Tatsächlich schwul von Maginisha ================================================================================ Kapitel 21: Körpersprache ------------------------- Javier hatte wirklich versucht, ein guter Junge zu sein. Schon bevor er an diesem Abend zu Nick aufgebrochen war, hatte er sich fest vorgenommen, seine Finger möglichst im Zaum zu halten. Er musste zugeben, dass ihm das etwas schwergefallen war anhand des Anblicks, der sich ihm geboten hatte, als Nick an der Tür erschienen war. Aber es hatte geklappt und auch wenn er den einen oder andere bewundernden Blick auf Nicks Kehrseite geworfen hatte – die wirklich, wirklich gut aussah – hatte er sich selbst doch bis jetzt erfolgreich davon abhalten können, sich ihm allzu offensichtlich zu nähern. Immerhin waren sie hier in einer Disko und nicht in einem schummrigen Kellerschuppen, wo alles, was so passierte, im ahnungslosen Halbdunkel verschwand. Nicht, dass ihn das wirklich gestört hätte, aber er war sich ziemlich sicher, dass Nick das unpassend gefunden hätte. Außerdem hatten sie ohnehin die meiste Zeit mit den Mädchen getanzt oder sich unterhalten, da wäre kaum Zeit zum Rummachen gewesen. Jetzt allerdings kamen gerade mehrere, ziemlich überwältigende Faktoren zusammen, die seine Zurückhaltung zunehmend ins Wanken brachten. Zum einen hatte jemand beschlossen, dass es Zeit war für ein langsames Lied und dazu auch noch das Licht gedimmt, sodass die Tanzfläche jetzt mehr oder weniger im Dunkeln lag, von den vielen, neonfarbigen Knicklichtern mal abgesehen. Zum Zweiten hatten Alexandra und Natascha anscheinend befunden, dass diese Atmosphäre romantisch genug war, um sich in die Arme zu schließen und sich dabei langsam im Kreis zu drehen, während der Rest der Welt sie mal kreuzweise konnte. Und zum Dritten teilte Nick diese Ansicht offensichtlich. Er und Javier tanzten eine Weile, bis Nick sich plötzlich zu ihm herabbeugte, um ihn zu küssen. Javier wurde zum wiederholten Male bewusst, dass Nick größer war als er. Nicht wirklich viel, gute zehn Zentimeter vielleicht, aber es reichte aus, damit er seinen Kopf heben musste, um den Kuss zu erwidern. Und es hätte ihm ermöglicht, ihn einfach zu unterbrechen, indem er sich wieder an Nick schmiegte und ihn zurück in diesen langsamen Wiegeschritt zog, mit dem alles angefangen hatte. Aber das Gefühl von Nicks Lippen auf seinen, die lockende Zunge, die ihn aufforderte, den Kontakt zu vertiefen, in Zusammenspiel mit Nicks Präsenz, die er dadurch ausstrahlte, dass er einfach nur da war, ließen Javier diesen durchaus sinnvollen Schritt gerade nicht machen. Stattdessen öffnete er den Mund und hieß Nicks Zunge als gern gesehenen Gast willkommen. Seine Hände glitten tiefer und legten sich auf Nicks Hintern, wo er sie einen Augenblick verweilen ließ, bevor er sie kurzerhand in die hinteren Hosentaschen steckte und Nick enger an sich zog. Oh ja, das fühlte sich gut an. Er liebte es, das zu tun. Es war mit einer der Gründe, warum er Nick aufgefordert hatte, sich mal was anderes anzuziehen, weil diese dämlichen Stoffhosen hinten allesamt keine Taschen hatten. Er hatte es im Grunde genommen kaum fassen können, dass Nick diesem Wunsch wirklich nachgekommen war. Es mochte albern klingen, aber für Javier kam das in etwa dem gleich, was ein Hetero-Mann wohl empfand, wenn sich seine Partnerin auf seinen Wunsch hin in ein Negligee oder ähnliches warf. Die Vorstellung, wie sich Nick nur mit dieser Jeans bekleidet, die halb geöffnet und auf den Hüften nach unten gerutscht war, vor ihm auf dem Bett rekelte, sandten ein interessantes Ziehen durch seine Lenden. Die Tatsache, dass Nick ihm dabei geradezu die Seele aus dem Leib küsste und seine ebenfalls schon merklich fühlbare Erregung an Javiers Hüfte rieb, fachten das Feuer noch zusätzlich an. „Du schmeckst nach Bier“, stellte Nick fest. Seine Lippen geisterten über Javiers Hals, während seine Finger ihren Weg unter den Rand seines T-Shirts fanden und dort begannen, den unteren Rücken zu streicheln. „Und du nach Limette“, gab Javier mit leichtem Lachen zurück. „Wie viele hattest du eigentlich?