Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 39: Spekulationen ------------------------- Loki stand auf dem breiten Plateau, hinter dem der Eingang zum Versteck Odins lag und sah nach unten. Im Tal waren zwar noch sehr kleine, aber für ihn dennoch deutlich sichtbare Punkte auszumachen, die sich langsam den schmalen Bergweg hochkämpften. Die Flüchtlinge aus der Stadt würden es bald geschafft haben. «Und was nun?» fragte Correleaus, während er neben ihn trat. Der alte Magier hatte sich erstaunlich rasch wieder erholt, sobald er aus dem Einflussbereich des Schwarzen Elements herausgeholt worden war. «Jetzt wird es wohl langsam Zeit unseren Freund aufzuwecken.» Loki deutete auf Fandral, der unbeweglich hinter ihnen auf einem Stein sass. «Das meinte ich nicht und das weisst du.» erwiderte Correleaus mit einem leicht bissigen Lächeln. «Natürlich.» Loki blieb die Ruhe selbst. «Dennoch ist es genau das, was ich jetzt tun werde. Dann kann er seinen Frust ablassen bevor alle anderen da sind.» «Seinen Frust?» Loki lachte kurz und trocken auf. «Es ist Fandral! Schon vergessen wie sehr er mich liebt?» «Du hast ihn gerettet.» «So wie ich ihn kenne dürfte das nur ein weiterer Grund sein, mich zu hassen.» Loki wandte sich um und ging zu dem Krieger hinüber. Ein kurzer Schwenker mit der rechten Hand und Fandral erwachte aus seinem Dämmerzustand. «Du..!» keuchte er, als er Loki ansah. «Das hatten wir schon mal.» gab dieser trocken zurück. «Was... ist passiert?» Fandral starrte an sich hinunter. Er konnte sich an nichts erinnern, was nach Lokis Auftauchen geschehen war – aber dass er schwer verwundet gewesen war, das wusste er noch genau. Doch das einzige sichtbare Zeichen dafür war seine zerschlissene Kleidung. Ansonsten... nichts. Keine noch so kleine Wunde. Loki, der ihm deutlich ansah, was in ihm vorging, zuckte nur die Schultern. «Ich habe dich wieder zusammengeflickt.» Fandrals Mund öffnete sich, um etwas zu erwidern, doch er schloss ihn gleich wieder. Sein Blick glitt zwischen Loki und Correleaus hin und her. Der junge Magier hatte sich jedoch bereits wieder umgedreht und beobachtete die näherkommenden Flüchtlinge. Und der Alte... ...nun, der alte Magier funkelte Fandral derart wütend an, dass diesem klar wurde, dass Schweigen momentan wohl das Beste für ihn war. Loki hatte ursprünglich nicht vorgehabt, sich den Flüchtlingen gegenüber erkennen zu geben. Aus diesem Grund hatte er ja auch die Gestalt des jungen Einherjars angenommen gehabt, ehe er in den Palast geschlichen war. Da hatte er allerdings noch nicht gewusst, dass das Schwarze Element bereits so stark geworden war, dass es den Einsatz jeglicher Magie – in welcher Form auch immer – wahrnehmen konnte. Sobald er das gemerkt hatte, war ihm nichts anderes übrig geblieben, als wieder seine eigentliche Gestalt anzunehmen, um den Feind nicht auf sich aufmerksam zu machen. Zunächst schien das ja auch kein Problem gewesen zu sein, da der Palast so gut wie ausgestorben gewesen und ihm sowieso niemand begegnet war. Aber dann hatte Fandral seine ganzen hübschen Pläne über den Haufen geworfen... Loki fluchte leise in sich hinein. Hätte er gewusst, dass er auf den verletzten Krieger treffen würde, hätte er das bischen Magie für die Gestaltwandlung beibehalten und Fandral hätte in ihm nicht Loki, sondern einen namenlosen Einherjar gesehen. Gut, er hätte sich vielleicht ein wenig über dessen Fähigkeiten, ihn heilen zu können, gewundert, aber da der Krieger nicht gerade über allzu grossen Scharfsinn verfügte, wäre er wohl trotzdem kaum auf die Idee gekommen, Loki hinter dem jungen Soldaten zu vermuten. Magische Fähigkeiten hin oder her. Aber das hatte er natürlich nicht vorhersehen können. Wie auch? Er konnte vieles, aber in die Zukunft schauen gehörte nicht dazu. Und davon mal abgesehen hätte er eigentlich auch ohne jeden Zweifel