Kampf gegen das Schicksal von Faylen7 (Wunden der Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Mit nun extrem knurrendem Magen trat Link in die große Cafeteria ein. Ein hübscher, hoher Speisesaal mit einer endlosen hölzernen Theke, wo man sich mit den verschiedensten Speisen eindecken konnte. Und hinter der Theke lief eine alte Frau mit langem, grauem Haar hastig hin und her und bediente die Jugendlichen. Links Blick wanderte zu den langen Bänken, wo einige Schüler ihn ziemlich seltsam angafften. Aber diese Blicke konnten sich nicht auf Links Aussehen beziehen, denn vorhin hatte er bereits seine grüne Tunika gegen die schwarze Standardtunika der Schule ausgewechselt. Es musste einen anderen Grund geben, warum einige so gafften, wie sie eben gafften. Ein Schüler stach aus der Menge heraus und winkte Link zu. Es war William, der an einer Bank hinten in einer Ecke saß und von zwei weiteren Schülern eingekesselt war. Link nickte begrüßend und stellte sich an der Reihe an, starrte gebannt auf das Essen, während ihm das Wasser im Munde zusammenlief. Wenig später saß er an der Holzbank gegenüber von William und zwei anderen Gesellen des dritten Schuljahres. „Guten Abend, Link.“ „Abend, Will“, meinte Link und die beiden anderen bei Tisch guckten ihn nur grinsend an. Einer hatte kurzgeschorenes schwarzes Haar und der andere war irgendwie ziemlich eitel, besaß lockige blonde Haare, die bis über die Brust fielen. „Du bist auch einer der neuen?“, meinte der eine eitle Bursche. Er reichte dem Fünfzehnjährigen die Hand, die Link annahm. „Ich heiße Artus McDawn. Nett, dich kennen zulernen. Dein Name ist Link?“ „Jep, ist er wohl“, entgegnete der junge Held. Der andere Typ begrüßte den Neuen auch und meinte: „Hi, mein Name ist Robin Sorman, du bist also derjenige, der Ian eine verpasst hat? Alle Achtung, das hat noch keiner gewagt.“ Link grinste blöde und lugte mit seinen ernsten Augen nach oben, als er einen Suppenlöffel in seinem Mund stecken hatte. „Dieser Kerl hat mich beleidigt, alles nur weil ich diese verdammte Strafarbeit aufgebrummt bekommen habe“, schmatzte er. „Ian beleidigt so ziemlich jeden, und meistens hat er das Glück, dann mit einem blauen Auge davon zu kommen. Man munkelt sich, er hätte unfaire Vorteile an dieser Schule“, sagte Robin. Zufrieden und mit gefülltem Magen lehnte jener sich zurück. „Also ist die Schule doch nicht so toll, lobenswert und ruhmreich, wie mein Vater sagte.“, stellte William fest. „Dabei war mein Vater auch einige Jahre hier, bevor er mit Mutter aus Hyrule geflohen ist.“ „Der Krieg um die Vorherrschaft. Der Krieg um die Vorherrschaft in Hyrule...“, meinte Robin wiederholend und den alten Tagen gedenkend. Artus stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und beugte sich näher. „Was erzählte man sich? Angeblich soll nur ein einziger junger Gerudo an dem Krieg die Schuld getragen haben. Ein einzigster, der dafür sorgte, Hass und Misstracht unter den Völkern Hyrules zu sähen.“ „Stimmt“, entgegnete Robin. „Und dieser einzelne trägt die Schuld an Tausenden Toten. Auch einige Ritter dieser Schule sollen auf dem Schlachtfeld gefallen sein. Berühmte Leute, wie zum Beispiel Arn Fearlesst, der sogar ein Vertrauter des Königs gewesen ist. Oder Nimrod Doomrent, ein talentierter Bogenschütze.“ Link hörte nur aufmerksam zu und sagte kein Wort... Schon immer war ihm das Gerede vom damaligen Krieg zu wider. Es war Vergangenheit, nicht von Bedeutung. Link wusste, dass auch seine Eltern durch die Hand des Krieges von damals den Tod fanden. Vielleicht wollte und konnte er deshalb sich nicht an dem Gespräch beteiligen. Er würde durch Reden und unnötiges Geschwätz die Gerudo noch mehr hassen, als er ohnehin tat... nein, er hasste nicht direkt die Gerudo, nur einen jenes Wüstenvolkes, der ihm damals sogar das letzte Licht seiner Welt nehmen wollte... „Vor diesem Krieg war die Schule der Söhne des Schicksals sicher lobenswerter. Das Lehrpersonal soll auch fairer gewesen sein“, meinte Artus. „Heute beschäftigt man sogar Gerudos. Gibt’s denn so was?