Tatsächlich schwul von Maginisha ================================================================================ Kapitel 17: Herzgespräche ------------------------- Als es am frühen Nachmittag an Nicks Tür klingelte, wusste er zum Glück bereits, wer davor stehen würde. Die letzten Tage hatten es sich so sehr zur Angewohnheit werden lassen, ihn mit unerwartetem Besuch zu überraschen, dass er froh über ein wenig Vorhersehbarkeit war. Und als Alexandra ihm geschrieben hatte, dass sie am Nachmittag vorbeikommen würde, um die Vor-Vor-Weihnachtszeit einzuläuten, und dass er kein Mitspracherecht diesbezüglich hätte, hatte er fast ein wenig erleichtert zugestimmt. Er freute sich, dass sie einen Schritt zurück zu ihrem alten, unbeschwerten Umgang miteinander machen konnten. Außerdem wusste er, dass es nahezu aussichtslos war, Alexandra von etwas abbringen zu wollen, dass mit Weihnachten zu tun hatte. Sie liebte es, die ganze Wohnung dafür zu dekorieren – in ihrem Überschwang war auch Nick nicht von Schneemännern und Elchen mit rotgestreiften Schals verschont geblieben – hatte ihn letztes Jahr zu jedem Weihnachtsmarkt in 30 km Umkreis geschleppt, freute sich wie ein Schneekönig, wenn sie ein Geschenk für einen lieben Menschen fand, und konnte quasi rund ums Jahr Weihnachtskekse und Marzipankartoffeln zu sich nehmen. Nick war, was Weihnachten anging, weit weniger enthusiastisch. Es gab allerdings etwas, dem er nur sehr schwer widerstehen konnte und genau das hielt Alexandra gerade in ihrer Hand. „Guck mal!“, rief sie. „Ich hab sogar die mit Vollmilch bekommen.“ Sie wedelte mit den gefüllten Lebkuchenherzen vor Nicks Nase herum, als sie plötzlich stutzte und ihn scharf ins Auge fasste. Sie ließ ihren Blick von oben nach unten gleiten und schürzte die Lippen. „Okay, was ist los?“ Nick blinzelte überrascht. „Wie, was ist los? Was soll los sein?“ Er spürte, wie seine Mundwinkel zuckten. „Irgendwas ist anders.“ Ihre Augen wurden schmal. „Erzähl!“ „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Er musste sich ein Grinsen verkneifen, während Alex wie ein schnüffelnder Bluthund in seine Küche kam, sich die Stiefel auszog und ihn dabei keinen Augenblick aus den Augen ließ. Es fehlte nicht viel und sie hätte ihm in die Augen geleuchtet und ihn „Aa“ sagen lassen. Bevor sie noch weiter fragen konnte, ging er zum Wasserkocher. „Möchtest du einen Tee?“ „Mhmpf.“   Nick spürte Alexandras Blick in seinem Rücken und versuchte verzweifelt, endlich seine Mundwinkel unter Kontrolle zu kriegen, die sich schon den ganzen Tag zu einem leicht grenzdebilen Grinsen verziehen wollten. Genauer gesagt seit dem Moment, als er heute morgen in seinem Bett aufgewacht war mit einem Arm voll Javier. Das Aufstehen war allerdings nicht ganz so verlaufen, wie er es sich am Abend zuvor noch vorgestellt hatte. Javier hatte es irgendwie geschafft, den Alarm seines Handys auszustellen und weiterzuschlafen, sodass sie erst von einer wütend anklingelnden Renata aus den Federn gescheucht worden waren. Während Javier schon wieder halb nackt durch die Gegend gehüpft war, um sich in Hosen und Strümpfe zu bringen, hatte Nick sein ruiniertes Schlafanzugoberteil vom Boden geklaubt. Dass er darunter Javiers Shirt gefunden hatte, das dummerweise etwas von der Bescherung abbekommen hatte, hatte die Sache irgendwie nicht besser gemacht. „Du kannst nicht in den Laden gehen und nach Frittierfett und … danach riechen. Du musst was von mir anziehen.“ Javier hatte dieser Idee zwar nicht ohne Protest zugestimmt, war aber keine zehn Minuten nach dem Anruf mit einem von Nicks Hemden und einer ordentlichen Ladung von seinem Deo versorgt ins „El Corpiño“ aufgebrochen. „Dann rieche ich wenigstens den ganzen Tag nach dir“, hatte er gesagt und Nick noch einen mandelngefährdenden Zungenkuss gegeben, bevor er endlich losgejoggt war. Und seitdem kämpfte Nick mit diesem unsäglichen Grinsen.   