Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 30: Schmerz und Rückzug ------------------------------- Schmerz. So allumfassend und unerträglich. Alles bestand nur noch aus Schmerz. Grässlichem, nie dagewesenem Schmerz. ES schrie. So laut wie ES noch nie geschrien hatte. SEIN ganzes Selbst schien in Flammen zu stehen. Aber es waren kalte Flammen, die ES verbrannten. ES wusste bald mit erschreckender Klarheit um die Sinnlosigkeit des Kampfes, um die Aussichtslosigkeit des Sich-Wehrens gegen einen viel zu starken Feind. Trotzdem kämpfte ES mit allem, was es zu bieten hatte. Liess den starken Körper, in dem ES Teile von sich zurückgelassen hatte, mit aller Kraft gegen die Fesseln antreten. Vergeblich! Die Fesseln waren nicht aus Metall. Sie waren noch nicht einmal sichtbar. Das realisierte ES jetzt langsam. Nichtsdestotrotz waren sie vorhanden. Und stark. Viel zu stark um sie zu durchbrechen. Aber wie konnte das sein? Das war IHM noch nie passiert! ES war das mächtigste Wesen auf diesem lächerlichen Planeten hier, ES konnte unmöglich den Kürzeren ziehen in diesem Kampf. Auch dann nicht, wenn ES nicht vollständig vorhanden war. ES war auch in seinen Einzelteilen viel stärker als alle Asgardianer. Mit Ausnahme von einem... Aber das war schlicht unmöglich. Er besass seine Kräfte nicht mehr. Er war ein ebenso hilfloses Opfer wie alle anderen hier. Oder zumindest beinahe... Trotzdem: der Magier konnte es nicht sein. UNMÖGLICH! Und doch erkannte ES auf einmal mit allen Sinnen die ihm noch geblieben waren, dass magische Ketten den Wirtskörper festhielten. Und dass es Magie war, die sich daran machte, ES daraus zu vertreiben. Ja, mehr noch: ES zu eliminieren. Doch er..? Aber wie? Und seit wann? ES hatte keine Augen und Ohren in seinem willenlosen Werkzeug, das der blonde Narr für ES darstellte. Das wenige SELBST, das ES in allen Besessenen zurückliess, reichte gerade aus, um ES im Notfall zu alarmieren. Und um die Sklaven bei der Stange zu halten, natürlich... Aber nun wusste ES auf einmal mit tödlicher Klarheit, dass ES einen grossen Fehler begangen hatte. ES hatte dem falschen Wirt den Vorzug gegeben. Thor, nicht Odin, hätte es im Auge behalten sollen! Ein neuer Schrei durchriss die endlosen Tiefen, in dem ES hauste. Schmerz. Noch mehr Schmerz. Und dann fühlte ES auf einmal Teile seiner Seele zersplittern wie Glas. Spürte die tiefe Verzweiflung kurz vor dem Ende. Neuer Schmerz. Schrecklicher als jeder zuvor. Und kälter. Danach... Nichts mehr. Ausser einem gähnend tiefen Loch in SEINER körperlosen Hülle. Ein Teil von IHM war tot. «Nicht anfassen!» rief Loki, als Runya zu ihm eilte und ihm instinktiv die Hand hinstreckte, um ihm aufzuhelfen. Sie stutzte einen Moment verwirrt, machte dann aber keine Anstalten, innezuhalten. «NICHT ANFASSEN.» wiederholte Loki und wich zurück. Langsam zog er sich an der Wand in seinem Rücken hoch. «Sie werden sich sonst verbrennen.» Runya begriff nicht. «Ich bin im Moment eiskalt. Zu kalt.» Lokis Stimme zitterte von der Anstrengung, die hinter ihm lag. Und vor dem Abscheu, der ihn jedes Mal überfiel, wenn er seine eigentliche Gestalt annehmen musste. Es war nicht zu ändern gewesen, aber dennoch... Er zog die Schultern hoch und wandte den Kopf ab. «Extreme Kälte verursacht Verbrennungen auf Ihrer Haut. Ich bin ein...» «Frostriese.» half sie ihm weiter, als er mitten im Satz abbrach. Er gab keine Antwort, aber es war sehr offensichtlich, dass er sich gerade wünschte, unsichtbar zu sein. Runya trat einen Schritt näher, machte aber keinen Versuch mehr, ihn zu berühren. «Mag sein dass ich dich im Moment nicht anfassen darf,» sagte sie mit einem leisen, geradezu verschmitzten Lächeln, «Aber anschauen wird ja nicht verboten sein. Zumal ich mag, was ich sehe.» Ihr Herz klopfte noch immer wie wild, allerdings aus einem anderen Grund als noch vorhin. Sie war eigentlich normalerweise nicht der Typ Frau, der so offen vorpreschte. Allerdings waren ihr die Worte beinahe von selbst über die Lippen gekommen. Und sie meinte sie von Herzen ernst. Loki hingegen schien ihr kein Wort zu glauben. Er lachte kurz und spöttisch auf und erwiderte dann nur: «In etwa zehn Minuten bin ich wieder normal. Bis dahin... kümmern Sie sich am besten um Thor.» «Ach, dem geht's gut.» Nicht, dass sie das so genau wusste, denn nachdem er verwirrt aus seinem Zustand erwacht war, hatte