“ William fiel die Gabel aus der Hand. „Wie bitte?“ Und auch Link sah auf. „Nun tut doch nicht so überrascht. In Bogenschießen und jeglichen anderen Kampftechniken haben wir ab diesem Jahr eine Gerudo, die uns zeigt, wo’s langgeht. Und knackig soll sie sein“, schmachtete Robin. „Knackig?“, sagte William belustigt. „Fällt dir nichts Besseres ein? Das ist doch kein Ausdruck.“ Robin muckte auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Willst du damit sagen, ich weiß Schönheit nicht zu schätzen?“ Doch Will grinste bloß mit seinen gefährlich- neckischen durchdringend grünen Augen und lachte. „Beim Triforce, man kann hübsche Frauen auch anders bezeichnen als knackig. Stimmt’s, Link?“ Völlig aus seinen Gedanken gerissen, sah der unerkannte Held auf, tat so, als wäre es eine Hürde sich von seinem vollgepackten Teller zu lösen und babbelte mit Essen im Mund: „Wie?“ Alle Hylianer in der fröhlichen Runde begannen zu lachen und schüttelten nur den Kopf. Es war Links unverbesserliche Naivität, das Kindliche, was anderen stets ein Lächeln auf das Gesicht zaubern konnte. „Ist gut, Link. Erfreu’ dich lieber an deinem Essen, anstatt an einer reizenden Dame“, sagte Artus abtuend. „Aber die Gerudo soll ziemlich temperamentvoll sein. Mit der ist nicht gut Kirschen essen.“ „Gerudo sind nun mal so...“, sagte Link und aß heißblütig von der großen Salatschüssel auf seinem Teller. „Na ja... gibt es sonst noch etwas Wissenswertes?“, sagte William und gähnte. „Vielleicht bloß der neue Lehrer Newhead im Allerlei- Training. Ich habe den Typen sich mit Viktor anlegen sehen. Den könnten wir doch fragen, ob er unseren: ,Wir hassen Viktor- Club’ leiten will.“ Grienend lachte Will und schlug mit seinem Schädel unkontrollierbar auf dem Holztisch auf. „Wir -hassen -Viktor -Club?“ Artus und Robin nickten gleichzeitig. „Der ist vor einem Jahr entstanden, weil dieser Giftzwerg uns ständig auf dem Kieker hatte und keine Gelegenheit ausließ, uns zu demütigen. Wir haben schon eine große Anhängerschaft, weil der Typ jeden, absolut jeden, ohne Ausnahme fertig macht.“ „Da ich ja schon auf wunderbare Weise erfahren habe, welch’ ein Ekel Viktor ist,“ und Link erinnerte kurz das nervige, unsägliche Toilettenschrubben. „würde ich mich diesem Club gerne, sofort und ohne Zweifel, anschließen.“ „Das klingt gut. Bist ab heute dabei“, grinste Artus. „Und warum hast du eigentlich diese Strafe bekommen?“ „Ich war bloß nachts unterwegs, weil sich ein Moblin- Insekt hierherum geschlichen hat.“ Ohne nachzudenken, ließ Link das Dämonenwort über seine Lippen gleiten. Will sah verwundert und leicht enttäuscht drein. „Hast du nicht gemeint, du wüsstest nicht, was es war.“ „Das war bevor ich mir die Sache überlegt habe...“, entgegnete Link gedämpft und wünschte sich, er würde besser nachdenken, bevor er sein heraussprudelndes, naives Mundwerk in Bewegung setzte. „Ein Moblin?“, bemerkt Artus. „Und das sagst du so einfach? Wieso sollte das passieren?“ Link schnaufte und meinte mürrisch: „Das weiß ich auch nicht. Also hör’ auf mich auszufragen. Ich weiß nichts und werde nichts wissen.“ Die Blicke an der Runde verrieten Unverständnis und Ungläubigkeit. Es war das Misstrauen, die Ziehmutter des Verrats, welche in den drei hylianischen Gesichtern am Tisch lag. Und sie sagte vieles, ohne das ein Wort erklang. Link sah reumutig auf seinen Teller und schwieg. „Wie auch immer...