Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz von uk ================================================================================ Kapitel 26: Odins Geheimversteck -------------------------------- Wo war Loki? Runya merkte, wie Panik in ihr aufsteigen wollte. Sie hatte eine düstere Ahnung, aber sie wagte nicht, diese auszusprechen. Es war Thor, der sie anschaute und sagte: «Zu den Kerkern. Hilf... mir!» Das Sprechen schien ihn inzwischen genauso anzustrengen wie das Gehen. Zum ersten Mal nahm ihm Runya seine kurz angebundene Art nicht übel. Aber ihre Panik steigerte sich. Thor hatte also das gleiche gedacht wie sie: Odin hatte seinen Sohn in die Kerker geschleppt. Und was das bedeutete, war klar. Sie kamen noch langsamer vorwärts als vorhin. Runya versuchte, den kraftlosen Donnergott nicht allzu sehr zu drängen. Aber sie hielt es kaum noch aus und wünschte sich deshalb fast den alten Kraftprotz zurück. Nur wäre Thor dann kaum ein Verbündeter, sondern eher ein Gegner... Er hatte ihr auf dem Weg zur Bibliothek anvertraut, dass die Schwäche zwar höchst unerwünscht kam, dass sie aber eigentlich ein gutes Zeichen darstellte. «Solange ich mich... elend fühle,» hatte er erklärt, «...weiss ich immerhin... wer ich bin.» Sie sollte also wohl dankbar dafür sein, dass es ihm nicht gut ging. Sie hatten gerade das Ende der geheimen Gänge im Palast erreicht, als vor ihnen plötzlich ein alter Mann auftauchte. Correleaus! Runya fühlte sich augenblicklich erleichtert. Wenn er hier war, würde vielleicht doch noch alles gut werden. Irgendwie. Correleaus schaute dem seltsamen Paar ruhig entgegen. Seine Augen blieben schliesslich forschend auf Thor ruhen, als die zwei heran waren. Er schien unschlüssig, was er sagen sollte. Runya, die ahnte weshalb, kam ihm deshalb zuvor. «Wir suchen Loki!» stiess sie hastig heraus. «Odin hat ihn und mich erwischt, wie wir in eine geheime Bibliothek eingedrungen sind. Wir fürchten, er hat ihn in die Kerker geschleppt.» Correleaus Blick huschte zwischen ihr und Thor hin und her. Auch ihm fiel der veränderte Zustand des Donnergottes sofort auf. Und als Thor schliesslich wieder Runyas kleinen Taschenspiegel zückte und lange hinein starrte, begriff er sofort. «Loki ist nicht in den Kellergeschossen des Palastes.» sagte der Alte eindringlich. «Aber ich weiss, wo Odin ihn hingeschleppt hat.» «Führ uns... hin.» befahl Thor. Der Alte zögerte noch immer und erst als Runya ihm bekräftigend zunickte, setzte er sich in Bewegung. «Wir brauchen einen Fluggleiter.» sagte er nach einem kurzen Blick auf Thor. «Sie sehen nicht so aus als ob sie fliegen könnten, mein Prinz.» Fliegen? Im ersten Moment begriff Runya nicht, doch dann dämmerte es ihr: dank seines Hammers Mjölnir war Thor tatsächlich in der Lage, durch die Lüfte zu sausen. Normalerweise. Aber Correleaus schätzte die Lage richtig ein: im Moment fehlte ihm dafür die Kraft. Zumal er ja auch noch sie hätte tragen müssen. Der Alte hatte zufällig mitbekommen, wie Runya in heller Aufruhr aus dem verborgenen Trakt des Palastes gerannt war. Überrascht und verwirrt hatte er ihr eigentlich zunächst folgen wollen, doch etwas hatte ihn zurückgehalten. Als schliesslich wenige Minuten später Odin mit Loki auftauchte, wusste er, dass sein magischer Instinkt ihn an Ort und Stelle festgehalten hatte. Loki war gefesselt und geknebelt gewesen und der Allvater hatte ihn zu einem Raum mit angrenzender Terrasse dirigiert. Als er seinen Stab gehoben und einen Fluggleiter damit gerufen hatte, hatte Correleaus bereits zu ahnen begonnen, wo er seinen Sohn hinbringen wollte. Als er den beiden dann gefolgt war – verhüllt in seiner zweiten Gestalt als Rabe – war ihm definitiv klar geworden, dass seine erste Vermutung stimmte: Odin schleppte seinen Sohn tatsächlich an den Ort, der Asgards bestgehütetes Geheimnis war. Der Alte hätte zwar zu gerne von Runya erfahren, was sie und Loki in der geheimen Bibliothek gesucht hatten, doch in Thors Gegenwart wagte er es nicht. Er selbst wusste nur dank Loki, dass es diese Bibliothek überhaupt gab. Es war sicher besser, wenn er das nicht ausgerechnet vor Thor offenbarte – also schluckte er jegliche Fragen hinunter. Ausserdem gab es