Cursed von Lycc ================================================================================ Kapitel 59: Verflucht sei Aiden Moore ------------------------------------- „Huhu, Fibi? Hörst du mir zu?“ Erschrocken fuhr Fiona zusammen. „Entschuldige Sierra. Was hast du gesagt?“ „Schmachtest du schon wieder diesen Jungen an? Mensch Fibi, der ist doch noch total jung.“ „Er ist nur eine Klasse unter uns“, rechtfertigte sie sich ertappt. „Sag ich ja. Quasi noch ein Kind.“ Kichern steckten die beiden Mädchen die Köpfe zusammen und senkten die Stimmen, damit niemand anderes ihr Gespräch belauschen konnte. „Ich verstehe wirklich nicht, was du an dem Kerl findest. Aber soll ich Mara mal fragen, wie er heißt und wie er so drauf ist? Sie geht in die gleiche Klasse wie er und hat fast alle Kurse mit ihm zusammen.“ „Bloß nicht, Sonst ahnt sie noch was. Du darfst das niemandem verraten.“ „Na gut. Aber ich hab´s dir angeboten.“ Sierra zwinkerte ihr vielsagend zu, während Fionas Blick wieder zu dem brünetten Jungen einige Tische weiter glitt. Seit die Schüler des neuen, untersten Jahrgangs im Internat waren, hatte Fiona sich zusehends in diesen einen Frischling verguckt und Sierra wurde es nie müde, ihre beste Freundin damit aufzuziehen. „Verdammt Fibi, rede doch einfach mal mit ihm. Das geht jetzt schon seit Wochen so. Vom Anstarren wird er sich garantiert nicht in dich verlieben.“ „Ich trau mich nicht. Er kennt mich doch gar nicht. Was, wenn er mich total peinlich oder langweilig findet? Vielleicht mag er mich ja gar nicht. Kannst du mir nicht ein bisschen helfen?“ Vielsagend sah sie zu Sierra hinüber. „Was soll ich denn tun? Ihn fragen, ob er dich mag?“ „Gott, nein! Auf keinen Fall. Ich dachte da mehr an etwas... Zauberhaftes. Kannst du nicht irgendwie auspendeln, ob er Gefühle für mich hat? Oder mir einen Stein geben, der mich mutiger oder interessanter macht? Oder gleich einen Liebestrank. Sowas geht doch bestimmt.“ Fiona lächelte sie derart unschuldig und flehend an, dass Sierra nur resigniert schmunzeln konnte. „Na gut. Ich schau mal, was sich da machen lässt. Aber ich werde keinen starken Zauber auf dich oder ihn wirken. Das wäre viel zu gefährlich.“ Dankbar fiel Fiona ihrer besten Freundin um den Hals. „Du bist die Beste.“ „Ich weiß. Es hat eben seine Vorteile, mit einer waschechten Hexe befreundet zu sein.“ Drei Tage später holte Sierra beim Frühstück endlich eine kleine Glasphiole aus ihrer Tasche, in der eine blassrote Flüssigkeit verlockend schimmerte, und reichte sie unauffällig Fiona. „Das hier ist Iudicium Paridis – Das Urteil des Paris – eine einfache Tinktur zur emotionalen Manipulation.“ Fasziniert betrachtete Fiona das unscheinbare Fläschchen in Sierras Händen und wollte bereits danach greifen, doch die zog die Phiole schnell aus ihrer Reichweite. „Das ist keine Spielerei, verstanden?“ „Das weiß ich. Magie ist nie Spielerei. Also was muss ich tun? Es trinken?“ „Bloß nicht. Iudicium Paridis ist extrem potent. Und außerdem ist da Mistel drin, also ist es giftig. Es verstärkt vorhandene Liebesgefühle, kann aber keine Liebe erzeugen. Wenn er nichts für dich empfindet, dann hat der Zauber auch keine Wirkung.“ „Verstanden. Und wie funktioniert es, wenn man es nicht trinken darf?“ „Es wird über die Haut aufgenommen. Aber wie gesagt: es ist extrem potent. Drei Tropfen – mehr solltest du auf gar keinen Fall verwenden.“ Fiona nickte schwach. Geistig überlegte sie bereits, wie sie es bitte bewerkstelligen sollte, ihm exakt drei Tropfen direkt auf die Haut zu geben, ohne dass sie sich blamierte oder ihm wie ein Freak vorkam. „Wir sollten langsam los“, riss Sierra sie aus ihren Überlegungen. „Sonst kommen wir zu spät zur ersten Stunde.