“, meinte Robin. „Wir treffen uns immer Samstags in der Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’, gleich neben der Schule. Kommt doch einfach vorbei, wenn ihr beide Lust habt.“ Will nickte grinsend. „Du hast einige Neider durch deine kleine Schlägerei mit Ian gewonnen“, sagte Artus mit einem Blick seiner hellen Augen zu Link und trank seine Milchtasse leer. Er stand auf und klopfte mit seinen Fingern auf den Tisch. „Man sieht sich. Hab’ noch was vor“, meinte er grinsend. „Die Pflicht ruft.“, fügte er schmunzelnd hinzu. „Richte Elena schöne Grüße aus!“, eiferte Robin. Artus nickte bloß, kämmte sich seine blonden Locken mit einem Kamm, den er ständig bei sich trug und verschwand fröhlich, beinahe tanzend aus dem Raum. Als der blonde Schönling schon außer Reichweite war, erklärte Robin. „Elena ist seine Freundin. Deshalb ruft immer die Pflicht, wenn sie eine Verabredung haben.“ „Ist sie auf dieser Mädchenschule gleich nebenan?“, meinte William. „Genau! Die Damen dort sind nicht zu verachten.“ Robin grinste und schunkelte näher. „Wie sieht’s bei euch aus. Auch schon auf Mädchenfang?“ Will schüttelte labial mit dem Kopf und Link sah rotwerdend auf seinen Teller. Was sollte das überhaupt sein, dieser komische Besitzanspruch über ein Mädchen, dachte er. Seine Freundin? Was sollte das heißen? Schon oft hatte Link gehört, dass andere darüber diskutierten. Aber er konnte damit einfach nichts anfangen, weder in der alternativen Zukunft, noch hier... „Hey, war ja nur ne Frage“, rechtfertigte sich Robin, ein ziemlicher Schürzenjäger, der schon so einige kurze Affären hinter sich hatte. Link aß derweil zufrieden von seinem Teller und spürte immer noch Blicke von anderen in seinem Genick, etwas, was er nicht gerade leiden konnte. „Du musst was drauf haben, wenn du dich mit Ian anlegen kannst“, meinte Robin. „Ja, das kann ich nicht abstreiten. Ich habe schon einige Kämpfe gekämpft.“ „Dann müsstest du auch keine Schwierigkeiten haben, in den Genuss höherer Ränge zu kommen und du könntest vielleicht eine hohe Platzierung beim Turnier erhalten.“ Robins lange, ausgeprägte Nase rutschte näher auf den Tisch. „Es gibt Leute, die haben gesagt, dieses Jahr könnte man eine Audienz bei Prinzessin Zelda gewinnen. Gibt’s so was?“ „Was ist denn schon dabei?“, sagte Link, der nicht daran dachte, dass kaum einer der Jugendlichen hier schon einmal Prinzessin Zelda einen Besuch hatte abstatten dürfen. Will und Robin sahen Link ziemlich erstaunt und ungläubig an. „Bist du nicht mehr bei Sinnen? Das ist schließlich ein Treffen mit der Prinzessin höchstpersönlich. Bei Farore, die Prinzessin!“ „Ihr tut gerade so, als wäre sie ein Gott oder ein Vorführungsobjekt. Zelda ist auch nur eine Hylianerin“, murrte Link und schaufelte sich Kartoffeln in seinen vorlauten Mund. „Und du tust fast so, als würdest du sie kennen.“ Links tiefblauen Augen sahen langsam auf und vielleicht machte er sich durch seine verräterische Mimik erst Recht verdächtig. Der Fünfzehnjährige zuckte mit den Schultern und tat so, als würde der Teller vor ihm wesentlich interessanter sein, als die faszinierende Prinzessin Hyrules. „Also, mein Vater hat gesagt, sie wäre ein Juwel“, meldete sich William zu Wort. „Ein Juwel?“, sagte Link. „Das trifft es ja nun wirklich nicht ganz.“ Fast scherzhaft fuhr er fort. „Ein Wildfang ist sie und abenteuerlustig, aber alles andere als eine versnobte, eigenwillige Prinzessin.“ In seinen Gedanken sah er Zeldas Bild vor sich und brachte das erste Mal, seit William ihn kannte, ansatzweise so etwas wie ein Lächeln zustande. Er erinnerte sich an ihre Zeit zusammen, als sie im Schlossgarten spielten, als sie miteinander lachten, aber diese Zeit war vorbei. Ungläubige Gesichter sah er an dem Tisch, als er aufblickte. „Ist was?