Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 37: Der Stolz der ins Verderben führt --------------------------------------------- Loki konnte Correleaus gerade noch auffangen, bevor er auf dem Boden aufschlug. Der Alte zitterte in seinen Armen wie Espenlaub. Fandral stand unbeweglich hinter den beiden Männern, die Augen leer und ausdruckslos. Einen Moment lang schien er etwas sagen zu wollen, doch dann schloss sich sein Mund wieder. Loki warf ihm einen intensiven Blick zu und der Krieger starrte sofort benommen auf den Boden. Der Magier besah sich inzwischen den alten Freund genauer. Correleaus war nicht verletzt, zumindest nicht körperlich. Aber Loki ahnte, dass dies nicht unbedingt auch für seinen inneren Zustand gelten musste. Schliesslich war er nicht grundlos zusammen gebrochen. Und tatsächlich spürte er nach einigen Sekunden die dunkle Kraft, die von Correleaus Besitz zu ergreifen suchte und ihn aussaugte. Das Schwarze Element hatte sich den Alten zu eigen machen wollen, war aber dank Correleaus magischen Fähigkeiten gescheitert. Doch das Böse schien zumindest einen Teilsieg davongetragen zu haben: seine Attacke hatte den Greis so sehr geschwächt, dass jede Minute, die er länger in diesem Palast und somit in der Nähe des Feindes verbrachte, seine letzte sein konnte. Loki zögerte keinen Moment. Er musste Correleaus hier wegbringen, auch wenn das vermutlich bedeutete, dass es dann kein Zurück mehr für ihn selbst in den Palast geben würde. Er hatte es jetzt schon zweimal geschafft, sich Zutritt zu verschaffen, obwohl das Schwarze Element bereits am Ruder war. Doch der einzige Grund dafür lag in der noch nicht völlig gefestigten Position des Gegners, dessen war sich Loki bewusst. Wenn er jetzt ging, würde er wahrscheinlich kein weiteres Mal hinein kommen. Er hatte vorgehabt, Odins geheime Bibliothek aufzusuchen. Da das Schwarze Element sich nicht im Thronsaal befunden hatte, konnte es nur noch dort sein Nest eingerichtet haben: am einzigen anderen Ort im Palast, der beinahe überquoll vor Magie. Dort wäre eine direkte Konfrontation mit dem Bösen unausweichlich gewesen und flüchtig fragte sich Loki, ob ihm nicht vielleicht das Schicksal Correleaus geschickt hatte, um genau das zu verhindern. Denn es war fraglich, ob er es in seinem nach wie vor geschwächten magischen Zustand ein zweites Mal geschafft hätte, diesen unheimlichsten aller Feinde zu bannen. Noch dazu dass er es dieses Mal wirklich ganz alleine hätte tun müssen, ohne die zwar geringe, aber damals doch vorhanden gewesene Unterstützung durch Odin. Und selbst wenn er es geschafft hätte... Der Preis dafür wäre wie immer hoch gewesen. In diesem Fall vielleicht zu hoch. Ob er ihn hätte bezahlen wollen... Loki hätte es nicht zu sagen vermocht. Er hatte noch gar nicht soweit gedacht sondern einfach einen Schritt nach dem anderen getan. Schritte, die nun eindeutig woanders hin führten, als er geglaubt hatte. Es gab nichts zu überlegen: er hatte schon Fandral geholfen, obwohl dieser nur ein Klotz am Bein und ausserdem alles andere als ein Freund war. Da würde er ganz sicher nicht Correleaus im Stich lassen. Wenn das gleichzeitig bedeutet hätte, eine andere, ihm noch näherstehende Person zurücklassen zu müssen, wäre ihm die Entscheidung wesentlich schwerer gefallen... Aber Frigga war nicht im Palast. Das konnte Loki spüren – oder besser gesagt: er konnte ihre Abwesenheit spüren. Sein magischer Sinn war in der Lage, jeden anderen Magier in einem Umkreis von mehreren Kilometern wahr zu nehmen, allen voran jene, die ihm etwas bedeuteten. Und die stärkste Verbindung bestand zu seiner Adoptivmutter. Wäre sie hier, würde er das wissen. Auch wenn es nicht notwendigerweise etwas Gutes bedeuten musste, dass sie sich offensichtlich nicht im Palast befand. Doch damit konnte Loki sich später befassen. Für den Moment wurde es Zeit, Correleaus aus der Schusslinie zu ziehen. Er konnte fühlen, wie der Alte zusehends schwächer in seinen Armen wurde. Mit einer herrischen Geste streckte er seine Hand nach Fandral aus. Sobald der Krieger sie ergriffen hatte, teleportierte