Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 45: Hilflos ------------------- Sobald ES weg war, suchte Loki die Bibliothek ab. Er wusste genau wonach er Ausschau halten musste, und normalerweise wäre es auch einfach gewesen, das entsprechende Buch mittels Magie schnell zu lokalisieren. Dummerweise hatte ES eine magische Versiegelung über alle Bücher gelegt, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als es auf die gute alte Weise zu versuchen: indem er jedes einzelne Regal nach dem gewünschten Buch abklapperte. Das Buch, das er suchte, würde ihm helfen, Heimdall gegen Loreleis Verführungskünste immun zu machen. Zumindest für ein paar Stunden. Aber wenn alles gut ging, würde das auch ausreichen. Und er brauchte den Wächter. Allein besass er keine Chance, ES zu besiegen – schon gar nicht jetzt, da ES ihn in der Hand hatte. Doch Heimdall würde IHM nicht nur das Amulett abnehmen können, er wäre vielleicht auch imstande, Lokis Magie soweit zu bündeln, dass sie ES zumindest vorübergehend irgendwo einsperren konnten. Vorausgesetzt natürlich, Heimdall würde ihm überhaupt glauben – und mit ihm zusammen arbeiten wollen. Doch darum konnte er sich kümmern, wenn es soweit war. Genauso wie um das eigentliche Problem: wie man ES denn definitiv wieder loswerden - und wer weiss, diesmal vielleicht sogar vernichten - konnte. Dafür würde er einen anderen Magier brauchen, das stand fest. Und da Odin tot war, kam dafür eigentlich nur noch eine Person infrage. Aber eben... Alles zu seiner Zeit. Loki arbeitete rasch und fieberhaft. Seine Augen tasteten die Regale in sekundenschnelle ab und doch hatte er das Gefühl, nicht rasch genug vorwärts zu kommen. Er lauschte auf jedes noch so unscheinbare Geräusch – wenn ES wiederkam, musste er so schnell wie möglich in den Käfig zurück. Sonst würde er keine zweite Chance erhalten. Auf einmal blieb sein Blick an einem Buch haften. Es war nicht jenes, das er gesucht hatte, aber natürlich konnte er dieses hier ebenso unmöglich einfach übergehen... Das Buch, das er bei seinem letzten Besuch in der geheimen Bibliothek gesucht hatte – und aus dem er gerade noch eine wichtige Seite hatte entfernen können, ehe Odin ihn fand! Er nahm es an sich und liess es magisch in seinen Händen verschwinden. Die Zeit, sich damit zu befassen, würde er sich später nehmen. Jetzt brauchte er nochmal ein wenig Glück, um das eigentliche Ziel seiner Suche zu finden. Drei Regalreihen und hunderte Bücher später hatte er dieses Glück tatsächlich. Ein rascher Griff – dann befand sich auch dieses Buch in seinem Besitz. Ein Geräusch liess ihn zusammen fahren. Er wollte sich gerade zurück in den Käfig teleportieren als er realisierte, dass dieses Geräusch aus einer der Kapseln gekommen war. Jemand scharrte offensichtlich am Glasdeckel des Gefängnisses, in dem er lag. Loki folgte dem Klang und hatte die Quelle nach wenigen Minuten entdeckt. Er war nicht wirklich überrascht, in der entsprechenden Kapsel Heimdall vorzufinden. Keine Ahnung, wie der Mann es geschafft hatte, aus dem künstlichen Schlaf, in den er versetzt worden war, aufzuwachen! Doch das spielte im Moment keine Rolle... Der Wächter starrte zu ihm hoch. Im ersten Moment schien es, als würde er Loki nicht erkennen, doch dann verzog sich sein Gesicht vor Wut. Na toll, das fing ja schon mal sehr gut an: Heimdall glaubte offenbar, dass Loki mit dem Feind unter einer Decke steckte. Er breitete die Hände über der Kapsel aus