Im Fluss der Zeit von Isa-tama ================================================================================ Kapitel 6: Nächtliche Erkundung ------------------------------- Natürlich war es im Inneren stockdüster. Glücklicherweise hatten wir unsere Shiekah-Steine dabei. Die Luft allerdings war alles andere als angenehm, sie erschlug einen geradezu. „Jep“, sagte ich. „Hier ist es genauso modrig und stickig, wie ich erwartet habe.“ Manori lachte und sagte: „Jahrtausende ohne frische Luft fordern eben auch ihren Tribut.“ Wir mussten den Eingangsraum nur kurz ausleuchten, schon erkannte ich Ähnlichkeiten zu anderen Gebilden. Manori schien denselben Einfall zu haben, denn er fragte: „Erinnert dich das auch an den Innenraum der Schreine?“ Ich nickte mit dem Kopf und sagte: „Dieses Heiligtum muss in etwa zur selben Zeit konstruiert worden sein. Vor allem die Wände. Hier würde man den Energiefluss sehen, wenn wir das alles in Gang setzen könnten.“ Manori fragte: „Aber sollte das nicht Aufgabe der Türme sein? Klar, mag ja sein, dass man hier noch weiteres aktivieren kann, aber zumindest im, äh, sagen wir mal Ruhemodus sollte hier doch alles laufen?“ „Hm“, sagte ich. „Eigentlich schon. Vielleicht hat das was mit der Abschottung zu tun. Vielleicht haben die Shiekah den Ort von der Hauptenergiequelle gekappt.“ „Das heißt, es würde sich auch nichts ändern, wenn wir diesen Schalter hier aktivieren.“ Ich betrachtete besagtes, auf das Manori das Licht seines Steins warf. Ich sagte: „Vermutlich nicht. Außerdem haben wir auch gar nicht den Schlüssel dafür. Auf unsere Shiekah-Steine würde es nicht reagieren. Wir bräuchten Originale aus derselben Zeit.“ „Wir könnten doch Originale von der Universität beantragen und es ausprobieren. Vielleicht passiert was, wer weiß?“ „Ja, wir sollten zumindest mal im Team darüber beraten.“   Langsam gingen wir auf die Mitte der Halle zu. Es war so viel größer, als ich erwartet hatte. Und nicht nur diese Eingangshalle war überwältigend. An den Wänden prangten viele Türen, die bloß andeuteten, wie viel größer das Gebäude tatsächlich war. „Das ist ja ein richtiger Tempel“, sagte ich, ohne mir große Mühe damit zu geben meine Euphorie zu verbergen. Der Raum war in Form einer Halbkugel konstruiert, mit Fokus auf dem Zentrum. Sämtliche der Türen, die in regelmäßigem Abstand zueinander standen, waren mit tiefblauen Teppichen ausgelegt, die allesamt in der Mitte zusammenliefen. Dort stand eine gewaltige, an die vier Meter hohe Statue einer sitzenden Frau mit übereinandergeschlagenen Beinen. Sie stand erhöht auf einem runden Podium, umgeben von einem kleinen Graben klaren Wassers. Voller Staunen stieß ich einen freudigen, quietschenden Laut aus und sagte: „Oh große Nayru, kneif mich. Das ist einzigartig!“ Manori pflichtete mir bei, wobei es ihm einfacher fiel die Fassung zu wahren. Zumindest äußerlich. Er sagte: „Selbst die Farbe ist so gut wie erhalten. Wann hast du jemals eine vollbemalte Statue aus der Antike gesehen?“ „Noch nie, du etwa?! Verdammte Scheiße, ich kann das nicht fassen!“ „Ich meine, ein bisschen verblasst scheint die Farbe schon zu sein…“ „Manori, das ist besser als alles, was jemals geborgen wurde. Verblasst hin oder her, das ist perfekt. Wir müssen morgen dringend dafür sorgen, dass der Raum besser ausgeleuchtet ist und eine ganze Menge Fotos machen. Ich kann es kaum erwarten, eine Zeichnung anzufertigen!“ „Wer wollte nochmal nicht, dass wir herkommen?“, fragte Manori mich belustigt. Ich räusperte mich und sagte verbissen: „Sehr witzig. Wenn wir schonmal hier sind, kann ich das doch auch wertschätzen.“ Er zuckte mit den Schultern und akzeptierte. Er sagte: „Jedenfalls, die Farbgebung steht ganz im Zeichen Nayrus. Blaues Kleid, blaues Haar, silberner Schmuck. Das Design erinnert mich ein wenig an die typischen Darstellungen des Orakels. Nur singt sie nicht.“ „Ja, stimmt. Wobei, ungewöhnlich dafür ist auch, dass der Gesichtsausdruck etwas sehr ernst und bestimmend ist. Da kommt wieder das Ausdrücken einer zu fürchtenden Entität zum Vorschein. Und sieh mal“, sagte ich und deutete auf ihre ausgestreckte, linke Hand. „Sie trägt eine wirklich sehr große Sanduhr.“ „Typisches Symbol für die Nayru Temporis“, meinte Manori. „Man sieht aber nicht, wie weit der Sand schon durchgelaufen ist. Denkst du, das ist absichtlich und irgendeine Symbolik steckt dahinter? Oder ist das aus reinen Einfachheitsgründen nicht so detailliert gestaltet worden?