“ „Hoffentlich genug“, war die kryptische Antwort, über die Javier jedoch nicht weiter nachdachte, da Nicks Finger jetzt weiter nach vorne wanderten und dabei millimeterweit unterhalb des Rands seiner eigenen Jeans entlangstrichen. Allein die Vorstellung, was passieren würde, wenn Nick sie noch ein kleines Stück tiefer schob, reichten aus, um Javier vollkommen hart werden zu lassen. Sein Atem beschleunigte sich. Oh Himmel! Nick würde ihm doch nicht etwa mitten auf der Tanzfläche einen runterholen. Das wäre ja … Er unterdrückte ein Stöhnen, als Nicks Fingerspitzen tatsächlich noch ein wenig weiter vordrangen und die Berührung eine Gänsehaut über seinen ganzen Körper jagte. Hin- und hergerissen zwischen dem Drang, Nick tief und fordernd zu küssen und gleichzeitig mehr Raum für die Hände zu geben, die jetzt begannen, mit den Knöpfen seiner Hose zu spielen und dabei sanft über seine pulsierende Erektion strichen, ließen Javier förmlich erstarren. „Nicht ...“, brachte er schließlich hervor. „Nicht hier ...“ Insgeheim bewunderte er sich selbst dafür, dass er es fertigbrachte, noch so weit klar zu denken. Aber das Lied neigte sich dem Ende zu und vermutlich würde das bedeuten, dass gleich das Licht wieder anging. Und so gerne er Nick ja jetzt und hier die Kleider vom Leib gerissen hätte, so wusste er doch, dass das zu Problemen führen konnte. Er hatte wegen so was schon mal ziemlichen Ärger bekommen und bei aller Geilheit wollte er sich doch nicht von irgendwelchen angewiderten Sicherheitskräften vor die Tür setzen lassen. Er ging im Kopf die Möglichkeiten durch und im Grunde gab es nur einen Ort, an den gehen konnten. Mit aller Willenskraft, die er aufbringen konnte, löste er sich aus Nicks Umarmung und griff stattdessen nach seiner Hand. So schnell es unauffällig möglich war, bugsierte er ihn durch die Menge in Richtung der Treppe, die sie ein halbes Stockwerk nach unten zu den Toiletten bringen würde. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie den beleuchteten Bereich erreichten, ließ er Nicks Hand los und beschleunigte seine Schritte etwas, so sehr es die pochende Enge in seinem Schritt zuließ. Wenn man das durchziehen wollte, was er vorhatte, erforderte das ein gewisses Geschick, damit man nicht gleich irgendwelche aufgebrachten Heten an der Backe kleben hatte, die sich darüber aufregten, dass man vor ihrer Nase Dinge trieb, die sie für pervers hielten. Er konnte nur hoffen, dass Nick noch genug Verstand beieinander hatte, um ihm mit einigem Abstand zu folgen. Wenn sie es erst mal geschafft hatten, unbemerkt zusammen in eine der Kabinen zu kommen, sank die Gefahr gestört zu werden, ziemlich rapide, wenn man mal von einigen johlenden Kommentaren und aufmunterndem Klopfen gegen die Kabinentür absah. Javier stolperte fast die schwarz gestrichenen Stufen hinab, umrundete die Schlange, die sich vor dem Damenklo gebildet hatte, und erreichte die Tür, auf der ein goldenes Büblein in ein Töpfchen strullerte. Wer auch immer hier für die Innenausstattung zuständig war, hatte anscheinend Humor. Er drückte die schon reichlich abgegriffene Klinke nach unten und stand im nächsten Moment in einem Paradies. Nicht, dass ihn die Kerle interessiert hätten, die sich im vorderen Bereich um die Pissoirs geschart hatten. Nein, sein Blick hatte sofort erfasst, dass es sich bei den Kabinen um wunderbar alte, vermutlich noch aus Großvaters Zeiten stammende Modelle handelte. Damals hatte man noch mehr auf Diskretion als auf Pragmatismus wert gelegt, sodass die Kabinentüren tatsächlich ganz bis zum Boden gingen, anstatt wie sonst üblich mehrere Zentimeter darüber zu enden. Perfekt für seinen Plan. Er tat so, als hätte er ein dringendes Bedürfnis, huschte in eines der zwei Kabäuschen und schloss die