und spürte nach wenigen Sekunden, wie sich der komplizierte Verschluss magisch öffnen liess. Einen Augenblick später schwang das Glas auf und Heimdall war frei. Oder wäre zumindest frei gewesen... Wenn Loki ihm nicht die Hand auf die Brust gelegt und ihm bedeutet hätte, liegen zu bleiben. Der allsehende Wächter wollte sich zunächst gegen den Griff wehren, doch als Loki zu sprechen begann, wurde er ruhig und hörte zu. Schliesslich nickte er. «Einverstanden, ich mache mit und bleibe vorerst hier drin.» sagte er leise. Seine durchschimmernden Augen musterten den Magier intensiv. «Aber ich warne dich: wenn du Asgard verrätst, wirst du es bereuen.» «Vertrau mir.» erwiderte Loki hastig und lächelte dünn. «Auch wenn's schwer fällt. Doch wenn ich dich jetzt gehen lasse, ist nichts gewonnen und dafür alles verloren. ES wird dich sofort finden und dann vermutlich töten. Was bedeutet, dass mir niemand helfen kann, das Schwarze Element zu bekämpfen. Denn ausser dir ist hier keiner stark genug dafür.» Erneut nickte Heimdall. Da versetzte Loki ihn wieder in den künstlichen Schlaf - leicht genug, dass der Mann bei Gefahr sofort aufwachen würde aber doch stark genug, um ihm die Qual, stundenlang untätig gegen eine Glaswand starren zu müssen, zu ersparen. Dann verschloss er die Kapsel und hastete zurück in den Käfig. Gerade noch rechtzeitig. _________________________________________________________ «Wir machen einen kleinen Ausflug.» ES lächelte Loki boshaft an und vollführte eine ausladende Handbewegung. «Und du solltest mir dafür dankbar sein. Ich meine, du hast es doch sicher langsam satt, hier drin zu sitzen, oder?» «Eigentlich ist es recht gemütlich.» gab er bissig zurück. ES schnaufte verächtlich. «Blödsinn! Du versuchst bloss, dich gegen dein Schicksal zu sperren.» Ein noch boshafteres Grinsen folgte. «Glaub mir: das gelingt dir nicht.» «Mit 'mein Schicksal' meinst du sicher die Gesellschaft einer todlangweiligen und noch dazu schrecklich unattraktiven Frau?» ES wirbelte herum, die Augen kalt wie Eis. «Lass das. Wir wissen beide, dass Lorelei bildhübsch ist.» «War sie das?» Loki betonte das Wörtchen 'war' und setzte ein gelangweiltes Gesicht auf. «Darüber kann man streiten, denke ich.» Nicht, dass er nicht zugestimmt hätte – Lorelei war eine schöne Frau gewesen. Aber er ahnte, dass genug weibliche Eitelkeit in diesem DING da vor ihm steckte, um so etwas wie eben nicht besonders gern zu hören. Und er wusste, wie er sich das zunutze machen konnte. Erwartungsgemäss trat ES dicht an ihn heran, so nahe, dass sich ihre Lippen beinahe berührten. «Sei vorsichtig... Ich könnte mich sonst genötigt sehen, dir zu beweisen, wie schwach jeder Mann in meinen Händen ist.» «Du scheinst zu vergessen, dass du über mich keine Macht hast. Naja, zumindest nicht diese Art von Macht.» Sein Grinsen schien die Frau wahnsinnig zu machen – gut! Wenn die Zeit gekommen war, würde er diese Schwäche von IHM zu nutzen wissen. «Wir werden sehen.» schnappte ES und winkte ihm dann, IHM zu folgen. Für den Moment blieb ihm nichts anderes übrig als zu gehorchen. ______________________________________________________ Es war nur ein kleines Dorf. Keine hundert Asgardianer lebten dort. Als ES sich mit Loki im Schlepptau in der Mitte des Marktplatzes aufstellte und die unter SEINEM Einfluss stehenden Einherjar die Bewohner alle zusammen getrieben hatten, konnte Loki die Angst der Leute deutlich spüren – auch ohne jede Anwendung von