Runya ihm in einen Stuhl im angrenzenden Zimmer geholfen – wo er noch immer bewegungslos sass. Zumindest ging sie davon aus. Leise fügte sie hinzu: «Schade.» «Schade was?» Loki drehte sich endlich zu ihr um, sah sie aber immer noch nicht an. «Dass du dich so schnell zurück verwandelst. Ich mag dein Aussehen, wie es jetzt ist.» Schon wieder ein ungewohnt mutiger Satz von ihr. Aber bei allen Feldgeistern Vanaheims, was solls? Sie hatte in der letzten Zeit genug erlebt, um mutig zu sein! Jetzt blickte er ihr doch direkt ins Gesicht. In seinen Augen lag ein Gemisch aus Unglauben, Spott und – Runya war sich nicht ganz sicher – Schmerz? Doch der Moment ging so schnell vorüber wie er gekommen war und Loki meinte nur: «Ich seh wohl besser selbst mal nach ihm.» Sie schaute ihm nach, als er aus dem Raum ging. Und nahm sich fest vor, ihm klar zu machen, dass sie das vorhin ernst gemeint hatte. Dass sie ihn attraktiv fand, egal in welcher Form. Dass sie ihn weitaus mehr als nur attraktiv fand... Ihr Herz tat einen Sprung, als der Gedanke sie wie ein Blitz traf. Die ganze Zeit über hatte sie es nicht bemerkt... Oder nicht bemerken wollen? Dabei hatte sie es doch schon von Anfang an gespürt, vom ersten Moment ihrer Begegnung an. Schon der erste Blick aus seinen wunderschönen Augen hatte sie bis ins Mark getroffen. Genauso wie der Blick aus seinen Augen vorhin – die sie in ihrem tiefen Rot-Orange genauso faszinierend fand wie in ihrer grün-blauen Farbe. Nein, es liess sich nicht länger leugnen. Sie hatte sich in den Prinz von Asgard verliebt. Genau, wie es sich ihre Eltern für sie erhofft hatten. Dummerweise... Dummerweise war es nicht so ganz der Prinz, den sie dabei im Sinne gehabt hatten. Odin stoppte mitten in der Bewegung. Sein ganzer Körper begann auf einmal zu zittern und die Hand, die Gungnir bereits ausgestreckt bereit hielt, um diesem Abschaum von einem missratenen Sohn gebührend entgegenzutreten, schien auf einmal zu brennen. Mit einem lauten Schrei liess er den Stab fallen. Zum zweiten Mal an diesem Tag. Im nächsten Moment fühlte Odin, wie sich etwas aus seinem Inneren zurückzog. Auf einmal durchflutete ihn eine nie gekannte Leichtigkeit, eine grenzenlose Erleichterung. Und eine seltsame Leere. Ihn schwindelte und er schaffte es gerade noch, sich an der Mauer abzustützen. Andernfalls wäre er wie ein Stein zu Boden gegangen. So verharrte er rund zehn Minuten, unfähig, sich zu bewegen. Und unfähig, zu denken. Sein Kopf war leer, sein Gehirn nichts weiter als eine klumpige Masse in seinem Schädel. Als er sich schliesslich wieder rühren konnte, hob er langsam und unsicher das Gesicht. Er brauchte einen Augenblick bis er begriff, wo er war. Doch warum war er hier? Und weshalb lag Gungnir zu seinen Füssen? Doch vor allem: weshalb stand er vor einem der wenigen Gefängnisräume in seinem geheimen Versteck? Odin begriff nicht, was hier vorging. Er wusste ebenso wenig wie er hergekommen war noch aus welchem Grund er seine Felsenfestung aufgesucht hatte. Sowas tat er nur, wenn es unbedingt erforderlich war – wenn Gefahr drohte oder Feinde Asgards an einem Ort verwahrt werden mussten, aus dem sie mit Sicherheit nicht entfliehen konnten. Aber er konnte sich nicht erinnern, dass es einen solchen oder ähnlichen Auslöser für sein Hiersein gegeben hatte. Was bei allen Göttern des Universum tat er dann hier? Und warum spürte er diese seltsame, erschreckend dumpfe Panik in seinem Herzen? Etwas Wichtiges war im Gange, etwas Unheimliches. Und jemand war in Gefahr, in grosser Gefahr! Jemand, den er liebte. Aber wer? Und warum? Mit einem lauten Stöhnen wandte Odin sich um und machte sich auf den Weg zurück zum Palast. Die Antworten auf all diese Fragen würde er mit Sicherheit nicht hier bekommen. Aber jemand aus seinem Gefolge – Thor am wahrscheinlichsten – würde ihn ins Bild setzen können. Mit diesem Gedanken versuchte er sich zu beruhigen. Keine Panik, alles kommt in Ordnung. Was auch immer diesen merkwürdigen Gedächtnisverlust ausgelöst haben mag: sobald du im Palast bist, wirst du wieder wissen, was los ist. Da, beim Ausgang, stand ein Fluggleiter. Natürlich. Odin bestieg ihn und gab die Koordinaten ein. Sein Palast... Selten hatte er sich so sehr danach gesehnt, schnellstmöglich da hin zu kommen. Doch er sollte ihn nicht erreichen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)