Tür hinter sich. Zu seiner Überraschung war die Kabine sogar einigermaßen sauber, lediglich der Boden war etwas feucht und es roch neben dem offensichtlichen Geruch, den ein solcher Ort mit sich brachte, leicht nach Zitrone. Er erinnerte sich dunkel, an einer Toilettenfrau vorbeigekommen zu sein und nahm sich vor, ihr nachher ein großzügiges Trinkgeld zu geben. Aber jetzt bestand seine Aufgabe erst mal darin, Nick in die richtige Kabine zu lotsen, ohne allzu viel ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er überlegte gerade, wie er das anstellen sollte, als es leise an der Tür klopfte. Kluges Kind, dachte er und öffnete einen Spalt breit. Im nächsten Augenblick schlüpfte Nick zu ihm herein und Javier verriegelte die Tür wieder. Von draußen hörte man lediglich die ohne Unterbrechung weiter laufenden Unterhaltungen der anderen Besucher, über denen die leicht gedämpfte Beschallung durch die Musik aus dem oberen Stock lag. Wann immer die Tür geöffnet wurde, wurde sie für einen Augenblick lauter, nur um dann wieder im Hintergrund zu verschwinden. Alles in allem ergab sich aber eine genügend laute Geräuschkulisse, die sie nicht gleich auffliegen lassen würde. „Wo waren wir doch noch gleich stehengeblieben?“, fragte er, griff nach Nicks Hemdaufschlag und zog ihn an sich. Passenderweise hatte das Lied inzwischen gewechselt, und wann immer die Tür der Toilette geöffnet wurde, schwebte jetzt eine verführerische Frauenstimme untermalt von hypnotischen Gitarrenklängen durch den Raum. Nick antwortete nicht. Stattdessen beugte er sich zu Javier herunter und küsste ihn. Javier ließ sich gegen die Tür sinken und legte die Arme um Nicks Hals. Ihre Unterkörper begegneten sich und Nicks Hände wanderten zu Javiers Hintern, um ihn an sich zu drücken. Die intensive Berührung entlockte Javier ein leichtes Stöhnen, das sich irgendwo zwischen Nicks Lippen verlor. Unwillkürlich begann er, die Hüfte zu bewegen. „Wenn du wüsstest, wie sehr du mich anmachst“, murmelte er und wechselte vorsichtshalber ins Spanische, damit ihn niemand vor der Kabine verstand. Und vielleicht auch niemand in der Kabine. „Deine Küsse, deine Augen, dein Körper bringen mich um den Verstand. Ich will es dir besorgen. Ich will mich vor dich knien und mir von dir deinen Schwanz in den Rachen rammen lassen, bis ich nur noch schlucken kann. Und ich will, dass du mich dabei ansiehst und meinen Namen sagst. Ich will, dass du nur noch mir gehörst.“ Er hörte Nick keuchen und spürte, wie dessen heißer Atem über seine Haut strich. Wie der Kuss, den sie sich gaben, drängend und unkontrolliert wurde. Einen plötzlichen Impuls folgend, stieß er sich vom Boden ab und schlang seine Beine um Nicks Taille. Der Druck in seinem Schritt erhöhte sich und er stöhnte wieder, als Nick ihn mit dem Becken gegen die Tür presste. Ja, genau, das war es, was er sich wünschte. Von Nick genommen zu werden. Die Führung abzugeben und sich ganz dem Rhythmus zu fügen, den dieser festlegte. Er klammerte sich an ihm fest und fuhr fort, schmutzige Worte in Nicks Ohr zu wispern, die er auf Deutsch wohl niemals über die Lippen gebracht hätte. Allein die Gewissheit, dass nicht der Wortlaut, sondern nur der Tonfall bei Nick ankommen würde, gab ihm die Sicherheit, seinen Wünschen Ausdruck zu verleihen. „Ich will dich spüren. Ich will dich in mir, ganz tief. Ich will, dass du ihn mir kommst. Dass du deinen Schwanz in mich schiebst und dass ich spüre, wenn du deine Ladung in mir abspritzt. Ich will, dass du mich fickst wie eine rossige Stute. Dass du es mir besorgst wie einer dreckigen, kleinen Hure mit deinem riesigen ...“ „Dann lass es uns tun“, unterbrach Nick ihn plötzlich. „Was?“ Javier war für einen Augenblick aus dem Konzept gebracht. Hatte er sich gerade verhört? Er hob den Kopf und sah Nick an, der mit geröteten Wangen und geschwollenen Lippen vor ihm stand. Sein Atem ging schnell und seinen Augen glänzten fiebrig. „Jay, ich … ich will mit dir schlafen.