angenommen, dass Fandral mit jedem Soldaten im Schloss fertig werden würde. Denn genau gegen einen solchen musste er gekämpft haben: der Schwerthieb, der den Krieger verletzt hatte, war jedenfalls nicht durch irgendwelche dunkle Magie entstanden, sondern durch einen ganz gewöhnlichen Kampf zwischen zwei Gegnern. Und hätte er wetten müssen, hätte Loki in einem solchen Fall mit Sicherheit auf Fandral als Sieger gewettet. Tja, eine solche Wette hätte er dann wohl verloren gehabt... Fandral war von einem durch das Schwarze Element beherrschten Soldaten besiegt worden. Klar mochte dieser vielleicht über etwas mehr physische Kraft verfügt haben als normalerweise, doch Magie..? Nein. Und darum war das Ganze im Grunde genommen – genau betrachtet – ziemlich zum Lachen. Aber so gerne er das auch gerade getan hätte: die Lage war dafür einfach ein wenig zu ernst. Und Loki fragte sich auch nicht ganz grundlos, wie die Flüchtlinge wohl auf ihn reagieren würden. Nicht, dass er nicht mit ihnen fertig werden würde... Aber erstens wäre ein Angriff auf die wenigen Überlebenden aus der Stadt momentan so ziemlich das Letzte, was er jetzt wollte, und zweitens brauchte er jede Kraft, die er besass, um den magischen Schutzschild um das Versteck zu ziehen, sobald alle drin waren. Er durfte seine Magie schlicht nicht damit verschwenden, irgendwelche Attacken auf ihn abzuwehren. Correleaus stiess ihn an. «Machst du dir Sorgen ihretwegen?» Loki stutzte einen Moment, dann grinste er. «Du kennst mich ziemlich gut, alter Freund.» «Ja. Ich schmeichle mir, einer der wenigen zu sein, die das tun.» Der Alte erwiderte das Grinsen, dann wurde er wieder ernst. «Du weisst schon, dass ich auch noch da bin, oder?» «Du, mein Freund, solltest dich noch schonen.» «Ach was, das kann ich immer noch tun, wenn ich tot bin.» «Deine Sprüche sind ja noch fürchterlicher als meine.» Loki schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf und hob dann die Hand, als er sah, dass zumindest Thor, der den übrigen voraus ging, inzwischen nahe genug heran war, um ihn sehen zu können. Der Blonde erwiderte den Gruss und kam wenige Minuten später herangeflogen. «Bruder.» rief er noch während er zur Landung ansetzte. «Alles in Ordnung?» «Wie du siehst.» «Und wie ich feststelle, hast du noch jemanden mitge...» Thor hatte zuerst nur Correleaus gesehen, doch als er nun auch Fandral erblickte, brach er mitten im Wort ab. Sein erstaunter Blick ging zurück zu Loki. Tief empfundene Hochachtung lag auf einmal darin. «Thor!» Fandral riss den Donnergott aus seiner Verblüffung. Er sprang herbei und umarmte den Freund. «Es tut gut, dich zu sehen. Ich hatte schon Angst, du wärst...» «Übernommen worden?» vollendete der Donnergott den Satz, während er einen raschen Blick mit Loki wechselte. «Dem war auch so.» Fandrals Augen wurden gross, aber Loki liess ihn nicht mehr zu Wort kommen. «Du solltest zu den anderen zurückfliegen und sie auf mich vorbereiten.» sagte er mit einem ironischen Lächeln zu Thor gewandt. «Dann wird der Schock vielleicht nicht allzu gross – und wir verschwenden keine kostbare Zeit.» «Kostbare Zeit wofür?» «Ihr müsst ins Innere von Odins Versteck. So schnell wie möglich. Ich kann spüren, wie das Schwarze Element sich ausbreitet. Also wäre es nett, jegliche Diskussion über mich zu vermeiden – jedenfalls solange alle noch draussen herumstehen.» Lokis Grinsen wandelte sich von ironisch zu spöttisch. Thor überging es. «Wird es reichen, uns einfach da drin zu verstecken? Klar, ES kann uns dann nicht mehr sehen, aber...» Er biss sich flüchtig auf die Lippen. «Ich hatte nicht den Eindruck, dass ES sich rein von sowas aufhalten liesse.» «Tut ES auch nicht. Doch wir werden mehr als bloss unsichtbar sein.» Als der Donnergott fragen wollte, was Loki damit meinte, winkte dieser ab. «Schaff die Leute herbei so schnell es geht. Ach