Force of Nature von Cocos ================================================================================ Kapitel 56: Das Schloss im Wald ------------------------------- Seit sie die Schneefallgrenze passiert hatten, war Jean damit beschäftigt gewesen, aus dem Fenster zu starren und den Anblick der schneebedeckten Berge in sich aufzusaugen. Die hohen, gezuckerten Spitzen mit ihren zerklüfteten Schluchten. Die wilde, unberührte Natur. Hier war alles weiß, auch die Straßen und Jean staunte über die Landschaft, die so verändert war zu dem, was er bisher gesehen hatte. Es war nicht so, dass er in West Virginia nicht auch Schnee gesehen hatte, als sie zu Spielen gefahren worden waren. Aber niemals hatte Riko ihm erlaubt, sich von der Landschaft so ablenken zu lassen wie es nun möglich war. Niemals hatte Riko ihm erlaubt, tief in den Schnee zu gehen. Über den schmutzigen, braunen Schlamm, der auf den Straßen lag und ein Abklatsch dessen war, was Schnee eigentlich bedeutete, ja. Selbst in Marseille hatte es nie Schnee gegeben und seine Eltern waren mit ihm auch nicht Ski gefahren. Hypnotisch war sie, die Landschaft, und Jean spürte ein aufgeregtes Kribbeln in seiner Magengegend, was vielleicht auch von dem zu vielen Essen stammen konnte, das Familie Knox aufgetischt hatte. Der Kofferraum war voll mit ihren Taschen und Geschenken sowie dem Essen, das Mrs. und Mr. Knox ihnen mitgegeben hatten. Für die kommenden Tage im Kreis ihres Teams in einem riesigen Haus mitten im Nirgendwo. Natürlich war der Gedanke daran, dass die Einsamkeit des Hauses dafür genutzt werden könnte, ihm wehzutun, da gewesen, doch Brian hatte die Antwort darauf zusammen mit ihm schon erarbeitet. Spieler um Spieler waren sie durchgegangen und hatten die Charakterzüge der Jungen und Mädchen erörtert. Jean war schließlich selbst zu dem Schluss gekommen, dass keine Gefahr von den Trojans ausgehen würde und er war immer noch erstaunt, wie schnell und vor allen Dingen wie nachhaltig er das begriffen hatte. Knox bog vom Highway ab und brachte sie tiefer in die Berge hinein, die sich nun nicht mehr vor ihnen auftürmten, sondern sie mit dicht bewaldeten Hängen verschluckten und nicht mehr loszulassen schienen. Die Straßen wurden enger und nebliger, was Jean staunend mitverfolgte. Er wusste nicht, dass Schnee und Nebel einhergingen und es war ein faszinierendes Naturschauspiel. Wie eine andere Welt, in die sie eintauchten und die sie verschluckte. Eine der Feenwelten, an die er früher geglaubt hatte. „Ich finde es wunderschön hier“, merkte Knox leise an und Jean nickte stumm. Dem konnte er nur zustimmen und ein Blick auf seinen Kapitän sagte ihm, dass es ihm wohl deutlich auf dem Gesicht geschrieben stehen musste. „Noch ungefähr zwanzig Minuten, dann sind wir da“, sagte der blonde Junge und Jean seufzte. Ein großes Ferienhaus, sein gesamtes Team, viel Essen, viel Alkohol und wenig Training. Das würde die nächsten Tage bestimmen, wie es aussah. Das Spiel gegen seine alte Mannschaft rückte näher und näher und Jean hatte für Sekunden das Gefühl, dem Zorn und Hass der Ravens auf dem Spielfeld hilflos ausgeliefert zu sein. Dem war nicht der Fall, das wusste er. Sie hatten viel trainiert, aber eben nicht genug, damit Jean sich sicher fühlte. Mit Gewalt verbot Jean sich jeden weiteren Gedanken an den kommenden Monat. Sie näherten sich dem Ende des Jahres, Silvester, einem Fest, dem sein Team entgegenfieberte. Der Übergang in das neue Jahr, unterlegt mit guten Vorsätzen. Nicht, dass Jean in den letzten Jahren viel davon mitbekommen hatte, war es doch ein Tag wie jeder andere auch gewesen. Vor einem Jahr war es Josten gewesen, der danach gefragt hatte, mit schmerzverzerrtem Blick und blutigem Speichel, den er in das Waschbecken vor sich ausgespuckt hatte. Jean schnaubte innerlich. Ein Jahr war es her, dass er den Grundstein für Jostens Faible gelegt hatte, ihm das Leben zu retten. Unwirsch darüber, dass er schon wieder über Evermore nachdachte, fuhr Jean sich durch die Haare und presste seinen Hinterkopf gegen das in die Jahre gekommene Polster der Kopfstütze. „Kann man dort auch wandern gehen?“, fragte er um sich auf ein anderes Thema zu bringen und Knox nickte begeistert. „Absolut! Möchtest du?