Der Tee war fertig und Nick stellte jeweils eine Tasse für sich und Alexandra auf den Tisch. Dabei sah er sie nicht an, obwohl er genau wusste, dass sie ihn immer noch beobachtete. „Mein lieber Nick“, sagte sie in einem strengen Ton. „Ich merke genau, dass du mir irgendwas verschweigst. Und dabei dachte ich, wir wollten ab jetzt keine Geheimnisse mehr voreinander haben.“ Uff, das hatte gesessen. Er hob schuldbewusst den Blick und fingerte am Henkel seiner Teetasse herum. „Es ist aber blöd“, sagte er und musste schon wieder grinsen. Zur Tarnung nahm er sich einen Lebkuchen und biss hinein. Wann hatte er eigentlich das letzte Mal etwas gegessen? Er erinnerte sich daran, sich irgendwann ein Sandwich gemacht zu haben, aber das war bestimmt schon eine Weile her. Alexandra musterte ihn von der anderen Seite des Küchentischs. Plötzlich begann ihr Blick unkontrolliert an ihm vorbeizugleiten, magisch angezogen von etwas, das sich irgendwo hinter ihm befand. Sie sah zwischen ihm und dem Etwas hin und her, zog eine Augenbraue nach oben und fragte irritiert: „Was ist das denn?“ Er drehte sich um und starrte das Ding auf dem Wäscheständer an, als sähe er es zum ersten Mal. Er hatte Javiers Shirt der Einfachheit halber mit in die Wäsche geworfen – nicht auszudenken, wenn Renata das in die Finger bekäme – und jetzt vollkommen vergessen, dass es da gänzlich ungeschützt vor Alexandras inquisitivem Blick herumhing. Er schluckte das Stück Lebkuchen in seinem Mund herunter. „Ein Langarmshirt?“ „Das sehe ich selbst.“ Alexandra verzog das Gesicht. „Die Frage ist, warum es da hängt, weil es nämlich mit Sicherheit nicht dir gehört. Das sieht eher aus wie etwas, das Javier tragen würde.“ Er blickte auf die Krümel, die der Lebkuchen auf dem Küchentisch hinterlassen hatte, und fing an, sie mit dem Finger aufzupicken. „Ni~ick?“ „Er hat hier übernachtet.“ Jetzt war es heraus. Zumindest ein Teil davon. Von dem, was sie ihm Schlafzimmer getrieben hatten, würde er Alexandra bestimmt nichts erzählen. Er konnte es ja selbst kaum glauben. Er hatte wirklich … mit Javier! Aber es hatte sich gut angefühlt, sehr gut sogar. Sowohl das, was Javier mit ihm gemacht hatte, wie auch seine Erwiderung darauf. Er glaubte jetzt noch Javiers vor sich zu sehen, wie der sich unter seinen Berührungen wand. Auf seinen Lippen süße Worte, die Nick nur zum Teil verstanden hatte. Es war trotzdem mehr als deutlich gewesen, dass das, was Nick getan hatte, das absolut Richtig gewesen war. Zwar hatten die ungewohnte Position und das Gefühl der vielen, glatten Haut unter seinen Fingern ihn zunächst etwas zögerlich an die Sache herangehen lassen, aber als er gemerkt hatte, dass es Javier gefiel, hatte er schnell einen Rhythmus finden können, der sie beide gefangen genommen hatte. Allein das Gefühl, als Javier sie schließlich beide zum Höhepunkt gebracht hatte, war noch besser gewesen. Nick merkte, dass er gedanklich abschweifte, während Alex ihn immer noch ansah und offensichtlich witterte, dass er ihr noch nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. „Und warum wäscht du dann seine Sachen? Habt ihr eine Tortenschlacht veranstaltet, oder was?“ Bei der Frage musste Nick unwillkürlich grinsen. Nein, mit Schlagsahne hatte das nun wirklich wenig zu tun. Im nächsten Moment verdrehte er über sich selbst die Augen. Jetzt lachte er schon über solche Witze. Javier war wirklich kein guter Einfluss. Er sorgte dafür, dass Nick sich zu dem albernen Teenager zurückentwickelte, der er nie gewesen war. „Nein, es war nur nicht mehr so ganz frisch und ich habe ihm gesagt, dass er so nicht zur Arbeit gehen kann. Also hat er ein Hemd von mir bekommen.“ Alexandra schien nicht so recht überzeugt. „Und warum war er überhaupt hier? Ich dachte, ihr hättet euch gestritten.“ „Wir beide hatten uns auch gestritten“, erinnerte Nick sie nicht ganz fair. Sie senkte den Blick. „Hey, tut mir leid. Ich meine ja nur, dass wir uns ausgesprochen haben. Er stand gestern vor meiner Tür und hat mich dazu überredet, auch Renata die ganze Sache zu erklären. Jetzt überlegt sie sich das mit der Kündigung nochmal.