“ „Wer weiß“, sagte ich. „Könnte auch sein, dass es einfach nicht mehr erkennbar ist. Verblasste Farbe und so, hast ja darauf hingewiesen.“ „Stimmt, habe ich“, sagte er grinsend.   „In ihrem Schoss ist auch etwas“, sagte Manori und leuchtete auf besagte Stelle. Er sagte: „Die Harfe der Zeit, wie mir scheint. Sie singt nicht und spielt nicht, aber die Sanduhr hebt sie hervor. Das muss doch eine Bedeutung haben.“ „Darüber können wir morgen debattieren“, sagte ich. „Und so toll ich die Statue auch finde, wir haben morgen und viele weitere Tage Zeit uns mit ihr zu beschäftigen.“ „Zeit. Ich sehe schon, du bist ja sehr lustig drauf heute.“ „Das war doch keine Absicht“, sagte ich, konnte aber das Lachen nicht unterdrücken.   Nach einer kurzen Absprache hatten wir uns dazu entschlossen, den Türen fürs erste keine Beachtung zu schenken und unsere Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige Halle zu konzentrieren. Sie war auch allemal groß genug. Da ich schon einmal hier war, entschloss ich mich dazu den Boden genauer zu betrachten. Und das war wieder ein absoluter Volltreffer. „Schau mal“, meinte ich begeistert zu Manori. „Der Boden.“ „Unglaublich“, pflichtete er mir bei. Es war uns zuerst nicht aufgefallen, da wir nicht direkt auf die Konstruktion des Bodens geachtet hatten, aber nun eröffnete sich uns der Blick auf verschiedenste bunte Mosaikmotive, je ein anderes war zwischen zwei Teppichen zu betrachten. Entsprechend den Teppichverläufen waren sie dreiecksförmig ausgelegt, die Motive waren ebenfalls zur Mitte ausgerichtet. Noch immer standen wir bei der Statue, sodass wir gut erkennen konnten, um was es sich handelte. Ich sagte: „In Richtung des Eingangsportals ist Nayrus Zeichen abgebildet. Nur Nayru, ohne die Sanduhr. Interessant.“ „Dafür ist die Sanduhr links davon. Und rechts die Harfe der Zeit. Daneben das Triforce und hier-“ „Warte mal“, sagte ich, um ihn kurz zu unterbrechen. „Ist dir auch aufgefallen, dass die Sanduhr immer links und die Harfe immer rechts stehen? An der Tür, in den Händen der Statue, auf dem Bodenmosaik. Denkst du, das hat irgendeine Bedeutung, oder wollten die Shiekah nur die Kontinuität wahren?“ Manori zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, mir wäre nichts dergleichen geläufig. Entweder ist das Zufall oder es handelt sich um artistische Entscheidungen oder so.“ „Ja, war auch nur so ein Gedanke.“ „Wir sollten das auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.“   Als wir uns zur anderen Seite des Raumes vorgearbeitet hatten, rutschte mir das Herz vor Schreck in die Hose. Ich schrie, als meine Beleuchtung an einem Wächter haftete, der mich von oben herab aus seinem leblosen, mechanischen Auge beobachtete. „Bei den Göttinnen“, brachte ich keuchend hervor. „Hab ich mich erschrocken.“ Manori lachte dreckig und sagte: „Echt? Hab ich nicht bemerkt.“ „Halt die Klappe“, sagte ich und schlug ihm mit der Faust gegen die Schulter. Mein Herz pochte wie wild, um mich zu beruhigen hielt ich mir die freie flache Hand auf die Brust. Ich sagte: „Vielleicht ist das das Zeichen, dass wir verschwinden und mit Verstärkung wieder kommen sollten.“ „Beruhig dich mal wieder“, sagte Manori, der sich wirklich zusammenreißen musste, um nicht wieder laut los zu prusten. „Sie dir das an, das Ding ist total hinüber. Und furchtbar alt. Außerdem läuft hier drin sowieso nichts. Der wird uns schon nicht mit seinen Lasern grillen.“ „Noch nicht“, erwiderte ich und blieb meiner Skepsis treu. Um mich ein wenig in Sicherheit zu wiegen, ging ich auf Abstand. Manori hingegen ging noch näher heran und starrte mitten in das Auge dieser Todesmaschine. „Bist du wahnsinnig?“, zischte ich ihm zu. „Wenn das Ding jetzt aufwacht, durchlöchert es deinen Schädel!“ „Alles gut“, sagte er nur ruhig. „Das wird nicht passieren. Komm mal her, ich zeig’s dir.“ Zögerlich folgte ich seiner Aufforderung. „Siehst du?“, fragte er. „Das ist kein richtiger Wächter. Oder zumindest das Auge ist anders konstruiert, als gewöhnlich.“ „Stimmt, du hast Recht“, bemerkte ich irritiert. „Sowas habe ich noch nie gesehen. Sieht aus wie irgendein roter Edelstein. Was hat das denn jetzt wieder zu bedeuten?