er sich und die beiden Männer raus aus dem Palast. Selbst durch das Portal hindurch konnte er die unheimliche Welle an schwarzer Magie spüren, die sich hinter ihm wie eine Türe schloss. Ja, er würde definitiv nicht wieder hineinkommen... ______________________________________________________________ Loki setzte seine beiden Schützlinge unweit von Odins Geheimversteck ab. Kaum erreichten sie die felsigen Ausläufer des mächtigen Bergmassivs, als Correleaus einen tiefen Atemzug tat und Loki wieder mit klaren Augen ansah. «Was... ist passiert?» fragte er verwirrt, doch eine Sekunde später zuckte die Erinnerung durch sein Gehirn. «Loki! Du hättest mich... zurücklassen sollen.» Der Magier lachte kurz und düster auf. «Aber klar doch.» «Ich meine es ernst.» Correleaus griff nach seinem Arm. «Ich bin alt und nutzlos. Und jetzt... kommst du nicht mehr in den Palast rein.» «Sieh an, du hast es also auch gespürt.» Lokis Lächeln schwand. Beinahe wütend funkelte er den Freund an. «Aber das ist mir im Moment sowas von egal! Glaubst du ernsthaft, ich hätte dich da drin sterben lassen?» Der Alte seufzte, konnte aber nicht verhindern, dass ihm Tränen der Rührung in die Augen traten. «Danke.» Dann warf er einen Blick auf Fandral. «Hypnose?» Loki nickte nur. «Ja. Mal abgesehen davon, dass er mir fürchterlich auf die Nerven ging, wäre er sonst auch niemals freiwillig mitgekommen.» «Oh, das glaube ich dir aufs Wort!» Correleaus wusste genug über Fandral, um ihn richtig einzuschätzen. Und dass er ihn nicht mochte, daraus hatte er noch nie einen Hehl gemacht. Loki klärte ihn kurz über das auf, was seit ihrer letzten Begegnung geschehen war: wie er Thor von dem Bann hatte befreien können und wie dieser mit Runya nun dabei war, die Flüchtlinge ebenfalls in Odins Versteck zu bringen. «Es sind erschreckend wenige.» schloss er seinen Bericht. Correleaus betrachtete ihn sorgenvoll. «Fast so wie beim letzten Mal.» Wieder griff er nach Lokis Arm und versuchte, in seinen Augen zu lesen. «Kannst du das Schwarze Element ein zweites Mal besiegen?» «Woher weisst du..?» Er hielt kurz inne, zuckte dann die Schultern und lachte freudlos auf. «Aber du sprichst von besiegen? Wenn ich das damals getan hätte, wäre ES jetzt nicht hier.» «Du hast ES besiegt. So gut, wie das bei diesem Feind überhaupt möglich ist.» erwiderte der Alte mit Nachdruck. Dann fügte er grimmig hinzu: «Und dass ES zurück ist, ist nicht deine, sondern Odins Schuld.» Loki starrte ihn verblüfft an. «Wie meinst du das?» «Odin wusste, dass du es warst, der ES überwältigt hatte und nicht Mandrion. Dennoch hat er das nie jemandem gegenüber erwähnt, obwohl er hätte wissen müssen, dass dies gefährlich werden konnte – mal ganz abgesehen von dem Unrecht, das er dir gegenüber beging! Aber Odin hat den Zauber, der das Schwarze Element von Asgard fernhielt, nicht nur an an das Bewusstsein dessen, der den Bann vollführt hatte – also an dich – gebunden, sondern auch an sein eigenes.» «Odin wusste dass nicht Mandrion das getan hat?» Loki ging zunächst nicht auf Correleaus letzten Satz über den Bann ein. Er musste erst einmal die Tatsache verdauen, dass der Allvater ihn damals offenbar durchschaut gehabt hatte. «Obwohl ich...» Er brach ab, aber Correleaus wusste, was er hatte sagten wollen. «Ja, obwohl du Mandrions Gestalt angenommen hattest. Odin hatte es mir gegenüber zur Sprache gebracht weil er glaubte, du hättest mich in alles eingeweiht. Wie du dich erinnern wirst, waren dein Vater und ich damals noch... Freunde.» Der Alte senkte den Kopf. «Ich habe ihn beschworen, es öffentlich zu machen, doch er weigerte sich und befahl mir, ebenfalls Stillschweigen zu bewahren. Ich habe diesem Befehl meines Königs gehorcht – bis heute. Es tut mir leid.» «Entschuldigung unter einer Bedingung akzeptiert...» entgegnete Loki mit einem bissigen Lächeln. Auf Correleaus verwirrten Blick hin setzte er hinzu: «...wenn du Odin nie mehr als meinen Vater bezeichnest! Schliesslich wissen wir beide, dass er das nicht ist.» Correleaus wollte etwas erwidern, schwieg dann aber. Loki hatte Recht, wie er nur zu gut wusste. Odin