“ Nervös drehte Fiona das Fläschchen mit dem magischen Inhalt zwischen ihren Fingern, während sie es hinter ihrem Physikbuch vor neugierigen Blicke schützte. Wie sollte sie das nur anstellen? Vielleicht könnte sie in einem unbeobachteten Moment drei Tropfen auf seinen Jackenärmel geben? Oder 'Das Urteil des Paris' im Speisesaal auf den Griff seiner Gabel träufeln, während er nicht hinsah? Aber wie sollte sie das erklären, ohne wie eine Verrückte zu wirken, falls er sie dabei erwischte? Gedankenversunken schritt sie durch die Gänge, bog um eine Ecke und prallte prompt gegen einen Mitschüler. „Ey! Pass doch auf“, beschwerte sich Aiden ruppig, als das bebrillte Mädchen ihn völlig unvermittelt über den Haufen rannte und er dabei den Stapel Papier verlor, den er für seine Klassenlehrerin zum Rektor bringen musste. Er war auch so schon zu spät dran, und jetzt lagen die Dokumente allesamt wild durcheinander im Schulflur auf dem Boden verstreut. Hastig versuchte er die Blätter wieder aufzusammeln, bevor jemand auf sie treten oder das Öffnen einer Tür sie verwirbeln konnte. „Ich helf´dir“, stammelte das Mädchen unbeholfen, bückte sich nach den Papieren und stieß dabei schwungvoll mit Aiden die Köpfe zusammen. „Aua. Geht´s noch?“ Genervt hielt er sich den Schädel und rieb über die pochende Stelle. „Jetzt tritt doch nicht auf noch drauf. Die sind wichtig, verdammt nochmal.“ Energisch schob er das fremde Mädchen von sich und den Papieren weg, und sammelte die Formulare eilig vom Boden auf. Der Junge, den sie doch so unbedingt beeindrucken wollte, schubste sie verärgert beiseite und presste dabei Fionas Physikbuch gegen ihren Oberkörper. Sie hörte ein knirschendes Knacken und ihr Körper erstarrte vor Entsetzen. Panisch winkelte sie das Lehrbuch ein Wenig an, um darunter lugen zu können, doch leider bestätigte dieser Blick ihre Befürchtung. Aiden hatte mit seiner unbedachten Reaktion die gläserne Phiole zerbrochen, die sie reflexartig in der Mufftasche ihres Kapuzenpullis versteckt hatte und deren Inhalt nun die Baumwolle ihres Hoodies durchnässte und bis auf ihre Haut durchdrang. Die Panik machte Fiona bewegungsunfähig und lähmte ihren Geist, also starrte sie nur weiter unter ihr angewinkeltes Lehrbuch, während Aiden inzwischen die Kurslisten seiner Klasse vom Boden aufgelesen hatte. Verwirrt warf er Fiona einen abschätzigen Blick zu, murmelte irgendetwas verärgert vor sich hin und eilte dann den Flur hinunter. Jetzt würde er definitiv zu spät kommen und auch noch erklären müssen, warum die Listen nicht nach Klassenbuch sortiert waren und teilweise Schuhabdrücke aufwiesen. Super. Das Geräusch von Aidens davoneilenden Schritten, die durch den fast leeren Schulflur hallten, rissen Fiona endlich aus ihrer mentalen Starre. Panisch rannte sie auf ihr Zimmer, um sich einen anderen Pullover anzuziehen, und überlegte dabei, ob sie Sierra von ihrem Missgeschick erzählen sollte. 'Sie wird nie wieder einen Zauber für mich wirken', schoss es ihr durch den Kopf. 'Aber was ist, wenn es Nebenwirkungen gibt? Sierra meinte, ich darf es nicht überdosieren.' Kurz horchte Fiona in sich hinein, doch sie spürte noch keine Veränderung. Vielleicht hatte Sierra ja einen Fehler gemacht, oder 'Das Urteil des Paris' wirkte gar nicht bei ihr, weil sie ja bereits starke Gefühle für Aiden hatte. Das Schellen der Unterrichtsklingel unterbrach ihre Gedankengänge. Hastig schlüpfte sie in einen trocken Pullover, schnappte sich ihr Physikbuch und rannte zu ihrer nächsten Stunde. „Meine Güte, mach den Mund zu, sonst fängst du noch an zu sabbern“, witzelte Sierra, doch Fiona reagierte überhaupt nicht, sondern starrte nur weiterhin den brünetten Jungen am anderen Tisch an. „Huhu, Erde an Fibi.