“ Javier wusste nicht, ob er sich freuen oder an seinem Verstand zweifeln sollte. Ihm war, als habe ihn jemand gerade in zwei Hälften geteilt. Während die eine aufjubelte, hatte die andere tausend Einwände. „Jetzt? Hier?“ Nick schüttelte den Kopf und nickte im gleichen Augenblick. „Ja. Nein. Ich weiß nicht. Ich will einfach ... ich will, dass es gut wird. Ich will, dich glücklich machen. Aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Du musst mir helfen.“ Irgendetwas in Javiers Brust schwoll an und brachte sie fast zum Platzen. Da war so viel, was er Nick in diesem Augenblick sagen wollte, aber im Gegensatz zu gerade eben brachte er keinen Ton heraus. Er sah Nick nur noch in die Augen und lehnte sich vor, um ihn lange und tief zu küssen. Als er den Kuss beendete, atmeten sie beide schwer. Javier schluckte und versuchte, wenigstens seine Kehle wieder etwas zu befeuchten, damit er die nächsten Worte nicht nur krächzen konnte. „Lass uns ... lass uns bis nachher warten. Ich hab was mit, damit wir …“ Er konnte es nicht sagen. Es erschien ihm auf einmal so albern. Als er seine Tasche gepackt hatte, hatte er die Kondome und das Gleitgel gefunden und sie kurzerhand einfach in der Tasche gelassen. Nicht, um sie wirklich zum Einsatz zu bringen, aber es war ihm falsch vorgekommen, sie im Nachtschrank des Gästezimmers seiner Tante zu deponieren. Vermutlich hätte sie nie dort hineingesehen, aber es war ihm trotzdem peinlich gewesen. Oder zumindest unangenehm. Jetzt gerade jedoch war er dankbar dafür, dass sie so wenigstens vorbereitet waren. Er küsste Nick noch einmal und bewegte dann seine Beine, damit dieser ihn runter ließ. So langsam wurde er wahrscheinlich ziemlich schwer. Nick tat, worum er gebeten hatte, und zog Javier an sich. Er küsste ihn kurz und murmelte dann etwas gegen seinen Hals, das Javier nicht verstand. Es hörte sich jedoch nicht besonders positiv an. „Was ist los? Hab ich was Falsches gesagt?“ Nick schüttelte den Kopf. „Nein, ich … ich glaube nur, dass ich dann noch was zu trinken brauche. Sonst bin ich zu Hause wieder zu nüchtern.“ Die Info sickerte nur sehr, sehr langsam in Javiers Gehirn. Er sah Nick an und mit einem Mal klickten die Rädchen in seinem Kopf an den richtigen Platz. Nicks plötzliche Entscheidung, sich einen Cocktail zu genehmigen, hatte er bisher eigentlich darauf geschoben, dass dieser den Schock durch den Fotografen verdauen wollte. Dass er danach noch einen getrunken hatte, war Javier nicht weiter verwunderlich vorgekommen. Immerhin hatten sie alle außer Natascha weiterhin Alkohol zu sich genommen. Aber jetzt, wo er darüber nachdachte, kam ihm der dritte doch ziemlich over the top vor. Besonders, da ihm jetzt wieder einfiel, wie wenig Nick vertrug. „Hast du dich etwa abgeschossen, damit du es schaffst, mit mir zu schlafen?“ Für einen Augenblick war er geschockt. War Nick etwa aufgefallen, dass das mit Javier doch nichts für ihn war? Hatte er vielleicht beim Tanzen mit Alex festgestellt, dass er doch eher zur Hetero-Seite schwang? Und anstatt ihm das zu sagen, hatte er ihm noch einen Abschiedsfick liefern wollen, um ihn danach abservieren zu können? Javier unterbrach seine Gedanken. Nein, das war es nicht. Er kannte zwar Arschlöcher, die genau das tun würden. Getan hatten, wenngleich auch ohne die Heterogeschichte dabei. Nicht, dass er selbst ein Kind von Traurigkeit gewesen wäre, aber er war immer ehrlich, wenn es darum ging, ob nur Sex oder mehr angesagt war. Er hätte niemals jemandem etwas versprochen, dass er nicht zu halten gedachte, und er wusste genau, das Nick ebenso war. Der war jetzt in sich zusammengesunken und hatte sich auf dem Toilettendeckel niedergelassen. Er sah Javier nicht an, sondern starrte stattdessen auf den immer noch feuchten Boden. Von draußen hörte man Partylärm und Pinkelgeräusche. „Es tut mir leid“, flüsterte er. „Ich … ich hab nur … Ich hab Angst davor, okay? Ich hab Angst, dass ich was falsch mache und dass es total in die Hose geht und dass ...