ja, und nimm Fandral mit.» Er drehte sich zu dem Krieger um, «Da er wiederhergestellt ist kann er sicher helfen, ein paar der Verletzten unter euch zu tragen. Ich würde ja selbst mitkommen und sie alle heilen, aber ich fürchte, ich brauche meine Kräfte vorerst für Wichtigeres.» Thor und Fandral schauten ihn verwirrt an, aber Loki versetzte dem Bruder einen leichten Stoss in die Seite und meinte eindringlich: «Na los, schwirrt schon ab. Erklärungen folgen später.» Nach einer guten Stunde waren die Flüchtlinge sicher in Odins Versteck untergebracht. __________________________________________________________________ «Warum hast du überhaupt wieder deine richtige Gestalt angenommen?» fragte Runya, während sie einen besorgten Blick auf die Gruppe am anderen Ende der Halle warf. Loki hatte inzwischen den magischen Schutzwall um das Versteck gelegt, weshalb er ziemlich müde wirkte. Die Flüchtlinge hatten heftig auf die Ankündigung, dass sie den ehemaligen Prinzen hier vorfinden würden, reagiert. Trotz Thors Versicherung, dass sie ohne ihn jetzt wohl alle auf dem Weg in den sicheren Tod – oder Schlimmeres - wären. Runya machte sich deshalb nicht ganz zu Unrecht Sorgen. «Ich wollte es nicht, aber mir blieb keine Wahl.» Lokis Antwort holte die junge Prinzessin aus ihren Grübeleien. Er lachte flüchtig. «Naja, zumindest dachte ich das. Aber wenn ich gewusst hätte, dass ich auf Fandral treffe...» Er hob in einer wegwerfenden Geste die eine Hand und erklärte dann, warum er im Palast zunächst versucht hatte, auf jegliche Form der Magie zu verzichten – auch darauf, die verwandelte Form in Gestalt des Einherjars beizubehalten. «Das Schwarze Element war bereits sehr viel stärker geworden als bei meinem ersten kurzen 'Besuch' im Palast. Mir war klar, dass es Magie, egal in welch geringer Form, jetzt deutlich spüren konnte. Ich wagte es gerade noch, mich rein zu teleportieren, aber danach wollte ich kein Risiko mehr eingehen. Und es schien auch keines zu sein... Ich meine, mir begegnete zunächst kein einziges lebendes Wesen. Bis ich dann auf Fandral traf – der mich natürlich sofort erkannte.» Er lächelte kurz. «Aber vermutlich ist es eh besser so. Ich meine, für immer hätte ich mich kaum verstecken können.» Runya nahm seine Hand. «Mag sein. Doch ich habe Angst um dich.» Er hob überrascht eine Braue. «Ach ja? Warum das denn?» «Ist das nicht offensichtlich?» Ihr Atem ging heftig. «Die mögen dich nicht besonders... um es mal harmlos auszudrücken.» «Und Sie glauben, dass die sich alle plötzlich auf mich stürzen und mir den Hals umdrehen werden?» Es klang amüsiert. «Bleib bitte ernst, ja! Das ist nicht komisch.» Loki merkte, dass sie wirklich besorgt war. Sein Lächeln verschwand. «Prinzessin, selbst wenn die das wollen würden: was lässt Sie annehmen, dass sie es auch könnten?» Sie sah ihn an, einen endlos langen Moment, ehe sie begriff. «Versprichst du mir, dass dies wirklich stimmt? Dass sie dir wirklich... nichts tun können?» «Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast glauben dass sich hier jemand meinetwegen Gedanken macht.» Sie boxte ihm in die Seite so fest sie konnte. «Was redest du da? Natürlich mache ich mir deinetwegen Gedanken.» «Aua.» Er schenkte ihr sein treuherzigstes Lächeln. «Das war nicht nett.» «Noch so ein Spruch von dir und es wird noch viel weniger nett.» Loki seufzte theatralisch. «So gerne ich auch herausfinden würde, was das genau bedeutet... Ich denke, ich sollte mich jetzt mal um die Verletzten kümmern.» «Bist du denn dafür schon wieder stark genug?» «Wirklich Prinzessin: wenn Sie mich weiterhin mit solch besorgten Augen anschauen komme ich noch auf dumme Gedanken.» Er machte hastig in gespieltem Entsetzen einen Schritt rückwärts, als sich ihr Gesicht wütend verzog und lachte leise auf. «Aber bevor Sie mir jetzt doch zeigen, was Sie noch so alles