“ In Alexandras Gesicht ging nach dem kurzen Regenguss sofort wieder die Sonne auf. „Ach echt? Das ist toll! Ich drücke dir ganz fest die Daumen, dass das klappt.“ Sie nahm einen Schluck Tee. „Dann müssen wir nur noch eine Freundin für dich finden.“ Nick verschluckte sich an dem Lebkuchen, den er gerade in den Mund geschoben hatte. Er hustete und versuchte, Schokolade und Teig wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, als Alex ganz hinterhältig hinterher schob: „Oder ist da noch was, dass du mir erzählen möchtest?“ „W-was?“, krächzte er und kämpfte immer noch mit dem Erstickungstod. „Nick, ich kenne dich und du verhältst dich gerade sehr, sehr unnickmäßig. Du grinst die ganze Zeit, du wirkst, als würdest du ständig an irgendetwas oder irgendjemanden denken, und deine Augen funkeln wie zwei Fixsterne. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist verliebt.“ Nick spürte, wie ihm eine verräterische Röte über das ganze Gesicht kroch. Alexandra gab ein triumphierendes „Aha!“ von sich. Sie rückte näher an den Tisch, stützte den Kopf auf die Hände und sah ihn erwartungsvoll an. „Also los, rück schon raus mit der Sprache. Wer ist sie? Wo habt ihr euch kennengelernt?“ Nick wusste nicht, was er sagen sollte. Er? Verliebt? Er hatte es zwar gestern schon einmal gesagt, aber er war sich nicht sicher gewesen. Wie hätte er das auch sein können? Er hatte immerhin nicht besonders viel Erfahrung damit. Aber vielleicht stimmte es tatsächlich. Er konnte an nichts anderes mehr denken und hatte ständig dieses flatternde Gefühl im Bauch. Er musste lächeln, sobald er nur daran dachte, wie Javier gestern auf seinem Schoß geschlafen hatte, zusammengerollt wie eine Katze, sodass Nick nicht einmal mehr dem Film hatte folgen können, sondern die ganze Zeit nur vollkommen regungslos auf dem Sofa gesessen hatte, um Javier nicht zu wecken und ihn beim Schlafen zu beobachten. Und als Javier dann, schläfrig wie er gewesen war, vor sich hin gemurmelt hatte, hatte er ihn einfach nicht auf dem Sofa liegenlassen können. Und die Vorstellung, dass er damit etwas getan haben könnte, dass Javier unglücklich machte, hatte ihn fast umgebracht. Außerdem … außerdem waren da diese Küsse gewesen, das Gefühl nackter Haut unter seinen Fingern, an seinen Lippen und seinem … alles an ihm kribbelte, wenn er nur daran dachte. „Hallo, Erde an Nick! Jemand zu Hause?“ Er schreckte hoch und merkte, dass er eine Erektion hatte. Mist! Manchmal war es echt nicht einfach, ein Mann zu sein. Er sah zu Alexandra hinüber, deren blaue Augen ihn immer noch unter neugierig gehobenen Brauen ansahen. „Erzählst du es mir nun oder muss ich es aus dir rauskitzeln? Du weißt, ich mach das.“ Oh nein, alles nur das nicht. Nick war zwar nicht besonders kitzlig, aber Alexandra wusste genau, wo sie hinfassen musste, damit er zu einem kichernden, wehrlosen Bündel wurde. Und wenn sie dann mitbekam, dass er … Das würde sie sicherlich in den falschen Hals kriegen. Er schluckte. „Also los, ich warte. Drei Sekunden hast du noch. Eins … zwei ...“ „Es ist keine Sie.“ Vielleicht, wenn er es vorsichtig verpackte, dann würde sie … „WAS?“ Alexandra fiel alles aus dem Gesicht. Ihre Augen wurden groß und rund, ihr Mund blieb offenstehen und sie brauchte eine volle Minute, bevor sie das nächste Wort herausbrachte. „Was soll das heißen, es ist keine Sie? Du meinst … es ist ein Mann?“ Nick sah auf seine Hände herab. „Könnte man so sagen.“ Sie blinzelte und man konnte förmlich die Zahnräder hinter ihrer Stirn arbeiten hören. Sie sah ihn an, auf ihrer Stirn erschienen ganz feine Falten … und dann glitt ihr Blick wieder in Richtung des Fensters, unter dem der Wäscheständer stand. „Du meinst aber nicht Javier, oder?“ Er kroch noch ein bisschen weiter in seinen Küchenstuhl. „Doch?