“, meinte er genervt. Doch William und Robin schüttelten nur verwundert den Kopf. „Du scheinst sie entweder wirklich zu kennen, was mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu eintausend zutrifft, oder du hast einfach nur eine paranoide Wahnvorstellung.“ Beschämt sah Link wieder auf den Teller. Zum Teufel, warum hatte er sich gerade so verhaspelt. War es, um Zelda zu verteidigen? Oder war es, um einfach nur anzugeben? „Nein, ich kenne sie nicht. Ich habe dieses Wissen nur von... Bekannten.“ „Ach so“, maulte Robin. „Du hast mich schon geschockt...“ „Aber hübsch soll sie trotzdem sein“, meinte Will, der von Zelda, der Prinzessin Hyrules, wohl ganz von Sinnen war. „So toll ist sie nicht, okay“, murrte Link und stand frustriert auf. „Bis später“, meinte er und lief langsam durch die Reihen. Schon wieder setzte ein eigenwilliges Getuschel ein und die Leute ringsherum warfen Fetzen des Erstaunens oder Bewunderns in den Raum. Link hörte einige Wortfetzen und wäre den jungen Burschen dafür am liebsten an die Gurgel gesprungen. „Da der Neue, der hat Ian zu Boden gerungen. Na, der kann sich auf was gefasst machen“, sagte ein unwichtiger Wichtigmacher. Weitere Stimmen flüsterten ihr Getuschel durch die Reihen. „Haha... er hat Ian fertig gemacht. Wie dumm.“ Und immer noch tuschelte es und ein Gemurmel drang an seine spitzen Ohren. „Wenn das jemand erfährt...“ Und mit jedem weiteren, dummen Flüstern steigerte sich eine bekannte Form der Wut in Links Gliedern. Er hasste es. Er verfluchte dieses dumme Gerede über ihn. „Haltet die Schnauzen“, sagte er, zunächst leise. Es schäumte in ihm und etwas in seiner linken Hand begann zu pulsieren. „Haltet eure verdammten Schnauzen“, sagte er lauter und kniff die Augen zu, als sich altbekannte Bilder in seinem Geist zeigten. Blut. Feuer. Und Tod. Er lief langsam in Richtung Ausgang des Speisesaals. Schon wieder Getuschel, wie wahnsinnige Stimmen in dem eigenen Kopf, die einen beschwörenden Reigen anstimmten. Und dann ging ein so lautes Brüllen aus Links Mund, dass plötzlich alle Schüler in dem Saal verstummten. Kein Wort fiel mehr. Nicht ein Laut, bis Link den Raum verließ. Schwankend folgte der junge Held einem dunklen Gang und hatte nur noch ein verschwommenes Gesichtsfeld vor sich. Alles drehte sich um ihn, während er nicht mehr wusste, wo sein Weg ihn hinführte. Eine gläserne Vitrine zog seine Aufmerksamkeit auf sich, wo goldene, silberne und kristallene Pokale mit den verschiedensten Edelsteinen beschmückt sein Interesse auf sich zogen. Ein besonders hervorgehobener Pokal stand direkt in der Mitte auf einem weißen Tischdeckchen und der Name Arn Fearlesst war auf einer goldenen Platte eingraviert. Er musste ein bedeutendes Ritterturnier gewonnen haben, oder etwas zu den damaligen Zeiten spektakuläres vollbracht haben, sonst würde sein Name sicherlich nicht so bedeutungsvoll hier lobgepriesen werden. Aber egal, dachte Link. Dieser Mann, wer immer er auch gewesen war, gehörte in die Vergangenheit und er war sicherlich auf dem Schlachtfeld gestorben... so gut konnte er also nicht sein, wenn er im Krieg fiel. Erneut fühlte sich Link marode und seine Herz spannte sich grausam zusammen, als ob eine Hand von außen es zerquetschte. Hastig kramte Link nach dem Heilmittel von Zelda und trank einen winzigen Tropfen. Doch aus irgendeinem Grund war das, was nun mit ihm passierte, nicht mit einem Heilmittel zu beheben. Er stützte sich erschöpft auf seine Knie und fühlte ein hässliches Brennen in seinem Kopf. Was war das denn schon wieder? Erneut ein teuflischer Fluch ohne Sinn und