“ Javier unterbrach den Redestrom, indem er sich auf Nicks Schoß gleiten ließ. Sein Herz, dass sich kurz verkrampft hatte bei Nicks Eröffnung, schlug jetzt wieder groß und voll in seiner Brust. „Schafskopf“, sagte er zu Nick und küsste ihn auf die Nasenspitze. Dass sie dieses Gespräch nun ausgerechnet auf einer Disko-Toilette führten, während seine Füße nur Millimeter neben einer dreckigen Klobürste auf der einen und einer durchgeweichten Rolle Toilettenpapier auf der anderen in der Luft baumelten, war zwar ziemlich surreal, aber scheiß drauf! „Ich verstehe, dass du dir deswegen die Kante gegeben hast. Ich hab das damals auch so gemacht.“ „Was?“ Nick hob jetzt wieder den Kopf und in seinem Gesicht stand ungläubiges Staunen. Javier musste unwillkürlich lachen. „Ja klar. Meinst du denn, die Aussicht, dass mir jemand seinen Schwanz in den Hintern schiebt, war jetzt unbedingt etwas, dem ich mit wehenden Fahnen entgegengelaufen bin? Nein, mein Lieber, ich hatte einen Mordsschiss deswegen, das kannst du mir glauben.“ „Und warum hast du's dann gemacht?“ Javier rollte mit den Augen. „Weil ich Bock drauf hatte. Und weil ich keine Lust hatte, irgendwann mal an einen zu geraten, der ein 'Nein' nicht gelten lässt und sich einfach nimmt, was er will. Ich wollte wenigstens beim ersten Mal sicher sein, dass es einigermaßen glatt über die Bühne geht.“ „Also hast du dir einen netten Jungen gesucht, und ihr habt ...“ „Netten Jungen? Bist du irre? Wenn ich mir irgendeinen gutaussehenden Twink gegriffen hätte, dann hätte ich mich vermutlich gleich von meiner … äh … na, ich hätte vermutlich ein paar Tage lang nicht sitzen können. Denn entweder hätte der Typ dann genauso wenig Ahnung gehabt wie ich, oder er wäre bereits so aufgeblasen gewesen von all der Aufmerksamkeit, den diese Schnittchen kriegen, dass er mich einfach auf Teufel komm raus gerammelt hätte, ohne sich darum zu kümmern, wie es mir geht. Also hab ich mir einen anständigen, älteren Kerl ausgesucht, der einigermaßen vernünftig aussah, und hab ihm gesagt, dass er mich von meiner Unschuld befreien darf, wenn er mir vorher ein paar Drinks spendiert. Hat er dann auch gemacht, sodass ich einigermaßen locker war, bevor wir in den Darkroom gegangen sind.“ „Du hast dich in einem Darkroom entjungfern lassen?“ Nick hatte vor Aufregung ziemlich laut gesprochen und Javier hielt ihm zur Sicherheit den Mund zu, bevor er sie noch verriet. „Willst du nicht noch lauter schreien, damit die uns hier auch wirklich rausschmeißen?“ Als Nick den Kopf schüttelte, nahm er die Hand wieder weg. Wahrscheinlich wäre es schlauer gewesen, das ganze Gespräch an einen vernünftigeren Ort zu verlagern, aber der Rest der Geschichte war ohnehin schnell erzählt. Also zuckte Javier mit den Schultern und meinte nur: „Ja, war nicht übel. Wenn um dich herum jede Menge Leute Sex haben, lenkt dich das ab und macht dich geil. Außerdem hätte ich Hilfe gehabt, wenn er sich entgegen aller Erwartung als Axtmörder rausgestellt hätte. Der Typ hat sich Zeit gelassen und es war dann wirklich auch nur kurz unangenehm, bevor es gut wurde. Ich hab mich um mich selber gekümmert und fertig war die Laube. Er hat mich danach sogar noch zum Essen eingeladen, auch wenn wir uns dafür trotzdem lieber einen Stehimbiss gesucht haben. Javier zwinkerte Nick zu, der ihn ansah, als wäre ihm gerade ein drittes Auge gewachsen. „Hey, nun guck nicht so. Kann nicht jeder sein erstes Mal ganz romantisch im Federbett mit ner heißen Braut haben. Ich bin auch nicht superstolz drauf, aber inzwischen hab ich immerhin Ahnung, wie's geht. Also brauchst du wirklich keine Panik zu schieben deswegen. Ich helf dir schon.“ Er grinste. „Wenn du willst, kann ich dir ja auch erst mal bei dir zeigen, wie man es macht. Nur damit du ne Vorstellung hast, wie es sich anfühlen soll.