“ „Das kann ich dir sagen“, sagte Manori wissend und zog urplötzlich ein Messer hervor. Instinktiv zuckte ich zusammen, was meinen Begleiter nur dazu brachte erneut loszulachen. „Was ist denn los?“, fragte er. „Du bist auf einmal so schreckhaft.“ „Verflucht, du musst mich ja auch warnen, wenn du ein Messer ziehst! Warum hast du überhaupt eins dabei?“ „Denkst du wirklich ich bin blöd genug, um nachts alleine in ein unentdecktes Heiligtum zu gehen, ohne irgendetwas, womit ich mich verteidigen kann?“ „Ganz ehrlich, wenn wir es hier mit funktionierenden Wächtern zu tun hätten, würde dein Messerchen dir auch nicht weiterhelfen.“ „Ach, auf einmal ist das nur ein Messerchen. Deine Reaktion hat mir aber eine andere Bewertung suggeriert.“ „Halt doch die Klappe, du… ach, egal. Also, was hast du damit vor?“      „Pass auf“, begann er seine Ausführung, „das ist genauso eine Sache, die man in zahlreichen Tempeln antrifft. Vor allem denjenigen, die die Helden unseres Landes zu überwinden hatten. Oder auch die Schreine, die ja sogar speziell für solche Helden konstruiert wurden.“ „Meinst du ein Rätsel?“ „Ding ding ding, du hast es erfasst! Das hier ist ein Rätsel! Viele jener Rätsel hängen mit einäugigen Gebilden zusammen. Zudem ist das einzelne Auge auch noch, wie bekanntlich jeder weiß, das Symbol der Shiekah und damit ebenso für die Betrachtung relevant.“ „Worauf willst du hinaus?“ „Ist doch glasklar. Wir müssen Druck auf das Auge ausüben. Das ginge mit einem gezielten Pfeilschuss, einem präzisen Schlag mit einem Schwert oder…“ „…mit einem Messerstich?“ „Exakt!“ „Oder du aktivierst damit den Wächter und krepierst elendig.“ „Tja, es gibt nur einen Weg das rauszufinden.“ Ich war mir sicher, dass wir einen besseren Weg finden könnten, wenn wir uns nur gemeinsam einen überlegten. Ich erwiderte: „Ich verstehe ja deinen Gedankengang und er erscheint mir auch sehr logisch, aber bevor wir solche eigenmächtigen Handlungen ausführen, sollten wir nochmal mit dem Team beraten und Sicherheitsmaßnahmen treffen und… Verdammt, was soll das?!“   Statt meinen Worten Beachtung zu schenken, hatte er natürlich seinen eigenen Willen durchgesetzt und die Messerspitze schon in den Stein hineingerammt. Seine Attitüde machte mich allmählich wirklich rasend, was erlaubte er sich eigentlich? „Manori“, begann ich, möglichst ruhig und gefasst, „du verletzt hier gerade in erhöhtem Maße meine Autorität. Ich kann nicht erlauben, dass du-“   Ein kleines Erdbeben unterbrach meine Standpauke. Ich warf einen panischen Blick auf den Edelstein und stellte fest, dass dieser nun gräulich verfärbt war. Was auch immer Manori soeben angestellt hatte, es musste irgendeinen Mechanismus ausgelöst haben. Wir sprangen überrascht zur Seite, als vor der Wächterstatue ein quaderförmiges Loch im Boden aufkam. Ein zweites, etwas Tieferes reihte sich daneben und so verlief es immer weiter. Recht schnell verstand ich, dass sich vor unseren Augen eine Treppe auftat, die um die Statue herum verlief. Ich konnte von hier oben nicht genau erkennen, wie weit herunter sie führte, aber es schien tief unter die Erde zu reichen.   Ein verstohlener Blick seitens Manori und ich wusste sofort, was er mir mitzuteilen versuchte. „Oh nein“, meinte ich nur. „Wir gehen jetzt nicht da runter.“ „Komm schon!“, flehte Manori mich an. „Wir haben es doch gerade erst entdeckt! Willst du nicht auch wissen, was es damit auf sich hat?“ „Natürlich will ich, aber das ist doch wirklich viel zu riskant! Ich meine, wir haben die Treppe durch einen Wächter freigelegt. Einen WÄCHTER! Vielleicht ist das eine Falle, die uns geradewegs ins Verderben  führt!“ „Aber, Thefa-“ „KEIN aber“, fiel ich ihm ins Wort. „Ich bin nicht dazu bereit ein weiteres Risiko einzugehen. Wir werden morgen wiederkommen, mit einem Plan und entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen. Ich verspreche dir, dass wir beide morgen zuallererst begutachten werden, was sich dort unten verbirgt. Aber in Begleitung. Hast du mich verstanden?“   Für einen Moment sagte Manori nichts. Sein Blick wanderte flüchtig zwischen mir und der Treppe hin und her. Letztlich entschied er sich aber dazu, mir zuzustimmen. Ich merkte, dass er sich beherrschen musste, aber er sagte: „Schön. Na schön, von mir aus. Morgen.“ „Gut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)