“ In einem Versuch ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen wedelte sie mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht und endlich entlockte Sierra ihr eine Regung. „Meinst du, er würde auf unserem ersten Date eher mit mir spazieren oder ins Kino gehen? Im Kino kann man sich unauffällig berühren, aber beim Spazieren kann man sich besser unterhalten.“ Völlig perplex sah Sierra Fiona an. Sie war abwesend und wirkte fast, als hätte sie Drogen genommen oder Kopfschmerztabletten überdosiert. Überdosiert – das Wort hallte in Sierras Kopf wieder und eine ungute Vorahnung manifestierte sich in der jungen Hexe. „Sag mal, Fibi, was hast du eigentlich mit dem restlichen Iudicium Paridis gemacht?“ „Hm?“ Abwesend sah sie an Sierra vorbei, sodass die wieder mit der Hand vor ihrem Gesicht wedeln musste. „Das Urteil des Paris, was hast du damit gemacht?“ „Die Phiole ist kaputt gegangen“, antwortete Fiona ganz beiläufig und sah Sierra immer noch nicht an. „Oh nein. Bitte sag mir nicht, dass du es abbekommen hast.“ „Hm?“ „Verflucht, Fibi! Das Zeug ist echt potent und du hattest ohnehin schon starke Gefühle für ihn. Hast du eine Ahnung, was das für eine Wirkung auf dich hat? Wie ist das überhaupt passiert?“ Doch Fiona war mit ihren Gedanken nur bei Aiden und hörte Sierra überhaupt nicht zu. Resigniert seufzte sie und zog ihre Freundin kurzerhand mit sich. Mit Aiden in Sichtweite war einfach kein vernünftiges Gespräch mit ihr zu führen. In ihrem Zimmer ließ Sierra sich endlich in allen Einzelheiten erzählen, wie genau es zu dem Zwischenfall gekommen war, und raufte sich schon während Fionas Ausführungen die Haare. Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Aber in weiser Voraussicht hatte Sierra ihr kein Sagitta Aurea sondern nur Iudicium Paridis gegeben, das über eine Hintertür verfügte. Die Wirkung hob sich auf, sobald die verzauberte Person das Objekt ihrer Begierde küsste. Sie musste also nur dafür sorgen, dass Aiden und Fiona einen Kuss austauschten. Das sollte doch irgendwie möglich sein. Doch leider war Aiden nicht nur in keinster Weise an Fiona interessiert, sondern auch noch prüde und unsicher wie ein Grundschulkind. Beim Flaschendrehen in den Gemeinschaftsräumen wählte er immer die Strafe und nicht den Kuss. In Wetten ließ er sich entweder nicht verwickeln oder ertrug lieber die Schmach des Feiglings oder Wortbrechers, als sich zu einem Kuss bringen zu lassen. Das schränkte ihre Möglichkeiten massiv ein. Fionas Zustand wurde indes immer besorgniserregender. Sie vernachlässigte die Schule, ihre AGs und Freundinnen, um Aiden nachzuspionieren, und Sierra musste sich allerhand Ausreden für ihre Abwesenheit und seltsames Verhalten einfallen lassen. Niemand durfte mitbekommen, dass ein missglückter Zauber für Fionas Zustand verantwortlich war. Das würde Sierras Image ruinieren, ihre einen Haufen Ärger wegen unerlaubter Anwendung eines Stufe 3 Zaubers an einem Außenstehenden einbringen und in einem Ausschluss aus dem Zirkel resultieren, da Sierra die Existenz von Magie freiwillig und unautorisiert einem Menschen preisgegeben hatte. Egal was passierte, sie musste diese Sache unter allen Umständen geheim halten und vertuschen. Heimlich schlich Fiona den beiden Jungs hinterher. Wann immer sie Aiden nicht sehen konnte, stach es in ihrem Herzen und sie musste einfach zu ihm, also nutzte sie jede sich bietende Gelegenheit, um ihn zu beobachten und seine Stimme zu hören, auch wenn sie dabei vertrauliche Gespräche mit dessen bestem Freund Lukas belauschte. „Du stehst echt auf sie, was?