“ Nick blinzelte ein paar Mal, bevor er sehr trocken bemerkte: „Okay, du hast's geschafft. Jetzt habe ich etwas, vor dem ich mich noch mehr fürchten kann. Herzlichen Dank auch.“ Javier konnte nicht anders, er fing an zu lachen. Nach einigen Sekunden fiel auch Nick darin ein und sie kringelten sich förmlich, bis sie sich den Bauch halten mussten und von draußen jemand an die Tür bummerte und rumschnauzte, dass sie sich beeilen sollten. Immer noch kichernd verließen sie beide die Kabine unter den hochgezogenen Augenbrauen eines Kerls mit Bodybuilderfigur und tätowierten Oberarmen. „Hier wäre dann jetzt frei“, sagte Javier bierernst, bevor er wieder in prustendes Lachen ausbrach und Nick einfach trotz des Gekeifes des Typen über „elende Schwuchteln“ hinter sich herzog. Sollte der Blödmann doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. „Na das hat ja ganz schön lange gedauert“, bemerkte Natascha spitz, als sie wieder zu ihr und Alexandra zurückkehrten. „Ich hoffe, ihr wisst, dass das echt eklig ist.“ Während Nick rot anlief, grinste Javier sie nur an. „Wir haben nicht 'Versteck die Zucchini' gespielt, wenn du das meinst.“ Natascha hob eine kritische Augenbraue, aber er sah genau, dass ein leichtes Schmunzeln an ihren Mundwinkeln zupfte. „Ach nicht?“ „Nein, wir hatten ein höchst ernstes Männergespräch über die wichtigen Dinge im Leben.“ „Die da wären?“ „Na Sex und Alkohol.“ Während Natascha ein bisschen dumm aus der Wäsche guckte, hob Alexandra ihr fast leeres Glas. „Das nenn ich mal ein Wort. Prost, Jungs!“ Als sie ausgetrunken hatte, sah sie betrübt auf die einsam im Glas vor sich hin klingelnden Eiswürfel. „Tascha, 's ist schon wieder leer.“ Natascha seufzte. „Und jetzt willst du noch was trinken oder tanzen?“ Alexandra runzelte konzentriert die Stirn, hoppste dann von ihrem Barhocker und meinte sachlich: „Tanzen. Weil, wenn ich noch mehr trinke, kann ich nicht mehr tanzen, aber wenn ich jetzt tanze, kann ich nachher wieder trinken.“ „Bestechende Logik, mein Schatz“, antwortete Natascha und ließ sich von Alexandra auf die Tanzfläche ziehen. Javier und Nick blieben allein zurück. „Und was machen wir jetzt?“, wollte Javier wissen. „Auch tanzen oder weiter trinken, damit wir nachher wilden, hemmungslosen Sex haben können?“ Nick zuckte ein bisschen zusammen, aber Javier grinste nur und boxte ihm gegen den Arm. „War nur Spaß. Ich fänd's schön, wenn wir uns irgendwann mal richtig Zeit dafür nehmen könnten. Muss ja nicht heute oder Morgen sein.“ Er zögerte kurz und setzte dann hinzu: „Eigentlich auch nicht nächste Woche. Oder nächsten Monat.“ Als Nick ihn daraufhin mit einem Ausdruck im Gesicht ansah, der ein sehr eigenartiges Gefühl in seinem Magen auslöste, meinte er scherzhaft: „Aber nächstes Jahr wäre ganz schön. Nur so für die ungefähre Zeitplanung. Ich bin ja schließlich auch nur ein Mann.“ Sein letzter Satz ging ein wenig in der Umarmung unter, in die Nick ihn zog, und ihm einen Kuss aufdrückte, indem so viel mehr lag als in denen, die sie zuvor am Abend getauscht hatten. Er erwiderte die Berührung und lehnte sich dann an Nicks Brust, um seinem Herzschlag zu lauschen, der verdächtig gut mit seinem eigenen übereinstimmte. „Und tut nichts, was wir nicht auch tun würden“, sagte Alexandra noch, bevor sie die Wohnungstür hinter sich und Natascha zuzog. „Das dürfte wohl schon rein ausstattungstechnisch etwas schwierig werden“, antwortete Javier mit einem Grinsen, obwohl ihn außer Nick schon niemand mehr hören konnte. Der öffnete jetzt seine eigene Wohnung und trat ein, ohne Licht zu machen. Javier folgte ihm und drückte die Tür wieder ins Schloss. Drinnen sah er Nick dabei zu, wie der durch die dunkle Küche tappte, seinen Schlüssel auf dem Tisch deponierte und seinen Mantel auszog. „Gib her, ich häng ihn auf“, bot Javier an. Er nahm Nick das Kleidungsstück ab und hängte es zusammen mit seiner Jacke an die Haken neben der Tür. „Und jetzt?“, fragte er die dunkle Silhouette. „Dusche oder gleich Bett?