“ Jean bejahte. Schließlich war er ja auch deswegen mit Fahima einkaufen gewesen und hatte sich von ihr mit Wanderschuhen, einer dicken Winterjacke und einer Mütze ausgestatten lassen. Sie fuhren weiter und schließlich tat sich ein großes Holzhaus vor ihnen auf, das eher einem Schloss glich als den Häusern, die Jean bisher gesehen hatte. Es hatte Erker und Türmchen und eine breite Einfahrt, in der schon einige Autos standen. Überall war Schnee und bedeckte die Büsche und Bäume, die das Haus umgaben. Jeans Herz schlug schneller, als sie anhielten und Knox mit einem erleichterten Seufzen die Tür aufriss. Weitaus langsamer folgte Jean ihm und setzte einen Fuß nach draußen. Kaum, dass er sich aus dem Wagen hievte, schauderte er vor unerwarteter Kälte. War es im Winter immer so kalt? Das war ja fürchterlich. Knox öffnete den Kofferraum und warf Jean seine Winterjacke zu. „Nicht erkälten, Sommerkind“, grinste er und Jean hob zweifelnd die Augenbraue. „Sommerkind?“, echote er zweifelnd, schlang sich aber in das warme Material ein, welches die Kälte zuverlässig abhielt. Er kam zu seinem grinsenden Kapitän und griff sich den langen Schal, den Knox‘ Mutter für ihn gestrickt hatte. Vorsichtig strich er über die weiche, dunkelblaue Wolle, deren Enden in die Farben der Trojans mündeten. Er schlang ihn um sich und hieß erleichtert die Wärme willkommen, die ihm die Kälte wortwörtlich vom Hals hielt. „Lass uns erstmal reingehen und die anderen begrüßen, dann bekommen wir auch Tragehilfe für die Massen an Essen“, zwinkerte Knox und Jean schnaubte. Gemeinsam mit dem anderen Jungen ging er zum Haus und sah auf den knirschenden Schnee unter seinen Schuhen, der sich so ganz anders anfühlte, als er es vermutet hatte. Härter, weniger pudrig. Staunend blieb er stehen und legte seine Hand auf einen der Büsche, die neben ihm standen. Es war kalt und überraschend nachgiebig. Sacht nahm Jean etwas davon hoch und sah, wie die einzelnen Flocken auf seiner Hand schmolzen. Jean starrte darauf und nahm beide Hände um sie in der weißen Puderschicht zu vergraben. Es war…unglaublich. Es war kalt und wunderschön. Zart und verletzend zugleich. „Alles okay?“ Jean hörte Besorgnis in Knox‘ Stimme und sah mit großen Augen hoch. „Ja. Es ist nur…“ Er runzelte die Stirn. Konnte er Knox gegenüber schonungslos ehrlich sein, selbst auf die Gefahr hin, dass er diesen mit seiner Wahrheit traurig machte? Unwirsch schürzte Jean die Lippen und atmete bewusst aus. „Ich habe noch nie Schnee angefasst“, gestand er ein und wie erwartet weiteten sich die blauen Augen in einer Mischung aus Entsetzen und Überraschung. „Noch nie?“, echote Knox und Jean nickte. Sein Kapitän fing sich schneller als er es gedacht hätte und Nachdenklichkeit legte sich über das rotwangige Gesicht. „Keine Schneeballschlacht?“ Jean hatte noch nicht einmal eine Ahnung, was das war. Langsam schüttelte er den Kopf. „Schlitten fahren?“ Schlitten war die Bezeichnung für ein teures, exklusives Auto, soweit wusste Jean aus den Erzählungen seines Teams. Was das mit Schnee zu tun hatte, konnte er sich nicht zusammenreimen, also verneinte er erneut. „Schneemann? Schneeengel?“ Was ein Schneemann war, wusste Jean. Dass es ein Symbol für Weihnachten war, ebenso, das hatte er mehr als einmal in Los Angeles gesehen. Einen Schneeengel hingegen kannte er nicht. War es eine andere Bezeichnung für das Christkind? „Knox…“, grollte er und sein Kapitän lächelte entschuldigend. „Entschuldige, ich habe nur eine To-Do-Liste für morgen erstellt“, erwiderte er vielsagend und Jean schwante Übles. „Knox…“, grollte er, kam aber nicht dazu, seinem Missfallen weiter Ausdruck zu verleihen, als die Eingangstür aufgerissen wurde und Alvarez im Türrahmen stand, umrahmt von hellem, weichen Licht. „Sie sind da!“, grölte sie in das Haus und sprintete auf sie zu. Jean trat ihr behände aus dem Weg und so war der blonde Junge der Hauptempfänger ihres Ansturms, der sie beide in einen der Schneeberge brachte. Zu sagen, dass Jean über den feinen Schneestaub, der dabei aufgewirbelt wurde und die beiden verschluckte, kurz lachen musste, wäre nicht gelogen, auch wenn er es bis in alle Ewigkeit bestreiten würde. „Hi Jean!“ Er drehte sich um und nickte Fahima zu, die ihn weitaus weniger enthusiastisch begrüßte, als es Alvarez getan hatte, die sich hinter ihm mit ihrem Kapitän im Schnee wälzte und sie beide weiß puderte. Jean befand, dass es sicherer war, wenn er hineinging und gestattete sich eine minimale Umarmung. „Vielen lieben Dank für dein tolles Geschenk, Jean“, murmelte Fahima und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Jean räusperte sich verlegen und zuckte mit den Schultern. Fahrig schob er die Hände in die Taschen seiner Jacke. „Gefällt es dir?