jetzt weitaus Wichtigeres: genauso wie Runya machte er sich grösste Sorgen um Loki! Thor war zwar eine Last, weil sie seinetwegen nur schleppend vorwärts kamen, doch als sie schliesslich zur Halle mit den Fluggleitern gelangten, stellte er dann doch eine grosse Hilfe dar. Auf seinen Befehl hin überliess ihnen der diensthabende Einherjar nämlich sofort einen Gleiter, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Correleaus wusste: wäre er mit Runya allein gewesen, hätte er eine sehr gute Erklärung liefern müssen, warum er ein Fluggerät beanspruchte. Zum ersten Mal in seinem langen Leben war er dankbar für Thors Anwesenheit. Der blonde Donnergott liess sich sofort erschöpft in den Sitz fallen, sobald sich die Tür des Gleiters hinter ihnen schloss. Er zitterte am ganzen Körper und holte wieder den Spiegel heraus. «Beeil dich.» sagte er leise zu Correleaus. «Ich weiss nicht... wie lange ich noch durchhalte.» Runya wusste nicht, ob er damit seine Schwäche oder seinen momentanen Wachzustand meinte. Vermutlich beides. Sekundenlang stieg heisse Angst in ihr hoch. Was, wenn Thor ausgerechnet in dem Augenblick, in dem sie Loki fanden, wieder von seiner Besessenheit übermannt wurde? Correleaus, der ahnte, was sie dachte, legte ihr beruhigend seine kräftige Hand auf den Arm. «Keine Sorge, Prinzessin: solange er den Spiegel benutzt, bleibt er bei sich.» Zumindest hoffte er es – doch das sagte er nicht laut. Die junge Frau wurde auch so vor Sorge schon beinahe verrückt. «Warum ist das so?» fragte sie leise. «Das mit dem Spiegel, meine ich.» Der Alte schüttelte den Kopf. «Ich kann es nicht genau sagen. Das einzige, was ich weiss, ist, dass es manchen Besessenen hilft, ihr eigenes Spiegelbild zu sehen. Sie erkennen auf diese Weise ihr wahres Selbst und schaffen es darum manchmal, die dunkle Macht, die sie umklammert hält, für eine gewisse Zeitspanne abzuschütteln.» «Für wie lange genau?» Runya wagte kaum zu fragen. Der Greis warf einen besorgten Blick auf Thor und wollte statt einer Antwort wissen, seit wann sich der Donnergott schon in diesem 'wachen' Zustand befand. Runya konnte ihm daraufhin nur sagen, wie viel Zeit vergangen war, seit sie ihn in Friggas Räumen gefunden hatte. Doch wie lange er davor schon wieder bei sich gewesen war, das wusste sie nicht. Die Antwort liess den alten Mann erschrocken zusammenzucken. «Wir müssen uns wirklich beeilen.» murmelte er. Innerlich fluchte er. Er hatte gehofft, es wäre weniger Zeit vergangen, seit Thor aus seiner Besessenheit gerissen worden war. Der einzige Grund, warum er sich immer noch halten konnte, musste in seiner unglaublichen Kraft liegen. Jeder andere, das wusste Correleaus, wäre schon längst wieder von der Dunkelheit überwältigt worden. Spiegelbild hin oder her. Er flog die beiden zu einer Gebirgskette in der Nähe der grossen Hauptstadt. Oft schon hatte Runya dieses wunderschöne Bergmassiv mit seinen majestätischen Gipfeln von ihrem Balkon aus bewundert. Nun erfuhr sie zu ihrem Entsetzen, dass Odin hier eine geheime Basis hatte. Und ein geheimes Gefängnis. «Ich setze euch vor dem Eingang ab,» sagte Correleaus. «Ab da seid ihr auf euch allein gestellt. Wenn Odin mich sieht, tötet er mich.» «Hab keine.... Angst, alter Mann.» erwiderte Thor keuchend. «Sobald wir da... sind, brauchen wir deine... Dienste nicht mehr.» Runya war davon zwar alles andere als überzeugt, doch sie schwieg. Dies war nicht der Moment, Thor in irgendeiner Weise zu widersprechen. Sie musste alles tun, damit er nicht wieder von dem, was ihn gefangen hielt, überwältigt wurde. Wenn es sein musste, würde sie ihm sogar solange nach dem Mund reden, wie es nötig war. Hauptsache, er rettete Loki! Auch Thor hoffte darauf, den Bruder retten zu können. Und genauso wie Runya fürchtete er sich unendlich davor, dass er nicht lange genug gegen die Kräfte, die ihn wieder zu überwältigen drohten, ankämpfen konnte. Doch das war nicht alles. Der blonde Donnergott schwankte noch zwischen einer weiteren Hoffnung – und einer weiteren Angst! – hin und her... ...der Hoffnung, dass Loki auch ihn retten konnte. Und der Angst, dass er es vielleicht nicht wollen würde! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)