Verstand? Dann hörte er jemanden seinen Namen sagen, immer wieder, ständig und überdauernd. Und der Schmerz in seinem Kopf wurde gewaltsamer, bis er sich hinein in sein junges Herz zog, während immer wieder eine Stimme in seinen Gedanken ertönte und nichts weiter tat, als seinen Namen zu flüstern. Er verstand nicht, was diese alte Stimme wollte. Er hörte geradeso viel, um jenes Säuseln als eine Frauenstimme wahrzunehmen. Doch dann brach die Stimme ab und Link hatte einen unerträglichen Druck in seinem Magen, als würde sich sein Inneres nach Außen stülpen wollen, als quälte man ihn mit einem grässlichen Gift, dass ihn innerlich auffraß. Er öffnete seine tiefblauen, ernsten Augen einen schmalen Spalt, nur um zu erkennen, dass doch nichts mehr um ihn herum lag. Die Welt außerhalb seiner Sinne wurde unwirklich, die Zeit stoppte ihren Rhythmus und ein Wesen mit Fleisch und Blut sollte vergehen, da die Vergangenheit in Gefahr schwebte. Link stützte sich hechelnd an eine nahe Wand, spürte gerade noch die Raue, Unebenheit der Wand, bis er auch diese Empfindung nicht mehr genießen sollte. Wenn man nicht fühlt, dann hatte die eigene Existenz nur noch den Sinn eines begleitenden Schattens. Schluchzend, denn er ertrug es einfach nicht mehr. Gefoltert in den besten Jahren seines Lebens. Gebrandmarkt und Vergessen. Link wollte um sich blicken, wollte wissen, was bei Nayrus göttlicher Liebe, nur mit ihm passierte. Er blickte auf seine Hände, suchte nach seinen Händen, die er nicht vorfand. Verschwunden. Unexistenziell. Link wollte aufstehen, wollte seine Beine bewegen, aber er konnte nicht. Denn wenn der Besitz etwas Selbstverständlichen plötzlich verging, setzte jeglicher Verstand aus. Auch seine Beine fand er innerhalb von Sekundenbruchteilen nicht mehr vor. Er verblich, sowohl innerlich mit seinen Gedanken, seiner Einstellung zu der Welt und seiner Sinnhaftigkeit. Er verging auch äußerlich und das ansehnliche Gesicht mit den rätselhaften tiefblauen Augen wurde dem Nichts untertänig. Weit entfernt im königlichen Schloss Hyrules kniete eine langjährige Vertraute vor Prinzessin Zelda nieder, die nachdenklich mit ernster Miene auf ihrem Thron saß. Ihr Vater hatte eine wichtige Audienz mit einem Vertreter Holodrums und so kümmerte sie sich um weitere Angelegenheiten, die es zu tun galt. Eine Hand als Stütze an ihrem Kinn seufzte die Prinzessin laut auf, und fühlte sofort die starke Hand ihrer Vertrauten auf der Schulter. „Impa?“ Fragend sahen die großen blauen Augen Zeldas in die scharlachroten der Shiekah. „Belastet Euch etwas?“ Zelda nickte nur und stand auf. Es war spät und keine Soldaten befanden sich auf ihren Wachposen hier im majestätischen, riesigen Königssaal mit den roten Teppichen und langen Vorhängen an den riesigen Fenstern. Mit eleganten Schritten trat Zelda an das dicke Fenster heran. „Irgendetwas ist im Gange, Impa. Ich fühle es nur undeutlich, kann nicht verstehen, was es ist. Und doch mache ich mir Sorgen, um die Zukunft, um die Gegenwart und um die Vergangenheit. Es scheint, als würde sehr bald alles aus dem Gleichgewicht geraten...“ Es dauerte nur Sekundenbruchteile und Impa trat in ihrer selbstgerechten, stolzen Haltung direkt neben der Jugendlichen. Schweigsam sahen sie beide einige Sekunden aus dem Fenster, beobachteten die Nacht und das ewige Mondleuchten. „Hattet Ihr schlechte Träume, Prinzessin?“ Die Angesprochene schüttelte unbeeindruckt mit dem Schädel. „Wenn dem so wäre, würde ich vermutlich nicht so ruhig am Fenster stehen. Aber eine leise Vorahnung lässt mich nicht los...