“ Begeistert nickte sie und Jeans Blick verfing sich an der glitzernden Feuerwerksbrosche an ihrem violetten Hijab. „Komm, ich zeige dir schonmal das Haus. Bis die Beiden das draußen ausdiskutiert haben, vergeht noch ein bisschen Zeit.“ Jean nickte und ließ sich von ihr hineinführen. Die bereits anwesenden Teammitglieder begrüßten ihn mit unverdientem, lauten Jubel und er grüßte sie knapp zurück, schließlich hatten sie sich doch vor ein paar Tagen das letzte Mal erst gesehen. Außerdem gab er ihnen noch immer keinen Grund, ihn so überschwänglich zu begrüßen. Knox vielleicht, ja, aber doch nicht er. Fahima führte ihn vom rustikalen, riesigen Wohnzimmer in die noch viel größere Küche. Von dort aus ging es auf den Balkon mit seinem bereits laufenden und erleuchteten Whirlpool, in dem anscheinend Platz für neun Personen war und der Jean beinahe augenblicklich Unwohlsein verursachte. Er wandte sich ab und ging mit ihr in den Partykeller, in dem ein Pooltisch, ein Kickertisch und mehrere Glücksspielautomaten standen. Die Sauna befand sich im Nebenraum, dahinter der Waschraum. Sie kamen wieder nach oben und Jean bewunderte die helle Holzkonstruktion der Wände und Decken, die dem Haus eine urige Gemütlichkeit verliehen, schön ergänzt durch Skulpturen und Bilder der Umgebung. „Hier auf dieser Etage ist die erste Hälfte der Schlafräume, euer Zimmer ist ein Stockwerk höher. Dort ist es etwas ruhiger als in Partytown“, zwinkerte sie und Jean schluckte. Ein gemeinsames Zimmer mit Knox würde nicht anders sein als in Los Angeles, aber irgendwie… „Plus, euer Zimmer hat ein eigenes Bad“, ergänzte sie und Jean grollte leise. „Ich benötige keine Sonderbehandlung“, erläuterte er und Fahima lachte. „Du nicht, aber Jer. Niemand möchte darauf warten, bis er fertig im Bad ist. Niemand, mein Freund. Das dient dem Teamfrieden.“ Zweifelnd runzelte Jean die Stirn. „Aber in Los Angeles braucht er auch nicht so lange.“ „Und bei sich zuhause?“ Jean zuckte mit den Schultern. „Normal?“, erwiderte er, wurde sich im gleichen Moment aber bewusst, dass er eigentlich gar nicht so genau wusste, wie lange der blonde Junge im Bad gebraucht hatte, schließlich war er immer vor Knox wach. Im Regelfall. Bedeutungsschwanger hob Fahima die Augenbraue. „Teamfrieden, Monsieur Moreau, Teamfrieden.“ Jean rollte mit den Augen und folgte ihr zu dem Zimmer, dessen Tür sie nun öffnete. Auch hier dominierte Holz und Jean empfand es auf den ersten Blick gemütlich und heimelig. Auf den Zweiten stellte er fest, dass es nur ein Bett in diesem Raum gab. Es war zwar groß, beinahe ausladend, aber es war nur ein Bett. Jean schluckte schwer und blieb wie angewurzelt an der Schwelle zum Raum stehen. „Es gab eigentlich immer Einzelbetten, aber anscheinend haben die Besitzer die im Verlauf des letzten Jahres gegen Doppelbetten ausgetauscht.“ Die Erklärung war durch und durch logisch, aber das tat Jeans Unwohlsein keinen Abbruch. Er wusste, dass Knox sich nicht an ihm vergreifen würde. Er wusste, dass der blonde Junge keine Gefahr für ihn war. Dennoch. Ein Bett für sie beide. Seine Erinnerungen flüsterten ihm ein, dass ein anderer Junge in seinem Bett immer zu Schmerzen und Demütigung geführt hatte. Immer. Und nun wäre es das erste Mal, dass dem nicht so war. Zumindest wusste Jeans rationale Seite das. Hinter ihm polterten Schritte die Treppe hoch und er zuckte zusammen, als sein Kapitän hinter ihm auftauchte, gepudert, rotwangig und glücklich strahlend. Das Glück schwand von Sekunde zu Sekunde, als auch er das Bett sah und sich hilfesuchend zuerst an Jean, dann an Fahima wandte. „Das…kann nicht sein“, sagte er unsicher und Fahima lächelte entschuldigend. Sie zuckte mit den Schultern. „Sie haben die Betten wohl ausgetauscht“, wiederholte sie die Hiobsbotschaft, die sie auch schon Jean überbracht hatte und Knox schüttelte den Kopf. „Können wir ein anderes Zimmer haben? Eins mit zwei Betten?“, fragte er hoffnungsvoll und wieder verneinte sie. „Jedes Zimmer hat Doppelbetten, Sorry, Jer.“ Unsicher sah Knox zu Jean hoch und ebenso unsicher mied er die blauen, fragenden Augen. „Fahima… öhm…würdest du uns für einen Moment alleine lassen?