war ihm kein Vater gewesen... niemals. Jedenfalls kein richtiger. Und auch wenn er wusste, dass der König seinen Adoptivsohn liebte – wenn auch auf seine eigene, ziemlich verdrehte Weise – war ihm klar, dass Loki auf diesem Ohr taub war. Zumindest im Moment. Denn jetzt war er soeben ein weiteres Mal von ihm geradezu verraten worden... Allerdings irrte sich Correleaus in der Annahme, dass dies Loki etwas ausmachte. Das tat es nicht – es war ihm von Herzen egal, dass Odin offenbar Bescheid gewusst und dennoch geschwiegen hatte. Mit seinem sogenannten ‘Vater’ hatte er schon längst abgeschlossen! In der Hinsicht konnte ihn nichts mehr überraschen... Und somit auch nichts mehr verletzen. Ausserdem: wenn er damals nach Ruhm und Ehre gestrebt hätte, hätte er selbst dafür gesorgt, dass alle erfuhren, wer dem Schwarzen Element wirklich den Garaus gemacht hatte! Doch dies war nicht seine Absicht gewesen, denn das hätte gleichzeitig bedeutet gehabt, dass alle erfuhren, wie mächtig Loki im Grunde genommen war – etwas, das er um jeden Preis hatte verhindern wollen. Nur eine Frage musste noch geklärt werden. «Warum ist es Odins Schuld, dass der Zauber, der das Schwarze Element fernhielt, gebrochen wurde?» Er ahnte es zwar bereits, aber er war wichtig, es genau zu wissen. «Weil der Schutz bestehen blieb solange Odin sich darüber im Klaren war, dass er das Böse nicht alleine besiegt hatte. Doch als sein hartnäckiges und Jahrhunderte andauerndes Leugnen über deine entscheidende Rolle in diesem Kampf irgendwann dazu führte, dass er anfing zu glauben, er habe alles alleine, aus eigener Kraft, zustande gebracht, fing der Schutzzauber zu bröckeln an. Odin hatte ihn wie schon gesagt an sein eigenes Bewusstsein sowie an das deine gekettet... und nun war ausgerechnet er derjenige, der in seinem Stolz und seiner Überheblichkeit vergessen hatte, wie hoch der Preis dafür sein konnte.» Correleaus Augen glühten finster. «Allein dafür gehört er abgesetzt, das kannst du mir glauben. Und er ist gleich doppelt schuld an unserem Unglück: hätte er nicht seit über einem Jahr deine magischen Kräfte versiegelt, hättest zumindest du die Gefahr längst wahrnehmen und uns warnen können.» Loki erwiderte nichts darauf. Er konnte sich noch gut erinnern, wie kompliziert der Zauber, der Asgard vor einem weiteren Überfall des Schwarzen Elements hatte schützen sollen, gewesen war. Und als er selbst seinen Teil geleistet hatte, hatte Odin darauf bestanden, noch eine zusätzliche Sicherheit einzubauen. Der Bewusstseinszauber... Odin hatte ihm nicht verraten, worin dieser zusätzliche Schutz bestand und Loki, der damals noch zu seinem ‘Vater’ aufgesehen hatte, hatte nicht gefragt. Zumal er es in der Gestalt Mandrions auch nie hätte wagen dürfen, dem König solche Fragen zu stellen... Doch nun war alles klar: der Bewusstseinszauber, den der Allvater offenbar gewirkt hatte, hielt den Schutz aufrecht, solange sich alle darin Eingeschlossenen ihrer eigenen Rolle bei der Beseitigung der Gefahr vollends bewusst waren - und der aller anderen. In diesem Fall konnte der Zauber also nur stark bleiben, solange Odin und er selbst sich an alles genauso erinnerten, wie es gewesen war. Oder sich erinnern wollten... Der Zauber galt als einer der zuverlässigsten und stärksten, denn sogar wenn einer der Beteiligten starb, blieb er trotzdem weiterhin bestehen. So konnte ihn eigentlich nichts überwinden oder ausser Kraft setzen. Mit Ausnahme des Vergessens... Wenn einer der Beteiligten vergass – oder leugnete – dass er selbst oder der andere seinen Teil geleistet hatte, war es möglich, dass der Zauber zerbröckelte. Nur: davon brauchte man im Normalfall ja nicht auszugehen. Im Normalfall... Beinahe hätte Loki laut gelacht. Ironie des Schicksals: Odin verabscheute ihn also so sehr, dass er letzten Endes damit dem Verderben Tür und Tor geöffnet hatte... Hoffentlich lebte er lange genug, damit er ihm das noch unter die Nase reiben konnte. Obwohl... ...er sich nicht ganz sicher war, dass der Allvater diese Mühe überhaupt wert war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)