“ Wieder herrschte Schweigen auf der anderen Seite des Tischs. Nick wagte es, unter seinen gesenkten Lidern hervor zu Alex rüberzuschielen. Sie wirkte vollkommen aus der Fassung gebracht und statt arbeitender Zahnräder lief jetzt nur noch das Testbild. „Aber … wann? Warum?“, brachte sie schließlich heraus. Er zuckte sacht mit den Schultern. „Weiß nicht, es ist irgendwie passiert. Er hat … er hat mich geküsst. Gestern nach dem 'El Corpiño'. Und als er dann abends vorbeikam ...“ „Lagt ihr irgendwann wild knutschend auf dem Sofa“, beendete Alexandra den Satz. „Eigentlich sind wir nicht mal bis zum Sofa gekommen“, nuschelte Nick und wagte nicht, Alexandra dabei anzusehen. Erst, als er sie lachen hörte, hob er wieder den Kopf. Sie grinste von einem Ohr zum anderen. „Du bist nicht sauer?“ „Sauer?“ Sie grinste nur noch breiter. „Warum sollte ich sauer sein? Endlich kann ich dir auch mal einen dieser berühmten Nick-Kaufmann-Vorträge halten über Verantwortungsbewusstsein und dass man mit seinem Kopf und nicht mit dem Ding zwischen seinen Beinen denken soll.“ Sie prustete. „Obwohl das echt noch lustiger ist, wenn ich das sage.“ Ihr Blick fiel auf den Küchentisch. „Man kann hier aber noch essen oder habt ihr euch gleich an der Haustür die Kleider vom Leib gerissen und es wild in allen Räumen getrieben.“ „Alex!“ Nick merkte, dass er gerade feuerrot angelaufen war. Vor allem, weil ihre Vermutung ja nicht ganz falsch war. Aber als Javier da so neben ihm im Bett gelegen hatte, hatte er irgendwie … er hatte es gewollt. Er hatte wissen wollen, wie es sich anfühlte, Javier anzufassen und von ihm angefasst zu werden. Ihn zu küssen und Javiers Haut auf seiner zu spüren. Er hatte nur nicht so recht gewusst, wie er das anstellen sollte und ob Javier in dem Moment überhaupt gewillt war nach dem Debakel früher am Abend und der mehr als unbeholfenen Diskussion über die Tatsache, dass er ihn ins Bett getragen hatte. Aber als Javier dann gesagt hatte, dass es ihm gefallen hatte, hatte Nick seinen Mut zusammen genommen und sich ein Stück weit vorgewagt, nur um dann gleich auf das nächste Problem zu stoßen. Wo war Anfassen bei einem Mann noch unverbindlich und wo fing es an, in eine eindeutige Richtung zu gehen? Gab es dort auch so Regeln wie: Wenn du ihr beim Küssen unter den Pullover fasst, wartest du kurz ab und wenn sie die Hand nicht wegschiebt, kannst du weitergehen? Und wie sah es damit aus, wenn derjenige zwar schon mit einem zusammen im Bett lag, aber erstens einen Bademantel trug und einem zweitens den Rücken zudrehte und es zudem noch so dunkel war, sodass man keine Ahnung hatte, ob das, was man da gerade tat, ihm gefiel oder nicht. Also hatte er um Hilfe gebeten. Etwas umständlich vielleicht, aber er hatte es getan. Und Javier hatte ihm geholfen. Sehr sogar. „Also habt ihr was miteinander angestellt.“ Alex schnappte sich ihre Teetasse und trank einen großen Schluck. „Erzähl! Hast du mit ihm geschlafen?“ „Was?“ Konnte man eigentlich noch röter werden als rot? „Nein! Wir haben nur … Alex, ich will dir das nicht erzählen.“ Er sah sie kleinlaut an, bekam jedoch ein verständnisvolles Lächeln als Antwort „Kein Problem. Ich erzähl dir ja auch nicht alles.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Aber wenn es mal soweit ist, erfahre ich es als Erste.“ Er nickte erleichtert. „Einverstanden.“ Sie schwiegen eine Weile, aber Nick spukte die ganze Zeit eine Frage im Kopf herum. Vielleicht … vielleicht konnte er Alex danach fragen. Sie kannte sich ja schließlich aus in solchen Dingen. Außerdem war sie seine Freundin. Er öffnete den Mund. „Sag mal … ist das nicht ein bisschen komisch, wenn ich jetzt auf einmal doch … du weißt schon, mit einem Mann und so. Ich meine, vor einer Woche hab ich ihn deswegen noch rausgeschmissen.“ Alexandra sah ihn an. „Warst du da schon in ihn verliebt?“ Nick schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht.“ „Na, da hast du doch schon deine Erklärung.“ Als er sie fragend ansah, lächelte sie. „Nick, du bist nun mal niemand, der sich einfach so in ein Abenteuer stürzt und mit irgendwem ins Bett geht, nur um ein bisschen unverbindlichen Spaß zu haben. Du zerdenkst Sachen gerne, willst dir bei allem sicher sein. Ich glaube, ich verstehe das jetzt ein bisschen besser, seit ich mit Natascha zusammen bin. Sie tickt da ähnlich wie du. Und dann platzt auf einmal dieser Kerl in dein wohlgeordnetes Leben und kommt dir auf diese furchtbar plumpe Tour nahe. Kein Wunder, dass du schreiend Reißaus genommen hast. Zumal mit deiner Vorgeschichte. Aber … du magst Javier doch, oder?“ Er nickte. Seine Finger legten sich um die warme Teetasse. „Na siehst du. Wer weiß, vielleicht hätte es auch ohne all das Drama geklappt, wenn er dich ein bisschen vorsichtiger behandelt hätte. Dann wäre aus einer Freundschaft vielleicht irgendwann mehr geworden. Aber Javier ist da eben ein bisschen mehr wie ich. Langsam kennen wir nicht. Wir fallen lieber gleich mit der Tür ins Haus.“ Sie lächelte wieder. „Aber vielleicht braucht es manchmal eben genau das, um zu sehen, was man wirklich will.“ Er seufzte. „Na ja, aber … ich verstehe nicht, warum ich auf einmal doch auf Männer stehe. Das war doch vorher nie so trotz meiner Behauptung, dass es anders wäre.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Soll's halt auch geben. Ich hab mal auf dem Christopher Street Day eine getroffen, der ging es ähnlich wie dir. Ich fand sie süß und hab sie angetanzt, aber sie hat mir gesagt, dass sie sich gerade erst von ihrer Freundin getrennt hatte und dass sie eigentlich auf Männer stehen würde. Wir haben uns noch ne Weile unterhalten und es war wirklich so, dass sie vor dieser einen Frau immer nur Hetero-Beziehungen gehabt hatte. Aber dann hat die Liebe einfach zugeschlagen und es ist passiert. Und wenn das so ist, dann ist es doch eigentlich auch egal, ob er nun eine Frau oder ein Mann ist, oder? Hauptsache es geht dir gut dabei.“ Nick verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Diesen Gedanken hatte er ja im Grunde genommen auch schon gehabt. Es beruhigte ihn trotzdem zu hören, dass er da nicht der Einzige war. Er seufzte. „Und wie geht es jetzt weiter?“ Alexandras Grinsen wurde wieder breiter. „Na ist doch ganz klar. Wir gehen am Samstag alle zusammen aus.“ „Was?“ „Na klar! Im Metropolitan ist große Party angesagt und ich hab Natascha schon überredet, dass sie mit mir hingeht. Eigentlich wollte ich dich heute auch danach fragen, deswegen die Bestechungs-Lebkuchen. Ich hab immer noch ein schlechtes Gewissen, weil ich so eklig zu dir war. Und daher hatte ich eigentlich beschlossen, dir am Samstag ein Date zu verschaffen. Aber wenn du dir jetzt schon eins mitbringst, kann ich mir die Mühe ja sparen und lieber mit meiner heißen Freundin abtanzen.“ Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd und lehnte sich höchst zufrieden in ihrem Stuhl zurück. Nick fühlte, wie sein Herz anfing zu klopfen. Javier sein Date? Das hörte sich irgendwie schräg an. Trotzdem nickte er. „Okay, ich werde ihn fragen, ob er Lust hat.“ Alexandra begann zu lachen. „Oh, na das geht ja schon gut los. Kaum mal ein bisschen miteinander geknutscht, schon kannst du keine eigenen Entscheidungen mehr treffen. Ab jetzt gibt es euch wohl nur noch im Doppelpack.“ Nick schüttelte den Kopf und wollte das schon verneinen, aber da war schon wieder dieses dämliche Grinsen, das die Wirkung vermutlich irgendwie geschmälert hätte, also ließ er es bleiben und nahm sich noch ein Lebkuchenherz. Da wusste er wenigstens, woran er war, wenn sein eigenes schon beschlossen hatte, völlig aus dem Takt zu geraten, wenn er nur an einen gewissen, glutäugigen Halbspanier dachte. Vermutlich würde er sich erst noch ein wenig an das Gefühl gewöhnen müssen. An das Gefühl, verliebt zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)