“, fragte Knox und Fahima musterte sie beide nachdenklich, bevor sie nickte. „Klar! Besprecht das in Ruhe und wir sehen uns dann unten.“ Das. Ein Wort, drei Buchstaben, die so harmlos schienen und es doch nicht waren. Rein aus Sturheit betrat Jean das Zimmer und verschränkte mitten im Raum die Arme, während er auf das Bett starrte. Knox tat es ihm gleich und musterte ihn dann vorsichtig, während ihm der geschmolzene Schnee aus den Haaren und der Kleidung auf den Holzboden tropfte, wo er dunkle Flecken hinterließ. „Ich kann auf dem Boden schlafen oder unten auf der Couch, dann hast du das Bett für dich alleine.“ Da war es, das Angebot, auf das Jean gehofft hatte und das er gleichzeitig aber auch nicht hören wollte. Er wollte keine Extrawurst, nur weil er irrationale Angst vor einem anderen Menschen, nein, einem unbestimmten anderen Jungen in seinem Bett hatte. Er wollte nicht, dass Knox auf dem Boden oder der Couch schlafen musste, nachdem er ihm soviel Gutes getan hatte. Jean überlegte, ein ebensolches Gegenangebot zu machen, doch das würde Knox nicht annehmen. Das wusste er auch ohne dass er die Worte tatsächlich aussprach. Unwirsch maß er das große, ausladende Bett, das ihnen beiden gehören würde. Das er sich mit seinem Kapitän teilen würde, ohne dass er darin vergewaltigt werden würde. Wieder und wieder sagte Jean sich das, bis ihm der Gedanke kam, ob Knox vielleicht gar nicht mit ihm in einem Bett schlafen wollte. Vielleicht schlug er zuviel um sich in der Nacht? „Würdest du es wollen? Ich meine, hier schlafen? Ich habe Alpträume. Vielleicht werde ich dir gefährlich.“ Mit großen Augen musterte Knox ihn. „Du bist mir auch in L.A. nie gefährlich geworden, Jean. Und nein, ich möchte das nicht, wenn das bedeutet, dass ich dich aus dem Bett treibe.“ Hatte er es sich nicht gedacht? Ja, hatte er. Jean schluckte. Ihm lagen Worte auf der Zunge, die so einfach und doch so schwierig waren. Er brauchte mehrere Anläufe, um sie regelrecht hervor zu pressen. „Nein, ich meine, wenn ich auch dort liegen würde“, erwiderte er ungelenk und da konnten die blauen Augen gleich noch viel weiter werden. Knox schluckte und seine Augen huschten unsicher zwischen Jean und dem Bett hin und her. „Aber du…“, begann er, verstummte aber dann, als er anscheinend nicht wusste, wie er weitermachen sollte und Jean amtete bewusst ruhig ein. „Wir könnten es versuchen. Wenn es möchtest.“ Eine kleine Stimme in Jean schrie ihn an, dass er verrückt war. Unvorsichtig. Dumm und naiv. Er konnte sich nicht mit seinem Kapitän ein Bett teilen. Als wenn getrennte Betten jemals jemanden aufgehalten hatten, sich an ihm zu vergreifen, hielt er dagegen und stählte sich für die Zustimmung des blonden Jungen. „O…okay. Ich meine…ja, ich hätte kein Problem damit, es sind ja zwei Bettdecken, aber du…“ Er verstummte abrupt und Jean nickte schließlich. „Ich möchte es ausprobieren.“ „Wirklich? Bist du dir sicher?“ So unsicher, wie Knox die Frage stellte, so unsicher fühlte Jean sich. Dennoch. „Ja, Knox. Sicher.“ Nicht, dass er auch nur ein Auge zumachen würde die Nacht. ~~**~~ Nach und nach kamen die Trojans an und der ganze Nachmittag war ein Trubel des Hallo Sagens, Umarmens und Begrüßens, als hätten sie sich Ewigkeiten nicht gesehen. Jeder von ihnen brachte Essen mit, was zu Bergen an Nahrungsmitteln jedweder Couleur in der Küche führte, die Jeremy das Wasser im Mund zusammenliefen ließen. Alleine Fahima hatte schüsselweise das leckere Humus ihrer Mutter mitgebracht, dazu einen ganzen Korb selbstgebackenes Fladenbrot und Falafel. Die Zutaten für Sahlab standen direkt daneben und Jeremy hatte schon jetzt Hunger darauf. Amanpreet hatte Ajeet haufenweise Pakora und Samosa mitgegeben und die wunderbar angerichteten Platten verlockten Jeremy beinahe dazu, sich schon etwas zu stibitzen. Wären da nicht die wunderbaren Tage im Kreise seiner Familie gewesen, die Essen und noch mehr Essen für Jean und ihn bedeutet hatten. Als alle angekommen waren, fanden sie sich im Wohnzimmer ein und stöhnten kollektiv über die neue Bettenart. Jeremy navigierte sich vorsichtig durch die am Boden liegenden und sitzenden Menschen zur Couch und ließ sich auf Alvarez‘ Schoß fallen, die laut und unerfreut aufstöhnte. „Na Schnecke?