Magie. Doch er spürte noch etwas anderes... Die starke Kraft, die diese Leute für ES bedeuteten. So wenige sie waren und so verängstigt sie sein mochten – sie stellten eine lohnende Beute dar. ES würde sie buchstäblich aussaugen, sobald ES das konnte. Mit anderen Worten: sobald die Dorfbewohner tot waren! Ihm wurde beinahe übel und seine Gedanken begannen zu rasen. Er ahnte, was gleich geschehen würde, noch ehe ES den Befehl dazu gab. Doch so sehr er sich auch den Kopf zermarterte, um einen Ausweg zu finden, es half alles nichts: er konnte nichts tun, um den Leuten zu helfen. Nichts, um sie davor zu bewahren, von ihm umgebracht zu werden, als ES den Befehl dazu gab... __________________________________________________ Zurück im Palast und in seinem gläsernen Käfig fühlte sich Loki immer noch wie benommen und in einem regelrechten Schock gefangen. Er hatte geahnt, dass ES ihn zu so etwas zwingen würde... Doch etwas zu ahnen war eine Sache – es dann auch tatsächlich tun zu müssen eine ganz andere. «Na, hat das Spass gemacht?» ES trat dich vor ihn hin und starrte auf ihn hinunter. Er sass am Boden und sah nicht auf. «Wie kommst du darauf?» Für den Moment war ihm die Lust auf bissige Kommentare vergangen. Die Frau lachte. «Ach komm, das musst du doch genossen haben. So viele Leute umbringen zu dürfen... War doch die perfekte Rache für das, was du hier erlitten hast.» «Was du nicht sagst.» Er fuhr sich müde über die Augen. Einen Augenblick lang hatte er mit dem Gedanken gespielt, so zu tun, als hätte es ihm wirklich Freude bereitet – aber ihm war klar, dass ES nicht dumm genug war, auf sowas herein zu fallen. Das trügerisch sanfte Lächeln, das ES ihm schenkte, als er nun doch aufblickte, bestätigte seine Vermutung. «Ich weiss schon.» sagte ES gefährlich leise. «Du hättest lieber den Helden gespielt. Aber es tut mir leid, mein Lieber: der Posten ist schon vergeben. Obwohl...» ES verschränkte die Arme über der Brust und schien nachzudenken. «Wenn ich ehrlich sein soll, ist es wohl doch nicht so. Dein dämlicher Bruder könnte den Part übernehmen, aber der traut sich ja nicht mal aus dem Loch raus, in das er sich verkrochen hat. Also würde ich sagen: die Rolle des Helden gibt es in diesem Spiel gar nicht wirklich.» ES neigte sich zu Loki hinunter und schaute ihm tief in die Augen. «Aber wir zwei, wir geben ein hübsches Schurkenpärchen ab, meinst du nicht auch?» «Na sowas, ich dachte, du kennst mich gut genug um zu wissen, dass ich lieber allein arbeite.» Eine sarkastische Antwort – wäre da nicht der müde Klang in Lokis Stimme gewesen. ES genoss die Situation sichtlich. «Loki, der Einzelgänger!» Ein lautes Lachen folgte. «Ist mir völlig bewusst, keine Angst. Aber ob es dir nun gefällt oder nicht: du wirst dich an mich gewöhnen müssen.» «Und wieviele Dörfer soll ich noch für dich auslöschen?» «Schon wieder so schrecklich ungeduldig und neugierig! Wirklich, mein Süsser, du solltest daran arbeiten... Das ist eine Untugend, weisst du.» Loki sparte sich diesmal die Antwort. Er fühlte sich einfach zu ausgelaugt und zu kaputt, um sich jetzt auf ein Wortgefecht einzulassen. Die Schreie der getöteten Asgardianer hallten in ihm wider. Die Schreie der Leute, die er umgebracht hatte... Hatte umbringen müssen! Für Sekunden wallten bunte Schleier vor seinen Augen. Er presste die Hände zu Fäusten und schaffte es gerade noch, ein Stöhnen zu unterdrücken. Dass ES ihn genau beobachtete und sich sicher gerade