, fühlte einen leichten Druck und ein herzliches Schütteln ihrer Hand. „Schön dich kennen zulernen, Midnehret.“ „Ähm... danke...“ Und Ariana wusste endgültig über das wehleidige und verstoßene Mädchen Bescheid, ohne dies offenkundig darlegen zu wollen. Sie hob ihren rechten Arm und deutete wieder auf das Dach. „Ich glaube, er wird jede Nacht spielen... oder fast jede...“ „Das ist schön. Ich glaube, ich würde es gerne jede Nacht anhören“, sagte Midnehret verträumt. „Wie kann man nur so schön spielen?“ „Ich glaube, genau dann... wenn man weiß, wie kostbar Glück ist“, sagte Ariana melancholisch. „Wir haben doch alle etwas, was wir verstecken... was wir wie einen Schatz hüten und manchmal, da verraten Hylianer mehr über ihre Sehnsüchte als sie wollen.“ Midnehret drehte sich neugierig zu der Schmiedstochter um und musterte ihre bernsteinfarbenen Augen, die im Mondlicht schillerten. „Du meinst, der Junge dort hat Sehnsucht?“, fragte sie. „Ich glaube, er hat Sehnsüchte nach vielem, was anderen selbstverständlich ist.“ „Ich kenne das ebenso...“, meinte Midnehret und ließ das Haupt sinken. „Wer kennt das nicht?“, erwiderte Ariana beherzt und grinste verschmitzt. „Irgendwo in uns... sind wir immer allein. Aber...“ Und Ariana schaute hoch zu dem Turm der Schule. „Irgendwo... leuchtet auch in dem unglücklichsten Herzen ein angenehmer Hoffnungsschimmer. Es kommt nur darauf an, den Augenblick zu erkennen und zu genießen.“ Ihre Worte so warm, so anteilnehmend. Midnehret lächelte mit den schmalen Lippen und schloss die tränenden, ungleichen Augen. Sie schluchzte, bedankte sich für das Gespräch und lief in die Quartiere der Mägde zurück. Ariana aber folgte mit den Augen jedem Schritt, den das andere Mädchen tat. ,Keine Angst Midnehret. Eines Tages wirst du, selbst als verspottete Halbgerudo, mehr sein, mehr tun können als deine Erzeuger von dir erwartet hätten. Auch du bist besonders.’, dachte Ariana still und sah hinauf ans helle Himmelszelt. Ihre Augen tränten leicht als sie verbissen in das Mondlicht starrte, als sie die Sichel bewunderte, die der Mond heute annahm. Einer der Drachenboten, eine besonders große Vogelsorte Hyrules, flog in Richtung des Mondes, als die Okarinatöne endeten. Der junge Heroe trat wenige Minuten später müde und ausgelaugt von dem langen Tag in sein Quartier. Seine Augen hatten sich immer noch nicht normalisiert und er selbst hatte seine unheimlichen Blicke nur durch Glück und Geschicklichkeit von nervenden Gemütern schützen können… Und morgen? Was sollte er morgen tun, wenn sich sein tiefblau nicht mehr neutralisierte? Er konnte schlecht den ganzen Tag mit gesenktem Haupt herumlaufen… zumal er morgen sofort das Anmelden zum Tanzunterricht nachholen müsste… Aber Link musste einsehen, dass er einfach keine Wahl hatte, wenn er Hilfe nicht annehmen wollte. Im Moment jedenfalls blieb bloß die Hoffnung auf Besserung… Als sich Link in seinem Quartier genauer umblickte, war aber etwas Besonderes in jenem Raum. Etwas, was hier nicht hingehörte. Auf seinem Nachttisch stand ein großes, dickes Marmeladenglas, randvoll gefüllt mit einer dunklen Konfitüre. Verwundert schaute der Held auf einen Zettel, der dabei lag. Eine ungewöhnliche Handschrift darauf erzählte Verwirrendes. „Keine Sorge, dummer Junge. Diese Marmelade ist für dich und ganz gewiss nicht vergiftet. Du kannst sie ruhig essen.“ Link zwinkerte und besann sich erstaunt auf die Vision heute früh... Die merkwürdige Frau darin hatte ihn so genannt. „Du, dummer Junge...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)