“, grinste er und sie rollte mit den Augen. „Na Schwergewichtskapitän eines mittelmäßigen Highschoolteams“, gab sie zurück und er riss gespielt empört die Augen auf und fasste sich an die Brust. „Wie glücklich ich doch wäre, wenn ich mein erstes Magengeschwür nach dir benennen darf, Schnucki“, grimmte er und sie zischte unerfreut. „Dafür ist ein Tag ohne dich wie ein ganzer Monat Urlaub, Herzchen.“ Er winkte ab. „Oooh, red‘ einfach weiter, wird schon irgendwann was Sinnvolles dabei sein.“ Alvarez sah theatralisch auf ihre silberne Armbanduhr. „Wie wäre es, ich habe grad zwei Minuten Zeit, Hasi, sag mir alles, was du weißt!“ „Um aus Shakespear‘s Hamlet, Akt 4, Szene 5, Vers 28 zu zitieren: „Nein.““ Alvarez lachte gellend und Jeremy fiel mit ein. Er ruckelte sich gemütlich zurecht und lehnte sich zurück, damit Logan vorbeigehen und sich mit den anderen Trojans auf und an die Couch quetschen konnte. Logan setzte sich halb auf Vals Schoß und reichte Jeremy und Alvarez zwei der vier Biere, die er mitgebracht hatte. „Danke!“, strahlte Jeremy und hielt die Flasche nach oben. Er sah in die Runde und stellte fest, dass mittlerweile alle da waren und alle ein Getränk in den Händen hielten und sie somit ihre liebgewonnene Tradition beginnen konnten. Umständlich erhob er sich und hob die Bierflasche. „Trojans!“, rief er in den Raum. „Cap!“, riefen diejenigen, die das Ritual bereits kannten und Jeremy sah in die Runde der zufriedenen und lächelnden Gesichter. Selbst Jean, der sich an den Rand der Couch gestellt hatte, trug eine sorgsame Neutralität anstelle der üblichen Ablehnung ihrer gemeinsamen Freizeitaktivitäten, mit der er zumindest äußerlich ihren Aktivitäten begegnete. „Trojans!“, wiederholte er lauter. „Cap!“, riefen nun alle Trojans und Jeremy grinste. „Herzlichen Willkommen zum diesjährigen Silvester!“ Sein Team jubelte laut und klatschte begeistert. „Stoßen wir an: auf uns, auf die Trojans, auf unser College, auf die Freundschaft, die uns verbindet. Stoßen wir an auf unseren Sportsgeist…“ „…und unseren Sportspoltergeist!“, warf Alvarez ein und aus Jeans Richtung grollte es. Jeremy hob überrascht die Augenbrauen und wagte einen Blick in Richtung des Backliners, der ihn dunkel musterte und Alvarez einen Mittelfinger zeigte. Sie warf ihrem Mit-Backliner einen Luftkuss zu. „Ach komm, du liebst mich doch.“ Jean schnaubte. „Wofür?“ „Für meine perfekte Spielweise.“ „Wann sollte sich die gezeigt haben?“ „Selbstverständlich in jedem Training!“ „Wohl eher noch nie“, gab Jean ohne mit der Wimper zu zucken zurück und der Rest der Trojans johlte begeistert auf. Jeremy selbst lachte laut und starrte gebannt auf den Backliner, als Alvarez Jean mit einem Apfel bewarf, den er einhändig fing und in den er mit einem dunklen, herausfordernden Lächeln hineinbiss. Jeremy war sich nicht sicher, ob er jemals schon etwas Erotischeres gesehen hatte und verlegen räusperte er sich. „Also…Geister und Poltergeister“, fuhr er fort, als die Anderen zur Ruhe kamen. „Lass uns auf alles anstoßen, was wir gemeinsam erlebt haben und was uns zu einem eingeschworenen Team und zu Freunden macht!“ Erneut brach Jubel aus und Jeremy grinste. „Ihr wisst, ich liebe euch alle, aber ich werde die kommenden Tage gegen jeden von euch Krieg führen, sobald eben jener ausgerufen wird!“ Ein Großteil seines Teams grölte vor Freude, nur die Erstis und Jean sahen sich irritiert um. „Krieg! Krieg! Krieg!“, skandierten die übrigen Trojans und Jeremy erkannte, dass es nicht nur bei Jean Nachholbedarf in Sachen Krieg gab. Er hob die Hand und bat nonverbal um Schweigen. „Also, zur Erklärung. Zu Kriegszeiten ist jeder, der das Haus verlässt und sich in das Kriegsgebiet begibt, Freiwild, was Schneeballschlachten angeht. Zurückschlagen ist jederzeit möglich. Verlierer gibt es nicht, aber niemand ist sicher!“ „Gerade du nicht!“, warf Ellie ein und Jeremy stemmte die Hände in die Hüften. „Ich sprinte schneller als du!“ „Ich werfe dir einen Knüppel zwischen die Beine, Cap!