“ „Dusche wäre eigentlich nicht schlecht. Ich bin total durchgeschwitzt.“ „Du oder ich zuerst?“ „Geh du ruhig.“ Javier fragte nicht weiter nach. Er ging ins Bad, drehte das Wasser auf und stellte sich unter den Strahl, als dieser warm geworden war. Aus der vergitterten Öffnung an der Wand drangen leise Stimmen und ihm wurde bewusst, dass das Alexandra und Natascha sein mussten. Jetzt war er noch ein wenig froher darüber, dass er Nick nicht gefragt hatte, ob sie zusammen duschen wollten. Die Stimmung auf der Rückfahrt war ohnehin schon etwas eigenartig gewesen. Nicht schlecht; eher so, als würden sie auf Eierschalen laufen. Ganz vorsichtig, um nichts kaputtzumachen. Dabei hatten sich ihre Knie die ganze Zeit berührt und irgendwann hatte Nick seine Finger in Javiers Hand geschoben. Als er fertig war, benutzte er wieder Nicks Handtuch und stellte fest, dass er vergessen hatte, sich neue Sachen mitzunehmen. Jetzt konnte er entweder mal wieder Nicks Bademantel annektieren, sich das Handtuch um die Hüfte wickeln oder ganz nackt dort raus stolzieren. Irgendwie schienen ihm alle drei Varianten gleich ungeeignet. Also spähte er zunächst in die Küche und als er sah, dass Nick nicht da war, stahl er sich einfach so zu seiner Reisetasche, um sich Shorts und ein T-Shirt herauszuholen. Als er sich umdrehte, stand Nick hinter ihm. „Äh, sorry tut mir leid. Ich wusste ja nicht … ich hatte nur die Badtür gehört.“ „Hey, kein Problem. Bad ist frei.“ Er lächelte, obwohl Nick das im Dunkeln natürlich nicht sehen konnte. Aber vielleicht spürte er es ja. Von ihm aus war eigentlich alles in Ordnung, aber Nick schien noch irgendwas zu beschäftigen. Was, das konnte Javier nur raten. Bei Nick dauerte es offensichtlich immer ein bisschen länger, bis er alles wegsortiert und zu den Akten gelegt hatte. Er verzog sich schon mal ins Bett und wartete, dass Nick aus dem Bad kam. Als er die Tür und danach leise Schritte hörte, überlegte er zunächst, sich schlafend zu stellen, aber dann kam ihm das doch zu absurd vor. Also wartete er, bis Nick ins Bett kam und rückte dann ein Stück in seine Richtung. „Schlaf gut“, sagte er und versuchte im Dunkeln Nicks Mund mit einem Kuss zu treffen. Er erwischte das Kinn und lachte, als Nick ihn in die richtige Richtung dirigierte. Danach legte er sich wieder auf seine Seite, rollte sich zusammen und wollte schon versuchen einzuschlafen, als Nick sich räusperte. „Jay?“ Er wartete einen Augenblick, bevor er fragte: „Ja, was ist?“ „Weißt du, ich hab ein bisschen schlechtes Gewissen, weil ich dich vorhin so hab hängen lassen. Im Metropolitan unten. Du weißt schon ...“ „Brauchst du nicht. Alles in Ordnung bei mir.“ Einige Augenblicke lang breitete sich Schweigen aus, bis Nick erneut zu sprechen begann. „Also gut, dann anders. Ich … ich bräuchte da mal Hilfe bei einem kleinen Problem. Obwohl es so klein nun auch wieder nicht ist. Aber vielleicht könntest du ja mal … ein bisschen Hand anlegen?“ Javier biss sich auf die Lippen, um nicht laut loszulachen.Versuchte Nick gerade wirklich, ihn mit diesem Spruch anzumachen? Das war so flach, dass es schon fast wieder süß war. Ihm fiel wirklich kein anderes Wort dafür ein. Trotzdem konnte er einfach nicht widerstehen. Er musste etwas darauf erwidern. „Du hast aber nicht vor, später noch ein Rohr zu verlegen, oder?“ Im nächsten Moment traf ihn ein Kissen mitten ins Gesicht. „Ey, Vorsicht! Wichtige Körperteile!“ „Du machst dich über mich lustig.“ Nicks Stimme klang ziemlich beleidigt. „Na wenn du irgendwelche Pornosprüche auspackst, um mir zu erzählen, dass du einen Ständer hast und gerne noch ne Runde Kampfkuscheln durchziehen würdest, um den wegzubekommen, dann kann ich halt nicht anders.“ „Sagt der Kerl, der mir irgendwas vom Pferd erzählt, wenn er rollig ist, und das wortwörtlich.“ „Du verstehst das ja nicht.“ „Ach nein? Ich hab 'fóllame' nachgeschlagen, während du duschen warst.“ „Fuck!