draufhaben, verschwinde ich besser. Und um Ihre Frage zu beantworten: ja, ich kriege das hin. Ausserdem habe ich ein wenig Hilfe.» «Hilfe?» Runya wusste, dass die Heilerin noch immer nicht wieder bei Kräften war. «Correleaus.» Loki war wieder ernst geworden. «Er ist auch ein Magier, falls Sie das vergessen haben sollten.» Die junge Frau atmete auf. «Gut. Dann bin ich beruhigt.» Loki warf ihr einen langen Blick zu, ehe er sich umdrehte und ging. Mit gemischten Gefühlen schritt Runya zur Gruppe der Flüchtlinge hinüber. Sie gesellte sich zu Sif, Hogun und Fandral, die etwas abseits standen und leise miteinander sprachen. Thor war nicht hier: er hatte sich mit den einzigen zwei Einherjar, die es auch aus dem Palast raus geschafft hatten, auf Erkundungstour durch Odins Versteck aufgemacht. Sie wollten vor allem nach Waffen Ausschau halten. Beim Näherkommen warf sie einen Blick zu den anderen Flüchtlingen hinüber, die alle erschöpft am Boden kauerten. Tyr stand bei ihnen und versuchte offenbar, ihnen Mut zuzusprechen. «...mich gerettet.» hörte Runya Fandral gerade sagen, als sie herzu trat. «Obwohl er das nicht hätte tun müssen.» «Und wer sagt dir, dass er damit nicht irgendeinen finsteren Plan verfolgt?» Hogun klang alles andere als überzeugt. «Was für einen Plan denn?» Fandral sah die Prinzessin als erster kommen und nickte ihr freundlich zu. «Er hätte mich einfach liegen lassen können. Ich hätte höchstens noch eine Stunde lang gelebt.» «Dann hast du dich also beruhigt?» fragte Runya hoffnungsvoll. «Was Loki anbelangt, meine ich?» «Beruhigt?» Fandral begriff nicht. «Naja... Correleaus erzählte mir, dass du zunächst ziemlich heftig reagiert hast, als ihr hier angekommen seid.» Täuschte sie sich oder wurde der Krieger tatsächlich etwas rot? «Ja, das war nur weil ich zuerst einen Moment brauchte um mich wieder an alles erinnern zu können.» Sie lächelte ihm aufmunternd zu. «Ich freue mich, dass du erkannt hast, dass Loki uns nicht schaden will.» «Das habe ich nicht gesagt.» Fandral räusperte sich und starrte unruhig auf seine Füsse. «Ich meine... ich glaube es zwar nicht wirklich, aber völlig auszuschliessen ist es nicht. Er ist immer noch Loki.» «Will heissen?» «Dass ich ihm erst traue wenn ich keine andere Wahl mehr habe!» erwiderte Hogun an Fandrals Stelle. «Der Moment dürfte vielleicht bereits da sein.» warf Sif dazwischen. Sie wechselte einen raschen Blick mit Runya. «Ich meine, so wie's aussieht ist Loki zur Zeit der einzige der überhaupt weiss, was hier läuft.» «Dann wäre es nett, wenn er es uns sagen würde.» «Das wird er sicher.» meine Runya rasch. «Sobald er den Verletzten geholfen hat.» «Bis dahin...» versetzte Sif entschieden und fixierte ihre beiden männlichen Kriegerkollegen scharf, «...sollten wir uns weitere Spekulationen über Loki verkneifen. Und sei es auch nur um die Leute hier nicht unnötigerweise zu beunruhigen.» «Wollen hoffen dass es unnötigerweise wäre.» murmelte Hogun. «Thor vertraut Loki.» fügte Runya hinzu. «Was nicht unbedingt viel bedeuten muss.» Hoguns Worte klangen so finster wie sein Gesicht aussah. «Was meinst du damit?» «Thor ist immer auf Loki hereingefallen. Wenn dieser also ein falsches Spiel spielen sollte, wäre er der Letzte, der es merken würde.» War dem so? Runya wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Fandral wollte etwas einwerfen, aber Sif wurde die Sache jetzt definitiv zu bunt. «Lassen wir das! Loki scheint uns zu helfen. Und das ist alles, was wir im Moment zu wissen brauchen. Sollte sich das ändern...» Ihr Blick wurde stechend. «Nun, ich bin nicht Thor.» Die Prinzessin seufzte leise. Es würde offensichtlich noch eine Menge Arbeit bedeuten, bis Loki das Vertrauen der Leute hier erlangt hatte. Was sie selbst nicht mit einschloss... Sie wusste genau, dass sie ihm vertrauen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)