“ Amüsiert winkte er ab und hob seine Flasche Bier zum ersten, gemeinsamen Schluck des Abends. Oh wie sehr freute er sich auf die kommenden Tage voller Chaos, gutem Essen, langen Spaziergängen und Schlittenfahrten. Er freute sich auf die Nähe seines Teams und auf die gemeinsamen Abende vorm Kamin. Er freute sich auf gute Gespräche und viel Gelächter und er freute sich auf den verdammten Whirlpool. Vor allen Dingen auf den. Wenn er es sich eingestand, freute er sich auch sehr darauf, mit Jean das Zimmer zu teilen. Er freute sich und er war erschrocken und irrsinnig nervös über die Verantwortung, die er trug. Jean vertraute ihm. Er vertraute ihm so weit, dass er mit ihm in einem Bett schlafen wollte. Er vertraute ihm nach all dem, was geschehen war. Wie konnte Jeremy da nicht aufgeregt sein und versuchen, Jean es so angenehm wie möglich zu machen? Sein Blick verirrte sich zu dem anderen Jungen, der am Rand der Couch stand, nahe genug, um ein Teil des Teams zu sein, weit genug entfernt, um nicht mitten im Pulk zu sitzen. Von Mal zu Mal näherte er sich seinem Team vorsichtig an und zeigte wie bei seiner Familie auch Interesse an dem Zusammensein, auch wenn es ihn immer wieder deutlich unsicher machte. Doch immer öfter, wenn er sich alleine und unbeobachtet fühlte, zuckten Jeans Mundwinkel nach oben und er lächelte. Immer öfter lag auf seinem Gesicht nicht der Ausdruck von Angst und Qual, sondern von Ruhe und Zufriedenheit über das, was er hatte. Mit einem weiteren Schluck kehrte er zurück zu seinem Team und verschaffte sich erneut Ruhe. „Die Spielregeln für die kommenden Tage sind folgende: wir kochen gemeinsam, wir essen gemeinsam, räumen gemeinsam auf. Aktivitäten werden einzeln, in Gruppen oder mit der gesamten Mannschaft gemacht. Wenn jemand eine Idee hat, packt er sie ans Brett im Eingangsbereich und die Leute pinnen ihre Namenskärtchen darunter. Der Whirlpool und die Sauna sind frei für alle, wie üblich wird Ellie dauerhaft von einem ins andere tingeln.“ „Infame Unterstellungen!“, rief sie und der Rest der Trojans strafte ihre Worte mit lautem Gelächter. Jeremy nahm einen dritten Schluck und ließ sich wieder auf Alvarez Schoß fallen, die ihm durch die Haare wuschelte. „Schön, wieder hier zu sein, Cap“, murmelte sie und er nickte glücklich. „Absolut!“ Alvarez beugte sich zu ihm und schob seine Haare zur Seite. Fragend sah Jeremy zu ihr hoch und sie lächelte. „Schön, ihn mit dabei zu haben“, sagte sie ungewöhnlich sanft und Jeremy seufzte. Er hielt ihren vielsagenden Blick und nickte. „Wunderschön.“ „Ich denke nicht, dass er es bereut.“ „Was?“ „Am Leben zu sein.“ Jeremys Augen huschten kurz zu Jean, der sich mit Ajeet über die Fahrt hierhin unterhielt. Seine Finger spielten mit der Bierflasche und er musste noch einen Schluck trinken, bevor er die Kraft fand, Alvarez zu antworten. „Nein, das denke ich auch nicht“, sagte er und zum ersten Mal geschah es ohne Angst, dass Jean sich vielleicht doch etwas antun würde, jedoch mit Sorge, dass er in seinen Fortschritten zurückgeworfen wurde, wenn er von Evermore erfuhr. ~~**~~ Unschlüssig stand Jean vor dem Bett und erkannte, dass die Courage, die er heute Mittag gehabt hatte, sich anscheinend mit Beginn der Nacht verflüchtigt hatte. Zumindest war sie weniger geworden und ließ ihn nun zögernd zurück, während sein Kapitän im Bad rumorte. Nein, nicht sein Kapitän. Knox. Der blonde Junge und Chaot, der den ganzen Tag über von Gruppe zu Gruppe gehuscht war und sich in jedes noch so mitmenschliche Chaos gestürzt hatte. Das, was Jean die letzten Monate über meist nur in Dosen gesehen hatte – dass dieses Team tatsächlich ein Zusammenschluss an Leuten war, die sich mochten – hatte er heute Abend in konzentrierter Form gesehen. Sowohl beim lauten, vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Essen an dem großen Tisch als auch beim anschließenden Herumlungern auf der Couch. Der Whirlpool hatte Platz für neun Leute, elf hatten sich in das Becken hineingequetscht, sodass Jean schon fast gar kein Wasser mehr gesehen hatte. Das hatte dem großen Becken mit Wasser etwas seinen Schrecken genommen und er hatte sich immer wieder dabei ertappt, dass er zu der großen Badewanne, denn nichts Anderes war es eigentlich, gesehen hatte. Insbesondere die Sprudelfunktion hatte Jean mit Interesse beobachtet und sich gefragt, ob die wilden Wellen auch wirklich angenehm waren. Die dunklen Erinnerungen an Evermore waren in dem Moment in den Hintergrund getreten und Jean wusste, dass keiner der Trojans ihm das antun würde, was Riko getan hatte. Das, was von seiner Angst und den Reminiszenzen der Folter übriggeblieben war, war ein unangenehmes Prickeln in seinem Nacken gewesen, je näher er dem Whirlpool kam. Das hatte Jean umgangen, indem er an dem