“ Zelda neigte ihr Haupt und wand sich wieder dem königlichen Thron zu. So viel Verantwortung verbarg jener Thron. So viel Pflicht und Schicksal... Und es schien in dem Moment, dass Zelda die zündende Idee hatte, um ihr Gemüt ein wenig zu beruhigen. „Impa, ich habe eine Mission für dich.“ Mit großen Augen und trotzdem bereit dem Wunsch der Prinzessin Folge zu leisten kniete Impa wieder vor Zelda nieder. „Reise durch Hyrule und suche Antworten, Impa. Suche Antworten! Sammle Wissen über die Geschundenen der Macht und finde heraus, was es sein könnte, was sie auf der alten Lon-Lon-Farm gesucht und gefunden haben könnten.“ Zelda machte eine kurze Pause und unterband ihre plötzliche Aufregung. „Finde heraus, wozu dieses Bündnis geschmiedet wurde, seit wie vielen Jahren sie tätig sind und welche Taten auf ihre Zusammenkünfte zurückgehen.“ Impa nickte und hatte doch Erstaunung in ihren roten Augen. „Selbst, wenn es lange dauern wird?“ „Selbst, wenn es ewig dauern wird. Ein schlechtes Gefühl umfängt mich bei einem Gedanken an dieses dunkle Bündnis.“ Impa nickte. „Wann wünscht Ihr, dass ich aufbreche?“ „Morgen früh. Erkunde die Pfade Destinias, der Schicksalsgöttin.“ Impa bestätigte und verzog auf ihrem stolzen Gesicht nicht eine Miene. Zelda machte nur eine kurze Pause und setzte hinzu: „Und versuche das Farmmädchen Malon zu finden.“ Erneut nickte die Dienerin des Schattens und verlor sich in dem Element ihrer strittigen Herkunft, während Zelda mit scharfem Blick in Richtung des einsamen Hügels im Norden schaute. Als Link zu sich kam, lag er mitgenommen, sogar mit einer Decke überzogen in einem breiten Schaukelstuhl. Er sah um sich und wusste auf Anhieb, wo er war. Das war doch das kleine Büro, wo Kommandant Orson ihn eingewiesen hatte. Aufgeregte Stimmen wurden außerhalb des Büros laut. Aber Link erkannte nur die von Sir Viktor, dem miesen Direktor. Die andere war ihm zwar nicht wirklich neu, aber er konnte diese nicht ihrem Besitzer zu ordnen. Sir Viktors kratzige, garstige Stimme, ähnlich dem Schneidegeräusch einer verrosteten Klinge, entfernte sich. In dem Augenblick schob jemand den Riegel der Tür zur Seite und trat brummelnd in den Raum ein. Aha, der neue Lehrer, von dem Valiant gesprochen hatte. Wie war das? Er gab Unterricht in... allem Möglichen? Das Brummeln des gutaussehenden Mannes mit kurzem braunen Haar erstarb, als er in die wachen Augen des Schülers schaute. „Na, Kleiner, auch schon aufgewacht?“, fragte er vorwitzig und pflanzte sich zufrieden auf seinen bepolsterten Sessel. Link wurde das Gefühl nicht los, diesen Mann zu kennen. „Die Gänge sind wahrlich nicht der bequemste Ort für ein Nickerchen, Kleiner.“ „Aber ich habe nicht...“, fing Link an und erinnerte sich an den Vorfall von vor wenigen Minuten. Das Verblassen. Das Verschwinden... Er hielt eine Hand hinter seinen Kopf und schauspielerte. „Oh... das... ach ja.“ Der Lehrer ihm gegenüber zog nachdenklich seine dunklen Augenbrauen nach oben. Er beugte sich über den Tisch, während undefinierbare Augen Links Verhalten anscheinend lustig fanden. Amüsiert sah der Ritter drein. „Wer seid Ihr eigentlich?“, meinte Link. „Newhead ist mein Name, die neue Lehrkraft in Sachen Allerlei. Der Kurs der Höhen zählt zum Beispiel dazu, und ich wurde beauftragt, dir etwas zu überreichen, Kleiner.“ Schleunigst kramte der muskulöse, sehr sympathische Mann in einer Schublade seines Schreitisches und holte eine mit dem königlichen Falken versiegelte Rolle hervor. „Bitte sehr.“ „Was ist das?“ „Ein Brief.“ „Schön, das sehe ich auch. Ich meine, was soll ich damit.“ Der Kerl rutschte näher und meinte leise, als ob niemand hören sollte, was er sagte: „Dieser Brief ist von Prinzessin Zelda und ich soll ihn dir übergeben, Kleiner.“ „Wieso das denn?“ Zackig bekam Link einen Klaps von dem Kerl auf seinen Hirnkasten. „Was fragst du mich das denn, Kleiner?