köstlich amüsierte, war ihm in diesem Moment völlig egal. Sollte ES seinen Triumph geniessen. Er wusste aus Erfahrung, dass das Sprichwort 'wer zuletzt lacht, lacht am besten' der Wahrheit entsprach. Blieb also einfach zu hoffen, dass nicht ES den letzten Lacher bekam. Die Frau musterte ihn noch einen Augenblick lang spöttisch und mit sichtlicher Genugtuung, ehe sie ihn alleine liess. Wieder blieb die gläserne Tür offen, als ES ging. Aber diesmal machte Loki keine Anstalten, sein Gefängnis zu verlassen. Sobald er alleine war, liess er die beiden Bücher aus der Bibliothek wieder erscheinen. Zunächst suchte er in dem einen Band nach den entsprechenden Formeln, die er dazu benutzen konnte, Heimdall dem Einfluss von Lorelei zu entziehen. Er fand sie rasch und isolierte die magischen Runen. Von nun an würde er sie jederzeit verwenden können. Schon wollte er das Buch beiseite legen und das andere studieren, als sein Blick auf der gegenüberliegenden Seite hängen blieb. Die dort beschriebenen Zauber erinnerten ihn plötzlich an etwas. Hastig blätterte er das Buch durch und fand schliesslich das Gewünschte. Sein Atem ging schneller. Wenn das hier gelang, konnte er es vielleicht schaffen, Kontakt zu Thor aufzunehmen. Oder zumindest zu sonst jemandem in Odins Versteck. Allerdings würde er eine Menge Kraft dafür benötigen und Heimdalls Befreiung für den Moment hinten anstellen müssen. War es das wert? Noch während er zögerte, griff er wie automatisch nach dem anderen Buch. Jenem, das er damals nicht zu Ende hatte durchsehen können. Nun hatte er alle Zeit der Welt. Und als er fertig war, wusste er, dass er unbedingt versuchen musste, die anderen zu warnen. Ganz egal, wie viel Energie er dafür aufwenden musste und selbst auf die Gefahr hin, dass sein Versuch ins Leere laufen würde, weil niemand da sein könnte, um die Botschaft zu empfangen. Es spielte keine Rolle, er musste es tun. Denn die Gefahr, in der sie sich alle befanden, war noch weitaus grösser, als er bisher angenommen hatte. Und solange er in der Gewalt des Schwarzen Elements war, stellte er selbst die absolut grösste Bedrohung dar. __________________________________________________ Thor hörte den lauten Schrei aus Runyas Räumlichkeiten und war in wenigen Sekunden bei ihr. Die junge Frau stand mitten im Zimmer und zitterte am ganzen Körper. Es war offensichtlich, dass sie aus einem Traum aufgewacht war – einem Traum, der sie offenbar im Raum umhergetrieben hatte wie ein wildes Tier, den überall am Boden verstreuten Utensilien nach zu urteilen. «Prinzessin.» stammelte Thor. «Was ist denn?» «Loki...» erwiderte sie leichenblass. «Er hat mir eine Nachricht geschickt.» «Wo ist er?» Thor packte die junge Frau erregt an den Armen. «Geht es ihm gut?» Runya starrte ihn an, als hätte sie ihn gar nicht richtig gehört. «Er sagte, wie müssen ES aufhalten. Um jeden Preis...» Sie zitterte noch heftiger und ihre Augen waren riesengross. Thor sah Tränen darin schimmern. «Um jeden Preis?» hauchte er kaum hörbar. «Was will er damit andeuten?» «Dass wir nicht zögern dürfen zu tun, was nötig ist. Selbst wenn...» Sie brach ab und vergrub das Gesicht in den Händen. Ein heftiges Schluchzen begann ihren schmalen Körper zu schütteln. «Runya!» Jetzt war der Donnergott definitiv alarmiert. «Selbst wenn was?» Ihre Augen waren schreckensstarr, als sie wieder aufsah. «Selbst wenn wir ihn dafür töten müssen.» Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)