riesigen Tisch Platz genommen hatte, an dem ein Viertel seines Teams gerade Gesellschaftsspiele spielte. Der Abend war schön gewesen und hatte Jean entspannt zurückgelassen. Es half, damit er sich auf das Kommende einstellen konnte. Die Geräusche im Bad verstummten und die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich vorsichtig. Knox trat heraus, in einem langen Pyjama, auf dem Jean kleine Feuerwerksexplosionen erkannte. Zweifelnd hob er eine Augenbraue und der blonde Junge zuckte grinsend mit den Schultern. „Besondere Anlässe müssen besonders gefeiert werden“, erläuterte er und Jean schnaubte, bevor er seine Augen abwandte. „Bist du fertig im Bad?“, fragte er nervös und Knox nickte. Jean huschte an ihm vorbei und schloss die Tür hinter sich, die, wie er jetzt erkannte, kein Schloss hatte. Stumm grollte er über diesen Umstand, der ihn zwar unsicher, aber nicht ängstlich machte und ließ sich soviel Zeit, wie es ging, um sich fertig zu machen. Doch irgendwann hatte er keinen Grund mehr, sich seine Zähne noch mehr zu putzen, sein Gesicht noch ein fünftes Mal zu waschen oder seine Narben ein drittes Mal mit der Creme von Doc Chandler einzureiben, die angeblich dafür sorgen würde, dass sie ihm weniger Probleme bereiteten. Sein abendliches Ritual war schneller beendet, als er es erhofft hatte und Jean stand schließlich vor dem Spiegel und sah in sein erschrockenes Konterfei, das ihm mit großen Augen und schnell schlagendem Herz entgegenstarrte. Er war aufgeregt und hatte Angst. Letztere war definitiv in ihm, aber, so erkannte er nun mit Schrecken, nicht so weit ausgeprägt, wie er gedacht hatte. Die Worte seines Vaters und auch Allans kamen ihm in den Sinn, damit einhergehend auch die Frage, wie er über Knox‘ Gefühle und Handlungen dachte und wie es in ihm selbst aussah. Am Anfang wäre die Antwort klar gewesen. Er hätte Angst gehabt, dass Knox sich ihm aufzwang. Er hätte die Nähe gehasst und sie als bedrohlich empfunden. Das in all seiner Negativität wäre einfach gewesen, doch das war es nun nicht mehr. Seine eigenen Gefühle waren nicht einfach, seine Wünsche waren es ebenso nicht, die mit seinen Erinnerungen und seinem Trauma kollidierten. Nichts war einfach, schon gar nicht der Weg zurück in das Schlafzimmer. Jean brauchte zwei Anläufe um die Tür zu öffnen und hob überrascht die Augenbrauen, als er sah, dass Knox eine Barriere aus kleinen Kissen zwischen ihnen aufgebaut hatte, die anscheinend von der Wohnzimmercouch stammten. Knox saß bereits auf seinem Teil des Bettes und lehnte am Kopfende. Das helle Licht der Deckenlampe hatte er gegen den heimeligen, kleinen Schein ihrer Nachttischlampen ausgetauscht, die einen gemütlichen Lichtkreis an die Holzwände warfen. „Warum?“, fragte Jean irritiert und der blonde Junge deutete stolz auf sein Werk. „Ich habe eine Barriere geschaffen, damit wir kein gemeinsames Bett, sondern zwei einzelne haben“, erläuterte er und Jean schnaufte leise über die schier kindliche Logik, die ihm erschreckenderweise mehr Ruhe vermittelte, als er es für möglich gehalten hatte. Er atmete tief durch – einmal, zweimal, ein drittes Mal – und setzte sich dann vorsichtig auf den Rand seiner eigenen Seite, möglichst weit weg von Knox. Nachdenklich maß er die Konstruktion und strich mit den Fingern über die Decke und die Kissen. „Ist es wirklich okay?“, fragte der blonde Junge sanft und Jean nickte unmerklich. „Ja, das ist es.“ Es würde okay sein. Hoffte er. Ansonsten waren es nur vier Nächte. Er hatte auch schon weniger Schlaf bekommen, also sollte das kein Problem für ihn darstellen. Eine Bewegung neben ihm ließ Jean aufsehen und Knox legte sich hin, zog die Decke bis unter das Kinn hoch. Jean beobachtete ihn dabei und folgte ihm schließlich so vorsichtig, als würde das Bett aus Bomben bestehen. Es roch gut, heimelig gar und die Decke, mit der er seinen Körper bedeckte, war weich und angenehm warm. Ein paar Sekunden lang herrschte Stille zwischen ihnen beiden, dann räusperte Jean sich. „Was ist eine Schneeballschlacht?“, fragte er das, was er bereits seit heute Nachmittag hatte fragen wollen und Knox konnte die Überraschung auf seinem Gesicht nicht wirklich verbergen. Es hätte Jean auch sehr gewundert, dass sein ausdrucksstarker und ehrlicher Mitbewohner jemals dazu in der Lage gewesen wäre, auch nur eine seiner Emotionen zu vertuschen. Selbst vor jemandem wie ihm. Knox lächelte und Jean blinzelte über die verschmitzte, unbändige Freude, die er darin erkannte. „Kurz zusammengefasst formt man Bälle aus Schnee und bewirft sich damit.