“ Link schwieg und nahm die versiegelte Rolle an sich. Neugierig blickte er auf die Rolle und dann wieder in das Gesicht des neuen Lehrers. Irgendwoher kannte Link diesen Hylianer, der in etwa dreißig Jahre alt war. Link erinnerte diese undefinierbaren Augen und doch war dieses beinah ungeschundene Gesicht ihm neu. „Wundert Ihr Euch denn nicht, dass ich einen Brief der Prinzessin persönlich bekomme?“ Sir Newhead schüttelte den Kopf und tippte auffällig an zwei Finger seiner einen Hand. „Warum sollte mich das wundern? Zumal braucht auch eine Prinzessin ihre Freunde und zweitens sitzt schließlich der Held der Zeit auf diesem Stuhl.“ „Ihr wisst also auch Bescheid“, sagte Link trübsinnig. Denn er hatte gehofft, einen neuen Anfang zu machen, stattdessen wusste hier fast jeder Lehrer über das wahre Ich, das wahre Gesicht und die wahren Fähigkeiten Links... Wie sollte er dann einen neuen Anfang bewerkstelligen? „Niemand weiß tatsächlich Bescheid über das, was in der vergessenen Zeit geschehen ist und sollte dir deswegen einen Strick drehen. Ist gut, Kleiner. Es ist schon spät.“ Link nickte und fühlte sich durch Newheads Worte sichtlich erleichtert und irgendwie beruhigt. Gähnend stand Link auf und suchte sein Quartier auf. Vergessen war das seltsame Verblassen von vor wenigen Minuten. Vergessen, wie die bedeutende Vergangenheit... Als Link in sein Zimmer eintrat, war sein Zimmerkollege William Laundry bereits schlafen gegangen und schnarchte laut. Tief ausatmend öffnete Link seine kupferne Gürtelschnalle, und zog sich die schwarze Tunika über den Kopf. Ein trübsinniger Blick wanderte hinaus in den klaren, dunklen Nachthimmel, wo der Vollmond stand. So erhaben war er im Augenblick, so mächtig, stand über allen Geschöpfen und wusste vielleicht um eine Spur des Schicksals, was für seine Betrachter vorgesehen war. Das Schicksal. Früher begleitete das Licht jener Macht den Pfad des Jungen. Doch jetzt war Schicksal für den Helden der Zeit nur eine grausame Macht, die sein Leben verachtete, seine Existenz für ungerechtfertigt empfand. Müde und erschöpft krabbelte Link in das warme Bett, wollte nicht schlafen, wollte keine Träume haben, egal, ob sie ihn lediglich verwirrten oder schlimmer noch, weh taten... Erneut krachten widerliche Gedanken auf ihn nieder. Bilder der Geschundenen der Macht. Bilder aus Kriegszeiten, die niemand verstehen könnte. Ein gigantisches Heer der Dunkelheit stand vor einem winzig kleinen der guten Seite, einem Bündnis der Hylianer, der Zoras, der Goronen und der letzten Shiekah. Link schüttelte abtuend den Kopf, wollte diese Gedankenspaziergänge von etwas, was geschehen könnte oder geschehen war, nicht sehen. Er schirmte dieses Schicksal von sich und wollte schon lange bloß... vergessen... Der Brief von Zelda fiel ihm wieder ein und er entzündete mit einem Streichholz die Öllampe neben seinem Bett. Er bemerkte nicht die neugierigen grünen Augen Williams, die heimlich beobachteten, was Link tat. Jener öffnete wie als befände er sich unmittelbar vor einem Trancezustand das Siegel aus Wachs und las die Zeilen langsam durch, spürte den heimlichen Wunsch, Zelda würde die Worte darauf nicht nur geschrieben haben, sondern mit ihrer beruhigenden Stimme zu ihm sagen. An meinen Helden, verzeih’ mir bitte, dass ich nicht persönlich mit dir reden kann. Und doch empfinde ich dich und dein wahres Gesicht in den letzten Tagen als so weit weg, dass ich möglicherweise nicht das Recht besitze, dich zu besuchen, deine Ruhe zu stören, oder eben simple Worte an dich heran zu tragen. Vielleicht weisen geschrieben Worte die Aussagekraft auf, die erzählte nicht haben können... Ich möchte mich aufrichtig