“, fing Lukas an und Fionas Herz klopfte wie wild. Die beiden redeten über sie. „Sag das doch nicht so laut. Ich find´ sie halt total hübsch.“ Verlegen drehte sie eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern. 'Er findet mich hübsch.' „Hässlich ist sich nicht, das stimmt schon“, bestätigte Lukas und grinste wissend. „Ganz und gar nicht hässlich. Und clever ist sie auch noch. In Bio ist sie mega gut und nett ist sie auch. Und sie beißt sich immer auf die Unterlippe, wenn sie angestrengt überlegt. Das ist total niedlich.“ Sofort biss Fiona sich auf die Unterlippe. Hatte sie diese Angewohnheit? Das war ihr nie aufgefallen, aber wenn Aiden es sagte, musste es stimmen. „Igitt, hör bloß auf“, witzelte Lukas und boxte Aiden spielerisch in die Schulter. „Du stehst echt auf sie. Du solltest sie unbedingt ansprechen.“ „Und was soll ich bitte sagen?“ „Frag sie, ob sie dir bei Bio irgendwas erklärt oder dir bei den Hausaufgaben hilft.“ „Aber ich hab gar keine Probleme in Bio.“ Hörbar schlug sich Lukas mit der flachen Hand vor die Stirn. „Das ist ja auch gar nicht der Punkt. Das muss sie doch nicht wissen, du Trottel. Das war doch nur eine Idee für einen Vorwand. Um sie direkt nach einem Date zu fragen, bist doch garantiert zu feige, oder?“ Ertappt wich Aiden seinem Blick aus. „Ich kenn dich doch.“ „Ist aber ne gute Idee. Ich werd sie um Hilfe bei den Hausaufgaben bitten.“ Fionas Herz wollte platzen vor Freude. Es schlug so heftig, dass sie sich sicher war, Aiden müsse es hören können, und in ihrer Euphorie verließ sie prompt ihr Versteck und stand nun für beide Jungs sichtbar an der Ecke des Gangs. „So ist das richtig“, lobte Lukas und klopfte ihm ermutigend auf die Schulter. „Und guck mal, wie auf Stichwort. Da hinten ist sie.“ Lukas deutete in die Richtung, in der auch Fiona stand, und schob Aiden energisch dorthin. Voller Vorfreude stellte Fiona sich Aiden in Erwartung eines Gesprächs in den Weg, doch der würdigte sie keines Blickes, ließ sie einfach links liegen und lief an ihr vorbei zu Sierras jüngerer Schwester Mara, die er mit geröteten Wangen um Hilfe bei den Biologie-Hausaufgaben bat. Fiona beobachtete die beiden, sah wie Aiden verlegen mit seinen Fingern spielte und immer wieder nervös lachte. Er hatte nur Augen für sie und Fiona hatte er überhaupt nicht bemerkt. Stumm floss eine Träne ihre Wange hinunter und ihr Herz zersprang in tausend kleine Scherben. Von diesem Tag an änderte sich Fionas Verhalten drastisch. Sie wurde immer schweigsamer, vermied jeden Blickkontakt mit Aiden und bat Sierra bei jeder Gelegenheit darum, ihr doch einen weiteren Zauber zu geben. Anfangs wollte sie nur etwas, dass ihre Haare glänzender oder ihre Haut reiner machen würde, doch schnell verlangte sie von Sierra Zauber oder Tränke, die ihren Körper schneller reifen lassen würden, ihre eine schönere Stimme oder neue Talente geben sollte, damit sie Aiden damit beeindrucken konnte. Und als Sierra ihr jede einzelne dieser Bitten abschlug und sich weigerte sie in ihrem Wahnsinn zu unterstützen, verfiel sie in völligen Selbsthass. Sie verpasste Schulstunden, weil sie sich nicht motivieren konnte, das Bett zu verlassen, sie nahm rapide ab, weil sie sich davor fürchtete, Aiden im Speisesaal zu sehen, und schloss sich aus Angst, ihm im Internat zu begegnen, häufig in ihrem Zimmer ein. Machtlos stand Sierra daneben und konnte ihrer besten Freundin