“ Kritisch runzelte Jean die Stirn und lauschte seinem wild schlagenden Herzen, das sich nur langsam beruhigte. Zumindest solange, wenn Jeans Unterbewusstsein ihn nicht darauf aufmerksam machte, dass er mit einem anderen Jungen im Bett lag, nur durch ein paar Kissen getrennt. „Warum sollte man das tun? Was hat das für einen Sinn? Es durchnässt doch nur die Kleidung.“ „Jaa, das ist der Sinn daran!“ Jean war sich sicher, dass Knox ihn auf den Arm nahm. Was konnte daran so befriedigend sein, wenn man sich gegenseitig nass machte? Insbesondere bei der Kälte? Anscheinend standen seine kritischen Zweifel deutlich auf seinem Gesicht, denn Knox lächelte zuversichtlich. „Du wirst es morgen sehen. Und glaub mir, es macht sehr viel Spaß!“ „Dir macht es auch Spaß, äußerst schief zu singen“, merkte Jean nachdenklich an und Knox riss die Augen auf. Er kräuselte empört die Nase. „Du…du…Kacknase!“ Jean blinzelte, als er dem Wort nachlauschte. Bitte…was? Was war das denn für eine Bezeichnung? Nicht, dass Jean sich einen Reim aus der Kombination beider Wörter machen konnte, wenngleich er auch mit den jeweiligen Einzelbedeutungen etwas anfangen konnte. Indigniert rümpfte er die Nase. „Selber Kacknase“, erwiderte er dann mit entsprechend angeknackster Würde und Knox wedelte mit seinem Finger zwischen ihnen, sorgsam auf seiner Seite des Bettes. „Herr Kacknase, wenn ich doch bitten dürfte.“ „Wohl eher Captain Kacknase“, grollte Jean und Knox lachte so laut und anhaltend, als hätte er einen guten Scherz gemacht. Jean beobachtete ihn dabei und sog die ehrliche Freude, an der nichts falsch war, in sich auf. Ein ehrliches, fröhliches, liebevolles Lachen, das sich über Knox‘ gesamtes Gesicht zog und es erhellte. „Captain Kacknase“, wiederholte Knox und griff nach seinem Handy. Fragend sah Jean ihm dabei zu und linste auf den Bildschirm. ~Jetzt nennt er mich schon Captain Kacknase~, schrieb Knox an Renee und hielt es Jean unter die Nase. „Darf ich ihr das schicken?“ Jean hob die Augenbrauen. „Kann ich dich davon abhalten?“ „Jederzeit.“ Er brauchte noch nicht einmal zwei Sekunden um eine Entscheidung zu treffen. „Zuviel Aufwand. Mach.“ Knox drückte auf den Senden-Button, machte den Ton aus und legte sein Handy beiseite. Er legte sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Nachdenklich runzelte er schließlich die Stirn und drehte sich dann erneut zurück zu Jean, den Kopf auf seinem angewinkelten Arm abstützend. „Würde es dir helfen, wenn ich eher einschlafe als du?“, fragte Knox viel zu sanft um Jeans dünneres Nervenkostüm nicht in Aufregung zu versetzen. „Ich weiß nicht“, erwiderte er ehrlich. Vielleicht. Wahrscheinlich sogar, da er in Los Angeles ebenfalls immer nach Knox einschlief. „Vermutlich.“ „Alles klar, machen wir so.“ Knox drehte sich nach rechts um das Licht an seiner Seite zu löschen und rollte sich dann wieder zurück. „Wenn etwas sein sollte, dann weck mich bitte. Wenn du nicht einschlafen kannst oder wenn du dich durch mich nachts unwohl fühlen solltest, dann sag mir das.“ Jean nickte, auch wenn er es nicht so meinte. Er würde niemals Knox noch mehr Schlaf rauben als er es jetzt schon immer in Los Angeles tat. Dank seiner Alpträume schliefen sie beide nur einen Bruchteil der Nächte einer Woche durch und niemals beschwerte Knox sich, auch wenn seine Augenringe an den darauffolgenden Morgen tief und dunkel waren. Der blonde Junge reichte ihm seinen kleinen Finger und Jean erkannte diese Geste nur zu gut. Er grollte unter den hoch erhobenen Augenbrauen seines Mitbewohners. „Versprich es mir.“ Wollte er lügen? Nein, wollte er nicht wirklich. Konnte er lügen? Vermutlich stand die Wahrheit ebenso sehr auf seinem Gesicht geschrieben wie sie es auf Knox‘ tat. Mit spitzem, kleinen Finger schlug Jean ein und verhakte ihrer beider Körperteile. „Versprochen“, murrte er und das glückliche Lächeln des blonden Jungen begleitete Jean bis tief in die Nacht hinein. Auch dann noch, als Knox bereits tief in seinen Träumen seufzte, zufrieden grunzte und etwas murmelte, das verdächtig nach Schnellballschlacht klang. ~~~~~~~ Wird fortgesetzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)