“ „Soweit mich meine Englisch-Kenntnisse nicht täuschen, fehlt da noch ein 'me'.“ Javier stemmte sich hoch und sah zu Nick hinüber, der ebenfalls halb im Bett saß. Er hatte nur eine Hose an, das konnte Javier erkennen. Eine Hose, in der sich ein interessanter Inhalt befand, von dem er die offizielle Einladung hatte, ihn sich näher anzusehen. Also warum eigentlich nicht? Wenn er ehrlich war, konnte er bei dem Gedanken daran durchaus auch bei sich ein langsam erwachsendes Interesse feststellen. Er robbte näher zu Nick. „Also schön, kein Spanisch mehr und ich kümmer mich um das Problem.“ Er hörte Nick leise lachen. „Wer sagt, dass du damit aufhören sollst. Ich finde das durchaus charmant.“ Javier kam noch näher, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Okay, dann habe ich noch ein Wort für dich. Bésame." „Das klingt voll versaut.“ „Sag's doch einfach mal, dann wirst du schon sehen, was passiert.“ Nick zögerte noch einen Augenblick, bevor er das Wort wiederholte, und wie gewünscht, gab Javier ihm einen Kuss. „Siehst du? Ich kann auch romantisch.“ Er küsste Nick noch einmal und zog sich dann das Shirt über den Kopf. „Aber jetzt ist genug mit den Fremdsprachenlektionen für heute.Ich glaube, mir fällt da was Besseres ein, was wir mit unseren Mündern machen können.“ Den Hinweis auf ein bisschen Französisch verkniff er sich, denn Nick antwortete schon nicht mehr, sondern küsste ihn lediglich und Javier nahm diese wortlos Aufforderung an, um sich nun tatsächlich schweigend der Erkundung von Nicks Körper zu widmen. Schon bald waren die einzigen Laute, die zu hören waren, leises Seufzen und verhaltenes Stöhnen, schnelles Atmen und das Geräusch von Haut auf Haut, Lippen auf Lippen und den durch einen Kuss im Keim erstickten Schrei, mit dem Nick schließlich kam, kurz bevor Javier ihm folgte. Erschöpft und schon wieder leicht verschwitzt lag Javier halb auf Nicks Brust und malte mit dem Fingerspitzen verschnörkelte Linien auf seine Rippenbögen. Der regte sich leicht und sagte: „Kann ich dich noch eine Sache fragen?“ Javier war froh, dass Nick seinen Gesichtsausdruck im Dunkeln nicht sehen konnte. „Na klar, frag“, antwortete er und versuchte, nicht allzu amüsiert zu klingen. „Hast du ihn nochmal wieder gesehen?“ „Wen?“ „Na den Kerl. Du weißt schon. Den aus dem Darkroom.“ Javier überlegte. Gab es eine richtige Antwort auf diese Frage? Wenn er 'Ja' sagte, würde Nick womöglich mehr daraus machen, als da gewesen war. Kein Mann hörte sich gerne irgendwas über ehemalige Bettpartner an. Aber wenn er 'Nein' sagte, bekam Nick womöglich einen falschen Eindruck von ihm. Oder den richtigen, wenn er an so einige Aktionen seit damals dachte. Aber er wollte nicht, dass Nick so von ihm dachte. Er atmete tief durch und beschloss, es zumindest in diesem Fall mit der Wahrheit zu versuchen. „Wir haben uns noch ein paar Mal getroffen. Er hat mir … ein bisschen was gezeigt, was man so machen kann. Er war quasi meine Mrs. Robinson. Es war ne rein körperliche Sache.“ „Verstehe.“ Javier legte sich wieder hin und lauschte Nicks Atemzügen, die langsam gleichmäßiger und tiefer wurden. Es stimmte, was er ihm gesagt hatte. Es waren wirklich keine Gefühle im Spiel gewesen, wenn man von einem gewissen Vertrauen mal absah. Das mit Nick dagegen, das ging inzwischen richtig tief rein. Viel tiefer als irgendwas davor. „Nick?“ „Mhm“, murmelte es verschlafen unter ihm. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich das vorhin ernst gemeint habe. Also dass ich warten kann. Du bist mir definitiv wichtiger als Sex.“ Erst dachte er, dass Nick ihn wohl doch nicht mehr gehört hatte, aber dann schlang der seinen Arm um Javier und zog ihn an sich. „Und ich glaube nicht, dass du bis nächstes Jahr warten musst“, sagte er und küsste ihn noch ein letztes Mal, bevor Javier sich umdrehte und sie sich endlich zum Schlafen aneinander kuschelten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)