nur beim Verfall zusehen. Sie hatte versagt. Sie hatte Aiden nicht dazu bringen können, Fiona zu küssen. Sie hatte ihre beste Freundin im Stich gelassen. „Wollen wir in den Laden dahinten? Da gibt es total schöne Kleider“, versucht Sierra sie irgendwie abzulenken und aufzuheitern. Iudicium Paridis war zwar eine potente Substanz, aber auch nicht übermächtig. Sie musste die Gefühle, die Fiona für Aiden hegte, nur übertönen, dann würde die Wirkung von allein abklingen, denn wie die meisten Tränke und Tinkturen, hatte auch Iudicium Paridis eine Halbwertszeit. Wie lange diese allerdings bei der Menge sein würde, die Fiona abbekommen hatte, konnte sie nur schwer abschätzen. Lustlos ließ die sich von Sierra mitziehen sah, als ihr Blick plötzlich an einem Jungen mit braunem Haarschopf hängenblieb. Da war er. Aiden. Und er kam direkt auf sie zu. Panik ergriff ihren Körper und Flucht war der einzige Gedanke, den ihr Geist noch zuließ. Sierra realisierte zu spät was geschah und konnte nur noch tatenlos dabei zusehen, wie das Grauen sich vor ihren Augen entfaltete. Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, drehte Fiona sich auf dem Absatz um und rannte so schnell ihre Beine sie trugen zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Doch die Fußgängerampel, die sie dabei überquert hatten, war bereits von Grün auf Rot gewechselt. Reifen quietschten, einige Passanten schrien erschrocken auf und ein durch Mark und Bein gehendes Scheppern kündete von dem verhängnisvollen Aufprall. Fionas abgemagerter Körper bot kaum einen Widerstand, verdrehte sich unnatürlich im Flug und schlug mit einem dumpfen Laut auf dem unnachgiebigen Asphalt auf. Vor Sierras Augen spielte die Szene sich wie in Zeitlupe ab. Sie konnte den erschrockenen Ausdruck auf Fibis Gesicht sehen, den stummen Schmerzensschrei von ihren Lippen ablesen und das Brechen ihres Genicks brannte sich in seiner vollen Grausamkeit und Endgültigkeit für immer auf ihrer Netzhaut und in ihren Geist ein. Sie war tot. Fiona Bellis – ihre Fibi – war soeben gestorben. Getötet von unerwiderter Liebe. Instinktiv glitt Sierras Blick zu der Stelle, an der sie Aiden gesehen hatte, doch der war bereits in der lauten Arcade-Halle verschwunden und hatte den Unfall allem Anschein nach überhaupt nicht mitbekommen. Fibi lag hier draußen blutend auf der Straße – wegen ihm – und er amüsierte sich mit irgendeinem dämlichen Videospiel. Unbändiger Hass stieg in Sierra auf. Wie konnte er es wagen, ihr ihre Fibi zu nehmen? Es war seine Schuld, dass die Phiole zerbrochen war. Er hatte Fibi falsche Hoffnungen gemacht und ihr den rettenden Kuss verweigert. Er war Schuld an ihrem Verfall, ihrem Selbsthass, ihrer Depression und nun auch an ihrem Tod. Und Sierra würde ihn das Gleiche nicht auch noch bei ihrer kleinen Schwester wiederholen lassen. Rachsucht und unterdrückter Selbsthass vernebelten ihren Geist und in ihrem blinden Zorn erkor sie Aiden Moore als ihre Aufnahmeprüfung aus. Sie würde ihn leiden lassen, so wie Fibi gelitten hatte. Sein Tod würde langsam und qualvoll sein, so wie Fibis Verfall. Sierra würde jedes Fünkchen magischer Macht gebrauchen, das sie aufbringen konnte, um den mächtigsten Rachedämon, den sie hervorbringen konnte, mit seinem Tod zu beauftragen, und dann würde sie sich an seinem Leid laben. Fibi würde gerächt werden und Mara wäre in Sicherheit. Der Gedanke setzte sich genau so deutlich in ihrem Kopf fest, wie das Bild der sterbenden Fibi, die auf dem kalten Asphalt ausblutete – Aiden Moore würde sterben. Verflucht sei er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)