bei dir entschuldigen. Zum einen dafür, dass ich nicht in der Lage bin, herauszufinden, was mit dir geschehen ist. Zum anderen dafür, dass ich mich erneut in dein Leben einmische und das Recht auf deine Freundschaft mit meinen Entscheidungen mehr und mehr verspiele. Und trotzdem will ich, ersinne ich für dich, eine größere Zukunft, als sie dir das Leben in den Wäldern hätte bieten können. Bitte urteile nicht voreilig über mich und meinen Wunsch, dass du an die Ritterschule findest. Meinen törichten Wunsch, den ich an den Dekubaum herangetragen habe. Verzeih’ mir dafür. Wenn du es wünschst, dann besuche mich beim nächsten Neumond in den Gärten des Königsschlosses. Wenn es uns möglich ist und wenn es dein Wunsch ist, könnten wir dort die unbekannten Kräfte deines Triforcefragmentes entdecken und vielleicht den Grund für deine Vergessenheit der letzten Monate, den Grund für die merkwürdige Krankheit, die dich überfällt, erkennen. Ich werde in den Gärten warten, mit der nahen Gewissheit, dass du nicht erscheinen wirst... Eine weitere Sache würde ich persönlich mit dir bereden wollen, falls du mich noch als einen Freund respektieren kannst... In tiefer Zuneigung, Prinzessin Zelda. Link rieb sich unbeholfen über seine Stirn und legte den Brief unachtsam einfach neben die Öllampe. Es interessierte ihn im Moment einfach nicht, was Zelda dachte und was ihr auf dem Herzen lag. Der einstige Held der Zeit schmollte und würde nicht auf den Pfiff der Prinzessin zu ihr in den Schlossgarten tanzen. Nein, dachte Link eingeschnappt, soll’ sie doch selbst vorbei kommen. Sie hatte ihm den ganzen Ärger mit der Ritterschule und in letzter Instanz auch das Latrinenschrubben eingebrockt. Link löschte die warme Öllampe und drehte sich um, zog die weiche Decke über den eingeschnappten Kopf und schlief schnell ein, schlief so tief, wie lange nicht mehr. Es war nur etwa eine halbe Stunde später, dass William Laundry auf Zehenspitzen an das Bett des jungen Helden schlich. Seine smaragdgrünen Augen und seine guten Ohren vergewisserten sich, dass Link tief und fest in seinen Träumen schwelgte. Dies schien der Fall zu sein... Auch er schaute kurz auf den Brief, erkannte das Zeichen der königlichen Familie darauf vermerkt und war zu neugierig, als den Brief nicht ansatzweise durchzulesen. Im hellen Mondlicht hatte William gerade die Sicht, die letzte Zeile zu lesen und erschrak in dem Augenblick, als sein Kopf das Geschriebene verarbeitete. ,In tiefer Zuneigung, Prinzessin Zelda?’ Geschwind legte William den Zettel wieder beiseite. Vielleicht als Resultat seines Entsetzens, seiner Überraschung oder, weil er nun langsam ahnte, dass dieser junge Kerl Link mehr war, als er nach außen zeigen konnte. In dem Augenblick drehte sich der Fünfzehnjährige in dem Bett, unternahm einen lauten Seufzer und der Name der Prinzessin entkam seinen Lippen. Geschwind legte William den Brief wieder auf das Nachttischschränkchen und hastete in sein Bett zurück. Doch das Grübeln bezüglich Link, der ein Held sein sollte, ging weiter und weiter. Wer war dieser Link, dieser verdrießliche Jugendliche, der nicht lachen konnte? Was verbarg sich in der Vergangenheit eines solchen Jungen, dass er bereits mehr Narben trug als ein Mann mit langjähriger Kriegserfahrung? Und aus welchem Grund hegte ausgerechnet die Prinzessin Hyrules eine so tiefe Zuneigung, wie es in dem Brief hieß, für ihn? Er hatte beim Abendbrot nicht gelogen. Er hatte tatsächlich Kenntnis darüber, wer Zelda war und wie sie war... William Laundry würde dem alten Ritterblut in seinen Venen gerecht werden und dieser fantastischen, unglaublichen Sache auf den Grund gehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)